L 1 BA 77/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 221 BA 16/21
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 77/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Provisionszahlungen, die erst nach Eingang der Kundenzahlung beim Arbeitgeber entstehen und für die kein Bezug zu der in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum geleisteten Arbeit möglich ist, sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 23a SGB IV

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Im Streit steht ein Prüfbescheid der Beklagten. Der Sache nach geht es um die beitragsrechtliche Behandlung von Provisionszahlungen, welche der Beigeladene zu 1 (nachfolgend nur noch „der Beigeladene“) als Beschäftigter der Klägerin erhalten hat.

 

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind die Entwicklung, die Umsetzung und der Vertrieb von Medienkonzepten, die Beratung von natürlichen und juristischen Personen und der Betrieb eigener Medienplattformen. Der Beigeladene war für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund des Arbeitsvertrages vom 1. Juni 2016 tätig, auf den ergänzend verwiesen wird.

 

Sie zahlte ihm zweimal jährlich Provisionen wie folgt aus:

Juni 2016: 3.550,90 €, Dezember 2016: 15.552,37 €, Juni 2017: 3.223,00 €, Dezember 2017: 6.339,00 €, Mai 2018: 4.852,00 €, Dezember 2018: 9.215,00 € sowie im Mai 2019: 3.000,00 €. Das entsprechende Lohnkonto für den Beigeladenen wies dabei unter „Lohnart-Text“ jeweils den Zahlgrund „Provision lfd.“ aus.

 

Die Beklagte führte für den Prüfzeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2019 am 23. Juli 2020 eine Betriebsprüfung durch. Im Rahmen der Betriebsprüfung reichte die Klägerin eine Aufstellung ein, für welche Vermittlungserfolge („Deals“) der Beigeladene jeweils Provisionszahlungen erhalten hatte. Die Schlussbesprechung fand am 19. August 2020 statt.

 

Mit Bescheid vom 20. August 2020 setzte die Beklagte einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 10.976,82 € fest. Es seien Beiträge in Höhe von 11.529,48 € nacherhoben worden. Weiter sei festgestellt worden, dass Beiträge in Höhe von insgesamt 552,66 € zu viel gezahlt worden seien. Die Differenz ergebe die nachgeforderte Summe. Zur Begründung führte die Beklagte aus, wenn Provisionen ohne Bezug auf bestimmte Entgeltabrechnungszeiträume gezahlt würden, seien diese als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 23a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) anzusehen. Im Fall des Beigeladenen seien ohne zeitlichen Bezug in diesem Sinne regelmäßig zweimal jährlich Provisionen ausgezahlt worden.

Die Klägerin erhob hiergegen am 23. September 2020 Widerspruch: Es lägen Einmalzahlungen im Sinne des § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV vor. Diese seien nach dem Zuflussprinzip im Auszahlungsmonat zu erfassen. Die Anwendung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze sei zutreffend. Eine Verteilung auf die jährliche Beitragsbemessungsgrenze müsse mangels Ermächtigungsgrundlage unterbleiben.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2020 zurück. Zur Begründung führte sie zusätzlich aus, zwar benenne die Klägerin die Provisionszahlungen selbst als Einmalzahlungen, schlussfolgere dann aber entgegen der Regelungen des § 23a Abs. 3 SGB IV fälschlicherweise, dass lediglich die Beitragsbemessungsgrenze des Auszahlungsmonates zu berücksichtigen sei.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 11. Januar 2021 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ergänzend ausgeführt, auch § 23a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 SGB IV sähen eine Zuordnung zu einem Monat vor. Es fehle eine Vorschrift, die regele, dass eine Verteilung auf das gesamte Kalenderjahr zu erfolgen habe.

 

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. November 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, die Beklagte habe die streitgegenständlichen Provisionszahlungen beitragsrechtlich zutreffend nach § 23a Abs. 3 SGB IV behandelt. Gemäß § 23a Abs. 1 SGB V sei einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt werde, soweit die Absätze 2 und 4 nichts Abweichendes bestimmten. § 23a Abs. 3 SGB IV enthalte eine Berechnungsvorschrift für den – hier vorliegenden – Fall, dass das laufende Arbeitsentgelt zusammen mit der Einmalzahlung die monatliche Beitragsbemessungsgrenze des Lohnabrechnungszeitraumes überschreite. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es von Gesetzes wegen nicht so, dass der Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, der im Auszahlungsmonat die Beitragsbemessungsgrenze überschreite, per se von der Beitragspflicht befreit sei. Für die Beurteilung der Beitragspflicht des einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes müsse deshalb eine Vergleichsberechnung vorgenommen werden. Hierfür sei die bis zum Ende des Zuordnungsmonats maßgebende anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze zu ermitteln. Den ermittelten anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen sei das beitragspflichtige Arbeitsentgelt für denselben Zeitraum ohne die Einmalzahlung gegenüberzustellen. Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt unterliege in voller Höhe der Beitragspflicht, wenn es die Differenz zwischen der jeweils anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze und dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt ohne Einmalzahlung für denselben Zeitraum nicht übersteige. Übersteige das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt die ermittelten Differenzbeträge, so bestehe hinsichtlich des übersteigenden Betrages für die Einmalzahlung keine Beitragspflicht.

 

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 23. Dezember 2021, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

 

Sie beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2020 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der zulässigen Berufung bleibt der Erfolg versagt.

 

Das SG hat die Klage mit Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 20. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

 

Arbeitgeber haben für ihre versicherungspflichtigen Beschäftigten die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch), zur sozialen Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch), nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch <SGB III>) und die Umlagen (Insolvenzgeld-Umlage nach § 358 Abs. 2 SGB III; U1 und U2 nach § 7 Abs. 2 Aufwendungsausgleichgesetz) als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen (§ 28d S. 1 und 2, § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV). Dabei gilt im Beitragsrecht der Sozialversicherung für laufend gezahltes Arbeitsentgelt das sogenannte Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Danach entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2019 – B 12 R 9/18 R –, BSGE 129, 247-254, Rn. 13).

 

Bei den an den Beigeladenen geleisteten Zahlungen handelt es sich um Einnahmen aus einer Beschäftigung, die – wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - als „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt“ im Sinne des § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV einzuordnen sind. Jede der Zahlungen war Zahlung von Arbeitsentgelt, das nicht für Arbeit in einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen gezahlt wurde.

 

Unter dem Begriff „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt“ fallen alle Bezüge, die in größeren Zeitabständen als monatlich gewährt werden und kein laufendes Arbeitsentgelt darstellen. Die Vorschrift des § 23a SGB IV enthält eigenständige Regelungen zur Beitragspflicht von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt. Nach der Legaldefinition in Abs. 1 S. 1 der Bestimmung fallen darunter Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Für die Abgrenzung zu laufend erbrachtem Arbeitsentgelt ist nicht die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Bezeichnung der Vergütung, der Zahlungsanlass oder der Zahlungsmodus ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, ob das gezahlte Entgelt einen konkreten Bezug zu der in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum geleisteten Arbeit hat oder ob eine solche Beziehung nicht besteht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Zuwendung als laufend gezahltes Arbeitsentgelt oder als Einmalzahlung ist derjenige der Entstehung des Beitragsanspruchs (BSG a. a. O., Rn. 19 mit weiteren Nachweisen).

 

Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgelder, Urlaubsabgeltungen, zusätzliche (13. und 14.) Monatsgehälter, Tantiemen, Gratifikationen, Provisionen ohne Bezug auf bestimmte Entgeltabrechnungszeiträume und ähnliche Leistungen (BeckOK SozR/Wagner, 71. Ed. 1.12.2023, SGB IV § 23a Rnr. 3 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 1. April 1993 – 1 RK 38/92 – juris Rn. 16).

 

Laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse (z. B. Mehrarbeitsvergütungen, Erschwerniszuschläge sowie Provisionen) stellen hingegen auch dann kein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dar, wenn sie in größeren Zeitabständen als monatlich ausgezahlt werden. Sie gehören vielmehr zum laufenden Arbeitsentgelt, es sei denn, dass sie ohne Bezug auf bestimmte Lohnabrechnungszeiträume gewährt werden (Wagner, a. a. O., Knospe in: Hauck/Noftz SGB IV, § 23a SGB Rn. 4). Es wird sogar vertreten, dass Provisionen, wie Verkaufsprämien, Überstunden- und Mehrarbeitsvergütungen, Erschwernis- und Nacharbeitszuschläge immer laufendes Arbeitsentgelt sind, selbst dann, wenn sie nicht regelmäßig mit der Lohnabrechnung für den Entgeltabrechnungszeitraum, dem sie zuzuordnen sind, gezahlt werden (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 23a SGB IV (Stand: 22.12.2021), Rn. 46).

 

Bei den von der Klägerin an den Beigeladenen zweimal jährlich getätigten Zahlungen handelte es sich aber nicht um jährlich oder halbjährlich gezahlte Gratifikationen o. ä., sondern gezahlte Entgelte für Vermittlungserfolge, die zweimal jährlich ausgezahlt wurden. Wie der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Aufstellung der Klägerin zu entnehmen ist, war Hintergrund jeweils ein konkreter Vermittlungserfolg („Deal“), für den der Beigeladene jeweils Einzelprovisionen verdient hat. Im Lohnkonto für den Beigeladenen waren die Zahlungen als „Provision lfd.“ ausgewiesen.

 

Allerdings war der Provisionsanspruch nach dem Arbeitsvertrag nicht an einen Entgeltabrechnungszeitraum geknüpft. Nr. 6 c) des Arbeitsvertrages lautete:

 

„Zudem erhält der/die Arbeitnehmer/in eine erfolgsabhängige Vergütung von 10% der Netto-Lizenzerlöse, die bei Q durch Lizenzgeschäfte im Lizenzgebiet „G - und nach ausdrücklicher schriftlicher Absprache bei einzelnen Geschäften auch in anderen Lizenzgebieten, wenn der/die Arbeitnehmer/in maßgeblich an deren Generierung beteiligt war und das Geschäft ausdrücklich und schriftlich als Provisions-relevant an den/die Arbeitgeber/in übergeben wurde - nach Abzug aller sonstigen Abzüge wie Nachlässe, Provisionen, Steuern, Kosten usw. eingehen.

Die erfolgsabhängige Vergütung wird im Rhythmus von sechs Monaten als Sonderzahlung ausgezahlt. Stichtage für die Festsetzung der Höhe der Sonderzahlung sind jeweils der 30.11. und 31.05. jedes Jahres. Die Festsetzung erfolgt ausschließlich auf Basis der bereits auf dem Konto der Q  eingegangenen sonderzahlungsrelevanten Erlöse. Die Auszahlung erfolgt in dem darauffolgenden Monat zusammen mit der monatlichen Fest-Vergütung.“

 

Die Provisionsansprüche entstanden somit nicht im Moment der einzelnen Vertragsabschlüsse, sondern im Falle von Lizenzgeschäften im Lizenzgebiet „G erst mit Eingang der Lizenzzahlungen bei der Klägerin selbst, unabhängig davon, welcher zeitliche Abstand zwischen dem Abschluss des „Deals“ und dem Eingang der Zahlungen der Kunden der Klägerin auf deren Konto lag. Bei Lizenzgeschäften in anderen Lizenzgebieten – derartige Fälle sind im Prüfzeitraum laut der vorliegenden Aufstellung auch eingetreten, etwa „“ oder „P“ oder „S“ - bedurfte es darüber hinaus der Erfüllung weiterer Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs. Aufgrund dessen konnte dieses Arbeitsentgelt weder im Zeitpunkt der Entstehung der Provisionsansprüche noch im Zeitpunkt von deren Auszahlung der Arbeitsleistung des Beigeladenen in bestimmten Entgeltabrechnungszeiträumen zugeordnet werden.

 

Im Rahmen des § 23a SGB IV ist § 23a Abs. 3 SGB IV einschlägig, wie dies bereits die Beklagte und das SG dargestellt haben (vgl. ebenso für variables Entgelt nach Maßgaben von Zielvereinbarungen: BSG, Urteil vom 3. Juni 2009 – B 12 R 12/07 R – juris Rn. 20; für Mehrarbeitsvergütungen: Urteil vom 10. Dezember 2019, Rn. 26). Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist die von der Beklagten durchgeführte (nachträgliche) Verbeitragung der Provisionszahlungen unter Zugrundelegung der jeweiligen anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen des SG wird insoweit nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved