L 2 R 1756/23

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 697/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1756/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1963 geborene Kläger absolvierte erfolgreich eine Ausbildung zum Koch und war mit Unterbrechungen bis Januar 2013 in diesem Beruf versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Ausbilder für lernbehinderte Jugendliche und junge Erwachsene. Von Januar 2013 bis 2017 war er als Leiter an der Käsetheke im Lebensmittel-Einzelhandel versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2017 ist er arbeitsunfähig krankgeschrieben. Er bezog von Februar 2017 bis Juli 2018 Krankengeld und ab Juli 2018 Arbeitslosengeld, sodann nochmals Krankengeld und von November 2018 bis Januar 2020 erneut Arbeitslosengeld (Bl. 19 ff., 32 VA). Seit Februar 2020 lebt er von Ersparnissen und dem Einkommen seiner Ehefrau.

Der Kläger leidet seit den 1990er Jahren an Beschwerden im linken Kniegelenk. Er wurde in der Vergangenheit bei bestehender Gonarthrose mehrfach am linken Knie operiert. Im Januar 2017 wurde eine Schlittenprothese eingesetzt, im Juli 2017 eine Arthroskopie durchgeführt und im November 2017 aufgrund der Lockerung der Schlittenprothese der Wechsel in eine Totalendoprothese (TEP) vorgenommen. Der Kläger hat weiterhin belastungsabhängige Beschwerden.

Der Kläger beantragte am 22.05.2019 Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 16, 28 VA).

Nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen holte die Beklagte das Gutachten des M1 vom 09.08.2019 (Bl. 30 ff. VA Med. Teil) ein, der nach Untersuchung des Klägers am 07.08.2019 einen Zustand nach (Z. n.) Knie-TEP-Implantation linkes Kniegelenk mit Funktionseinschränkung und (röntgenologisch nachweisbare) beginnende degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) und beider Hüftgelenke diagnostizierte und ausführte, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen, ohne überwiegendes Stehen, ohne kniende und hockende Arbeitsanteile, ohne Begehen von Leitern und Gerüsten und ohne Einwirkung von Nässe, Kälte und Zugluft noch vollschichtig verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei nicht mehr leidensgerecht. Der Kläger könne - auch nach eigenen Angaben - noch täglich mehrfach Wegstrecken bis zu eineinhalb Stunden am Stück zurücklegen. Eine Indikation für weitere Operationen oder Reha-Maßnahmen bestehe nicht.
Hierauf gestützt lehnte die Beklage den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 11.11.2019 (Bl. 77 ff. VA) ab.

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte das Gutachten des K1 vom 28.09.2020 (Bl. 54 ff. VA Med. Teil) ein, der nach Exploration und Untersuchung des Klägers am selben Tag in seinem Gutachten ausführte, dass der Kläger an Schmerzen im linken Kniegelenk durch Gonarthrose und „erfolglose Operationen“ leide und eine psychogene Überlagerung nicht vorliege. Es liege ein Diabetes mellitus Typ 2 und eine leichte neurologische Störung mit beginnender diabetischer Polyneuropathie sowie eine arterielle Hypertonie vor, die jedoch nicht leistungsrelevant seien. Eine psychiatrische Erkrankung liege nicht vor. Aus neurologischer und psychiatrischer Sicht sei der Kläger sechs Stunden und mehr im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche leistungsfähig.

Weiter holte die Beklagte das Gutachten der Z1 vom 03.11.2020 (Bl. 71 ff. VA Med. Teil) ein, die nach Untersuchung des Klägers am selben Tag eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein Funktions- und Belastungsdefizit des linken Kniegelenkes bei Z. n. multiplen Vor-Operationen und einliegender Knie-TEP links mit vorderem Knieschmerz bei Retropatellararthrose, chronische LWS-Schmerzen bei degenerativen Veränderungen und Belastungs- und Haltungsdefiziten der rumpfstabilisierenden Muskulatur, eine COPD und Adipositas diagnostizierte. Bei dem Kläger bestehe ein komplizierter Verlauf nach multiplen Knie-Operationen. Sowohl die chronischen Schmerzen, die er auf dieser Basis entwickelt habe, als auch die deutliche Funktionseinschränkung mit ganz erheblichem Beugedefizit des operierten Knies würden den Kläger privat und beruflich erheblich einschränken. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen, zeitweise im Stehen, vollschichtig leidensgerecht bei Berücksichtigung folgende qualitativer Einschränkungen: kein schweres Heben oder Tragen, keine Leitern oder Treppen besteigen, keine Nässe oder Kälte, keine langen Zwangshaltungen im Stehen oder langes Gehen, keine Schichtarbeit. Es sollte unabdingbar ein Wechsel zwischen Gehen/Stehen/Sitzen mit vorwiegendem Sitzen möglich sein. Das Nichtarbeiten sei neben den somatischen Ursachen ein (weiterer) schmerzunterhaltender Faktor. Eine regelmäßige Arbeit könne aus schmerztherapeutischer Sicht sogar einen begünstigenden Einfluss auf das Schmerzgeschehen haben.

Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2021 (Bl. 126 ff. VA) zurück.

Der Kläger hat am 02.03.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben.

Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der S1 hat mit Schreiben vom 01.05.2021 (Bl. 33 SG-Akte) mitgeteilt, dass der Kläger dort zuletzt Anfang Dezember 2019 vorstellig gewesen sei und er zu Befunden ab 2020 keine Angaben machen könne.
Die V1 hat mit Schreiben vom 05.05.2021 (Bl. 40 ff. SG-Akte) mitgeteilt, dass der Kläger wegen insulinpflichtigem Diabetes mellitus und Dauerschmerzen im Knie bei ihr vorstellig sei. Der Gesamtzustand des Klägers sei durch eine zunehmende Entwicklung einer depressiven Grundstimmung (zum Teil mittelgradige Depression) geprägt auf der Grundlage der somatischen Beschwerden mit chronischen Dauerschmerzen und der Frustration durch negative Erfahrungen im Medizin- und Behördenwesen. Eine leichte körperliche Tätigkeit könne der Kläger nicht mehr in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich, sondern nur noch in einem Umfang zwischen drei und sechs Stunden in meist sitzender Haltung verrichten.

Dem ist die Beklagte unter Vorlage der ärztlichen Stellungnahme der N1 vom 18.08.2021 (Bl. 66 f. SG-Akte) entgegengetreten.

Das SG hat von Amts wegen das Gutachten des Sachverständigen E1 vom 21.12.2021 (Bl. 77 ff. SG-Akte) eingeholt, der nach körperlicher Untersuchung am 27.10.2021 und der Anfertigung bildgebender Befunde im November 2021 folgende Diagnosen gestellt hat: schmerzhafte Dysfunktion Knie-TEP links (Primärimplantation 2017),
Coccygodynie (Steißbeinschmerz), Coxarthrose beidseits - Stadium 1 bis 2, Osteochondrose L4 bis S1, Schlafapnoe, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Hypothyreose, Z. n. zweimaliger tiefer Venenthrombose linkes Bein, depressive Störung, Adipositas (BMI ca. 30). Infolge der schmerzhaften Dysfunktion der einliegenden OFE (Oberflächenersatzprothese) links bestehe eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit und Belastbarkeit des linken Beines. Hierdurch würden infolge der Valgusfehlstellung, der Instabilität und der eingeschränkten Range of Motion (ROM) die angrenzenden Gelenke (Hüftgelenke und LWS) im Sinne eines aufsteigenden Kettensyndroms negativ beeinflusst. Infolgedessen sei bei dem Kläger die Geh- und Stehfähigkeit sowie die Belastbarkeit deutlich beeinträchtigt. Im Rahmen des chronischen Schmerzes seit 2017 sei zudem noch eine psychische Beeinträchtigung im Rahmen der Chronifizierung hinzugetreten. Grundsätzlich sei es vorstellbar, dass der Kläger trotz der schmerzhaften Dysfunktion der Knieendoprothese links als auch unter Berücksichtigung der Nebenerkrankungen auf orthopädischen Fachgebiet regelmäßig einer leichten körperlichen Erwerbstätigkeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche nachgehe. Allerdings sei auf folgende Einschränkungen zu achten: Ständiges Gehen, Sitzen und Stehen seien auszuschließen, eine wechselnde Tätigkeit sei zu empfehlen; kein Heben und Tragen von Lasten über fünf kg in Vorhalteposition, kein langes Gehen oder Stehen, kein Gehen auf unebenem Gelände, kein Ersteigen von und Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und Dächern, Vermeidung häufiges Treppensteigen, Vermeidung häufiges Bücken, Hocken und Knien bzw. Zwangshaltungen, Vermeidung von Arbeiten unter Vibrationen/Schwingungsbelastungen, keine Außendiensttätigkeit mit häufigem Ein- und Aussteigen, keine Arbeiten unter Zugluft, Nässe oder Kälte, keine Akkordarbeiten, keine Nachtschichten. Eine Gehstrecke auf ebenen Untergrund ohne Steigungen von 500 bis 1000 Meter scheine nach eigenen Angaben des Klägers möglich. Gegen die Verwendung von öffentlichen Verkehrsmittel spreche nichts. Eine wesentliche Verbesserung des Zustandes sei nicht zu erwarten. Grundsätzlich sei bei schmerzhafter Dysfunktion und Nachweis der X-Bein-Fehlstellung, Instabilität sowie der nicht versorgten Kniescheibe eine erneute Revisionsoperation mit Wechsel auf ein Implantat mit höherem Kopplungsgrad und Ersatz der Kniescheibe möglich.

Das SG hat von Amts wegen das Gutachten des Sachverständigen E2, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums F1, vom 22.08.2022 (Bl. 118 ff. SG-Akte) eingeholt. Dieser hat nach Exploration und Untersuchung des Klägers am 22.07.2022 in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet unter einem Schmerzsyndrom leide, das wahrscheinlich orthopädisch begründet sei, und unter einem depressiv-neurasthenischen Syndrom. Letzteres sei gekennzeichnet durch Deprimiertheit, Verlust an Lebensfreude, Erschöpfbarkeit, Antriebs-, Initiativelosigkeit, zumindest subjektiv erlebte Konzentrationsstörungen. Ein Beginn sei nicht sicher festzustellen. Es werde vom Kläger eine Verschlimmerung seit einer Corona-Infektion im Januar 2022 angegeben. Syndromdiagnosen seien noch keine psychiatrischen Diagnosen im eigentlichen Sinn. Sie würden eine Verbindung von Symptomen, keine Krankheitsursachen oder -entitäten beschreiben. Nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO, ICD-10, seien die Kriterien einer depressiven
Episode (am ehesten mittelschwere Episode) erfüllt. Es könne sich bei der Schmerzsymptomatik auch um ein Symptom der depressiven Episode handeln. Es bestehe diagnostisch eine gewisse Unsicherheit, da der Kläger die Symptome beschreibe, die als Covid-Folgen im Sinne eines Long-Covid-Syndroms beschrieben würden. Die Leistungseinbußen seien die gleichen. Die Annahmen zur Ursache, Prognose und Beeinflussbarkeit seien aber verschieden. Sollte es sich um eine depressive Episode handeln, könne aktuell keine solide Leistungseinschätzung erfolgen. Er werde nur mit Citalopram 20 mg behandelt. Es bestünden noch fast alle Möglichkeiten der Depressionsbehandlung. Vor einer Beurteilung langfristiger Leistungseinbußen solle zuerst eine Behandlung erfolgen. Es werde vorgeschlagen, aktuell von einer depressiven Episode oder differentialdiagnostisch von einer organischen affektiven Störung nach Covid-Infektion in Verbindung mit einer ätiologisch nicht sicher geklärten Schmerzsymptomatik auszugehen, aufgrund derer bei noch nicht erfolgter ausreichender Behandlung Arbeitsunfähigkeit bestehe. Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit und dauerhafte Leistungseinschränkung könnten aktuell nicht angenommen werden. Über diese könne erst nach Behandlung und erneuter Diagnostik bzgl. einer evtl. Post-Covid-Symptomatik eine Einschätzung gemacht werden. Bezüglich der Arbeitswege ergäben sich keine Einschränkungen. Bei aktuell nicht ausgeschöpften Therapiemöglichkeiten sei mit einer wesentlichen Besserung zu rechnen.

Das SG hat von Amts wegen das Gutachten des Sachverständigen B1, Chefarzt der S2klinik Neurologie, K2  vom 24.01.2023 (Bl. 138 ff. SG-Akte) eingeholt. Dieser hat nach Exploration und Untersuchung des Klägers am 13.12.2022 auf seinem Fachgebiet eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit chronischem Knieschmerz links, Gesäß-/Steißbein-Schmerzen bei Verschleißerscheinungen der LWS und Hüftschmerzen bei radiologisch nachgewiesener Hüftgelenks-Arthrose Stadium 1 bis 2 beidseits, ein depressives Syndrom, aktuell am ehesten leicht- bis mittelschwerer Ausprägung sowie eine Minderung der Vibrationsempfindung beider Füße, am ehesten durch eine leichte Schädigung der sensiblen Nerven durch den Diabetes, diagnostiziert.
Aufgrund der Gelenkschmerzen des linken Knies bestehe eine Einschränkung von Beweglichkeit und Belastbarkeit des Beines mit Einschränkung von Geh- und Stehfähigkeit. Durch die chronische Schmerzstörung bestehe eine verminderte Stressbelastbarkeit. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen (kein Tragen von Lasten über zehn kg, Arbeitsposition sollte im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen gewährleistet sein, Vermeidung von Zwangshaltungen sowie Drehbewegungen der Wirbelsäule, Vermeidung von Über-Kopf-Arbeiten und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, von Arbeiten in Kälte, wechselndem Wärmeeinfluss oder Zuglufteinfluss, keine Arbeitsumgebung mit nassem oder unebenem Untergrund, wie beispielsweise im Freien, keine Nachtarbeit oder Arbeit an laufenden Maschinen, keine Akkord- und Fließbandarbeit, keine Arbeiten mit vermehrter nervlicher Belastung) in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verrichten. Ein Weg zur Arbeitsstelle von 500 Meter könne mindestens vier Mal pro Tag in einer Zeit von unter 20 Minuten ohne Hilfsmittel zurückgelegt werden. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmitteln sei dem Kläger ebenfalls zumutbar. Als Therapieverfahren sei bislang eine RehaBehandlung mit „gutem Effekt" in 2020 durchgeführt worden, danach eine „unimodale" Schmerztherapie und eine antidepressive Medikation durch die Hausärztin. Die leitliniengerechte Behandlung einer chronischen Schmerzstörung bestehend aus einer multimodalen Therapie in Kombination von medizinischen, physio- und psychotherapeutischen Verfahren sei seit 2017 nicht durchgeführt worden. Günstig sei eine regelmäßige körperliche Aktivierung. Beim Kläger sei aktuell jedoch kein konsistentes Konzept für die Schmerzstörung und ebenso keine Bereitschaft für alternative Berufsfelder erkennbar. In absehbarer Zeit, innerhalb eines Jahres, sei eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers zu erwarten, wenn eine entsprechende multimodale Schmerztherapie und eine psychotherapeutische/medikamentöse Behandlung der Depression durchgeführt würden. Es handele sich bei der Schmerzstörung um eine chronische Erkrankung mit einem fluktuierenden Verlauf.

Mit Urteil vom 20.04.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe. Er sei vielmehr nach Überzeugung des Gerichts trotz seiner gesundheitlichen
Einschränkungen in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei bestimmten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Diese Überzeugung stütze das Gericht auf die zutreffenden Gutachten des E1 des E2 sowie des B1. Soweit behandelnde Ärzte der Auffassung seien, das quantitative Leistungsvermögen des Klägers sei auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt, vermöge das Gericht dem nicht zu folgen.
Bei dem Kläger bestünden zwar auf neurologisch-orthopädischem Gebiet Gesundheitsstörungen. E1 habe im Wesentlichen eine schmerzhafte Dysfunktion Knie-TEP links (Primärimplantation 2017), Coccygodynie, Coxarthrose beidseits (Stadium 1 bis 2), Osteochondrose L4 bis S1, Schlafapnoe, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Hypothyreose, Z. n. zweimaliger tiefer Venenthrombose linkes Bein, depressive Störung sowie Adipositas bei BMI ca. 30 diagnostiziert. B1 habe die Diagnosen um chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD10: F45.41), chronischer Knieschmerz links, Gesäß-/Steißbein-Schmerzen bei Verschleißerscheinungen der LWS, Hüftschmerzen bei radiologisch nachgewiesener Hüftgelenks-Arthrose Stadium 1 bis 2 beidseits, depressives Syndrom aktuell am ehesten leicht- bis mittelschwerer Ausprägung, Minderung der Vibrationsempfindung beider Füße am ehesten durch eine leichte Schädigung der sensiblen Nerven durch den Diabetes ergänzt. Beide Sachverständige seien zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger aufgrund der Gelenkschmerzen des linken Knies eine Einschränkung von Beweglichkeit und Belastbarkeit des Beines mit Einschränkung von Geh- und Stehfähigkeit erfahre. Durch die chronische Schmerzstörung bestehe überdies eine verminderte Stressbelastbarkeit. Diese Diagnosen erschienen dem Gericht zutreffend, da sie im Wesentlichen mit den Angaben in den übrigen zur Gerichts- und zur Verwaltungsakte gelangten medizinischen Unterlagen übereinstimmten. Die Sachverständigen E1 und B1 seien zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich einer Tätigkeit nachgehen könne. Es seien lediglich qualitative Anpassungen hinsichtlich der dem Kläger möglichen Tätigkeiten vorzunehmen. Auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte körperliche Tätigkeiten, wie Tragen von Lasten unter 10 kg möglich. Die Arbeitsposition sollte im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen gewährleistet sein und unter Vermeidung von Zwangshaltungen sowie Drehbewegungen der Wirbelsäule. Über-Kopf-Arbeiten sollten vermieden werden, ebenso Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten in Kälte, wechselndem Wärmeeinfluss oder Zuglufteinfluss, Arbeitsumgebung mit nassem oder unebenem Untergrund, wie beispielsweise im Freien, Nachtarbeit oder Arbeit an laufenden Maschinen. Akkord- und Fließbandarbeit seien ebenso zu vermeiden wie eine vermehrte nervliche Belastung. Diese Leistungseinschätzung erscheine dem Gericht vor dem Hintergrund der feststellbaren Erkrankungen plausibel und sie sei auch bei einem Vergleich mit der Beurteilung des Leistungsvermögens in ähnlicher Weise erkrankter und beeinträchtigter Rentenantragssteller nicht ersichtlich unangemessen.
Auch auf psychiatrischem Gebiet liege kein Leiden vor, dass das quantitative Leistungsvermögen des Klägers in rentenrechtlich relevanter Weise einschränke. E2 habe bei dem Kläger ein depressiv-neurasthenisches Syndrom (in Verbindung mit Schmerzen) diagnostiziert. Diagnostisch handelte es sich entweder um eine depressive Episode oder um eine organische affektive Störung. Es würden hierdurch Affektivität, Antrieb und Kognition beeinträchtigt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien - nach Einschätzung von E2 - begrenzt durch die körperliche Symptomatik, nur einfache körperliche Tätigkeiten möglich. E2 habe aufgrund seiner Feststellungen keine rentenrechtlich relevante Einschränkung im quantitativen Leistungsvermögen des Klägers bejahen können. Er habe lediglich von einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers berichtet und auf die Angaben von Schmerzen und körperlichen Problemen verwiesen. E2 habe insofern ein psychosomatisches oder schmerztherapeutisches Gutachten angeregt. Ein neurologisch-schmerztherapeutisches Gutachten sei darauf von B1 erstellt worden. Dieser Sachverständige habe indes keine quantitative Einschränkung im Leistungsvermögen des Klägers unter sechs Stunden feststellen können.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen brauche dem Kläger auch keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen“ oder einer „schweren spezifischen Leistungsminderung“ erfordern würden.
Die Leistungseinschränkungen des Klägers erschienen nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaube ihm weiterhin körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert würden wie zum Beispiel das Zureichen, Abnehmen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Diese einfachen Tätigkeiten stimmten auch mit dem von den befragten Sachverständigen erhobenen Leistungsprofil überein und seien dem Kläger gesundheitlich zumutbar.

Der Kläger hat gegen das - seiner Prozessbevollmächtigten am 22.05.2023 zugestellte - Urteil am 19.06.2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass trotz der zahlreichen Operationen an seinem linken Kniegelenk keine Besserung seiner Schmerzsymptomatik eingetreten sei. Er habe zudem Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule und den Hüftgelenken.
Er sei daher nicht in der Lage über einen Zeitraum von mehr als einer Stunde zu gehen oder zu stehen. Auch Gehen von Steigungen oder Treppen sei fast gänzlich unmöglich. Eine Belastung des Knies führe neben den starken Schmerzen auch zu einer starken Schwellung und nötige ihn dazu, das Bein für eine längere Zeit hochzulegen, so dass dieses dann wieder abschwelle. Die Beschwerden im Bereich der LWS führten zudem dazu, dass er nicht in der Lage sei, längere Zeit zu sitzen. Somit komme auch eine vorwiegend sitzende Tätigkeit nicht in Betracht. Aufgrund der auch nach mehreren Jahren anhaltenden starken belastungsabhängigen Schmerzsymptomatik mit Flexionsinstabilität mit anteriorem Knieschmerzen sei am 19.05.2023 in der Uni-Klinik F1 eine erneuet Operation des linken Knies mit dem Wechsel der Oberflächenprothese in eine Hybrid-Schaft-verankerte Endoprothese erfolgt. Im Rahmen dieser erneuten Operation habe sich herausgestellt, dass die bisherige Prothese locker gewesen sei und somit ständig erhebliche Schmerzen verursacht habe. In wie weit die erneute Operation zu einer anhaltenden Verbesserung der Schmerzproblematik im linken Knie führe, bleibe noch abzuwarten. Neben den Einschränkungen im orthopädischen Bereich habe könne er aufgrund der Schmerzproblematik nicht mehr durchschlafen, was zu einer dauerhaften Erschöpfung führe. Auch würden ihn große Zukunftsängste plagen, hier sei mindestens von einer depressiven Episode auszugehen. Hinzu komme, dass er im März 2022 an Covid- 19 erkrankt sei und seither an Long-Covid leide. Es bestehe seither eine anhaltende Müdigkeit mit Konzentrationsstörungen und Gedächtnislücken. Ohne einen Mittagsschlaf von ein bis zweieinhalb Stunden könne er den Tag nicht bewältigen und selbst mit einer solchen Ruhepause sei er am Nachmittag nicht wieder so leistungsfähig, als dass er einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Die Einschränkungen die er durch die Long-Covid-Erkrankung in seiner Erwerbsfähigkeit zusätzlich erlitten habe, seien in dem erstinstanzlichen Urteil völlig unberücksichtigt geblieben. Trotz der schlechten Erfahrungen mit den Knieoperationen in der Vergangenheit, habe er sich zu der weiteren Operation am Knie entschlossen, in der Hoffnung, dass es doch noch zu einer Verbesserung kommen könnte. Der bisherige Heilungsverlauf lasse auf eine deutliche Verbesserung hoffen. Eine abschließende Aussage zum Erfolg der Operation werde voraussichtlich zum Ende des Jahres gemacht werden können. Sollte die erhoffte deutliche Verbesserung eintreten, könne er aber unstreitig nicht wieder in seinem früheren Beruf zurückkehren. Hier bedürfe es dann entsprechender Unterstützung der Beklagten, damit er wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Bis zum Abschluss der Heilbehandlung nach der Operation, sei er seit Antragstellung nicht erwerbsfähig gewesen, eine deutliche Verschlechterung seiner Leistungsfähigkeit sei noch durch die Folgen der Corona-Erkrankung eingetreten. Wegen der bisher nicht berücksichtigten Erkrankungsfolgen nach der Coronaerkrankung sowie hinsichtlich der Wechselwirkungen der einzelnen Erkrankungen bedürfe es zudem weiterer gerichtlicher Ermittlungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist dem Berufungsvorbringen unter Vorlage der ärztlichen Stellungnahme von N1 vom 22.08.2023 entgegengetreten. Insoweit wird auf Bl. 27 Senats-Akte Bezug genommen.


Mit Schreiben vom 05.09.2023 sind die Beteiligten auf die Absicht des Senats hingewiesen worden, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.


II.


Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die zulässige Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht die geltend gemachte Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu. Der Bescheid vom 11.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsescheides vom 03.02.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundessozialgericht - BSG -, Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976 - u.a. GS 2/75 -, juris) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat in den Gründen angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung dargelegt und gestützt auf die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen E1, E2 und B1 ebenso zutreffend ausgeführt und begründet, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht weniger als sechs Stunden beträgt. Es hat weiter zutreffend die rechtlichen Grundlagen zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und einer spezifischen Leistungsbeeinträchtigung dargelegt und begründet, warum bei dem Kläger diese Einschränkungen nicht vorliegen. Schließlich hat das SG überzeugend dargelegt, dass und warum es der Leistungseinschätzung der behandelnden Hausärztin nicht folgt.


Der Senat schließt sich daher der Begründung des SG nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend stellt der Senat fest, dass der Schwerpunkt der klägerischen Erkrankungen auf orthopädischem, psychiatrischem und schmerztherapeutischem Fachgebiet liegt und bei dem Kläger aufgrund der vom SG zutreffend auf der Grundlage der Gutachten von E1, E2 und B1 und der ärztlichen Vorbefunde festgestellten Erkrankungen des linken Kniegelenkes, der Hüftgelenke, der Wirbelsäule, der daraus resultierenden Schmerzen sowie der Auswirkungen letzterer auf die Psyche des Klägers qualitative Leistungseinschränkungen bestehen. Dem Kläger sind (nur) noch leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, ohne überwiegendes Stehen, ohne überwiegendes Gehen, auch ohne Gehen auf unebenem Gelände, ohne das Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne häufiges Treppensteigen, ohne häufiges Knien, Hocken und Bücken, ohne Heben und Tragen von Lasten über fünf kg,
ohne Einwirkung von Nässe, Kälte und Zugluft, ohne Nachtschichtarbeit, ohne Akkordarbeit, ohne Arbeiten mit Vibrationsbelastungen oder an laufenden Maschinen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Arbeiten mit vermehrter nervlicher Belastung und ohne Außendiensttätigkeiten mit häufigem Ein- und Aussteigen zumutbar.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats sowohl aus den vom SG eingeholten Gutachten der zuvor genannten Sachverständigen als auch aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von M1, K1 und Z1, deren Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Rentenrelevante Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen, bezüglich einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung werden hierdurch - wie vom SG insoweit im Ergebnis ebenfalls zutreffend dargelegt - indes nicht begründet.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer eingeschränkten Wegefähigkeit hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen (voller) Erwerbsminderung.
Erwerbsfähigkeit setzt das Vermögen voraus, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2002 - B 5 RJ 12/02 R-, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, juris). Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. BSG, a.a.O.). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, a.a.O.).
Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liegt beim Kläger nicht vor. Bei dem Kläger liegt zwar bedingt durch die Erkrankung des linken Kniegelenkes eine erhebliche Einschränkung in Form eines leicht hinkenden Gangbildes und einer erheblichen Bewegungseinschränkung vor. Dies belegen die Befunderhebungen von M1 (Bl. 35 VA Med. Teil: leicht hinkendes Gangbild, eingeschränkte Beweglichkeit linke Kniescheibe mit Patellaverschiebeschmerz, Flexion/Extension Kniegelenk links 90-10-0 Grad bei freier Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes, Umfangminderung linkes Kniegelenk und linker Unterschenkel), von Z1 (Bl. 83 VA Med. Teil: links hinkendes Gangbild, etwas verschmächtigte Muskulatur links, Bl. 89 VA Med. Teil: Flexion/Extension Kniegelenk links 90-10-0 Grad, [rechts: 0-0-120 Grad - frei]), von E1 (Bl. 81 SG-Akte: Instabile Bandverhältnisse mediolateral und in a.p. Translation, Valgusfehlstellung, positives Zohlenzeichen mit leichter Lateralisierung der Patella. Erguss palpabel und verifiziert durch Sonografie. Ubiquitärer Druckschmerz. ROM Extension/Flexion: 0-5-90 Grad. Verstrichene und sehr verbackenene Weichteile/Kniegelenkkonturen. Patellaverschieblichkeit im Seitenvergleich deutlich eingeschränkt. Deutliche muskuläre Atrophie der knieumgebenden Muskulatur insbesondere des M. vastus medialis) und von B1 (Bl. 145 SG-Akte: Leicht hinkender Gang, dabei wird das linke Knie nicht voll durchgestreckt.). Zudem ist zwischenzeitlich bei der Untersuchung durch E1 auch eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Innenrotation beider Hüftgelenke festgestellt worden (vgl. Bl. 81 SG-Akte).
Indes bedingen diese Bewegungseinschränkungen allein die zuvor festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen. Eine Wegeunfähigkeit nach Maßgabe der vom BSG aufgestellten Grundsätze begründen sie zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht. Denn keiner der Gutachter ist von einer Wegeunfähigkeit ausgegangen. Dies ist für den Senat angesichts der vom Kläger selbst gegenüber den Gutachtern geäußerten Alltagsmobilität auch vollkommen schlüssig. So erklärte der Kläger gegenüber M1, dass er regelmäßig zwei bis drei Mal täglich eine Stunde spazieren gehe und am Stück eineinhalb Stunden laufen könne (Bl. 33 f. VA Med. Teil). Bei der Exploration durch K1 gab der Kläger an, dass er (max.) eine Stunde stehen und gehen könne und Auto fahre (Bl. 63 VA Med. Teil). Zu dieser Untersuchung reiste er auch selbst mit dem Auto an (Bl. 67 VA med. Teil). Bei der Untersuchung durch Z1 erklärte der Kläger, dass er in der Ebene ca. eine Stunde spazieren gehe, bergauf (max.) eine halbe Stunde (und dann mit Erholungspausen), dass er selbst einkaufen gehe/fahre und noch mit dem eigenen Auto mit Automatikgetriebe fahre (Bl. 81 VA Med. Teil). Gegenüber E1 hat der Kläger angegeben, dass er noch eine Gehstrecke von (max.) 45 bis 60 Minuten auf ebenem Gelände zurücklegen könne und (lediglich) auf unebenem Gelände Einschränkungen habe (Bl. 79 SG-Akte). Zuletzt hat er bei der Untersuchung durch B1 mitgeteilt, dass er beim Laufen und Gehen nach eineinhalb Stunden eine Veränderung bemerke, noch 2 bis 2,4 km laufen könne und auch die Einkäufe selbst erledige (Bl. 141, 143 SG-Akte). Die üblichen Wegstrecken zur und von der Arbeit kann der Kläger damit noch zurücklegen.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Einschätzung, überdies auch nicht die Veranlassung weiterer Ermittlungen von Amts wegen.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass die Wechselwirkungen seiner Erkrankungen am Bewegungsapparat und seiner Erkrankungen der Psyche nicht hinreichend gewürdigt worden seien, geht dies fehl. Das SG hat sowohl auf orthopädischem als auch auf psychiatrischem, neurologischen und schmerztherapeutischem Fachgebiet Sachverständigengutachten eingeholt, in denen alle gerichtlichen Sachverständigen keinesfalls nur die auf ihrem jeweiligen Fachgebiet gestellten Diagnosen in ihre Leistungseinschätzung einbezogen haben. Ganz im Gegenteil: jeder von ihnen – E1, B2 und auch B1 - hat sowohl die Bewegungseinschränkungen als auch und vor allem die Schmerzen, die mit somatischen (organischen) als auch psychischen Faktoren erklärbar sind (vgl. die sehr ausführlichen Ausführungen von B1 dazu in seinem Gutachten, Bl. 154 f. SG-Akte), in die jeweilige sozialmedizinische Leistungsbeurteilung einbezogen. Grundlage hierfür waren jeweils die Angaben des Klägers sowohl zu seinen Beschwerden/Schmerzen im Alltag (vgl. Gutachten E1, Bl. 79 SG-Akte: Knieschmerzen links, unverändert schmerzhafte Dysfunktion der einliegenden Prothese links mit Schwellneigung, Zunahme der Beschwerden bei Laufen auf unebenen Gelände, seit Juli 2021 verstärkt auftretende belastungsabhängige Beschwerden im linken Ober- und Unterschenkel, seit einem dreiviertel Jahr zunehmende Beschwerden im Steißbeinbereich, die sich vor allem beim Sitzen bemerkbar machten; Gutachten E2, Bl. 119 SG-Akte: Er leide unter ständigen Schmerzen., Gutachten B1, Bl. 140 ff. SG-Akte: Schmerzen in den Knien, seit 2020 Einnahme des Medikaments Citalopram, das bringe etwas; seit eineinhalb Jahren Ausweitung seiner Schmerzen auch auf andere Regionen wie rechtes Knie, beide Hüftgelenke, Steißbein.) als auch die von ihnen jeweils erhobenen Befunde (vgl. Gutachten E1, Bl. 80/82 SG-Akte, Gutachten E2, Bl. 121 SG-Akte, Gutachten B1, Bl. 144/147 SG-Akte) und der vom Kläger jeweils angegebene Tagesablauf, der sehr strukturiert ist und aus dem sich ergibt, dass der Kläger diesen gut bewältigt bekommt und insbesondere den Haushalt und Garten selbständig in Ordnung halten kann. Exemplarisch erwähnt der Senat in diesem Zusammenhang die Angaben des Klägers gegenüber dem zuletzt beauftragten Sachverständigen  (Bl. 143 f. SG-Akte), wonach der Kläger - gemeinsam mit seiner erwerbstätigen Ehefrau - eine Souterrain-Wohnung mit einer Wohnfläche von 106 m² bewohne, zu der ein Garten mit einer Fläche von 200 m² mit Hecken und Rasen gehöre. Den Garten versorge überwiegend er, ebenso den Haushalt. Seine Ehefrau verlasse das Haus etwa gegen 05:20 Uhr zur Arbeit. Er frühstücke nach dem Aufstehen um etwa 07:20 Uhr, lüfte dann das Schlafzimmer, mache die Betten. Grundsätzlich sei er der Hausmann: zweimal pro Woche putze und sauge er, belade und entlade Spül- und Waschmaschine. Er bügele auch und putze die Fenster. Während der Sommerzeit absolviere er die Gartenarbeit mit etwas vermehrt Pausen. Er koche vormittags und esse alleine zu Mittag. Das durch ihn vorbereitete Essen werde für seine Frau aufbewahrt, die es am nächsten Tag mit zur Arbeit nehme. Tagsüber lese er etwa für eine halbe Stunde die Zeitung, über die Woche auch einige Seiten im Buch. Gegen 18:30 Uhr esse man gemeinsam ein kaltes Abendessen. Den Lebensmittel-Einkauf führe er selbst etwa einmal pro Woche durch. Ein- und ausladen stelle sich für ihn „nicht wirklich“ als Problem dar.
Er fahre regelmäßig Auto, einen Smart, müsse beim Ein- und Aussteigen wegen des eingeschränkten Bewegungsradius des Beines die Tür weit aufmachen und bei jedem dritten Einkauf bitten, dass ein in der Nähe stehendes Auto dazu wegfahre. Er sei aktuell selbst zum Gutachter mit dem PKW gefahren. Abends schaue man zwei bis drei Stunden Fernsehen. Es bestünden regelmäßige Kontakte zu seinen Töchtern, die mit den drei Enkeln in B3 lebten. Zu Besuch dort seien es mit dem PKW 900 km. Man fahre mit mehrfach Pausen bzw. einer Übernachtung dorthin durch. Das Paar kümmere sich aktuell um einen Mitmieter im Haus. Am Wochenende treffe man etwa alle 14 Tage gelegentlich Freunde.

Auch die im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachter M1, K1 und Z1 haben sowohl die Angaben des Klägers, die von ihnen jeweils erhobenen Befunde als auch den vom Kläger geschilderten Tagesablauf, der sich im Wesentlichen mit dem gegenüber B1 geschilderten deckt, gewürdigt und in ihre Leistungseinschätzung einfließen lassen.

Die von allen drei gerichtlichen Sachverständigen und überdies von den im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachtern übereinstimmend vorgenommene Einschätzung eines zeitlichen Leistungsvermögens von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche ist auf dieser Grundlage auch für den Senat vollkommen schlüssig und nachvollziehbar.

In Gesamtwürdigung dieser sechs eingeholten Gutachten, die alle keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers für die hier allein relevanten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (dazu unten) sehen, kommt auch der Senat zu der Überzeugung, dass eine zeitliche Leistungsminderung des Klägers nicht gegeben ist.

Soweit der Kläger in seinem Berufungsvorbringen, wie schon im Klagevorbringen, auf die bei ihm März 2022 durchgemachte Covid-19-Infektion abgestellt und eine Long-Covid-Erkrankung geltend gemacht hat, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit. Denn entgegen seinem Vorbringen wurden die geltend gemachten Auswirkungen dieser Infektion sehr wohl berücksichtigt und ggf. hierdurch bedingte funktionelle Einschränkungen bereits von E2 begutachtet. Der Kläger hat gegenüber E2 betont, dass er seit seiner Covid-19-Infektion erschöpft sei, die Konzentration schlecht sei, ihm alles schwerfalle, er sich nicht mehr freue und nicht mehr aufraffen könne (Bl. 120 SG-Akte). Diese Beschwerdeangaben hat E2 in seine gutachterliche Beurteilung einfließen lassen und explizit ausgeführt, dass diagnostisch eine gewisse Ungewissheit besteht, da der Kläger Symptome beschreibe, die sowohl als Symptome der depressiven Episode als auch als Covid-Folgen im Sinne eins Long-Covid-Syndroms beschrieben würden (differentialdiagnostisch: organisch affektive Störung nach Covid-Infektion, Bl. 123 SG-Akte).

Der Senat weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht maßgeblich auf eine bestimmte Diagnosestellung, die Art und Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden ankommt, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017 - B 13 R 37/16 B -), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dementsprechend spielen auch die Ursachen der Gesundheitsstörung keine entscheidende Rolle (BSG, a.a.O.).
Dementsprechend hat E2 ausdrücklich ausgeführt, dass die Leistungseinbußen bei beiden Diagnosen die gleichen wären und sind (Bl. 123 SG-Akte) und (nur) die Ursache, Prognose und Beeinflussbarkeit im Sinne der Behandlung verschieden sind.
Eine dauerhafte Leistungseinschränkung im Sinne einer zeitlichen Leistungsminderung auf unter sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche hat E2 gerade nicht angenommen (Bl. 123 SG-Akte). Dies ist für den Senat auf der Grundlage des von ihm erhobenen Befundes (Bl. 121 SG-Akte: Kläger wach, bewusstseinsklar, keine Vigilanzstörungen, zu allen Qualitäten orientiert, Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeit subjektiv vermindert, Merkfähigkeit und Gedächtnis klinisch nicht beeinträchtigt, affektive Schwingungsfähigkeit eingeschränkt mit einem deprimiert ausgelenkten Affekt, Antrieb vermindert, formaler Gedankengang geordnet, keine inhaltlichen Denkstörungen i. S. des Wahns, Störungen der Wahrnehmung des Ich-Erlebens) überzeugend. Dieser Befund stimmt im Übrigen auch im Wesentlichen mit dem von B1 erhobenen, orientierenden psychischen und verhaltensneurologischen Befund überein (Bl. 145 f. SG-Akte: Kläger kommt pünktlich zur Begutachtung, ist wach, örtlich, zeitlich, situativ und zur Person voll orientiert. Rapport sehr ausführlich und detailreich. Angabe vermehrter Frustration, teils Verbitterung und Unverständnis in medizinischen und gutachterlichen Situationen. Während ca. drei Stunden Exploration und Durchführung der Untersuchungen adäquate Durchhaltefähigkeit. Stimmungslage etwas gedrückt, zeitweise gereizt. Formaler Gedankengang geordnet. Angabe von Zukunftsängsten, keine Angabe weiterer Ängste. Keine Panikattacken. Antrieb leicht vermindert mit vermehrter Müdigkeit. Psychomotorisch ruhig. Angabe eines leichten sozialen Rückzuges und vermehrter Tagesmüdigkeit. Keine Hinweise für Zwangsgedanken oder -handlungen. Das Intelligenz-Niveau wird als
durchschnittlich eingeschätzt. Es besteht kein Hinweis für eine Minderbegabung. Kein Hinweis auf einen Drogen- oder Medikamentenübergebrauch. Kein Hinweis für Aphasie, Agnosie, Neglect), der ebenfalls keine Rückschlüsse auf eine dauerte zeitliche Leistungsminderung begründet. Die Leistungseinschätzungen beider Sachverständiger sind auch angesichts des vom Kläger geschilderten Tagesablaufs nachvollziehbar und überzeugend.

Soweit E2 aufgrund noch bestehender Behandlungsmöglichkeiten von einer (nur) vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen ist, ist dies für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsminderung irrelevant, da letztere nach anderen rechtlichen Maßstäben beurteilt wird als Arbeitsunfähigkeit und E2 eine Erwerbsminderung des Klägers verneint hat.

Den Erkrankungen des Bewegungsapparates (linkes Kniegelenk, Hüftgelenke, Steißbein, Wirbelsäule), der mit ihnen verbundenen Schmerzen und der aus letzten auch resultierenden, zeitweisen depressiven Episoden leichten bis mittelgradigen Grades (Gutachten E2 und B1) sowie den durch sie bedingten funktionellen Einschränkungen im Erwerbsleben wird nach alledem zur Überzeugung des Senats durch die Berücksichtigung der zuvor festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen hinreichend Rechnung getragen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass er nicht länger als eine Stunde stehen oder gehen und auch nicht längere Zeit sitzen könne, weist der Senat darauf hin, dass dies auch nicht abverlangt wird, sondern eine Tätigkeit gerade im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen leidensgerecht ist (vgl. dazu bereits oben). Eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes lässt sich aus alledem zur Überzeugung des Senats nicht ableiten. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht zu veranlassen.

Nicht zuletzt scheint der Kläger selbst aufgrund des zuletzt im Mai 2023 durchgeführten Prothesenwechsels im linken Kniegelenk von einer scheinbaren Verbesserung auszugehen (vgl. Schriftsatz vom 06.10.2023, Bl. 32 Senats-Akte: „Der bisherige Heilungsverlauf lässt auf eine deutliche Verbesserung hoffen.“). Dass der Kläger in keinem Fall in seinen früheren Beruf zurückkehren kann, ist für den hier geltend gemachten Rentenanspruch ohne Relevanz. Denn - das hat das SG bereits zutreffend dargelegt - einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI haben nur Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, mithin der Kläger aufgrund seines Geburtsjahrgangs schon aus diesem Grunde nicht.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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