L 3 AS 320/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 11746/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 AS 320/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§ 103 Abs. 1 SGB X setzt nach dem Wortlaut eine zunächst rechtmäßige Leistungserbringung voraus, denn sonst wäre der Anspruch nicht „nachträglich“ entfallen (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R –, Rn. 20, juris).

Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt im Sinne von § 103 Abs. 1 Halbs. 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch zum Wegfall kommt (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R –, Rn. 32, juris).

Nach einer Exmatrikulation ohne materielle Rechtsgrundlage fortgezahlte Leistungen nach dem BAföG sind nicht sachlich kongruent und nicht gleichartig mit (der unterbliebenen Zahlung von) Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Ein Erstattungsanspruch des Trägers der Leistungen zur Ausbildungsförderung gegenüber dem SGB II-Leistungsträger nach § 105 SGB X besteht in einem solchen Fall nicht.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2020 wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger Leistungen zu erstatten hat, die der Kläger für die Monate Februar und März 2018 an den Beigeladenen gezahlt hat.

 

Der 1997 geborene erwerbsfähige Beigeladene lebte im streitbefangenen Zeitraum mit seiner Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft. Für die Bedarfsgemeinschaft fiel anteilig pro Person monatlich eine Bruttowarmmiete in Höhe von 268,33 Euro an. Die Mutter des Beigeladenen war geringfügig erwerbstätig. Ihr floss im Bewilligungszeitraum vom 01. Oktober 2017 bis zum 31. März 2018 monatlich ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 417,88 Euro brutto, abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 409,60 Euro netto zu. Der Beigeladene ging einem Hochschulstudium (Bachelorstudiengang, ) nach, wurde jedoch zum 10. Januar 2018 exmatrikuliert.

 

Der Beigeladene stellte zuletzt am 14. März 2017 bei dem Kläger einen Antrag auf Förderung seines Studiums. Daraufhin bewilligte ihm der Kläger mit Bescheid vom 20. März 2017 für die Zeit von April 2017 bis März 2018 monatlich 451 Euro Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Die Leistungen wurden je zur Hälfte, mithin i. H. v. monatlich 225,50 Euro, als Zuschuss und als unverzinsliches Staatsdarlehen bewilligt. Der Kläger zahlte den Betrag an den Beigeladenen jeweils monatlich im Voraus zum Ende eines Monats aus.

 

Der Beigeladene bezog daneben Kindergeld in Höhe von monatlich 194 Euro und als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Der Beklagte gewährte dem Kläger nach zunächst vorläufiger Bewilligung mit endgültigem Bewilligungsbescheid vom 10. Januar 2019 unter Anrechnung von 451 Euro BAföG-Leistungen (abzüglich eines Freibetrages von 100 Euro), des Kindergeldes sowie anteiligen Einkommens der Mutter für den Zeitraum vom 01. Oktober 2017 bis zum 31. März 2018 Leistungen nach dem SGB II. Für den Zeitraum Januar 2018 bis März 2018 betrugen der vom Einkommen der Mutter beim Beigeladenen angerechnete Anteil 21,67 Euro und die monatliche Leistungshöhe 41,20 Euro. Der Beklagte legte bei der Berechnung für den Beigeladenen einen Regelbedarf in Höhe von 332 Euro zzgl. eines Mehrbedarfs für die Aufbereitung warmen Wassers in Höhe von 7,64 Euro und für die Mutter einen Regelbedarf in Höhe von 374 Euro zuzüglich 8,60 Euro Mehrbedarf zu Grunde. Zudem berücksichtige der Beklagte bei den beiden die kopfteilige Bruttowarmmiete. Er ging davon aus, dass der Beigeladene zwar BAföG bezieht, aber keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II unterliege. Von der Exmatrikulation erfuhr der Beklagte im März 2018.

 

Nachdem der Beigeladene bei ihm für die Zeit nach März 2018 keinen Folgeantrag gestellt hatte, wandte sich der Kläger im Mai 2019 an die Hochschule. Diese teilte am 27. Mai 2019 mit, dass der Beigelande bereits zum 10. Januar 2018 exmatrikuliert worden sei. Der Kläger erließ daraufhin gegenüber dem Beigeladenen am 29. Mai 2019 einen Bescheid, mit dem er die Leistungsgewährung für Februar und März 2018 auf Null festsetzte und die für diese Monate gewährten Leistungen in Höhe von 902 Euro zurückforderte. Daraufhin teilte der Beigeladene im laufenden Mahn- bzw. Vollstreckungsverfahren mit, dass er in der Zeit von Januar bis März 2018 kein BAföG, sondern Leistungen vom Beklagten bezogen habe. Alsdann wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2019 an den Beklagten und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 902 Euro für die Monate Februar und März 2018 geltend. Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 01. Oktober 2019 ab, weil die BAföG-Einkommensanrechnung aufgrund der tatsächlichen Auszahlung rechtmäßig erfolgt sei. Der gegen den Beigeladenen gerichtete Erstattungsbescheid ist bestandskräftig geworden. Der Kläger hat die Vollstreckung bisher jedoch nicht weiter betrieben.

 

Mit seiner am 19. Dezember 2019 beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Erstattungsbegehren gegenüber dem Beklagten weiterverfolgt. Es sei ein klassischer Fall des Erstattungsanspruches nach § 103 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegeben. Mit der Exmatrikulation des Beigeladenen sei er nicht mehr für diesen zuständig gewesen. Nachdem er als unzuständig gewordener Träger - anstelle des zuständigen Beklagten - geleistet habe, habe ein Ausgleich über § 103 SGB X zu erfolgen.

 

Der Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe sich mit seinem Erstattungsverlangen an den Beigeladenen zu wenden. Es sei kein Nachweis erbracht worden, dass der Anspruch des Beigeladenen nachträglich entfallen sei. Zudem habe er rechtskonform das BAföG auf den Leistungsanspruch nach dem SGB II angerechnet.

 

Nach entsprechender Anhörung des Klägers und des Beklagten hat das SG am 12. August 2020 einen Gerichtsbescheid erlassen, mit dem es die Klage abgewiesen hat. Die Klage sei als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da zwischen den Parteien des Erstattungsverlangens kein Subordinationsverhältnis bestehe, die Leistungsträger sich vielmehr im Gleichordnungsverhältnis gegenüberstünden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Erstattungsanspruch. Ein Fall des § 102 SGB X liege nicht vor, weil der Kläger keine vorläufigen Leistungen erbracht habe. Ein Fall des § 104 SGB X liege auch nicht vor, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen nachrangig verpflichteten Leistungsträger handele. Auch § 105 SGB X sei nicht einschlägig. Die Regelung setze voraus, dass ein Leistungsträger unter Verstoß gegen die Regelungen der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit Leistungen erbracht habe. Vorliegend sei der Beklagte nicht für die Erbringung von BAföG-Leistungen zuständig. Die Voraussetzungen des § 103 SGB X würden ebenfalls nicht vorliegen. Die Regelung setze voraus, dass die Leistungsverpflichtung des Klägers nachträglich entfallen sei. § 103 SGB X betreffe die Fälle, in denen zu einer bereits geleisteten Sozialleistung eine weitere hinzukomme und deswegen der Anspruch auf die bisher erbrachten Leistungen nachträglich ganz oder teilweise entfalle. § 103 SGB X treffe somit eine Regelung bei einer ungerechtfertigten Doppelleistung an den Leistungsberechtigten. In diesen Fällen solle der Erstattungsanspruch unter den Leistungsträgern abgewickelt und keine Erstattung gegenüber dem Leistungsberechtigten geltend gemacht werden. Eine Doppelleistung liege hier aber schon nicht vor, weil der Beklagte das bezogene BAföG angerechnet habe. Darüber hinaus solle durch die Erstattungsregelung des § 103 SGB X auch eine ungerechtfertigte Bereicherung beim für die hinzutretende Sozialleistung zuständigen Leistungsträger verhindert werden, die sich daraus ergebe, dass dieser wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X den Sozialleistungsanspruch des Leistungsberechtigten nicht mehr zu erfüllen habe. Hier liege aber keine hinzutretende Sozialleistung vor. Nach § 107 SGB X gelte durch die Zahlung des einen Leistungsträgers die Zahlungsverpflichtung des zuständigen Leistungsträgers als erfüllt. Nachdem der Beklagte Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung des BAföG bewilligt habe, seien die Zahlungen des Klägers nicht als Erfüllung der Leistungen nach dem SGB II anzusehen. Die vorliegende Konstellation sei mit der bereits vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 165/10 R - entschiedenen Fallkonstellation vergleichbar. Dort sei einem Empfänger von Leistungen nach dem SGB II Arbeitslosengeld I (ALG l) gezahlt worden, das vom Jobcenter als Einkommen berücksichtigt worden sei. Das ALG l sei jedoch zu Unrecht gezahlt und von der Agentur für Arbeit Erstattung gegenüber dem Leistungsempfänger verlangt worden. In dieser Fallkonstellation sei das BSG zu dem Ergebnis gelangt, dass das tatsächlich zugeflossene ALG l (obwohl dies zu erstatten war) anzurechnen gewesen sei. Dem sei zuzustimmen. Anders als der Kläger meine, sei die Anrechnung des BAföG durch den Beklagten nicht rechtswidrig, weil dieses zugeflossen und daher anzurechnen gewesen sei. Dementsprechend könne sich der Kläger mit einem Erstattungsanspruch nur an den Leistungsempfänger wenden, weil dieser seiner Mitwirkungspflicht (Mitteilung der Exmatrikulation im Januar 2018) gegenüber dem Kläger nicht nachgekommen sei, sodass es deshalb zu einer Überzahlung gekommen sei. Darüber hinaus komme ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X ohnehin nur in Betracht, wenn die ursprüngliche Sozialleistung (BAföG) rechtmäßig erbracht worden sei. Sei eine Sozialleistung nicht rechtmäßig erbracht worden, habe kein Anspruch auf diese Leistung bestanden, so dass der Anspruch auch nicht nachträglich entfallen sein könne. Nachdem hier aufgrund der Exmatrikulation im Januar 2018 in den Monaten Februar und März 2018 kein Anspruch nach dem BAföG bestanden habe, sei die Zahlung durch den Kläger auch nicht rechtmäßig erfolgt. Das SG hat in dem Gerichtsbescheid die Berufung nicht zugelassen.

 

Der Kläger hat gegen den ihm am 14. August 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. September 2020 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und geltend gemacht, die Frage, ob er Erstattung von dem Beklagten verlangen oder sich dieser auf das Zuflussprinzip berufen könne, habe grundsätzliche Bedeutung. Das gelte auch für die weitere Frage, ob im Sinne des § 103 SGB X eine Doppelleistung vorliege. Die Problematik der Erstattung zwischen Jobcenter und den Ämtern für Ausbildungsförderung stelle auch keinen Einzelfall dar. Mit Beschluss vom 09. März 2021 hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortgeführt.

 

Der Kläger vertritt im Rahmen des Berufungsverfahrens unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages weiter die Ansicht, ihm stehe ein Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X zu. Die Rechtslage sei vergleichbar mit derjenigen beim Übergang eines Leistungsberechtigten aus dem Wohngeld- in den SGB-II-Bezug. Dort sehe die fachliche Weisung 11.52 vor, dass, wenn Wohngeld und Leistungen nach dem SGB II im selben Monat bezogen worden sind und das Wohngeld als Einkommen berücksichtigt worden sei, ein Erstattungsanspruch der Wohngeldbehörde gegenüber dem Jobcenter gemäß § 103 SGB X zu prüfen sei. Dass ein entsprechender Erstattungsanspruch bestehe, ergebe sich auch aus der fachlichen Weisung 12a und 13a. Ebenso wie beim Wohngeld sei auch im Verhältnis von BAföG- und SGB II-Leistungen vorgesehen, dass es nicht zu Überschneidungen komme. Wenn diese dann eintrete, müsse sie zwischen den Trägern ausgeglichen werden. § 20 Abs. 2 BAföG enthalte eine dem § 28 Abs. 3 Wohngeldgesetz (WoGG) vergleichbare Regelung. Es habe zudem kein auf den Leistungsanspruch nach dem SGB II anrechenbares Einkommen vorgelegen, da die BAföG-Leistungen mit einem Rückzahlungsanspruch belegt gewesen seien, da der Anspruch nach § 53 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 20 BAföG entfallen und somit zurückzuzahlen gewesen sei.  

 

Leistungen nach dem BAföG-Gesetz und dem SGB II würden nach § 7 Abs. 5 SGB II in der Regel nicht parallel geleistet. Das vom Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung zitierte Urteil des BSG vom 20. August 2011 (B 14 AS 165/10 R), beziehe sich auf die Rechtslage vor dem 01. August 2016. Der Gesetzgeber habe die Schnittstelle zwischen Ausbildungsförderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende für Auszubildende, deren Ausbildung dem Grunde nach nach dem BAföG förderfähig ist, entschärft. Nunmehr sehe das Gesetz weitere Anrechnungsmöglichkeiten vor. Vorliegend sei auch der Zweck, eine versteckte Ausbildungsförderung durch ALG-II-Leistungen zu verhindern, nicht gefährdet. Spiegelbildlich seien BAföG-Leistungen auf den ALG-II-Anspruch nur dann anzurechnen, wenn kein Leistungsausschluss für den Auszubildenden bestehe. Vorliegend habe der Beigeladene aber kein BAföG aufgestockt. Im Übrigen habe sich das BSG in der genannten Entscheidung auch nicht zum Erstattungsanspruch zwischen den Trägern verhalten. Hilfsweise sei zur Vermeidung einer unbilligen Härte eine Ausnahme vom Zuflussprinzip zu machen. Das BSG weiche seine Rechtsprechung zum Zuflussprinzip immer weiter auf, wenn es dessen starre Anwendung als unsozial und zweckwidrig erkannt habe. Würde man der Rechtansicht des Sozialgerichts folgen, würde der Beigeladene leer ausgehen, obwohl in seinem Fall eine Sozialleistung vorgesehen wäre. Anders als bei der Rechtsprechung zum Kindergeld (Anrechnung des Kindergeldes trotz späterer Rückforderung) handele es sich um existenzsichernde Leistungen für den täglichen Grundbedarf und nicht nur um Zusatzleistungen für einen Kindermehrbedarf. Die in § 1 SGB II und § 1 BAföG niedergelegten Zwecke der Leistungen seien vergleichbar. Das Kindergeld werde zudem von der Familienkasse ausgezahlt und habe einen steuerlichen Aspekt. Die Ausnahme von einer Anrechnung zugeflossenen Geldes müsse auch für Mittel gelten, von denen der Sozialleistungsträger wisse, dass sie von einem anderen Träger zurückgefordert werden können. Diese dürften ebenso wenig angerechnet werden wie fiktive Leistungen. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass eine Rückforderung bzw. Erstattung gegenüber dem Beigeladenen geltend gemacht werde. Der Staat trete nach außen als eine Person auf, so habe er den Geldfluss einvernehmlich untereinander durch Erstattung zu regeln. Würde man der Rechtsprechung des SG folgen, stürzte man den Sozialleistungsempfänger in ein Dilemma. Einerseits habe er die gewährte Leistung zu verbrauchen und andererseits die Mittel später gegenüber dem BAföG-Amt zu erstatten; dies sei aber vom Gesetzgeber nicht gewollt. Der Leistungsempfänger falle durch das soziale Netz und das Jobcenter erspare sich Leistungen auf dessen Kosten. Die Gesamtbetrachtung sei fehlerhaft und verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip, denn bei rechtzeitiger Kenntnis und Mitteilung hätte das Jobcenter unbestritten vollumfänglich geleistet. Es könne aber keinen Unterschied machen, wenn sich durch unverschuldete verspätete Kenntnis der Erstbehörde eine Rückforderung ergebe.

 

Anders als in dem vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 07. Juni 2018 entschiedenen Fall (L 34 AS 201/15) sei die Leistung hier ursprünglich rechtmäßig gewesen. Der Beigeladene sei ursprünglich immatrikuliert gewesen und der Bewilligungsbescheid habe zum Zeitpunkt der Zahlung noch bestanden. Die Exmatrikulation sei nicht bekannt gewesen. In dem vom LSG entschiedenen Fall hätten jedoch die Voraussetzungen für das Kindergeld von Anfang an nicht vorgelegen. Entgegen der Ansicht des SG Berlin setze die Anwendung von § 103 SGB X auch nicht voraus, dass eine Doppelleistung vorliege oder der Leistungsanspruch gerade durch die Leistung des anderen Trägers entfallen sei. Es bestehe auch eine institutionelle Gleichrangigkeit und Gleichartigkeit der Leistungen für den Grundbedarf. Dies beweise die auch von dem Beklagten vorgenommene Anrechnung der BAföG-Leistungen. § 103 SGB X erfasse Tatbestände, in denen nachträgliche Ereignisse eine andere Beurteilung der Rechtslage verlangten, dies treffe hier zu.

 

Auch der Anwendungsbereich des § 105 SGB X sei vom SG zu Unrecht verneint worden. Es habe eine ursprüngliche Zuständigkeit bestanden, die aber tatsächlich nachträglich entfallen sei. Die Auffassung, dass das Jobcenter keine BAföG-Leistungen erbringe, greife zu kurz, denn es müsse genau wie das BAföG-Amt Leistungen zum Lebensunterhalt gewähren. Der Kläger meint, seine örtliche und sachliche Zuständigkeit habe anfänglich bestanden und sei entfallen. Hierüber habe er aber erst nachträglich Kenntnis erlangt. Von der nachträglich entfallenen Zuständigkeit abgesehen habe er die Leistungen im Übrigen rechtmäßig erbracht. Das Zusammenfallen des Wegfalls der tatbestandlichen Voraussetzungen und der sachlichen Zuständigkeit schließe die Anwendung von § 105 SGB X nicht aus.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, 902 Euro an ihn zu zahlen

 

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Beklagte tritt dem Erstattungsanspruch weiterhin entgegen. Er meint, die Voraussetzungen des § 103 SGB X lägen nicht vor. § 20 Abs. 2 BAföG ändere daran nichts, da er allein gegenüber dem Auszubildenden eine Rückzahlungsverpflichtung statuiere, nicht aber den Wegfall der Leistungsberechtigung von Gesetzes wegen regele.

 

Die Leistungen nach dem BAföG dienten grundsätzlich einem anderen Zweck als die des SGB II - nämlich der Ausbildungsförderung. Sie würden daher von der allgemeinen Anrechnungsregelung des § 11 Abs. 3a SGB II nicht erfasst und es habe einer gesetzlichen Anordnung der Anrechnung der BAföG-Leistungen auf die SGB II-Leistungen bedurft.  In seiner Entscheidung zum Aktenzeichen B 14 AS 165/10 R habe das BSG einen allgemeinen Rechtssatz zur Anrechnung von Einkommen für die Fälle aufgestellt, in denen dieses Einkommen später von Leistungsberechtigten zu erstatten sei. Danach bleibe es trotz Entstehens einer Verpflichtung zur Rückzahlung einer laufenden Einnahme bei der Berücksichtigung als Einkommen im Zuflussmonat. Die Ausnahme, bei der eine Anrechnung unterbleibe, wenn bereits im Zuflussmonat eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung bestanden habe, liege nicht vor. Der BAföG-Bezieher habe solange ein Recht zum Behaltendürfen der Leistung wie der entsprechende Leistungsbescheid nicht aufgehoben wurde. Die Voraussetzungen des § 103 SGB X lägen nicht vor, denn der BAföG-Anspruch sei nicht aufgrund des Hinzutretens der Leistungen nach dem SGB II entfallen. Ein Erstattungsanspruch bestehe auch nicht nach den §§ 102, 104 und 105 SGB X.

 

Am 20. Juni 2023 hat ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin mit dem Kläger und dem Beklagten stattgefunden, in dem die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ausführlich erörtert worden und eine gütliche Streitbeilegung gescheitert ist. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.

 

Mit Beschluss der Berichterstatterin vom 06. Juli 2023 ist der Beigeladene als Empfänger der ursprünglichen Leistungen zu dem Verfahren beigeladen worden. Es liege ein Fall der notwendigen Beiladung vor. Sollte der geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach §§ 102 ff. SGB X bestehen, so würde die sogenannte Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X gegenüber dem Beigeladenen eintreten. Daraus folge, dass die BAföG-Leistungen als für den Beklagten erbrachte Leistungen gelten würden und der Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beigeladenen entfiele. Es spreche einiges dafür, dass auf Grund der vom Beigeladenen gegenüber dem Kläger vorgebrachten Einwendungen ein Überprüfungsverfahren im Hinblick auf den Bescheid vom 29. Mai 2019 zu führen und hierbei oder im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens im Falle des Obsiegens des Klägers der Entfall des materiellen Erstattungsanspruchs zu berücksichtigen sein könnte.

 

Der Beigeladene hat in der Sache nicht Stellung genommen und keinen Antrag gestellt.

 

Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2023, der Beklagte mit Schriftsatz vom 22. September 2023 und der Beilgeladene mit Schriftsatz vom 01. November 2023 mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden, nachdem sich alle Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

 

I. Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, nachdem der Senat auf die Beschwerde des Klägers die Berufung mit Beschluss vom 09. März 2021 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Die ursprünglich erhobene  Nichtzulassungsbeschwerde war gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG als Berufungsverfahren fortzuführen.

 

Die Berufung erweist sich aber als unbegründet. Das SG Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen.

 

1. Mit der auf Verurteilung zur Erstattung und damit Zahlung gerichteten allgemeinen Leistungsklage hat der Kläger die für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen zwischen Leistungsträgern nach §§ 102 ff. SGB X  richtige Klageart gewählt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – B 8 SO 12/16 R –, Rn. 11, juris). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Kläger gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf die Erstattung von 902 Euro hat.

 

2. Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch kommen  ausschließlich die §§ 102 ff. SGB X in Betracht. Diese Erstattungsregelungen finden zwar im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten grundsätzlich Anwendung, weil der Kläger mit den Leistungen nach dem BAföG gem. § 11 i. V. m. § 68 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) Sozialleistungen erbracht hat. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch liegen aber nicht vor.

 

3. Ein Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus § 102 SGB X ist nicht gegeben. Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein anderer Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Daran fehlt es hier. Der Kläger hatte die Leistungen an den Beigeladenen nicht vorläufig erbracht.

 

4. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 103 Abs. 1 SGB X besteht – unter weiteren Voraussetzungen - ein Erstattungsanspruch gegenüber dem an sich zuständigen Leistungsträger, wenn ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese Leistungen nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist.

 

a. § 103 Abs. 1 SGB X setzt nach dem Wortlaut eine zunächst rechtmäßige Leistungserbringung voraus, denn sonst wäre der Anspruch nicht „nachträglich“ entfallen. Die Sozialleistungen müssen also – zum Zeitpunkt der Leistungserbringung – zu Recht erbracht worden sein, d. h. es muss ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf die Leistung bestanden haben (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R –, Rn. 20, juris; Prange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 103 SGB X, Stand: 25. August 2022, Rn. 36).

 

Die Erbringung der BAföG-Leistungen erwies sich aber bereits zum Zeitpunkt der Erbringung an den Beigeladenen als materiell rechtswidrig. Ein materieller Anspruch hat für die Monate Februar und März 2018 nie bestanden, so dass er auch nicht nachträglich entfallen sein kann. Zwar war der Beigeladene zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 20. März 2017 leistungsberechtigt, bei der Auszahlung der Leistungen für Februar und März 2018 (Ende Januar bzw. Ende Februar 2018) aber nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits exmatrikuliert. Mit der Exmatrikulation zum 10. Januar 2018 hatte das Hochschulstudium des Beigeladenen geendet. Seit seiner Exmatrikulation lag damit kein Besuch einer nach § 2 Abs. 1 BAföG förderfähigen Ausbildung mehr vor, so dass die Voraussetzungen der BAföG-Leistung durch eine nachträgliche Änderung nicht mehr vorgelegen haben und der Bescheid nach § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG zum 01. Februar 2018 zu ändern war. Soweit der Kläger einwendet, dass die Auszahlung rechtmäßig erfolgt sei, weil der Bewilligungsbescheid noch bestanden habe, verfängt dies nicht. Mit dem Entfallen des Leistungsanspruchs im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X ist der materielle Anspruch gemeint.

 

b. Darüber hinaus ist der Leistungsanspruch nicht durch das Hinzutreten einer weiteren Sozialleistung entfallen (vgl. zu dieser Verknüpfung ausführlich Prange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 103 SGB X, Stand: 25. August 2022, Rn. 39 und Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 103 Rn. 23 ff.).

 

Da Ansprüche gegen verschiedene Leistungsträger grundsätzlich nebeneinander bestehen, muss es, wenn aufgrund eines Anspruchs auf eine entsprechende Leistung eine zuvor erbrachte (andere) Leistung nachträglich entfällt, eine Rechtsnorm über das Verhältnis dieser beiden Ansprüche zueinander und insbesondere das Entfallen geben. Denn andernfalls ist kein Rechtsgrund ersichtlich, wieso das Bestehen des einen Anspruchs gegen den einen Leistungsträger dem Bestehen des anderen Anspruchs gegen den anderen Leistungsträger entgegenstehen sollte (Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 103 Rn. 23). Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt daher im Sinne von § 103 Abs. 1 Halbs. 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch (durch eine "Wegfallregelung" oder "-bestimmung") zum Wegfall kommt (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R –, Rn. 32, juris,). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Anspruch des Beigeladenen auf BAföG-Leistungen gegenüber dem Kläger entfallen sein müsste, weil der Beklagte Leistungen nach dem SGB II gewährt hat. Unabhängig von der (wohl wegen des Zuflussprinzips zu verneinenden) Frage, ob die Anrechnungsregelungen der §§ 11 ff. SGB II in der umgekehrten Konstellation einer rückwirkenden Leistungsgewährung durch den Kläger zu einem Entfallen der Leistungsansprüche gegenüber dem Beklagten führen würden, ist der Anspruch auf die BAföG-Leistungen auf Grund der Exmatrikulation und völlig unabhängig von einer etwaigen Leistungsgewährung durch den Beklagten entfallen. Der Wegfall des Leistungsanspruchs und die nachfolgende Aufhebung des BAföG-Leistungsbescheides durch den Kläger erfolgten allein auf Grund der Exmatrikulation des Beigeladenen. Der BAföG-Anspruch hätte auch ohne eine Leistungsgewährung des Beklagten zum Zeitpunkt der Auszahlung nicht bestanden. Darin besteht der wesentliche Unterschied zur vom Kläger vergleichend herangezogenen Fallgestaltung, dass zunächst Wohngeld gewährt wurde und nachträglich Leistungen nach dem SGB II gewährt werden. Gemäß § 28 Abs. 3 WoGG wird der ursprüngliche Bewilligungsbescheid mit der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II unwirksam (kraft Gesetzes). Durch die Bewilligung der SGB II-Leistungen kommt es daher zu einem nachträglichen Entfallen des Wohngeldanspruches.

 

5. Dem Kläger steht auch kein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X gegen den Beklagten zu. Nach § 104 Abs. 1 SGB X kann – unter weiteren Voraussetzungen -  ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, wenn er Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, gegenüber dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger Erstattung verlangen. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Voraussetzung ist demnach, dass der Leistungsträger, der einen Erstattungsanspruch geltend macht, der nachrangig verpflichtete Leistungsträger ist.

 

Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Die von dem Kläger zu erbringenden Leistungen nach dem BAföG stehen nicht im Nachrang zu den Leistungen nach dem SGB II, für die der Beklagte zuständig ist. Die Gewährung beider Leistungen schließen sich - von Ausnahmeregelungen abgesehen - grundsätzlich aus. Leistungen nach dem BAföG werden für den Besuch der in § 2 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 BAföG genannten Ausbildungsstätten geleistet. Von den Leistungen nach dem SGB II sind dagegen gemäß § 7 Abs. 5 SGB II Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, ausgeschlossen. Sie haben über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Vorschrift stellt allein auf die Förderungsfähigkeit der Ausbildung ab (BSG, Urteil vom 06. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R –, Rn. 23, juris,). Dies begründet kein Nachrangverhältnis der BAföG-Leistungen gegenüber den Leistungen nach dem SGB II. Auf Grund der Regelungen zur Anrechnung von BAföG-Leistungen als Einkommen im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II in den §§ 11 ff. SGB II und der in § 7 Abs. 5 SGB II formulierten Ausschlussregelung bei Besuch einer nach dem BAföG förderfähigen Ausbildung könnte allenfalls umgekehrt von einem Nachrang der SGB II-Leistungen ausgegangen werden.

 

6. Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 105 SGB X. Danach gilt: Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

 

a. Der Anspruch setzt demnach voraus, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, obwohl er unzuständig war, die Leistung - abgesehen von der Unzuständigkeit - rechtmäßig ist und ein anderer Leistungsträger für die Leistungserbringung zuständig oder zuständig gewesen ist (Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, § 105 Rn. 10). Die im Übrigen rechtmäßige Leistungserbringung ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 105 Abs. 1 SGB X (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R –, Rn. 38, juris). Zur Erstattung verpflichteter Leistungsträger ist derjenige, der zuständig ist oder zuständig gewesen ist, wobei sich die Zuständigkeit nach materiellem Recht richtet. D. h. zuständig ist der Leistungsträger, gegen den der Leistungsempfänger/Versicherte nach materiellen Vorschriften einen Anspruch hat, d. h. der insoweit passiv legitimierte (Prange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., Stand: 15. November 2023, § 105 Rn. 55).

 

b. Der Beigeladene hatte nach seiner Exmatrikulation gegenüber dem Kläger keinen Leistungsanspruch mehr. Leistungen nach dem BAföG werden – unter weiteren Voraussetzungen - für den Besuch der in § 2 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 BAföG genannten Ausbildungsstätten geleistet. Der Beigeladene hatte mit seinem Hochschulstudium zunächst an einer solchen förderfähigen Ausbildung teilgenommen und auch die übrigen Fördervoraussetzungen erfüllt. Mit der Exmatrikulation endete jedoch die Ausbildung (vgl. § 15b Abs. 4 BAföG). Bei der insoweit zuungunsten des Beigeladenen eingetretenen Änderung eines für die Leistung der Ausbildungsförderung maßgeblichen Umstandes ist gemäß § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG der Bewilligungsbescheid vom Beginn des Monats an, der auf den Eintritt der Änderung folgt, zu ändern. Eine Aufhebung der Bewilligung hatte daher – wie vom Kläger am 29. Mai 2019 auch umgesetzt – mit Wirkung ab dem 01. Februar 2018 zu erfolgen.

 

Der Beklagte war seit der Exmatrikulation gegenüber dem Beigeladenen grundsätzlich leistungspflichtig. Der Beigeladene war im Zeitraum von Januar 2018 bis März 2018 dem Grunde nach anspruchsberechtigt. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Beigeladene erfüllte die genannte Altersgrenze, war erwerbsfähig und hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II). Er unterlag seit seiner Exmatrikulation auch keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II mehr. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das Hochschulstudium des Beigeladenen als Ausbildung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG hatte mit seiner Exmatrikulation zum 10. Januar 2023 gem. § 15 b Abs. 4 BAföG geendet. Dass die Förderleistungen gem. § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG über die Exmatrikulation hinaus bis an das Monatsende weitergezahlt werden, ist für den Leistungsausschluss nach dem SGB II unerheblich (Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., Stand: 09. August 2023, § 7, Rn. 359). Die Weiterzahlung der BAföG-Leistungen schließt auch nicht im Hinblick auf die dadurch geminderte Hilfebedürftigkeit des Beigeladenden den Erstattungsanspruch von vornherein aus. Der Erstattungsanspruch gegen einen Sozialleistungsträger ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Leistungsanspruch nach dem SGB II mangels Hilfebedürftigkeit wegen der Leistung des unzuständigen Trägers nicht besteht; die Hilfebedürftigkeit ist notwendig ausgeschlossen, soweit der Bedarf durch Leistungen des unzuständigen Sozialleistungsträgers gedeckt worden ist, die Grundlage der Erstattung nach § 105 sind (vgl. zum SGB XII, Kater in: BeckOGK, Stand 01. Mai 2022, SGB X § 105 Rn. 19).

 

c. Ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erscheint demnach zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie die übrigen Erstattungsregelungen setzt aber auch § 105 Abs. 1 SGB X voraus, dass erbrachte und geschuldete Leistungen gleichartige zeitgleiche Leistungen darstellen (Kater in: BeckOGK, Stand 01. Mai 2022, SGB X § 105 Rn. 25; Roos in: Schütze, 9. Aufl. 2020, SGB X, § 105 Rn. 12; Weber in: BeckOK SozR, 71. Ed. 01. Dezember 2023, SGB X, § 105 Rn. 14). Daran fehlt es hier.

 

Mit § 2 BAföG und § 7 Abs. 5 SGB II werden sich gegenseitig ausschließende Leistungsbereiche definiert. Bei der Vorschrift des § 2 Abs. 1 BAföG, die die förderfähigen Ausbildungsgänge definiert, und § 7 Abs. 5 SGB II, der Personen, die einer förderfähigen Ausbildung nach dem BAföG nachgehen, grundsätzlich von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II ausschließt, handelt es sich nicht lediglich um eine Regelung der Zuständigkeit.

 

Die Erbringung von Leistungen zur Ausbildungsförderung erfolgte nicht in Unzuständigkeit des Klägers. Er war zur Erbringung von Leistungen zur Ausbildungsförderung grundsätzlich sachlich berechtigt. Die Leistungserbringung war vielmehr rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Förderung nach § 2 Abs. 1 BAföG nicht gegeben waren. Der Kläger hat auch nicht in unzuständiger Weise Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende oder eine gleichartige sachlich kongruente Leistung erbracht. Die Gleichartigkeit beurteilt sich danach, ob eine gegebene Bedarfssituation vergleichbar befriedigt wird (Kater in: BeckOGK, Stand 01. Mai 2022, SGB X § 105 Rn. 25). Daran fehlt es hier.

 

§ 2 BAföG und § 7 Abs. 5 SGB II sind insbesondere keine Regelungen der sachlichen Zuständigkeit für die Gewährung gleichartiger existenzsichernder Leistungen. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll nach § 1 Abs. 1 SGB II dazu beitragen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können (Satz 1). Hilfebedürftige sollen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützt und ihr Lebensunterhalt gesichert werden, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können (Satz 2). Der Katalog des § 1 Abs. 1 Satz 4 SGB II macht deutlich, dass Ziel des Gesetzes die Förderung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist, die den Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen sichert. Grundlegender Ausgangsgedanke ist, dass der Sozialleistungsempfänger aktiv dabei unterstützt werden soll, vom passiven Objekt staatlicher Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden, woraus sich das Gebot ergibt, den Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern  (BSG, Urteil vom 06. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R –, Rn. 26, juris).

 

Leistungen nach dem BAföG stellen keine solchen Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II dar (Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – L 7 AS 315/19 –, Rn. 34, juris). Sie sind mit diesen auch nicht vergleichbar. Anders als die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen die Leistungen nach dem BAföG – im Unterschied z. B. zu Leistungen nach dem SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz – weder vornehmlich der Umsetzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs. 1 GG (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – L 7 AS 315/19 –, Rn. 34, juris) noch dem Zweck, die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu fördern. Die Ausbildungsförderung hat zwar auch existenzsichernde Funktion, wie bereits die Ausgestaltung in Abhängigkeit vom Einkommen zeigt. Sie dient ausdrücklich der Ausbildungsförderung und zwar sowohl der Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch der Deckung der Kosten der Ausbildung selbst. Dies macht neben § 1 BAföG auch § 11 Abs. 1 BAföG deutlich, wonach Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet wird. Es sind hier zwar zwei Zweckbestimmungen nebeneinander genannt, ohne dass von vornherein erkennbar wäre, dass eine Zweckbestimmung (die Deckung der Ausbildungskosten) gegenüber der anderen (der Sicherung des Lebensunterhalts) zurücktritt oder von vornherein einen Vorrang einnimmt. (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2009 – B 14 AS 63/07 R –, Rn. 25, juris). Daher waren die Leistungen nach dem BAföG nach der Rechtsprechung des BSG bis zur Einführung der Anrechnungsregelung des § 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB II (Art. 1 Nr. 9 Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht) zum 01. August 2016 zwar grundsätzlich auf Leistungen nach §§ 19 Abs. 1 S. 1, 20 ff. SGB II anzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BSG hatten allerdings 20% des Förderbetrages hiervon als zweckbestimmt für den ausbildungsbedingten Bedarf außer Betracht zu bleiben. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung zum Anlass genommen, die Anrechenbarkeit der BAföG-Leistungen im Rahmen der SGB II-Leistungsgewährung in § 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB II ausdrücklich zu regeln und auch in dem ebenfalls zum 01. August 2016 eingeführten § 11b Absatz 2 SGB II eine pauschalierte Absetzung von 100 Euro für die BAföG-Leistungen vorgesehen. Dass der Gesetzgeber den Erlass einer eigenständigen Regelung sowohl für die Anrechnung der BAföG-Leistung also auch im Hinblick auf die Höhe der für Ausbildungszwecke vorgesehenen Bedarfe für erforderlich gehalten hat, verdeutlicht, dass sich die Zweckbestimmung der Ausbildungsförderung und die Höhe der der Existenzsicherung dienenden Bestandteile gerade nicht schon ohne weiteres aus den übrigen Vorschriften ergibt. Hauptziel des BAföG ist nach Auffassung des Senats jedenfalls die Erhöhung der Chancengleichheit im Bildungswesen sowie die Mobilisierung von Bildungsreserven in den einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten (vgl. Nolte in: Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar, Sozialrechtsberatung SRB, 3. Auflage 2023, BAföG, § 1 Rn. 1 m.w.N., beck-online). Die Sozialleistung Ausbildungsförderung hat ausschließlich die Funktion, den einzelnen jungen Menschen in den Stand zu versetzen, sich ohne wirtschaftliche Zwänge in einer qualifizierten Ausbildung persönlich zu entfalten und auf sein Berufsleben vorzubereiten (Blanke in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Auflage, 30. Ergänzungslieferung Mai 2008, Einführung Rn. 2.1). Finanzielle Restriktionen sollen kein Grund dafür sein, von einer der Eignung und Neigung entsprechenden weiterführenden Ausbildung abzusehen (Ramsauer in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020; § 1 Rn. 13). Das Fehlen der primären Existenzsicherungsfunktion des BAföG zeigt sich z. B. auch darin, dass ein Anspruch trotz Hilfebedürftigkeit nicht besteht, wenn die Altersgrenze (§ 10 BAföG) oder die Förderungshöchstdauer (§§ 15 f. BAföG) überschritten sind. Ebenso ist für Leistungsberechtigte nach dem BAföG grundsätzlich eine weitere Leistungserbringung auch dann ausgeschlossen, wenn die BAföG-Leistungen und ihre sonstigen Einkünfte nicht die Höhe des Existenzminimums erreichen (Schaller in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020; Einführung Rn. 28). Im Gegensatz dazu sollen die Leistungen nach dem SGB II nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhaltes das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 06. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R –, Rn. 25, juris). Es fehlt nach alledem an einer sachlichen Kongruenz der Leistungen (a. A., aber ohne Begründung: Becker, Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander: Wie „gleich“ müssen die Leistungen sein?, WsZ 2017, 3 [6]).

 

d. Der Erstattungsanspruch scheidet darüber hinaus aus, weil es an der Gleichartigkeit der Leistungen auch im Hinblick auf die Art der Erbringung fehlt. Beide Leistungen werden zwar in der Form der Geldleistung ausgezahlt. Die Leistungen nach dem SGB II werden dabei aber - sowohl soweit es die Regelleistung als auch die Kosten der Unterkunft und Heizung betrifft - als Zuschuss erbracht. Der Kläger hatte die BAföG-Leistungen aber gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG nur zur Hälfte als Zuschuss und zur anderen Hälfte als Staatsdarlehen gewährt. Die darlehensweise Erbringung einer Leistung stellt ein Aliud gegenüber der Gewährung einer Leistung als Zuschuss dar (st. Rspr. BSG, vgl. Urteil vom 11. September 2020 – B 8 SO 3/19 R –, SozR 4-3500 § 102 Nr 4, Rn. 18). Bei der Leistung einerseits als vollständiger Zuschuss und andererseits als teilweises Darlehen kann demnach nicht von einer für die Begründung eines Erstattungsanspruchs erforderlichen Gleichartigkeit der Leistungserbringung ausgegangen werden (vgl. Prange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., Stand 09. Januar 2024, § 103 Rn. 44; Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2021 – L 11 AS 802/19 –, Rn. 31, und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 2008 – L 7 AS 34/08 –, Rn. 64, beide in juris).

 

7. Auf die zwischen den Beteiligten darüber hinaus diskutierten Fragen, ob der Beklagte an den Beigeladenen hätte höhere Leistungen erbringen müssen, weil die Zahlung des Klägers (z. B. wegen § 20 Abs. 2 BAföG) von Anfang an mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet gewesen ist und ob hier eine Abweichung vom Zuflussprinzip gerechtfertigt ist, kommt es für den Erstattungsanspruch des Klägers  nicht an. Diese Fragen betreffen allein das Verhältnis des Beklagten zum Beigeladenen und dürften durch die Rechtsprechung des BSG, insbesondere in dem Urteil vom 23. August 2011 (– B 14 AS 165/10 R –, juris; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07. Juni 2018 – L 34 AS 201/15 –, Rn. 40, juris) geklärt sein. Die u. a. unter diesem Blickwinkel und unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten letztlich vorgebrachte Einwendung des Klägers, dass der Beklagte sich wegen des tatsächlichen Zuflusses der von ihm, dem Kläger, (rechtswidrig) erbrachten Leistungen die eigene Leistungserbringung erspart hat und auf der anderen Seite die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gegenüber dem Beigeladenen dazu führen würde, dass dieser letztlich die Leistungen, die der Beklagte bei seinen Berechnungen in Abzug gebracht habe, zurückzahlen müsste, verfangen nicht. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass so die Rückabwicklung zu Gunsten des Beklagten und zu Lasten des Beigeladenen ausginge, der – wenn die Leistungen von beiden Trägern sofort rechtmäßig erbracht bzw. nicht erbracht worden wären -  einen um die BAföG-Leistungen (abzüglich von Freibeträgen) höheren Betrag behalten dürfte und der Beklagte diese hätte erbringen müssen (SGB II-Leistungen ohne die Anrechnung von BAföG-Leistungen). Dieses Ergebnis rechtfertigt aber nicht das Konstruieren eines nach dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften nicht vertretbaren Ergebnisses. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, dem Kläger im Wege richterlicher Rechtsfortbildung einen Erstattungsanspruch in der hier vorliegenden Fallkonstellation zuzubilligen. Ein derartiges Vorgehen ist allenfalls dort angebracht, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden müssen oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R –, Rn. 39 m. w. N.). Das lässt sich hier nicht feststellen. Dafür, dass der Gesetzgeber eine Regelungslücke übersehen hätte, ist nichts erkennbar. Den in §§ 102 ff. SGB X geregelten Erstattungsansprüchen zwischen den Leistungsträgern liegt zu Grunde, dass der erstattungsberechtigte Träger vergleichbare Sozialleistungen (zunächst und bei § 105 SGB X mit Ausnahme der Zuständigkeit) rechtmäßig erbracht hat (Becker, Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander: Wie „gleich“ müssen die Leistungen sein?, WsZ 2017, 3 [5]). Fraglich ist zudem, ob im vorliegenden Fall überhaupt ein unbilliges Ergebnis vorliegt, da der Beigeladene selbst die Exmatrikulation an den Kläger hätte mitteilen und eine Überzahlung verhindern können. Die Hälfte der Leistungen hätte der Beigeladene – da sie darlehensweise erbracht wurden – ohnehin erstatten müssen. Etwaige gegenüber dem Beigeladenen entstehende Unbilligkeiten könnten zudem im Rahmen der Vollstreckung des Rückzahlungsbetrages ausgeglichen werden (vgl. zur Rückzahlung von ALG I: BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R –, Rn. 26, und zum Kindergeld: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07. Juni 2018 – L 34 AS 201/15 –, Rn. 41, jeweils in juris).

 

8. Das Ergebnis steht auch im Einklang mit der in vergleichbaren Fällen ergangenen Rechtsprechung. Hierzu sei insbesondere auf die zu Erstattungsansprüchen bei rechtswidriger Leistung von ALG I ergangene Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 11. März 2021 – L 14 AL 123/15 –, juris) sowie die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 15. Juni 2021 – OVG 6 M 42/21 –, juris) verwiesen, wonach dem Ausbildungsförderungsamt keine Spielräume verbleiben, um auf eine Aufhebung und die Rückforderung der überzahlten Ausbildungsförderungsleistungen zu verzichten und stattdessen eine Erstattung gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger nach §§ 102 ff. SGB X geltend zu machen.

 

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und dem Ausgang des Verfahrens in der Sache. Der Beigeladene ist weder an den Kosten zu beteiligen noch hat er einen Kostenerstattungsanspruch. Dies folgt aus § 154 Abs. 3 VwGO, wonach einem Beigeladenen nur Kosten auferlegt werden können, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat. Dies ist hier nicht der Fall. Da sich der Beigeladene keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert hat, entspricht es zudem billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

 

Soweit der Kläger im Verfahren eine Kostenbefreiung nach § 184 Abs. 3 SGG i. V. m. § 2 Gerichtskostengesetz geltend macht (vgl. Bl. 238 der Gerichtsakten), ist dies nicht im Rahmen der durch den Senat zu treffenden Kostengrundentscheidung, sondern erst bei der Erstellung der Kostenrechnung zu berücksichtigen.

 

III. Die Revision wird zugelassen. Der Senat misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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