L 2 AS 416/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 9 AS 1488/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 416/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein im Klageverfahren gegen die vorläufige Bewilligung erlassener endgültiger Festsetzungs- und Erstattungsbescheid nach § 41a Abs 3, Abs 6 Satz 3 SGB II wird gem § 96 SGG insgesamt Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Insoweit gilt nichts anderes als beim verbundenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid (vgl BSG, Urt v 3. September 2020, B 14 AS 55/19 R, juris RN 10 ff). 2. Die Berücksichtigung von Zahlungen für Kindesunterhalt als Abzugsposten beim Einkommen (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II) erfordert einen titulierten Anspruch, dies gilt auch wenn das Kind im Ausland lebt.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer endgültigen Festsetzung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II) für den Zeitraum Januar bis Juni 2018 und die sich daraus ergebende Erstattung von Leistungen.

Die am ... 1984 geborene Klägerin zu 1. ist nigerianische Staatsangehörige und lebte mit ihrer Tochter C. S., geboren am ... 2015, die deutsche Staatsangehörige ist (Klägerin zu 3.), und dem am ... 2016 geborenen K. E., der nigerianische Staatsangehörige ist (Kläger zu 4.), zusammen in einer Wohnung in der R.Straße 10 in H.. Sie bezogen Leistungen vom Beklagten. Am 10. März 2017 zog der Vater des Klägers zu 4. (der Kläger zu 2.) mit in die Wohnung ein. Die Klägerin zu 1. nahm am 4. September 2017 eine Beschäftigung mit einem Umfang von 35 Wochenstunden bei der Firma R. auf. Eine zunächst erfolgte Bewilligung von Leistungen auch für den Monat Januar 2018 hob der Beklagte bestandskräftig wieder auf (Aufhebungsbescheid vom 20. September 2017).

Die Klägerin zu 1. verfügte über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 2 S. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aus familiären Gründen, dieser Aufenthaltstitel wurde am 21. November 2017 bis zum 20. November 2020 verlängert. Der Klägerin zu 1. war die Ausübung der Erwerbstätigkeit gestattet. Der Kläger zu 2. verfügte über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft bzw. über eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG. Bis März 2017 erhielt der Kläger zu 2. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), danach endeten diese, weil die Entscheidung über die Aussetzung seiner Abschiebung bereits mehr als 18 Monate zurücklag (Bescheid des Landkreises Anhalt-B. vom 10. März 2017). Am 17. Mai 2018 wurde seine Aufenthaltserlaubnis um weitere 6 Monate verlängert (§ 25 Abs. 5 AufenthG). Der Kläger zu 4. erhielt vom Ausländeramt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 34 AufenthG für den streitigen Zeitraum (Bescheinigung vom 21. November 2017).

Am 12. Dezember 2017 stellten die Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung ihrer Leistungen bei dem Beklagten. Hierbei gaben sie an, dass sie für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) 390 € monatlich zahlten. Die Klägerin zu 1. erziele ein Erwerbseinkommen in unterschiedlicher Höhe. Für die Kläger zu 3. den Kläger zu 4. werde Kindergeld gezahlt, dieses betrug im Jahr 2018 jeweils 194 € monatlich. Die Klägerin zu 3. erhielt einen Unterhaltsvorschuss/Unterhalt i.H.v. 154 € monatlich gezahlt. Zum 1. Juni 2018 erhöhten sich die KdUH auf 409,94 €.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2017 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. Mai 2018 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1., 2. und 4. vorläufig Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2018 (für Januar bis Mai 2018 für die Kläger zu 1. und 2. jeweils i.H.v. 156,66 € und für den Kläger zu 4. i.H.v. 47,68 € und für Juni 2018 für die Kläger zu 1. und 2. jeweils i.H.v. 164,80 € und für den Kläger zu 4. i.H.v. 51,36 €). Die Kläger legten gegen die Bewilligung Widerspruch ein, weil eine Unterhaltsleistung i.H.v. ca. 150 € monatlich, die die Klägerin zu 1. an ihren damals noch in Nigeria lebenden Sohn H. U. (geboren am 18. April 2012) zahlte, nicht berücksichtigt worden sei. Der Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2018 zurück. Bei der Angabe der geleisteten Unterhaltszahlung handele es sich nur um eine ungefähre Höhe, außerdem fehle eine Titulierung der Unterhaltspflicht.

Hiergegen haben die Kläger am 22. Mai 2018 Klage vor dem Sozialgericht (SG) H. erhoben. Aufgrund ihrer sittlichen Verpflichtung unterhalte die Klägerin zu 1. das damals in Nigeria lebende Kind. Hierzu wende sie monatliche Beträge i.H.v. 150 €-250 € auf, um das bei ihrer eigenen Mutter (der als Zeugin benannten Frau M. M. O.) lebende Kind zu unterstützen und zu finanzieren. Dies könne die Zeugin bestätigen. Die Klägerin zu 1. habe fremden Landsleuten, welche sie in H. (S.) getroffen habe bzw. die ihr vermittelt wurden, Geld für den Sohn mitgegeben, welches dann tatsächlich in Nigeria ihre Mutter durch persönliche Übergabe in bar erreicht habe. Die vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Standards zur Titulierung von Kindesunterhalt könnten in Ländern wie Nigeria nicht gelten. Unter Beweis hat sie die Übergabe von 250 € am 15. Dezember 2017 an den Zeugen F. N. gestellt.

Mit Bescheid vom 27. August 2018 hat der Beklagte den Klägern endgültig Leistungen für Januar bis Juni 2018 bewilligt. Für Januar bis Mai 2018 bewilligte er den Klägern zu 1. und 2. monatlich Leistungen i.H.v. jeweils 147,74 € und für Juni i.H.v. 155,91 € und dem Kläger zu 4. solche i.H.v. 44,96 € monatlich bzw. für Juni 2018 i.H.v. 48,59 €. Daneben versandte er Anlagen zu diesem endgültigen Bewilligungsbescheid mit einer Erstattungspflicht für die Klägerin zu 1. in Höhe von 53,49 € (5 x 8,92 € + 8,89 €) und für den Kläger zu 4. in Höhe von 16,37 € (5 x 2,72 € + 2,77 €). In einer gesonderten an den Kläger zu 2. adressierten Anlage forderte sie von ihm ebenfalls die monatlich aufgeschlüsselte Erstattung von 53,49 €.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2021 abgewiesen. Unabhängig von dem fehlenden Nachweis der konkreten Unterhaltszahlungen im streitigen Zeitraum seien diese mangels Titulierung nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. Juni 2021 zugestellte Urteil hat dieser für die Kläger am 22. Juli 2021 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen Anhalt eingelegt und für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Es sei klärungsbedürftig, ob ein Unterhaltstitel, welcher in Drittstaaten nicht ohne weiteres herbeizuführen sei, dennoch bei Zahlungen an Unterhaltsberechtigte zu fordern sei, um Unterhaltszahlungen des Unterhaltsverpflichteten einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts vom 26. April 2021, AZ: S 9 AS 1488/18 und den Bescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2018 in der Fassung des endgültigen Bescheides vom 27. August 2018 abzuändern und im streitigen Zeitraum Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte hat sich zur Berufung nicht geäußert und die Verwaltungsakten übersandt.

Mit Schreiben vom 1. März 2022 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss in Betracht komme, wenn der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung des Senates gewesen.

II.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beteiligten sind dazu angehört worden.

Die Berufung ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft, weil der Beschwerdewert 750 € übersteigt. Die Kläger begehren Leistungen für sechs Monate unter Berücksichtigung eines weiteren Abzugs vom Erwerbseinkommen in Höhe von 150 € monatlich und damit um 900 € höhere Leistungen als ihnen bewilligt sind.

Das Urteil des SG H. vom 26. April 2021 und der Bescheid des Beklagten vom 27. August 2018 sind rechtmäßig. Die Kläger müssen die ihnen vorläufig zu viel gezahlten Leistungen zurückzahlen und haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen für den Bewilligungszeitraum Januar bis Juni 2018.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der vorinstanzlichen Entscheidung des SG der Bescheid des Beklagten vom 27. August 2018, durch den der Beklagte abschließend über den Leistungsanspruch der Kläger für den Zeitraum Januar bis Juni 2018 entschieden hat. Die vorangegangene vorläufige Bewilligung einschließlich des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2018 hat sich hierdurch erledigt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Dieser Bescheid ist gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er die bisherige Bewilligung insgesamt ersetzt. Hiervon ist auch der Erstattungsteil des Bescheides umfasst. Auch ein mit einem Aufhebungsbescheid verbundener Erstattungsbescheid wird zum Gegenstand des Klageverfahrens bezüglich der ursprünglichen Leistungsbewilligung (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 55/19 R – juris Rn. 10 ff.). Zwischen der der Bewilligungsentscheidung einer- und der Entscheidung über die Aufhebung und Erstattung andererseits besteht Regelungsidentität i. S. des § 96 SGG, was über einen bloßen Sachzusammenhang hinausgeht (BSG, a.a.O Rn. 15). Dies gilt auch für die Erstattung nach § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II.

Zutreffende Klageart für das Begehren der Kläger ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG). Die Kläger fordern nach ihrem Begehren die endgültige Festsetzung der vorläufig höher bewilligten und gezahlten Leistungen (Verpflichtungsantrag) und darüber hinaus noch weitere Leistungen (Leistungsantrag).

Für die Klage der Klägerin zu 3. fehlt schon das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie auch nach der Anspruchsbegründung der Kläger keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten hat. Die Klägerin zu 3. konnte ihre Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts aus eigenem Einkommen (Unterhalt und Kindergeld) bestreiten. Sie verfügte in diesem Bewilligungszeitraum über monatlich gleichbleibendes Einkommen aus Kindergeld in Höhe von 194 € und Unterhalt/Unterhaltsvorschuss in Höhe von 154 €, also in Höhe von 348 € monatlich, so dass eine Durchschnittsberechnung des Einkommens bei der endgültigen Festsetzung nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. März 2021 anwendbaren alten Fassung (a. F.) keine Rolle spielt. Damit ist der monatliche Gesamtbedarf in Höhe von 337,50 € (240 € Regelbedarf und 97,50 € anteilige Unterkunftskosten) für Januar bis Mai 2018 bzw. 342,49 € (240 € Regelbedarf und 102,49 € anteilige Unterkunftskosten nach der Mieterhöhung) für Juni 2018 gedeckt und sie ist gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft. Hieran ändert das Begehren der Kläger, beim Einkommen der Klägerin zu 1. einen weiteren Abzug von 150 € anzuerkennen (Unterhalt für den Sohn der Klägerin zu 1. in Nigeria), nichts.

Die übrigen Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis Juni 2018 keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen, als ihnen vom Beklagten endgültig bewilligt wurden. Sie sind verpflichtetet, die ihnen gewährten höheren vorläufigen Leistungen zu erstatten.

Diese Kläger sind leistungsberechtigt i. S. der §§ 7 ff. SGB II. Die Kläger zu 1., 2. und 4. sind nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a), b), Nr. 3 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Danach sind von der Leistungsberechtigung ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt und ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG. Die betreffenden Kläger sind nigerianische Staatsangehörige und verfügen über eigenständige Aufenthaltsrechte außerhalb des Zweckes der Arbeitsuche. Die Klägerin zu 1. verfügte über ein Aufenthaltsrecht als Mutter einer minderjährigen Deutschen, der Klägerin zu 3., zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 3 AufenthG. Der Kläger zu 4. hat als minderjähriges Kind in familiärer Lebensgemeinschaft mit einem personensorgeberechtigten Elternteil mit Aufenthaltserlaubnis ein eigenes Aufenthaltsrecht (§ 34 Abs. 1 AufenthG). Der Kläger zu 2. verfügte über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft. Seine Anspruchsberechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG endete, weil die Entscheidung über die Aussetzung seiner Abschiebung bereits mehr als 18 Monate zurücklag (Bescheid des Landkreis Anhalt-B. vom 10. März 2017). Damit endete nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3c AsylbLG die Leistungsberechtigung nach diesem Gesetz. Die Leistungsberechtigung der betreffenden Kläger wird von dem Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.

Die Kläger zu 1. und 2. haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, sie sind erwerbsfähig und hilfebedürftig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger zu 4. lebte als dem Haushalt angehörendes minderjähriges Kind mit seinen Eltern, den Klägern zu 1. und 2., in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II).

Die Kläger zu 1., 2. und 4. haben keinen höheren Leistungsanspruch als von dem Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum Januar bis Juni 2018 endgültig bewilligt.

Der monatliche Regelbedarf der Kläger zu 1. und 2. betrug jeweils 374 €. Hinzu kommt der anteilige Bedarf für KdUH für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von 97,50 € bzw. 102,49 € monatlich.

Die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II der Bedarfsgemeinschaft nur insoweit an, als sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Von dem Sozialgeld-Regelbedarf des Klägers zu 4. in Höhe von 240 € (§ 23 Nr. 1 SGB II in der damaligen Fassung) und seinem kopfteiligen KdUH-Bedarf (bis Mai 2018 in Höhe von 97,50 € und im Juni 2018 nach der Mieterhöhung von 102,49 €) ist noch das Durchschnittseinkommen aus dem für ihn gezahlten Kindergeld in Höhe von 194 € monatlich nach § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II, § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II a. F. in Abzug zu bringen. Mit diesem Bedarf ist er Teil der Bedarfsgemeinschaft. Dieser Bedarf beträgt 143,50 € in den Monaten Januar bis Mai 2018 und 148,49 € im Juni 2018.

Als monatliches Durchschnittseinkommen ist nach § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II a.F. für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. In den Monaten Januar bis Juni 2018 betrug das gesamte laufende Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. 8.241,35 € brutto (geringfügig niedriger als vom Beklagten fehlerhaft errechnet) und das Nettoeinkommen 6.317,78 € (wie auch vom Beklagten zutreffend angesetzt). Hieraus ergaben sich ein durchschnittliches Bruttoeinkommen i.H.v. 1.373,56 € und ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.052,96 €. Bereinigt um 100 € Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II, weitere 180 € Freibetrag nach § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II und 37,36 € Freibetrag nach § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich ein monatlich zu berücksichtigendes Erwerbseinkommen welches nicht höher liegt als vom Beklagten mit 735,56 € angesetzt. Das vom Beklagten zu Unrecht angesetzte höhere Bruttoeinkommen wirkt sich nur mit einem höheren Freibetrag und damit zu Gunsten der Kläger aus.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist kein weiterer Absetzbetrag gem. § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II für Unterhaltsleistungen für das damals in Nigeria lebende Kind H. der Klägerin zu 1 anzuerkennen. Nach dieser Vorschrift sind Aufwendungen zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen. Dies schließt die Absetzbarkeit von Aufwendungen auf nicht titulierte Unterhaltsforderungen schon dem Wortlaut nach aus (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R – juris Rn. 18 m. w. N.). Der Gesetzgeber hat bei der Einfügung dieser Vorschrift in den Katalog der Einkommensabsetzbeträge sich davon leiten lassen, dass Aufwendungen zur Erfüllung titulierter Ansprüche wegen der jederzeitigen Pfändbarkeit in gleicher Weise als nicht „bereites Mittel“ anzusehen sein sollen wie schon gepfändetes Einkommen (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 20). Insoweit bewirkt nach der gesetzlichen Konzeption erst eine formalisierte Rechtsposition des Unterhaltsberechtigten, die ihm ohne streitiges Erkenntnisverfahren den zwangsweisen Zugriff auf das Einkommen der Unterhaltsverpflichteten eröffnet, dass die geleistete Unterhaltsleistung sich einkommensmindernd auswirkt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2017, a. a. O.). Für den Sohn H. besteht ein solcher Unterhaltstitel nicht.

Es ist auch nicht dargelegt oder erkennbar, dass es für die Klägerin zu 1. bzw. ihren Sohn H. unmöglich gewesen war, einen solchen Titel zu erwirken. Ungeachtet der Möglichkeiten, in Nigeria einen solchen Titel zu erwirken oder in dem deutschen Konsulat in Nigeria eine solche Vereinbarung beurkunden zu lassen, hätte die Klägerin zu 1. jedenfalls beim Notar eine einseitige Unterwerfungserklärung (mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung), in der der zu zahlende Unterhalt festgelegt wird, abgeben können. Auch eine solche Erklärung stellt einen Titel dar (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 Zivilprozessordnung – ZPO; vgl. zu einer solchen einseitigen Unterwerfungserklärung vor dem Jugendamt für ein in Deutschland lebendes Kind gem. § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 60 Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) auch: BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 78/10 R – juris Rn. 13).

Zu dem Einkommen der Klägerin zu 1. hinzu kommt das von der Klägerin zu 3. zur Sicherung ihres eigenen Lebensunterhaltes nicht benötigte Kindergeld (§ 11 Abs. 1 S. 5 SGB II), welches der Klägerin zu 1. als Kindergeldberechtigte als Einkommen zuzurechnen ist (sog. „überspringendes Kindergeld“). Dieses beträgt von Januar bis Mai 2018 monatlich 10,50 € und im Juni 2018 5,51 €.

Gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Hieraus ergeben sich keine höheren Einzelansprüche als vom Beklagten errechnet: in den Monaten Januar bis Mai 2018 für die Kläger zu 1. und 3 von jeweils 147,74 € und für den Kläger zu 4. von 44,96 € und im Juni 2018 von 155,91 € jeweils für die Erwachsenen und 48,59 € für den Kläger zu 4.

Danach liegen die monatlichen Einzelansprüche der Kläger zu 1., 2. und 4. niedriger als die Leistungen, die vom Beklagten zuvor vorläufig bewilligt und ausgezahlt wurden. Nach § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II sind diese Überzahlungen zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen. Insoweit kann der Beschluss nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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