L 2 AS 288/23 NZB

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 3330/15
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 288/23 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die vom Grundsicherungsträger für das Jahr 2015 ermittelten angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt Halle (Saale) werfen für einen 2-Personen-Haushalt keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Die Schlüssigkeit des zugrunde liegenden Konzepts ist im Urteil des Senats vom 09.11.2023 (L 2 AS 328/18) grundsätzlich geklärt. Besonderheiten, die eine abweichende Beurteilung der Grenzwerte für 2-Personen-Haushalte gebieten könnten, sind nicht ersichtlich. 2. § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF (jetzt: Satz 10) vermittelt dem Leistungsberechtigten nicht unmittelbar ein subjektives Recht auf einen Wirtschaftlichkeitsvergleich (vgl LSG Sachsen-Anhalt, Urt v 21.12.2022, L 5 AS 741/18, juris). Allerdings kann ihm ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zustehen (vgl LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.05.2018, L 2 AS 442/15, juris). Insbesondere ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen zur Selbstbindung der Verwaltung, dass ein Jobcenter sich ggf an eigene Verwaltungsvorschriften halten muss.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgericht Halle vom 1. März 2023 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag der Klägerinnen auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen begehren die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle. In der Sache geht es ihnen um höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit von April bis September 2015.

Die 1992 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter der 2012 geborenen Klägerin zu 2. Beide bezogen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Sie wohnten zunächst in einer Wohnung in der U.straße in H., für die die Klägerin zu 1. zuletzt insgesamt 428,59 € pro Monat zu zahlen hatte (Grundmiete: 287,75 €, Betriebskosten: 66,17 €, Heizkosten: 76,67 €).

Mit Schreiben vom 20. August 2014 forderte der Beklagte die Klägerinnen auf, ihre Unterkunftskosten zu senken. Angemessen seien eine Grundmiete i.H.v. 260,40 € zzgl. kalter Betriebskosten i.H.v. 69,60 € sowie Heizkosten i.H.v. 101,50 €. Die Bruttokaltmiete der Klägerinnen überschreite den Grenzwert um 21,92 €.

Zum 1. Dezember 2014 zogen die Klägerinnen – ohne Zustimmung des Beklagten – in eine 65,9 qm große Drei-Raum-Wohnung der H. Wohnungsgenossenschaft „F.“ eG in der H.straße. Für diese waren monatlich insgesamt 436,67 € zu zahlen (Grundnutzungsgebühr: 286,67 €, Betriebskosten: 75,00 €, Heizkosten: 75,00 €).

Mit Bescheid vom 13. Mai 2015 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von April bis September 2015. Dabei berücksichtigte er KdUH i.H.v. 405,00 € (Grundmiete: 255,00 €, Betriebskosten: 75,00 €, Heizkosten: 75,00 €). Die Vorläufigkeit begründete er mit der Berücksichtigung von Einkommen und der ausstehenden Prüfung einer Sanktion. Den Widerspruch der Klägerinnen gegen diesen Bescheid wies er mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015 als unbegründet zurück.

Am 24. September 2015 haben die Klägerinnen beim SG H. Klage erhoben und gerügt, dass ihre Unterkunftskosten nicht vollständig berücksichtigt worden seien. Der Beklagte verfüge nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzwerte. Außerdem hätte eine Wirtschaftlichkeitsprüfung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass ein Umzug unwirtschaftlich gewesen wäre. Die Umzugskosten hätten die vermeintliche Ersparnis überstiegen, wobei die Klägerinnen sogar in eine teurere Wohnung hätten ziehen können.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte sein Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten in Umsetzung von Entscheidungen des erkennenden Senats (insbes. Urteil vom 30. Mai 2018 – L 2 AS 543/15 – juris) nachgebessert. Auf dieser Grundlage hat er mit Schriftsatz vom 24. März 2020 erklärt, er könne für die Monate April bis August 2015 „eine Nachzahlung in Höhe von 7,20 € monatlich anbieten“; ein darüberhinausgehendes Anerkenntnis sei nicht möglich. Für den Monat September 2015 sei bereits zuvor ein Unterkunftsbedarf von 337,20 € anerkannt worden. Diese schriftsätzliche Erklärung hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG als Teilanerkenntnis bezeichnet. Dazu haben die Klägerinnen erklärt, etwaige Nachzahlungen sollten auf das Anderkonto ihres Prozessbevollmächtigten geleistet werden.

Weiter hat der Beklagte die Auffassung vertreten, nach § 22 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende) sei er zwar berechtigt, eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung anzustellen und die Kosten eines Umzugs mit dem Betrag zu vergleichen, um den die tatsächlichen Unterkunftskosten die angemessenen überschritten. Diese Regelung vermittele den Klägerinnen aber keine subjektiven Rechte.

Mit Urteil vom 1. März 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerinnen hätten den Streitgegenstand wirksam auf die Wohnkosten beschränkt. Die angegriffenen Bescheide seien insoweit nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerinnen hätten im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf die Übernahme ihrer tatsächlichen Wohnkosten. Diese seien unangemessen. Es bestünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit des bei der Bemessung der angemessenen Kosten zugrunde gelegten Konzepts des Beklagten. Insoweit hat das SG auf den Schriftsatz des Beklagten vom 24. März 2020 verwiesen. Den dortigen Ausführungen trete es vollumfänglich bei. Auch gewähre § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II den Klägerinnen kein subjektives Recht auf Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten, wenn ein Umzug unwirtschaftlich wäre. Insoweit hat das SG auf einen Schriftsatz des Beklagten vom 6. November 2020 verwiesen. Dort hatte dieser ausgeführt, § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II diene ausschließlich den Interessen der kommunalen Träger und begründe keine subjektiven Rechte des Leistungsberechtigten. Abgesehen davon sei im konkreten Fall eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht möglich gewesen, weil die konkrete Höhe der KdUH aufgrund unklarer Abbuchungen des Vermieters nicht bekannt gewesen sei. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 4. August 2023 zugestellt worden.

Am 4. September 2023 haben die Klägerinnen beim Landessozialgericht (LSG) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie meinen, das SG habe übersehen, dass das „schlüssige Konzept“ des Beklagten keinen Bestand gehabt habe. Es seien Änderungen eingetreten, die berücksichtigt werden müssten. Auch sei zweifelhaft, ob abschließend geklärt sei, dass das Konzept des Beklagten schlüssig ist. Für den zweiten Rechtszug haben die Klägerinnen Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Die Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind am 30. Januar 2024 beim LSG eingegangen.

Der Beklagte verweist darauf, dass er sein Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten nachgebessert habe, um die ursprünglich unzureichende Berücksichtigung privater Kleinvermieter entsprechend ihrem Anteil am Mietmarkt zu gewährleisten Zu diesem Zweck sei ein Gewichtungsverfahren durchgeführt worden. Auf dieser Grundlage habe sich für die angemessene Bruttokaltmiete eines Zwei-Personen-Haushalts im streitgegenständlichen Zeitraum nunmehr ein Grenzwert von 342,00 € ergeben.

Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist gem. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Die Berufung bedarf aber der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und sie auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Im Verfahren vor dem SG haben die Klägerinnen für einen Zeitraum von sechs Monaten die Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Bruttokaltmiete i.H.v. 361,67 € gefordert; das SG hat aber die Entscheidung des Beklagten gebilligt, nur 337,20 € anzuerkennen. Damit sind den Klägerinnen 146,82 € (6 Monate x 24,47 €/Monat) verwehrt geblieben.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat die Berufung zu Recht nicht zugelassen. Es liegt kein Zulassungsgrund i.S.v. § 144 Abs. 2 SGG vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 145 Rn. 7b).

a) Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn die Sache eine bisher nicht geklärte, aber klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Keller, a.a.O., § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftigkeit ist nicht gegeben, wenn sich die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt oder nur eine Anwendung schon entwickelter höchstrichterlicher Rechtssätze auf den Einzelfall erfordert. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie konkret für die Lösung des Falles erheblich ist. Solche ungeklärten Rechtsfragen wirft der Rechtsstreit nicht auf.

aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II, vor allem die hier allein streitige Frage, ob die Bruttokaltmiete der Klägerinnen in voller Höhe bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen ist.

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass die Prüfung der Angemessenheit der Bedarfe für die Unterkunft und für die Heizung grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen hat, unbeschadet der nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II eröffneten Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (BSG, Urteil vom 19. Mai 2021 – B 14 AS 57/19 R – juris Rn. 17). Bei der Prüfung der Angemessenheit sind in einem ersten von zwei größeren Schritten zunächst die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten, zu ermitteln; dann ist die konkrete (subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen einschließlich eines Umzugs (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 34/19 R – juris Rn. 13).

Ebenso sind die Maßstäbe für die hier im Streit stehende Prüfung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten geklärt. Sie hat unter Anwendung der sog. Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das sich wie folgt zusammenfassen lässt: (1.) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigten Personen, (2.) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3.) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4.) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R – juris Rn. 20 m.w.N.).

Schließlich ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Richtlinie des Beklagten auf einem sog. schlüssigen Konzept beruht. Die nach der letzten Nachbesserung des Beklagten ergangene, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen und dem Beklagten bekannte Entscheidung (Urteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 328/18) betrifft zwar speziell den Grenzwert für einen Drei-Personen-Haushalt. Für einen Zwei-Personen-Haushalt, wie er hier vorliegt, stellen sich aber keine grundsätzlich anderen Fragen, die einer weiteren grundsätzlichen Klärung durch den Senat bedürften.

(1) Dies gilt zunächst für das „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft 2012“ (Neuberechnung, Bericht vom 12. April 2023), dessen Werte der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fortschreibung zugrunde liegen.

Die Feststellungen des Senats zum maßgeblichen Vergleichsraum sowie zur Validität und Repräsentativität der erhobenen Daten gelten für Zwei-Personen-Haushalte in gleicher Weise wie für Drei-Personen-Haushalte. Bezogen auf die Auswertung dieser Daten sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, hinsichtlich derer sich die Situation von Zwei-Personen-Haushalten signifikant von derjenigen von Drei-Personen-Haushalten unterscheiden würde.

In seinem Urteil vom 9. November 2023 (a.a.O.) hat der Senat u.a. dargelegt, dass der in diesem Verfahren maßgebliche Anteil der SGB II-Leistungsbezieher und konkurrierender Nachfragegruppen an der Gesamtzahl der Drei-Personen-Haushalte in H. mit einem Anteil von 31 % (bzw. 35 % aufgrund des dort näher beschriebenen iterativen Verfahrens) ausreichend unter Beachtung mathematisch-statistischer Grundsätze abgebildet worden sei. Nach den vom Senat aufgestellten Maßstäben gilt dies ohne Weiteres in gleicher Weise für Zwei-Personen-Haushalte. Hier hat die Firma A. & K., die das Konzept erstellt hat, einen Anteil der relevanten Nachfragerhaushalte von 23% angenommen (10.770 von 47.000) und im Ergebnis eines iterativen Verfahrens bei der Bestimmung des Angemessenheitsgrenzwerts auf die 30. Perzentile abgestellt (siehe zu diesem Vorgehen bereits das Urteil des Senats vom 30. Mai 2018 – L 2 AS 542/15 – juris Rn. 94 ff.). So hat sie den Grenzwert von 4,56 €/qm ermittelt. Ebenso wie bei Drei-Personen-Haushalten sind auch hier in erheblichem Umfang Neuvertragsmieten eingeflossen (1.804 von insgesamt 19.137 Bestandsmieten), so dass ausreichend aktuelle Werte berücksichtigt wurden.

Auch hinsichtlich der Ermittlung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten stellen sich für Zwei-Personen-Haushalte keine grundsätzlich anderen Fragen, als der Senat bereits in Bezug auf Drei-Personen-Haushalte beantwortet hat. Das Konzept geht hier von einem Wert von 0,99 €/qm aus, so dass sich eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von 5,55 €/qm (4,45 €/qm + 0,99 €/qm) bzw. insgesamt 333 € (5,55 €/qm * 60 qm) ergibt.

(2) Auch mit Blick auf die Fortschreibung dieses Werts für den streitgegenständlichen Zeitraum stellen sich keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 30. Mai 2018 (L 2 AS 543/15 – juris Rn. 104 ff.) entschieden, dass die Werte des Konzepts 2012 nur für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 herangezogen werden können und für die Zeit danach einer Fortschreibung bedurften. Diese ist mit der „Fortschreibung 2012 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft 2014“ (Bericht vom 12. April 2023) erfolgt. Auch diese Fortschreibung hat der Senat mit Urteil vom 9. November 2023 (a.a.O.) bereits gebilligt. Für einen Zwei-Personen-Haushalt stellen sich auch insoweit keine wesentlich anderen Fragen als für einen Drei-Personen-Haushalt. Der so gefundene Grenzwert von 342,00 € ist nicht zu beanstanden.

bb) Grundsätzliche Fragen stellen sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Frage, ob § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung (jetzt: Satz 10) dem Betroffenen ein subjektives Recht auf einen Wirtschaftlichkeitsvergleich vermittelt. Nach dieser Vorschrift muss eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

In der Rechtsprechung des LSG ist geklärt, dass diese Regelung dem Leistungsberechtigten nicht unmittelbar ein subjektives Recht verleiht (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Dezember 2022 – L 5 AS 741/18 – juris Rn. 50). Dies entspricht der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 98; dazu LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Mai 2020 – L 4 AS 113/18 NZB – juris Rn. 32). Allerdings hat der Senat auch bereits entschieden, dass dem Leistungsberechtigten ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zustehen kann (vgl. Urteil vom 30. Mai 2018 – L 2 AS 442/15 – juris Rn. 107). Insbesondere ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen zur Selbstbindung der Verwaltung zweifelsfrei, dass ein Jobcenter sich ggf. an eigene Verwaltungsvorschriften halten muss und dass ein Leistungsberechtigter insoweit einen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geltend machen kann (vgl. Lauterbach in: BeckOGK/Gagel, § 22 SGB II Rn. 80 [Stand: 1. Dezember 2021]). Ob der Beklagte dem gerecht geworden ist (vgl. seine Arbeitshilfen KdU, Stand: Juni 2014, April 2015 und Juni 2015, jeweils Ziff. 3.4.1), ist eine Frage des Einzelfalls.

b) Es besteht auch keine Divergenz zu einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Divergenz in diesem Sinne meint einen Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn ein Urteil nicht den Kriterien entspricht, die die genannten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 22. April 2021 – B 4 AS 16/21 B – juris Rn. 6). Das Urteil des SG muss auf dieser Abweichung beruhen, d.h. die angefochtene Entscheidung hätte bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem abgewichen worden ist, anders ausfallen müssen. Eine Divergenz in diesem Sinne ist – auch unter Berücksichtigung der vom SG in Bezug genommenen Schriftsätze des Beklagten vom 24. März und vom 6. November 2020 – weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar wird im Schriftsatz vom 6. November 2020, dessen Inhalt sich das SG zueigen gemacht hat, u.a. ausgeführt, die Wirtschaftlichkeitsprüfung sei eine rein behördeninterne Angelegenheit. Mit dieser Umschreibung wird aber nur verdeutlicht, dass sich aus § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht unmittelbar ein Anspruch des Leistungsberechtigten ergebe. Ein abstrakter Rechtssatz, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift auch die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung nicht zur Anwendung kämen, ist dem aber nicht zu entnehmen.

c) Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Das Vorliegen eines solchen Mangels ist nur dann zu prüfen, wenn er geltend gemacht wird. Dazu müssen die Tatsachen, die ihn ergeben sollen, benannt werden, und aus den Tatsachen muss sich schlüssig ergeben, welcher Mangel gerügt werden soll (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 144 Rn. 36). Eine solche Rüge liegt nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

4. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Maßgeblich sind die Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, wobei Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten, die nach der Bewilligungsreife des PKH-Antrags eintreten, grds. nicht mehr zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden zu berücksichtigen sind (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. August 2018 – 2 BvR 2647/17 – juris Rn. 15). Ein PKH-Antrag ist entscheidungsreif, wenn der Antragsteller das Streitverhältnis i.S.v. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO dargestellt, sich ordnungsgemäß über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erklärt und die erforderlichen Belege vorgelegt hat sowie dem Prozessgegner angemessene Zeit zur Stellungnahme i.S.v. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeräumt war (vgl. Leopold in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Auflage 2023, § 73a Rn. 59). Als die Klägerinnen am 30. Januar 2024 die Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim LSG eingereicht haben, hatte der Senat bereits über das hier maßgebliche Konzept des Beklagten zur Angemessenheit von Unterkunftskosten entschieden (Urteil vom 9. November 2023, a.a.O).

5. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved