L 4 AS 181/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AS 669/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AS 181/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
  1. Bei dem Streit um die Rechtmäßigkeit der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II steht die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG der Statthaftigkeit der Berufung nicht entgegen, weil es sich nicht um eine Klage handelt, die eine Geld- Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft.

 

  1. Ein Verwaltungsakt über die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II erledigt sich nicht durch Zeitablauf oder andere Weise, wenn von ihm weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Dies ist der Fall, wenn der Zuweisungsbescheid weiterhin den Rechtsgrund für die im Rahmen der Arbeitsgelegenheit geleistete Arbeit und die hierfür gezahlte Mehraufwandsentschädigung bildet und damit einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausschließt.

 

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 08.12.2020 geändert, der Bescheid des Beklagten vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 17.12.2016 auf Rücknahme des Bescheides vom 08.09.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit.

 

Der am 1975 geborene, alleinstehende Kläger ist gelernter Tischler und, mit Ausnahme einer im Jahr 2006 kurzzeitig ausgeübten Beschäftigung, seit dem Jahr  1996 nicht erwerbstätig. Der Kläger bezog vom Beklagten unter anderem im Zeitraum von Mai 2016 bis April 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

 

Im Januar 2016 stellte der Se.V. (nachfolgend: „S“) beim Beklagten einen Antrag auf Förderung einer Arbeitsgelegenheit mit der Bezeichnung „Zusätzliche kommunale Hilfsarbeiten in der Gemeinde H“. Als Zielsetzung der Maßnahme gab S an, für die Teilnehmer, die schon längere Zeit nicht mehr im Arbeitsprozess waren, solle sich die Vermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die von den Teilnehmern auszuführenden Arbeiten beschrieb S wie folgt: Sammeln von Müll und Vorbereitung zur Entsorgung, Aufräumarbeiten auf kommunalem Gelände, kleine Holzarbeiten für Natur und Umwelt wie Ausbesserung von Sitzgelegenheiten, Schutzhütten, Geländern, Hinweistafeln u.ä., Mithilfe bei der Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen der Kommune und Vereine, Kontroll- und Sichtungsarbeiten im Bereich der Wanderwege, Aktualisierung von Dokumentationstafeln, Entfernen von Unkraut auf Wegen, Sammeln von Laub zur Bekämpfung der Miniermotte. Ferner gab S jeweils mit Bestätigung der Gemeinde H an, dass keine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung der Arbeiten bestehe, dass es sich nicht um üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführte Arbeiten handele, dass die Arbeiten ohne Förderung nicht oder nicht in diesem Umfang durchgeführt würden und dass es sich um zusätzliche Tätigkeiten handele, mit denen keine Aufgaben regulärer Stellen (z.B. unbesetzte Planstellen, erkrankte oder im Urlaub befindliche Mitarbeiter/innen) wahrgenommen würden. Die Arbeitsergebnisse dienten der Allgemeinheit, weil die geschaffenen, ausgebesserten und gepflegten Strukturen jedermann zugänglich seien. Die auszuführenden Arbeiten würden nicht als Dienstleistung auf dem freien Markt angeboten. Dem Antrag fügte S eine Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Fachverbandes für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau vom 27.01.2016 bei, mit dem die Unbedenklichkeit unter folgender Bedingung bescheinigt wurde: „Das Beräumen von Müll und dessen Vorbereitung zur Entsorgung und Aufräumarbeiten auf kommunalem Gelände sind in der allgemeinen Form wie beantragt nicht Gegenstand des Antrags, Laubsammelarbeiten erfolgen ausschließlich zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte“. Ferner fügte S dem Antrag eine Bestätigung der Industrie- und Handelskammer  (IHK) vom 02.02.2016 bei, mit der die wirtschaftliche Unbedenklichkeit unter bestimmten Prämissen bescheinigt wurde. Mit Bescheid vom 10.03.2016 teilte der Beklagte dem S mit, die Maßnahme „Zusätzliche kommunale Hilfsarbeiten in der Gemeinde H“ werde unter dem Vorbehalt bewilligt, dass folgende Arbeiten nicht Gegenstand der Maßnahmebewilligung seien: Sammeln von Müll und Vorbereitung zur Entsorgung, Aufräumarbeiten auf kommunalem Gelände. Laubsammelarbeiten erfolgen ausschließlich zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte.

 

Mit Schreiben vom 08.09.2016 wies der Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom  19.09.2016 bis zum 30.11.2016 der von S durchgeführten Arbeitsgelegenheit „Zusätzliche kommunale Hilfsarbeiten in der Gemeinde H“ zu. Die Tätigkeit beschrieb der Beklagte wie folgt: „Erhaltungsarbeiten / Sammel, Entfernen / Kontrollen (Wanderwege / Müll / Natur- und Umwelt), -> Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen (Kommune / Vereine), -> Aktualisierung von Dokumentationstafeln, -> kleine Holzarbeiten für Natur und Umwelt“. Den zeitlichen Umfang gab der Beklagte mit 25 Stunden pro Woche und die Mehraufwandsentschädigung mit 1,80 € pro Stunde an. Dem Schreiben fügte der Beklagte eine Rechtsbehelfsbelehrung bei, wonach gegen diesen „Bescheid“ Widerspruch eingelegt werden könne.

 

Der Kläger nahm diese ihm zugewiesene Arbeitsgelegenheit am 19.09.2016 auf und nahm hieran nach Angaben des Beklagten im gesamten Zuweisungszeitraum bis zum 30.11.2016 teil. Nach Angaben des Klägers nahm er lediglich bis zum  05.10.2016 an der Arbeitsgelegenheit teil. Ein Sanktionsbescheid wegen des Nichtantritts oder des Abbruchs der Arbeitsgelegenheit befindet sich den beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten nicht.  

 

Mit Schreiben vom 17.12.2016 beantragte der Kläger beim Beklagten die Überprüfung des Zuweisungsschreibens vom 08.09.2016. Er trug vor, die Zuweisung sei rechtswidrig. Die im Zuweisungsschreiben benannten Arbeiten stellten Pflichtaufgaben der Gemeinde dar und seien durch ordentlich bezahlte Fachkräfte oder durch Unternehmen zu erbringen. Die Erledigung dieser Aufgaben durch „Hartz-IV-Sklaven“ führe zu Wettbewerbsverzerrungen. Die Arbeiten seien nicht zusätzlich.

 

Mit Bescheid vom 19.12.2016 (nachfolgend: „Überprüfungsbescheid“) teilte der Beklagte mit, das Zuweisungsschreiben vom 08.09.2016 sei rechtens und bleibe unverändert. Die Überprüfung habe ergeben, dass weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden sei. Die benannten Arbeiten seien im Vorfeld überprüft worden. Es seien keine Arbeiten Bestandteil, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchgeführt werden müssten. Eine rechtliche Verpflichtung könne nicht festgestellt werden. Sämtliche Tätigkeiten entsprächen zudem der gemeinsam mit Vertreten des Kreistages, mit Vertretern der Ämter und Gemeinden, der IHK und weiteren Verbandsvertretern entwickelten Positivliste des Landkreises D.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.12.2016 Widerspruch ein, mit dem er unter Verweis auf seinen bisherigen Vortrag die Aufhebung des ablehnenden Überprüfungsbescheides und die Korrektur des zur Überprüfung gestellten Bescheides begehrte.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2017 wies der Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könne. Es ergäben sich auch keine neuen Erkenntnisse, die für eine falsche Entscheidung sprächen. Die Einwände müssten unberücksichtigt bleiben, weil diese nicht zutreffend seien.

 

Mit Schreiben vom 15.03.2017 wies der Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom  27.03.2017 bis zum 26.11.2017 erneut der gleichen Arbeitsgelegenheit zu, wogegen der Kläger Widerspruch einlegte und beim Sozialgericht Cottbus im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (Aktenzeichen: S 43 AS 746/17 ER) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragte. In diesem, zum damaligen Zeitpunkt in der Beschwerdeinstanz beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen: L 28 AS 1253/17 ER) anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren erkannte der Beklagte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an und hob einen zwischenzeitlich ergangenen, auf den Nichtantritt der ab dem 27.03.2017 zugewiesenen Arbeitsgelegenheit gestützten Sanktionsbescheid vom  13.06.2017 in der Folgezeit auf (Abhilfebescheid vom 19.09.2017). Ausweislich eines internen Aktenvermerks des Beklagten ging er davon aus, dass die Zuweisung vom 15.03.2017 ermessensfehlerhaft (Nichtgebrauch) erfolgt war.

 

Mit am 03.04.2017 beim Sozialgericht Cottbus eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage gegen den Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 erhoben, mit der er unter Wiederholung der bisherigen Begründung sein Begehren, gerichtet auf Aufhebung des Überprüfungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides und Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Zuweisungsschreibens vom 08.09.2016, weiterverfolgt hat. Der Beklagte ist der Klage unter Wiederholung und Vertiefung seiner bisherigen Ausführungen entgegengetreten.

 

Mit Urteil vom 08.12.2020 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid vom  19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016. Als Anspruchsgrundlage komme allein § 44 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in Betracht. Die Voraussetzungen lägen nicht vor, weil der Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 nicht rechtswidrig sei. Die darin aufgeführten Arbeiten seien zusätzlich im Sinne des  § 16d Abs. 2 SGB II. Dies ergebe sich aus den Angaben des S im Rahmen des Förderantrags. Es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Die Arbeiten lägen aufgrund ihrer Ziele (Umweltschutz, Landschaftspflege, Infrastrukturverbesserung) im öffentlichen Interesse, worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit bestehe. Die Arbeiten seien wettbewerbsneutral. Sie würden so von keinem Wirtschaftsunternehmen in der Region angeboten. Sie würden ohne die Förderung durch den Beklagten gar nicht durchgeführt. Es bestehe kein Anlass die diesbezüglichen Angaben der S, welche auch die Gemeinde bestätigt habe, anzuzweifeln. Es lägen Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Fachverbandes für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau und der IHK vor. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Wirtschaft durch die Arbeiten beeinträchtigt oder Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verdrängt oder in der Entstehung verhindert werde. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich oder vorgetragen. Die Maßnahme belaste den Kläger geringer, als alle Maßnahmen außerhalb seiner Gemeinde, weil er seinen Heimatort für die Maßnahme nicht verlassen müsse. Der Kläger lehne es, wie er in anderen Verfahren betont habe, strikt ab, seinen Heimatort zu verlassen. Für das Jahr 2016 habe das Gericht keine andere Maßnahme in der Gemeinde des Klägers ermitteln können, die den Kläger an den allgemeinen Arbeitsmarkt heranführen könne.

 

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23.12.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 22.01.2021 beim Sozialgericht Cottbus eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.

 

Der Kläger verweist auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus, die Ausführungen des Sozialgerichts seien schlichtweg falsch. Denn bereits aus der Art der Tätigkeiten ergebe sich, dass diese, entgegen der nicht auf ihren Wahrheitsgehalt geprüften Angaben des S, nicht zusätzlich seien. Insbesondere bei der Befreiung der Wanderwege von Müll könne, unabhängig davon, ob es sich um eine Pflichtaufgabe der Gemeinde handele, nicht von einer zusätzlichen Tätigkeit ausgegangen werden. Denn diese Tätigkeit müsste, um die Gegend für den Tourismus attraktiv zu halten, sowieso von der Gemeinde ausgeführt werden. Zwar möge die Gemeinde hierzu nicht gesetzlich verpflichtet sein, aber sie würde im Falle der Nichtausführung erhebliche Nachteile haben. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass die Gemeinde die Arbeiten, ohne die Möglichkeit, sie mittels „Hartz-IV-Sklaven“ zu erledigen, durch reguläre Angestellte erledigen würde. Die gegenteilige Behauptung des Sozialgerichts sei nicht plausibel. Angesichts des offensichtlichen Missbrauchs sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das Sozialgericht meine, die Angaben des S in keiner Weise nachprüfen zu müssen. Ferner gehe zwischenzeitlich auch der Beklagte nicht mehr von einer Rechtmäßigkeit der Zuweisung aus. Schließlich habe er hinsichtlich des erneuten Zuweisungsbescheides in die gleiche Arbeitsgelegenheit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anerkannt.

 

Mit Schriftsatz vom 20.05.2021 hat der Kläger hilfsweise die Feststellung beantragt, dass die Zuweisung zu der Arbeitsgelegenheit rechtswidrig gewesen ist. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Widerholungsgefahr, da der Beklagte dem Kläger dieselbe Maßnahme immer wieder zuweise und aus diesem Grund auch schon Sanktionsbescheide gegen den Kläger erlassen habe.

 

Der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, beantragt sinngemäß,

 

  1. das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 08.12.2020 und den Bescheid des Beklagten vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom  02.03.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 08.09.2016 zurückzunehmen;
  2. hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid vom 08.09.2016 rechtswidrig war.

 

Der Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Beklagte verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und trägt ergänzend vor, dass sich der Zuweisungsbescheid bereits zum Zeitpunkt des Überprüfungsantrags erledigt gehabt habe. Vor diesem Hintergrund erscheine bereits ein Rechtsschutzbedürfnis fraglich.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 25.01.2024, auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und auf die beigezogene Gerichtsakte des Sozialgerichts Cottbus S  43  AS  746/17 ER Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte trotz des Nichterscheinens des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin eine mündliche Verhandlung durchführen und aufgrund dieser entscheiden, weil der Prozessbevollmächtigte in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (sog. einseitige mündliche Verhandlung; vgl. hierzu: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage, § 126 Rn. 4).

 

Die Berufung des Klägers hat im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Überprüfungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides und Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Überprüfungsantrags Erfolg und bleibt im Übrigen erfolglos.

 

1.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und form- und fristgerecht gemäß § 151 SGG erhoben worden.

 

Die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG steht der Statthaftigkeit der Berufung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bedarf die Berufung, abweichend von § 143 SGG, der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft 750,00 € nicht übersteigt.

 

Bei dem hier vorliegenden Streit um die Rechtmäßigkeit der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II handelt es sich nicht um eine solche, eine Geld- Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffende Klage. Denn bei der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit handelt es sich, anders als bei einer Meldeaufforderung, bei der es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, weil ihre Nichtbefolgung allein zur Leistungsminderung führt, prozessual um einen auf Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt handeln und der Wert des Beschwerdegegenstandes sich nach dem Wert einer Leistungsminderung bei einem Meldeversäumnis bemessen soll (vgl. hierzu: BSG, Beschluss vom 08.05.2019 - B 14 AS 86/18 B - juris Rn. 3; BSG, Beschluss vom  26.06.2018 - B 14 AS 437/17 B - juris Rn. 4; BSG, Beschluss vom 24.08.2017 - B 4 AS 223/17 B - juris Rn. 3), nicht um eine betragsmäßig konkrete berechenbare Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Denn mit der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit wird das Sozialrechtsverhältnis zwischen erwerbsfähigem Leistungsberechtigten und dem Grundsicherungsträger mit wechselseitigen Rechten und Pflichten (bzw. Obliegenheiten) mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit konkretisiert, so dass sich die Zuweisungsentscheidung im Gegensatz zur Meldeaufforderung nicht in der bloßen Vorbereitung einer im Falle der Nichtteilnahme oder des Abbruchs möglichen Sanktionsentscheidung erschöpft (so auch: Thüringer LSG, Beschluss vom 18.05.2016 - L 9 AS 449/16 B ER - juris  Rn.  15; zum Ersatz einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt: BSG, Urteil vom 21.03.2019 – B 14 AS 28/18 R - juris Rn. 10; anderer Auffassung zur Zuweisung einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung: Bayerisches LSG, Urteil vom 21.11.2022 - L 7 AS 128/22 - juris Rn. 19; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.08.2021 - L 18 AL 67/21 B PKH - juris Rn. 2; Sächsisches LSG, Beschluss vom 04.01.2021 - L 7 AS 902/20 B ER - juris Rn. 16). Bei der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit handelt es sich auch nicht um eine Dienstleistung im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG (Thüringer LSG, Beschluss vom 18.05.2016 - L  9  AS 449/16 B ER - juris Rn. 16 f.) und auch nicht um eine Sachleistung im Sinne dieser Vorschrift.

 

2.

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht vollständig abgewiesen.

 

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017, mit dem der Beklagte eine Rücknahme des Zuweisungsschreibens vom 08.09.2016 abgelehnt hat.

 

a) Die hiergegen erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG statthaft (vgl. zur statthaften Klageart wegen Ansprüchen nach § 44 SGB X: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage, § 54 Rn. 20c m.w.N.), weil mit ihr die Aufhebung eines Verwaltungsaktes (hier: Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017) und die Verpflichtung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes (hier: Rücknahme des Zuweisungsschreibens vom 08.09.2016) begehrt wird.

 

Denn bei dem mit der Anfechtungsklage angegriffenen Überprüfungsbescheid vom  19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 handelt es sich erkennbar um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S. 1 SGB X. Auch die mit der Verpflichtungsklage begehrte Rücknahme des Zuweisungsschreibens vom  08.09.2016 stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S. 1 SGB X dar. Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Zuweisungsschreiben vom 08.09.2016 um einen Verwaltungsakt handelt, so dass eine dieses Zuweisungsschreiben zurücknehmende Entscheidung als actus contrarius ebenfalls einen Verwaltungsakt darstellen würde. Die Qualifizierung des Zuweisungsschreibens vom 08.09.2016 als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S. 1 SGB X folgt zunächst aus den vom Bundessozialgericht zur Rechtsnatur von Zuweisungen in Arbeitsgelegenheiten entwickelten Grundsätzen. Hiernach stellt die Zuweisung einer bestimmten Arbeitsgelegenheit regelmäßig einen Verwaltungsakt dar, es sei denn, es ist bereits zuvor in einer Eingliederungsvereinbarung (oder einem sie ersetzenden Verwaltungsakt) eine Konkretisierung hinsichtlich des Inhalts einer ganz bestimmten Arbeitsgelegenheit erfolgt (BSG, Urteil vom 22.08.2013 - B 14 AS 75/12 R - juris  Rn.  16; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 101/10 R - juris Rn. 15 f.). Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die hier streitige Arbeitsgelegenheit bereits zuvor in einer Eingliederungsvereinbarung (oder einem sie ersetzenden Verwaltungsakt) konkret vereinbart (oder geregelt) worden wäre. Unabhängig hiervon ergibt sich die Qualifizierung des Zuweisungsschreibens vom 08.09.2016 als Verwaltungsakt aber auch daraus, dass der Beklagte dieses Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und das Schreiben darin ausdrücklich als „Bescheid“ bezeichnet hat. Denn für die Qualifizierung eines Verwaltungshandelns als Verwaltungsakt kommt es maßgeblich darauf an, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung des Einzelfalles objektiv verstehen musste. Wenn die Behörde ein Schreiben selbst als „Bescheid“ bezeichnet und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versieht und hierdurch zum Ausdruck bringt, dass sie sich der Handlungsform eines Verwaltungsaktes bedient hat, liegt regelmäßig ein (zumindest formeller) Verwaltungsakt vor (Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Auflage, § 31 Rn. 37 f. und Rn. 43 m.w.N. zur Rechtsprechung).

 

Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch zulässig.

 

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ergibt sich grundsätzlich daraus, dass im Falle der Aufhebung des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 (bzw. hier der Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Zuweisungsbescheides) ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten, gerichtet auf Wertersatz für die im Rahmen der Arbeitsgelegenheit geleistete Arbeit, zumindest ernsthaft in Betracht kommt (vgl. zum Rechtsschutzbedürfnis: BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B  14  AS 101/10 R - juris Rn. 18; vgl. allgemein zu den Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch: BSG, Urteil 22.08.2013 - B  14  AS  75/12 R - juris Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 27.08.2011 - B 4 AS 1/10 R - juris Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 98/10 R - juris Rn. 14 ff.).

 

Einem Rechtschutzbedürfnis für die erhobene Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass der mit der Anfechtungsklage angegriffene Verwaltungsakt (hier: Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom  02.03.2017) unwirksam (geworden) wäre (vgl. zur Erforderlichkeit eines wirksamen Verwaltungsaktes für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage, § 54 Rn. 8a). Denn der infolge seiner Bekanntgabe wirksam gewordene Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 ist auch weiterhin wirksam. Seine Wirksamkeit ist nicht gemäß § 39 Abs. 2 SGB X entfallen. Nach dieser Vorschrift bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Keine dieser für eine Unwirksamkeit erforderlichen Voraussetzungen ist hinsichtlich des angefochtenen Überprüfungsbescheides erfüllt. Insbesondere hat er sich nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt, weil seine regelnde Wirkung, dass keine Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom  08.09.2016 erfolgt, weiterhin fortbesteht und durch die Anfechtungsklage gerade beseitigt werden soll.

 

Für die Verpflichtungsklage kann ein Rechtsschutzbedürfnis, entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung, ebenfalls nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich der hiermit begehrte Verwaltungsakt (hier: Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016) erledigt habe. Denn dies wäre, weil die Rücknahme eines bereits unwirksamen Verwaltungsaktes nicht in Betracht kommt, nur der Fall, wenn der Bescheid, dessen Rücknahme begehrt wird (hier: Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016), unwirksam (geworden) wäre. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der infolge seiner Bekanntgabe wirksam gewordene Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 ist nicht gemäß § 39 Abs. 2 SGB X unwirksam geworden. Denn er ist nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben worden. Der Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 hat sich, entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung, auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt. Durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sich der Verwaltungsakt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist (Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Auflage, § 39 Rn. 14 m.w.N.). Diese Voraussetzungen für eine Erledigung sind hinsichtlich des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 nicht erfüllt. Zwar könnten die Tatsachen, dass der Zeitraum der zugewiesenen Arbeitsgelegenheit (19.09.2016 bis zum 30.11.2016) vollständig in der Vergangenheit liegt und ausweislich der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten kein auf den Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 gestützter Sanktionsbescheid ergangen ist, für eine solche Erledigung durch Zeitablauf oder auf andere Weise sprechen. Allerdings ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger (nach Angaben des Beklagten im gesamten Zuweisungszeitraum und nach eigenen Angaben zumindest bis zum 05.10.2016) an der Arbeitsgelegenheit teilgenommen hat und damit die ihm mit dem Zuweisungsbescheid auferlegte Handlungsobliegenheit (mindestens teilweise) erfüllt hat. Im Falle einer solchen Erfüllung der durch Verwaltungsakt auferlegten Handlungsobliegenheit tritt eine Erledigung immer erst dann ein, wenn der Verwaltungsakt nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die ihm ursprünglich innewohnende Steuerungsfunktion nachträglich entfallen ist (BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5/08 - juris Rn. 13; Bayerischer VGH, Urteil vom 24.09.1998 - 12 B 96.400 - juris Rn. 36; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,  10. Auflage, § 43 Rn. 216; Goldhammer in Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 43 Rn. 126; Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Edition, Stand:  01.10.2023, § 43 Rn. 55; Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB X, 2. Auflage, Stand: 01.12.2017, § 39 Rn. 50; wohl auch: BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B  14  AS  101/10 R - juris Rn. 14 ff, das bei vergleichbarem Sachverhalt die isolierte Anfechtungsklage für zulässig hält, ohne die Frage der Erledigung zu thematisieren). Gemessen hieran hat sich der Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 im vorliegenden Fall nicht durch Zeitablauf oder andere Weise erledigt, weil von ihm weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Schließlich bildet der Zuweisungsbescheid weiterhin den Rechtsgrund für die vom Kläger im Rahmen der Arbeitsgelegenheit geleistete Arbeit und die hierfür gezahlte Mehraufwandsentschädigung und schließt, solange er nicht aufgehoben ist, einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus (Bayerischer VGH, Urteil vom 24.09.1998 - 12 B 96.400 - juris Rn. 36; BVerwG, Urteil vom 20.11.1997 -  5 C 1/96 - juris Rn. 8 ff.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage, § 43 Rn. 216; Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Edition, Stand:  01.10.2023, § 43 Rn. 55).

 

b) Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Überprüfungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides und der als „Minus“ im gestellten Antrag enthaltenen Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Überprüfungsantrags begründet. Im Übrigen ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unbegründet.

 

Die mit dem Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 getroffene Entscheidung, eine Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 abzulehnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht gegen den Beklagten aber kein Anspruch auf Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom  08.09.2016, sondern lediglich ein Anspruch auf Neubescheidung seines Überprüfungsantrags vom 17.12.2016 zu.

 

Als Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 kommt § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, weil selbst im Falle der Rechtswidrigkeit des Zuweisungsbescheides dem Kläger keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden wären. Denn bei dem im Falle der Aufhebung oder Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 zumindest in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten, gerichtet auf Wertersatz für die im Rahmen der Arbeitsgelegenheit geleistete Arbeit, handelt es sich nicht um eine Sozialleistung im Sinne des § 11 S. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) (BSG, Urteil vom 27.08.2011 - B  4  AS  1/10  R - juris Rn. 34). Auch eine in der Rechtsprechung bei Bescheiden über die Aufhebung und Erstattung von Sozialleistungen angenommene analoge Anwendung des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.2020 - B  13  R  19/19 R - juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 13.02.2014 - B 4 AS 19/13 R - juris Rn. 14 m.w.N. zur Rechtsprechung) scheidet aus, da es, weil keine Sozialleistungen vorenthalten oder nachträglich aufgehoben und zurückgefordert werden, jedenfalls an der für eine Analogiebildung erforderlichen Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage fehlt.     

 

Als Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 kommt damit einzig § 44 Abs. 2 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (§ 44 Abs. 2 S. 1 SGB X). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs. 2 S. 2 SGB X).

 

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB X sind vorliegend erfüllt. Bei dem Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 handelt es sich (zumindest auch) um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt, weil hiermit eine Obliegenheit zur Teilnahme an der Arbeitsgelegenheit begründet wurde und im Falle des Nichtantritts oder des Abbruchs eine Leistungsminderung gedroht hätte. Der Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 war bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig. Nach § 16d Abs. 1 S. 1 SGB II können erwerbsfähige Leistungsberechtigte zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16d Abs. 1 S. 1 SGB II für die dem Kläger hier zugewiesene Arbeitsgelegenheit erfüllt sind. Insbesondere kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage dahinstehen, ob die in der zugewiesenen Arbeitsgelegenheit verrichteten Arbeiten zusätzlich im Sinne des § 16d Abs. 1 S. 1 i.V.m. §16d Abs. 2 SGB II waren. Denn der Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 erweist sich selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen als rechtswidrig, weil der Beklagte das ihm bei der Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen („Kann-Bestimmung“) nicht rechtmäßig ausgeübt hat. Die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von behördlichen Ermessensentscheidung ist gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 SGG dahingehend eingeschränkt, dass nur geprüft wird, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Insbesondere darf das Gericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Das Gericht überprüft daher lediglich, ob Ermessensfehler vorliegen. Ein solcher Ermessensfehler ist insbesondere im Falle des Ermessensnichtgebrauchs gegeben, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat (vgl. hierzu: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage, § 54 Rn. 26 ff. m.w.N.). Gemessen an diesen Maßstäben liegt bei dem Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 ein Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauchs vor, weil sich dem Bescheid an keiner Stelle Ermessenserwägungen entnehmen lassen. Soweit das Sozialgericht im erstinstanzlichen Urteil eigene Ermessenerwägungen angestellt hat, hat es hiermit unzulässigerweise sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens gesetzt.

 

Als Rechtsfolge sieht § 44 Abs. 2 S. 1 SGB X einen gebundenen Anspruch auf vollständige oder teilweise Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft, das heißt für einen nach der Entscheidung über den Rücknahmeantrag liegenden Zeitpunkt (BSG, Urteil vom 29.03.2022 - B  12  R  2/20  R  - juris Rn. 14), vor. Eine solche Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft wird vom Kläger vorliegend jedoch nicht beansprucht. Vielmehr beansprucht er, weil der Zeitraum der zugewiesenen Arbeitsgelegenheit (19.09.2016 bis zum  30.11.2016) vollständig in der Vergangenheit liegt, ausschließlich eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit.

 

Es ist damit ausschließlich der Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X eröffnet. Die Vorschrift räumt der Behörde bei der Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit wiederum Ermessen („Kann-Vorschrift“) ein. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass das dem Beklagten insoweit einräumte Ermessen dahingehend auf Null reduziert ist, dass nur eine Rücknahme des Zuweisungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit als nicht ermessensfehlerhaft in Betracht kommt, sind nicht ersichtlich. Ein gebundener Anspruch des Klägers auf Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 lässt sich aus § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X damit nicht herleiten. Dem Kläger steht aber aus § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X ein Anspruch auf erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Überprüfungsantrag vom 17.12.2016 zu, weil der Beklagte das ihm einräumte Ermessen auch im Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht rechtmäßig ausgeübt hat. Schließlich hat der Beklagte auch im Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides keinerlei Ermessenserwägungen angestellt, so dass hier ebenfalls ein Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauchs vorliegt.

 

Im Ergebnis ist der Überprüfungsbescheid vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 damit aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung des Überprüfungsantrags des Klägers vom 17.12.2016 zu verpflichten. Soweit der Kläger darüber hinaus die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 begehrt, ist die Berufung zurückzuweisen.

 

3.

Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 gerichteten Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg, weil er unzulässig ist.

 

Als Fortsetzungsfeststellungsklage ist der Hilfsantrag bereits unstatthaft. Denn die Fortsetzungsfeststellungklage ist nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG nur statthaft, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat. Ein solcher Fall der Erledigung ist, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich des Zuweisungsbescheides vom 08.09.2016 nicht gegeben.

 

Als allgemeine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist der Hilfsantrag zwar statthaft, aber unzulässig. Denn die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage setzt voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches Feststellungsinteresse an der vom Kläger begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zuweisungsbescheides vom  08.09.2016 ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Rechtswidrigkeit des Zuweisungsbescheides bereits im Rahmen der mit dem Hauptantrag erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bejaht worden ist. Außerdem ist eine Feststellungsklage zur Vermeidung der Umgehung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage stets unzulässig, wenn ein den Gegenstand der Feststellungsklage regelnder Verwaltungsakt mangels der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bestandskräftig wurde (Senger in juris-PK-SGG, 2. Auflage, Stand: 15.06.2022, § 55 Rn. 21; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage, § 55 Rn. 3d (Feststellungsklage unbegründet)). Dies ist vorliegend der Fall, weil der Kläger gegen den Zuweisungsbescheid vom 08.09.2016 keinen Widerspruch eingelegt hat, so dass dieser gemäß § 77 SGG bestandskräftig ist.

 

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Rechtsverfolgung teilweise erfolgreich war und teilweise ohne Erfolg geblieben ist.

 

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach  §  160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
Saved