L 15 U 72/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 37 U 153/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 72/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 26/23 AR
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.02.2022 wird zurückgewiesen.

Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 1.000,00 € auferlegt. Im Übrigen sind außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt im Wege eines Verfahrens nach § 44 SGB X die Zahlung einer höheren Verletztenrente.

 

Mit Bescheid vom 12.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2005 lehnte die Bergbau Berufsgenossenschaft (Bergbau-BG), eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, gegenüber den Kläger die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; im Folgenden BK 2108) mit der Begründung ab, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nicht vorlägen. Während des anschließend beim Sozialgericht Gelsenkirchen geführten Klageverfahrens (S 18 KN 72/05) veranlasste die Bergbau-BG weitere Ermittlungen zu den Belastungen des Klägers durch Einwirkungen im Sinne der BK 2108. Ihr Präventionsdienst kam in seiner Stellungnahme vom 17.01.2006 zu dem Ergebnis, dass der Richtwert von 25 x 106 Nh nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) erreicht werde. Daraufhin ließ die Bergbau-BG den Kläger durch C. untersuchen. Dieser kam in seinem Gutachten vom 25.07.2006 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 bei einem Unterlassungszwang ab dem 01.01.2006 vorlägen. Das Sozialgericht beauftragte anschließend den Arzt für Orthopädie T. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Dieser sah in seinem Gutachten vom 16.03.2007 die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 seit dem 20.10.2000 als gegeben an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er für die Zeit vom 20.10.2000 bis zum 16.02.2004 mit 20 v. H. und ab dem 17.02.2004 bis auf weiteres mit 30 v. H. Mit Schriftsätzen vom 10. und 27.04.2007 unterbreitete die Bergbau-BG dem Kläger das Vergleichsangebot, bei ihm ab dem 15.06.2000 (Zeitpunkt des Leistungsfalls) die BK 2108 anzuerkennen und ihm Rente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 16.12.2001 sowie nach einer MdE von 30 v. H ab dem 17.02.2004 zu zahlen, soweit nicht erneut andere BK-bedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten zu berücksichtigen seien. Das Vergleichsangebot nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 08.05.2007 an. Mit Bescheid vom 09.11.2007 gewährte die Bergbau-BG dem Kläger unter Anerkennung einer BK 2108 Verletztenrente für die Zeit vom 16.12.2001 bis zum 16.02.2004 nach einer MdE von 20 v. H. und ab dem 17.02.2004 nach einer MdE von 30 v. H. auf unbestimmte Zeit. Dieser Bescheid wurde bindend.

 

In der Folgezeit stellte der Kläger mehrfach Verschlimmerungsanträge, die alle erfolglos blieben. In dem vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen S 37 U 211/17 geführten Verfahren verpflichtete sich die Beklagte, den Antrag des Klägers vom 19.02.2014 auf Überprüfung des Bescheides vom 09.11.2007 rechtsmittelfähig zu bescheiden. Mit Bescheid vom 25.01.2018, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 12.04.2018, lehnte die Beklagte eine Abänderung des Bescheides vom 09.11.2007 ab. Zur Begründung bezog sie sich auf das Gutachten von T. vom 16.03.2007 und meinte, dass zwischenzeitlich keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Entscheidung aufgetreten seien. In dem anschließenden Klageverfahren (S 34 U 149/18) holte das Sozialgericht ein Gutachten von U. nach Aktenlage ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 vorlägen. Bei der heutigen Interpretation der damaligen Befunde gelange man für das Jahr 2004 zu einem lokalen Lumbalsyndrom, das sich im Jahr 2006 mit dem neu aufgetretenen Prolaps bei L5/S1 links dorsomedian in Richtung eines lumbalen Wurzelkompressionssyndroms verschlechtert habe. Daraus ergebe sich dann für das Jahr 2004 eine MdE von 20 v. H. und für das Jahr 2006 eine MdE von 30 v. H. als „schwacher Wert“. Der MdE-Bewertung von T. stimme er zu. Auch wenn man das gegenwärtige klinische Bild des Klägers betrachte, so liege aktuell ein leichtes Wurzelkompressionssyndrom mit motorischen Störungen im Sinne einer Fußheber-/-senkschwäche vom Kraftgrad 4/5 ohne nachweisbare starke, belastungsabhängige Beschwerden vor. Folge man den Angaben der einschlägigen Gutachterliteratur, so müsse man auch gegenwärtig von einer MdE von 30 v. H. ausgehen. Mit Urteil vom 29.05.2019 wurde die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (LSG NRW, Beschluss vom 05.02.2021 – L 17 U 298/19).

 

Mit Schreiben vom 23.02.2021 stellte der Kläger erneut ein Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung des Bescheides vom 09.11.2007. Zur Begründung gab er an, der Bescheid vom 09.11.2007 stütze sich auf das Gutachten von T., das aufgrund eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII in rechtlich unzulässiger Weise zustande gekommen sei. Nach dem Urteil des BSG vom 05.02.2008 (B 2 U 8/07 R) gelte § 200 Abs. 2 SGB VII auch für vom Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens eingeholte Gutachten. Ein Verstoß führe zu einem Beweisverwertungsverbot. Zur Sicherstellung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach § 200 Abs. 2 Hs. 2 SGB VII i. V. m. § 76 Abs. 2 SGB X seien neben dem Gutachten von T. alle weiteren Gutachten und Stellungnahmen, die sich auf das Gutachten von T. bezögen oder es verwerteten, aus der Verwaltungsakte zu entfernen.

 

Mit Bescheid vom 01.03.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 09.11.2007 nicht bestehe, weil die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht vorlägen. T. sei vom Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 30.11.2006 gemäß § 106 SGG zum Gerichtsgutachter bestellt worden. Die Beklagte habe dem Kläger keine Gutachterauswahl übersenden könne, weil das Sozialgericht Herr des Verfahrens gewesen sei. Das Gutachten von T. vom 16.03.2007 sei unter Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen zustande gekommen. Es sei das maßgebliche Gutachten für die Bewertung der Folgen der BK und der Einschätzung der MdE und somit die Grundlage für alle weitere Gutachten, um eine wesentliche Änderung feststellen zu können. Nach erneuter Überprüfung ergäben sich auch weiterhin keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei Erlass des Bescheides vom 09.11.2007 das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Auf den Bescheid vom 25.01.2018 und den Beschluss des LSG NRW vom 05.02.2021 werde verwiesen. Mit seinem dagegen erhobenen Wiederspruch machte der Kläger geltend, es sei nicht nachvollziehbar, warum das Sozialgericht das Verwaltungsgutachten von C. für mangelhaft erklärt und durch das Gerichtsgutachten von T., das einem Beweisverwertungsverbot unterliege, ersetzt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück.

 

Mit der am 03.05.2021 beim Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Rücknahme des Bescheides vom 09.11.2007 weiterverfolgt. Er hat im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und sich zu dessen Stützung noch auf die Entscheidungen des BSG vom 11.11.2004 (B 9 SB 1/03 R) und vom 13.09.2005 (B 2 U 365/04 B) bezogen. Die Beklagte ist auf ihrem Standpunkt verblieben.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 09.11.2007 aufzuheben. Die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X lägen nicht vor. Es sei vorliegend kein Grund erkennbar, warum der Bescheid vom 09.11.2007, der in Ausführung des Vergleichs von Mai 2007 ergangen sei, rechtswidrig sein solle. Vielmehr sei dieser Bescheid nur deshalb ergangen, weil der Kläger mit einer entsprechenden Entscheidung über das Vorliegen der BK 2108, den Eintritt des Versicherungsfalls und der jeweiligen Höhe der MdE ausdrücklich einverstanden gewesen sei. Für das Gericht sei deshalb nicht nachvollziehbar, warum sich der Kläger nach Abschluss des entsprechenden Vergleichs nunmehr 14 Jahre später auf eine Nichtverwertbarkeit des Gutachtens von T. berufe. Das Gutachten von T. sei durch das Gericht gemäß § 106 SGG durch Bestellung von T. in Auftrag gegeben worden. Hierbei habe das Gericht die Voraussetzungen von § 200 Abs. 2 SGB VII nicht zu beachten gehabt, da diese Vorschrift lediglich das Verwaltungsverfahren betreffe. Des Weiteren seien in dem Verfahren S 34 U 149/18 durch das dort gemäß § 106 SGG eingeholte Gutachten von U. vom 06.03.2009 die Ergebnisse der Gutachten von C. und T. hinsichtlich des Vorliegens der BK 2108, des Zeitpunkts des Leistungsfalls und der MdE-Bewertung bestätigt worden.

 

Gegen den ihn am 17.02.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.02.2022 Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, dass das Gutachten von T. nicht verwertet werden dürfe und aus den Akten entfernt werden müsse. Im Übrigen ergebe sich aus den Akten der Beklagten, dass er an einer deutlichen Instabilität bei L4/5 mit deutlicher Bandscheibenprotrusion leide und dies dazu geführt habe, dass er ab April 2004 „Rente wegen voller MdE“ beziehe. T. habe aber bei seiner Untersuchung 2007 festgestellt, dass er – der Kläger – BU-Rentner sei. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass T. die MdE mit 30 v. H. eingeschätzt habe.

 

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.02.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2021 zu verurteilen, den Bescheid vom 09.11.2007 zurückzunehmen und ihm eine Verletztenrente in Höhe von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

 

Mit seiner Klage begehrt der Kläger nach seinem im Senatstermin am 15.11.2022 gestellten Antrag die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 09.11.2007 und Gewährung einer Verletztenrente in Höhe von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes. Auch wenn der Kläger nach seinem in erster Instanz schriftsätzlich gestellten Antrag nur die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 09.11.2007 und erstmals mit seinem im Senatstermin am 15.11.2022 gestellten Antrag ausdrücklich auch die Gewährung einer Verletztenrente in Höhe von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes begehrt hat, ist sein Klagebegehren bei verständiger Auslegung von vornherein auch auf die Zahlung der Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v. H. gerichtet gewesen.

 

Die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage hat das Sozialgericht zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Ablehnungsentscheidung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden rechtmäßig ist, weil die Voraussetzungen nach § 44 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 09.11.2007 nicht vorliegen. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, denen der Senat sich nach eigener Prüfung anschließt, wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Dass sich keinerlei Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 09.11.2007 ergeben, hat auch schon der 17. Senat des LSG NRW in seinem Beschluss vom 05.02.2021 (L 17 U 298/19) festgestellt. Auch den Gründen dieser Entscheidung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

 

Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Soweit der Kläger weiterhin meint, sich für seine irrige Auffassung, dass das seinerzeit vom Sozialgericht eingeholte Gutachten des Orthopäden T. vom 16.03.2007 wegen Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII einem Beweisverwertungsverbot unterliege, auf das Urteil des BSG vom 05.02.2008 (B 2 U 8/07 R) stützen zu können, verkennt er nach wie vor, dass die von ihm angeführten Ausführungen des BSG, wonach § 200 SGB VII auch für vom Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens eingeholte Gutachten gelten, das von T. eingeholte Gutachten nicht betreffen. Denn dieses Gutachten ist eben nicht vom Unfallversicherungsträger, sondern vom Sozialgericht im Rahmen seiner Ermittlungen gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG eingeholt worden.

 

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass F. in seiner Stellungnahme vom 10.07.2012 und E. in seinen Gutachten vom 29.08.2013 und 08.01.2015 eine MdE von 40 v. H. angenommen haben. Denn dieser Bewertung ist U. in seinem Gutachten vom 06.03.2019 mit überzeugenden Gründen entgegengetreten. Er hat einleuchtend dargelegt, weshalb eine höhere MdE als 30 v. H. nicht anzunehmen ist. Nach Einschätzung des Arztes für Orthopädie I. im Gutachten vom 02.08.2016 sind die Folgen der BK sogar eher einer MdE von 20 v. H. als einer MdE von 30 v. H. zuzuordnen.

 

Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger sogenannte Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen.

 

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vergl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 2 BvR 1255/02 - , juris Rn. 3; Beschluss vom 03.07.1995 - 2 BvR 1379 -, juris Rn. 10). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

 

Der Vorsitzende hat den Kläger im Senatstermin am 15.11.2022 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seine als Begründung für den erneuten Überprüfungsantrag und die nachfolgende Klage angeführte Rechtsauffassung, das Gutachten des Orthopäden T. unterliege wegen Verstoßes gegen § 200 SGB VII einem Beweisverwertungsverbot, unter allen denkbaren Gesichtspunkten unvertretbar und dementsprechend die weitere Rechtsverfolgung missbräuchlich im Sinne von § 192 SGG ist. Der Kläger ist außerdem im Senatstermin vom Vorsitzenden auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden. Der Kläger hat gleichwohl an seinem Begehren festgehalten und auf einem Urteil beharrt.

 

Die Höhe der Kostenbeteiligung hat der Senat durch Schätzung des Kostenaufwands für die Fortführung des Berufungsverfahrens festgesetzt. Dabei hat er berücksichtigt, dass es sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatzregelung handelt (vergl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 192 Rn. 1a und Rn. 12 m.w.N.), die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt. Dies hat zur Konsequenz, dass der Beteiligte in einem solchen Fall die tatsächlichen Kosten für die weitere Bearbeitung des Rechtsstreits zu tragen hat (vergl. LSG NRW, Beschluss vom 08.12.2016 - L 4 U 575/16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.02.2012 - L 29 AS 114/11 -, juris Rn. 66). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG, somit für Verfahren vor dem Landessozialgericht ein Betrag von mindestens 225 €. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten geschätzt werden. Dabei sind neben dem bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vergl. Schmidt, a.a.O. § 192 Rn. 14).

 

Allein für das Abfassen des Urteils durch die Berichterstatterin und das anschließende Korrekturlesen sind mindestens vier Richterarbeitsstunden anzusetzen. Hinzu kommen die durch die Mitbefassung der weiteren Berufsrichter verursachten mindestens zwei Richterarbeitsstunden. Der Wert einer Richterstunde wurde bereits 1986/1987 mit 350 bis 450 DM (dies entspricht ca. 180 bis 230 €) angesetzt (vergl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2011 - L 13 R 2150/10 -, juris Rn. 22 m.w.N.). Selbst unter Berücksichtigung dieser für 1986/1987 geltenden Werte, die sich zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung deutlich gesteigert haben dürften, sind somit allein für die zur Absetzung des Urteils erforderlichen Richterarbeitsstunden Kosten in Höhe von mindestens 1.080 € entstanden, ohne dass hierbei die Kosten der Servicekräfte, die an der Ausfertigung des Urteils mitwirken, oder die allgemeinen Gerichtshaltungskosten berücksichtigt wären. Die dem Kläger auferlegten Kosten i.H.v. 1.000 € liegen damit noch deutlich unter den Kosten, die er mit der Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich verursacht hat. Bei der Bestimmung der Kostenhöhe hat der Senat zu Gunsten des Klägers geringe Einkommensverhältnisse unterstellt.

 

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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