L 5 KR 189/21

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 44 KR 398/20
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 189/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.
Eine allgemein gehaltene Frage nach der Richtigkeit der kodierten Nebendiagnosen steht der wirksamen Einleitung eines Prüfungsverfahrens nicht entgegen. (abweichend 10. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. April 2023 - L 10 KR 15/21).

2.
Eine Prüfanzeige, die sich generell auf die kodierten Nebendiagnosen bezieht, ist dahingehend auszulegen, dass sämtliche vergütungsrelevanten Nebendiagnosen beanstandet und geprüft werden sollen.

3.
Ist der Datensatz "Nebendiagnosen" Prüfgegenstand, kann diese nur innerhalb des Fristenregimes des § 7 Abs. 5 PrüfV 2016 korrigiert oder ergänzt werden.

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. April 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.898,52 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die weitere Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

 

Die 1927 geborene und 2018 verstorbene K. (Versicherte) war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie wurde nach einem Sturz in der Klinik der Klägerin am 12. Mai 2018 zur Implantation einer zementierten Totalendoprothese der Hüfte stationär aufgenommen. Bei bestehender Herzinsuffizienz erfolgte eine medikamentöse Therapie. Außerdem erfolgte wegen laborchemisch nachgewiesener Hyponatriämie und Hyperkaliämie eine entsprechende Substitution sowie eine intravenöse Kalziumsubstitution. Am 17. Mai 2018 wurde die Endoprothese implantiert. Eine bekannte Aortenklappenstenose musste bei der Anästhesie berücksichtigt werden. Bei Blutungsanämie erfolgte die Transfusion von zwei Erythrozytenkonzentraten. Im Verlauf kam es zu einer Schmalkomlextachykardie bis 200/min. Während des Ereignisses trat eine Hypotonie auf. Unter medikamentöser Therapie stabilisierte sich der Zustand zunächst. Wenige Zeit später kam es zu einem zweiten Kreislaufeinbruch mit Hypotonie, Bradykardie und Kammerflimmern. Die daraufhin eingeleitete Reanimation blieb erfolglos.

 

Mit Rechnung vom 22. Juni 2018 stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG I05A (Revision oder Ersatz des Hüftgelenks ohne komplizierende Diagnose, ohne Arthrodose, ohne komplexen Eingriff, mit äußerst schweren CC) einen Betrag von 11.845,54 EUR in Rechnung, den die Beklagte zunächst beglich. Die Klägerin kodierte neben der Hauptdiagnose T84.14: R (Mechanische Komplikation durch eine interne Osteosynthesevorrichtung an Extremitätenknochen: Beckenregion und Oberschenkel) folgende Nebendiagnosen: I50.01 (Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz), E87.1 (Hypoosmolalität und Hyponatriämie), D62 (Akute Blutungsanämie), I35.0 (Aortenklappenstenose), I49.0 (Kammerflattern und Kammerflimmern, N17.81 (Sonstiges akutes Nierenversagen: Stadium 1), Z47.0:R (Entfernung einer Metallplatte oder einer anderen inneren Fixationsvorrichtung), N39.48 (Sonstige näher bezeichnete Harninkontinenz), I10.00 (Benigne essentielle Hypertonie: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise), E86 (Volumenmangel), E87.5 Hyperkaliämie), N18.3 (Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3).

 

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) im Juli 2018 mit einer Kodierprüfung. Laut übersandtem Auszug aus dem System der Beklagten lautete der Prüfauftrag: „Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt. Begründung: Worin bestand der Mehraufwand bzw. die Kodierrelevanz gemäß DKR?“. Der Klägerin zeigte die Beklagte die beauftragte Kodierprüfung mit dem Zusatz an, insbesondere zu prüfen seien die ICD-Schlüssel I50.01 (Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz), E87.1 (Hypoosmolalität und Hyponatriämie), D62 (akute Blutungsanämie), I35.0 (Aortenklappenstenose), I49.0 (Kammerflattern und Kammerflimmern), N17.81 (Sonstiges akutes Nierenversagen: Stadium 1), E87.5 (Hyperkaliämie), N18.3 (Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3).

 

Im Gutachten vom 8. Februar 2019 bestätigte der Gutachter T., dass für die Nebendiagnosen I50.01, E87.1, D62, I35.0, I49.0 und E87.5 ein eigenständiger diagnostischer, pflegerischer und/oder therapeutischer Aufwand vorgelegen habe, der die abrechnungsrelevante Kodierung gemäß der DKR D003 begründe. Die Nebendiagnose N17.81 sei hingegen nicht korrekt verschlüsselt worden. Es habe kein histologischer Befund vorgelegen. Stattdessen sei das beschriebene Krankheitsbild mit dem ICD-Kode N17.91 (Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet: Stadium 1) zu kodieren. Für die Nebendiagnose N18.3 läge kein Nachweis einer Chronizität vor. Die Nebendiagnose sei zu streichen. Daraus resultiere als Grouping-Ergebnis der DRG-Code I47B (Revision oder Ersatz des Hüftgelenkes ohne bestimmte komplizierende Faktoren, mit komplexer Diagnose an Becken/Oberschenkel, mit bestimmtem endoprothetischen Eingriff oder gelenkplastischem Eingriff am Hüftgelenk) mit geringeren Kostengewicht.

 

Die Klägerin widersprach dem Gutachten des MDK insoweit, als bisher ein Volumenmangelschock, auf den die durchgeführte Reanimation u. a. auch ausgerichtet gewesen sei, bisher von ihr nicht kodiert worden sei. Sie kündigte eine entsprechende Nachkodierung an, die sie nach ihren eigenen Angaben am 17. Februar 2019, nach dem Vorbringen der Beklagten und ausweislich deren Verwaltungsakte am 20. Februar 2019 vornahm. Mit Verrechnungsmitteilung vom 17. Juni 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Falldaten entsprechend dem MDK-Gutachten nunmehr selbst berichtigt und den Überzahlungsbetrag von 3.898,52 EUR mit einer unstreitigen Forderung aus einem anderen Behandlungsfall aufgerechnet habe.

 

Die Klägerin hat am 10. Juni 2020 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, sie habe zulässigerweise einen Volumenmangelschock (ICD R 57.1) nachkodiert, so dass das Grouping-Ergebnis weiterhin zu der DRG I05A führe. Die Streichung der vom MDK beanstandeten Nebendiagnose N18.3 würde – unabhängig von der Richtigkeit der Kodierung – hieran nichts ändern.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.898,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Juni 2020 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat erwidert, die Korrektur der Entlassdaten sei von der Klägerin nicht fristgemäß innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens vorgenommen worden. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) seien Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich. Diese habe der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten an die Krankenkasse erfolgen würden. Im vorliegenden Fall seien innerhalb der 5‑Monats-Frist keine weiteren Daten übermittelt worden. Es handele sich um eine Ausschlussfrist.

 

Die Klägerin hat entgegnet, sie habe die Nachkodierung der ICD R57.1 (hypovolämischer Schock) am 17. Februar 2019 vorgenommen. Das MDK-Gutachten datiere vom 8. Februar 2019. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei § 7 Abs. 5 PrüfvV um eine Ausschlussfrist handele, habe die Nachkodierung in engem Zusammenhang mit der Übersendung des Ergebnisses des MDK gestanden.

 

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. April 2021 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei zur Nachkodierung berechtigt gewesen. Dem Zahlungsanspruch stehe die Frist des § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht entgegen. Hierbei handele es sich um keine Ausschlussfrist. Der Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Regelung einen generellen Anspruchsausschluss für Rechnungskorrekturen durch ein Krankenhaus nach fünf Monaten ab Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens beinhalten solle. In der PrüfvV seien die Fristen der §§ 6 Abs. 2 und 8 jeweils ausdrücklich als Ausschlussfristen bezeichnet. Eine solche Bestimmung enthalte § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht. Die ausdrückliche Bezeichnung bestimmter Fristen als Ausschlussfristen mache nur dann Sinn, wenn es sich bei den übrigen Fristen nicht um solche mit Ausschlusswirkung handele. Im Übrigen wäre eine ausdrückliche Bezeichnung auch im Hinblick auf die besonders tiefgreifenden Auswirkungen, die nach Ansicht der Beklagten an die Beendigung des Prüfverfahrens geknüpft werden sollen, erforderlich gewesen. Die Nachkodierung sei auch nicht wegen Verwirkung ausgeschlossen. Ein Verwirkungsverhalten komme nur in Betracht bei der vorbehaltlosen Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entstehe in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkassen geltend mache. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraue, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforschungen erhebe. Hieran richte sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nehme, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und – im Kontext sonstiger streitiger Forderungen – dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen. Dies sei hier noch nicht der Fall.

 

Gegen das ihr am 11. Mai 2021 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 9. Juni 2021 erstmals formgerecht beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung trägt sie vor, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV in der ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung (hier PrüfvV 2016) eine Rechnungskorrektur nur bis zum Ende der Begutachtung erlaube. Daraus sei zu schließen, dass die Möglichkeit der Korrektur oder Ergänzung der Datensätze abschließend zeitlich auf die Dauer des Prüfverfahrens beschränkt sei. Daher sei auch grundsätzlich die Berechtigung des Krankenhauses zu einer – über die als Ergebnis des Prüfverfahrens „unstreitige“ Vergütung – hinausgehende (Nach-) Forderung ausgeschlossen. Insoweit stützt sich die Beklagte zudem auf § 9 Satz 1 PrüfvV, wonach auch die Durchführung eines sogenannten Nachverfahrens nur auf Basis der bis zum Ende der MDK-Begutachtung übermittelten Daten und Unterlagen erfolge. Aus diesem Gesamtzusammenhang sei zu schlussfolgern, dass die Versäumung der Fristen des § 7 Abs. 5 PrüfvV in Bezug auf den mit der Klage geltend gemachten Nachzahlungsanspruch wie eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist wirke. Schließlich sei Sinn und Zweck der genannten Regelungen der PrüfvV eine Konkretisierung und Vereinfachung des in § 275 Abs. 1 und Abs. 1c SGB V nur rudimentär geregelten Verfahrens zur Prüfung der Abrechnung von Krankenhausleistungen. Ersichtliches Ziel der wechselseitig sowohl von den Krankenkassen als auch von den Krankenhäusern zu beachtenden Fristen sei eine schnelle und möglichst umfassende außergerichtliche Prüfung der Abrechnung der Krankenhausleistungen, welches dadurch unterlaufen und letztlich auf die Sozialgerichtsbarkeit verlagert würde, wenn eine unvollständige Mitwirkung der Krankenhäuser ohne Folgen für den Vergütungsanspruch wäre. Hierfür spreche auch die Einführung eines Nachverfahrens in die PrüfvV 2016, bei dem sich eine erneute Prüfung nach vorheriger Stellungnahme des Krankenhauses nur die bis zum Ende der MDK Begutachtung übermittelten Daten und Unterlagen beschränkt habe. Dies stelle auch keine Benachteiligung der Krankenhäuser dar. Denn dem Krankenhaus lägen im Gegensatz zur Krankenkasse regelmäßig alle zur Abrechnung der Behandlung erforderlichen Daten vor. Es sei den Krankenhäusern zuzumuten, ihre Rechnungsdaten innerhalb der aufgezeigten Frist auf Richtigkeit zu überprüfen. Auch dem Argument, der Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV schließe eine nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung nicht aus, komme keine Bedeutung zu. Eine materiell-rechtlich wirkende Ausschlussfrist liege nämlich unabhängig von ihrer Bezeichnung immer dann vor, wenn sich das aus dem Wesen der Frist ergebe, dass Ziel und Zweck der jeweiligen Fristbestimmung und der ihr zugrundeliegenden Interessenabwägung der Ausschluss der Wiedereinsetzung sei. § 7 Abs. 5 PrüfvV eröffne eben nicht die Möglichkeit unendlicher Nachkorrekturen bis zur Verjährung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Geltendmachung der Forderung aber auch verwirkt. Sie – die Beklagte – habe darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin keine weiteren Nachforderungen stelle. Die Klägerin habe das Ergebnis des MDK-Gutachtens anerkannt und einer Korrektur der Kodierung von ICD N17.81 auf ICD N17.1 nicht widersprochen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. April 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Unter Berücksichtigung der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Urteilen vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20, B 1 KR 37/20 und B 1 KR 39/20 – sei der Klage zu Recht stattgegeben worden. Prüfgegenstand seien nach der Prüfanzeige des MDK vorliegend nur einzelne Nebendiagnosen gewesen und diese auch nur im Hinblick auf den mit ihnen verbundenen Mehraufwand. Das korrespondiere mit dem Gutachten des MDK, wonach mehrere Nebendiagnosen mit dem Vermerk gekennzeichnet seien „Diagnose laut Auftrag nicht geprüft“. Die vom BSG angenommene materielle Präklusionswirkung des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2014 beziehe sich jedoch nur auf den vom MDK geprüften Teil des Datensatzes. Danach verliere das Krankenhaus nur dann das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern, soweit er Prüfgegenstand der von der Krankenkasse veranlassten MDK-Prüfung geworden ist. Dies sei hinsichtlich der nachkodierten Nebendiagnose ICD R 57.1 nicht der Fall gewesen.

 

Die Beklagte erwidert, unter Berücksichtigung des vom BSG im Verfahren B 1 KR 34/20 illustrierten Beispiels sei die Klägerin mit der Datenänderung präkludiert, weil die Nebendiagnosen Prüfgegenstand des MDK-Prüfverfahrens gewesen seien.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

 

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht der zwar zulässigen, jedoch unbegründeten allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 3.898,52 EUR für den Behandlungsfall der Versicherten, weil sie die Nebendiagnose ICD R 57.1 nicht nachkodieren durfte.

 

Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20 R – der sich der erkennende Senat bereits uneingeschränkt angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022 – L 5 KR 49/19), die Rechnungskorrektur durch Um- bzw. Nachkodierung der Nebendiagnose hier nicht zulässig. Voraussetzung für die Fälligkeit des Anspruchs auf die geltend gemachte höhere Vergütung ist eine ordnungsgemäß korrigierte Abrechnung. Diese liegt nur vor, wenn die betreffenden Daten nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) noch übermittelt werden durften. Insoweit ist § 7 Abs. 5 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG vom 3. Februar 2016 zu beachten, die zwischen dem GKV-Spitzenverband, Berlin, und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V., Berlin, geschlossen wurde, und die zeitlich auf die im Jahr 2018 durchgeführte Krankenhausbehandlung der Versicherten anwendbar ist (vgl. § 13 PrüfvV 2016).

 

Die mit Wirkung zum 1. Januar 2017 aufgrund der Ermächtigung des § 17c Abs. 2 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG – in der Fassung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15. Juli 2013, BGBl. I S. 2423) in Kraft getretene und später gekündigte PrüfvV 2016 erfasst Überprüfungen bei Versicherten, die ab dem 1. Januar 2017 aufgenommen wurden.

 

§ 17c Abs. 2a Satz 1 KHG (i. d. F. des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen <MDK-Reformgesetz> vom 14. Dezember 2019, BGBl. I S. 2789, mit Wirkung vom 1. Januar 2020, Art. 15 Abs. 1 MDK-Reformgesetz), wonach eine Korrektur der an die Krankenkasse übermittelten Abrechnung durch das Krankenhaus grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist nicht rückwirkend auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden.

 

Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 waren Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich. Diese hatte der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 an die Krankenkasse erfolgten. Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet gewesen sein, war eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. In den Fällen der Prüfung vor Ort fanden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich war.

 

§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 bewirkt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 37/20 R – juris, Rn. 16) eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zugunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV geregelten Änderungsfristen unzulässig sind, soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist. Änderungen des MDK-geprüften Teils des Datensatzes nach § 301 SGB V außerhalb der in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 geregelten Änderungsmöglichkeiten sind – auch mit Wirkung für ein gegebenenfalls nachfolgendes Gerichtsverfahren – unzulässig. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses kann nicht erfolgreich auf der Grundlage von neuen (geänderten oder ergänzten) Daten durchgesetzt werden, deren Übermittlung unzulässig ist.

 

Die materielle Präklusionswirkung des § 7 Abs. 5 Satz 1 bis 4 PrüfvV 2016 hat das BSG aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Binnensystematik der PrüfvV 2016 hergeleitet. Im Gegensatz zu einer den Anspruch ganz oder teilweise allein durch Zeitablauf ausschließenden Regelung des materiellen Rechts, die den Verlust einer materiell-rechtlichen Anspruchsposition zur Folge habe (materiell-rechtliche Ausschlussfrist), gehe nach § 7 Abs. 5 Satz 1 bis 4 PrüfvV 2016 der Anspruch auf die weitere Vergütung nicht allein wegen des Fristablaufs unter (BSG, a. a. O., Rn. 17). Gegen ein Verständnis des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 als materielle Ausschlussfrist für Nachforderungen des Krankenhauses im Sinne eines vollständigen Anspruchsverlustes allein durch Zeitablauf spreche bereits, dass eine solche Rechtsfolge weder mit diesem Begriff noch mit einer entsprechenden inhaltlichen Regelung im Wortlaut aufzufinden sei, was wegen der weitreichenden Folge jedoch grundsätzlich zu erwarten gewesen wäre (BSG, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.).

 

Der erkennende Senat kann dahingestellt lassen, ob er der Argumentation des BSG insoweit folgt oder im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 die Annahme der Regelung einer materiellen Ausschlussfrist für überzeugender erachtet, denn beide Lösungsansätze führen vorliegend zu demselben Ergebnis. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Wortlautfassungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2014 und § 7 Abs. 5 2016 erachtet es der Senat jedoch für angezeigt, auf Folgendes hinzuweisen: Mit der PrüfvV 2016 wurden Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen ab 1. Januar 2017 nunmehr ausdrücklich auch zeitlich beschränkt. Diese sollten zwar weiterhin einmalig möglich sein, aber nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK bzw. in Fällen der Prüfung vor Ort nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort. Eine entsprechende Regelung sah die PrüfvV 2014 nicht vor. Dort wurde nur bestimmt, dass der MDK die ebenfalls einmalig mögliche Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes nur dann in seine Prüfung einzubeziehen hatte, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 an die Krankenkasse erfolgte. Einen Vorbehalt der zeitlichen Beschränkung auf Teile des Datensatzes, die vom Prüfauftrag des MDK umfasst sind, formuliert § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 hingegen nicht mehr. § 7 Abs. 5 Sätze 1 bis 4 PrüfvV 2016 erfassen nach ihrem Wortlaut alle Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen. Wenn sich der ausdrückliche Ausschluss einer Korrektur oder Änderung aber nur auf Datensätze hätte beziehen sollen, die vom Prüfauftrag und Prüfumfang umfasst sind, wäre durchaus zu erwarten gewesen, dass diese Einschränkung von den Vertragsschließenden entsprechend formuliert worden wäre. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr greift § 9 PrüfvV 2016 auf, dass ein Nachverfahren, welches in der PrüfvV 2014 noch nicht vorgesehen war, vom Krankenhaus nur auf Basis der bis zum Ende der MDK-Begutachtung übermittelten Daten und Unterlagen gegenüber der Krankenkasse vorgeschlagen werden kann. Hierauf weist die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zutreffend hin. Aus diesem Gesamtzusammenhang schlussfolgert sie überzeugend, dass die genannten Regelungen der PrüfvV 2016 wie eine materielle Ausschlussfrist wirken, auch wenn sie nicht ausdrücklich so genannt werden.

 

Die Argumentation des BSG, dass an anderer Stelle in der PrüfvV Ausschlussfristen ausdrücklich genannt seien und deshalb ein Vergleich zeige, dass hier gerade kein umfassender materiell-rechtlicher Anspruchsverlust geregelt werden sollte, ist durchaus angreifbar. Zum einen verkennt sie, dass die PrüfvV 2016 – anders als noch die PrüfvV 2014 in § 6 Abs. 2 nicht mehr regelt, dass die dort genannten Fristen Ausschlussfristen seien. Nur in § 8 Satz 4 PrüfvV 2016 findet sich noch die Bestimmung, dass die Regelung des Satzes 3 als Ausschlussfrist wirkt. Zum anderen kann hieraus bereits deshalb kein zuverlässiger Rückschluss auf die Regelungen in § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 PrüfvV 2016 gezogen werden, weil letztere von ihrem Wortlaut her bereits nicht die Interpretation erlauben, dass eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nach Ende der Begutachtung oder Abschluss der Prüfung vor Ort noch möglich sein sollten.

 

Vor diesem Hintergrund könnten nach Auffassung des erkennenden Senats die Regelungen in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 durchaus in dem Sinne interpretiert werden, dass nach Ablauf der dort genannten Fristen generell Korrekturen oder Ergänzungen ausgeschlossen sein sollten, sofern überhaupt ein Prüfverfahren stattgefunden hat. Dies entspräche auch dem Regelungszweck. Schließlich zielt die PrüfvV 2016, worauf das BSG selbst hinweist, auf die Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens ab, welches nicht durch wiederholte oder unzeitige Datenänderungen in die Länge gezogen werden soll. Der gesamte Abrechnungsfall soll zügig seinen Abschluss finden. Dieser Regelungszweck könnte jedoch unterlaufen werden, wenn Datensätze zeitlich unbegrenzt im Rahmen der Verjährungsfrist lediglich unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben mehrfach ergänzt und korrigiert werden könnten und jedes Mal eine erneute Prüfung des MDK erfolgen müsste. Dann mag zwar das einzelne Prüfverfahren zügig abgeschlossen werden können. Der gesamte Abrechnungsfall zöge sich hingegen – wie auch in der Vergangenheit andere Fallkonstellationen gezeigt haben, die der Senat zu entscheiden hatte – erheblich in die Länge.

 

Selbst wenn der Senat allerdings in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des BSG lediglich die Wirkung einer materiellen Präklusionsregelung berücksichtigt mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zugunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV geregelten Änderungsfristen unzulässig sind, soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist, bliebe der Leistungsklage der Klägerin der Erfolg versagt.

 

Die materielle Präklusionswirkung hat das BSG im Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20 R – juris, Rn. 17 an einem Beispiel illustriert. Dieses Beispiel ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Ebenso wie in dem vom BSG genannten Beispiel bezog sich der dem MDK erteilte Prüfauftrag hier auf den vollständigen Datensatz „Nebendiagnosen“. Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats einen Auszug des Prüfauftrages aus ihrem System übersandt. Anhaltspunkte dafür, dass der per Datenaustausch gemäß § 301 SGB V erteilte Prüfauftrag an den MDK nicht dem übersandten Auszug entsprach, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgebracht worden. Daraus ergibt sich, dass die Frage gestellt wurde: „Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?“. Dies wird auch durch die Prüfanzeige des MDK vom 16. Juli 2018 bestätigt. Die dort zusätzlich gestellte Frage nach dem Behandlungsmehraufwand, den die kodierten Nebendiagnosen verursacht haben, beinhaltet entgegen der Auffassung der Klägerin keine Einschränkung des Prüfauftrages. Sie ist lediglich der Definition einer Nebendiagnose nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) geschuldet. Danach ist die Nebendiagnose definiert als eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: Therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen oder erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Damit wird der Ressourcenverbrauch berücksichtigt, den der MDK hier mit Behandlungsmehraufwand bezeichnet hat. Dass der Beklagten die Prüfung des Ressourcenverbrauchs besonders im Hinblick des ICD Kode I35.0 (nichtrheumatische Herzklappenkrankheit) wichtig war, wird aus einem Eintrag auf Seite 7 der in Papierform übersandten Verwaltungsakte deutlich, in dem ausgeführt wird: „Diese Diagnose wird häufiger kodiert, ohne dass im aktuellen Aufenthalt eine Behandlung (spezifische Behandlung wäre ein Herzklappenersatz) oder weitergehende Diagnostik (z. B. transösophageales Herzecho) erfolgt ist. Bitte prüfen Sie den Ressourcenverbrauch. Potentielle Ersparnis -3.834,49 Euro.“

 

Die Tatsache, dass der MDK laut Gutachten einige Nebendiagnosen nicht geprüft hat, war ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass diese nicht vergütungsrelevant waren. Der Senat geht davon aus, dass eine Krankenkasse von vornherein nur Interesse an der Prüfung abrechnungsrelevanter Diagnosen und Prozeduren haben wird und dies auch für alle am Prüfverfahren Beteiligte offensichtlich ist. Deshalb kann die Klägerin aus dem Umstand, dass einige Nebendiagnosen vom MDK nicht geprüft wurden, keine rechtlichen Konsequenzen zu ihren Gunsten herleiten. Maßgeblich ist vielmehr, dass alle vergütungsrechtlich relevanten Nebendiagnosen vom Prüfauftrag umfasst waren und auch geprüft wurden, so dass der gesamte Datensatz „Nebendiagnosen“ jedenfalls insoweit der materiellen Präklusion unterliegt, als er sich auf erlösrelevante Nebendiagnosen bezieht. Diesbezüglich ist er nicht mehr veränderbar. Nachkodierte erlösrelevante Nebendiagnosen sind auch im Gerichtsverfahren nicht mehr berücksichtigungsfähig und nicht geeignet, einen weiteren Vergütungsanspruch zu begründen. Rechtsfolge der materiellen Präklusion ist, dass die Vergütungsforderung des Krankenhauses nicht auf der Grundlage neuer – präkludierter – Daten durchgesetzt werden kann.

 

Soweit der 10. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts im Urteil vom 25. April 2023 – L 10 KR 15/21 – demgegenüber die Auffassung vertritt, im Anwendungsbereich der PrüfvV 2016 stehe eine allgemein gehaltene Frage nach der Richtigkeit der kodierten Nebendiagnose(n) dem klaren Auftrag des § 4 Satz 2 entgegen, den Prüfgegenstand u. a. „unter Benennung der beanstandeten Nebendiagnose(n)“ zu benennen, dies habe bei einem Unterlassen zur Konsequenz, dass eine spätere Abrechnungskorrektur durch eine Änderung der Nebendiagnose(n) nicht ausgeschlossen sei, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen.

 

§ 4 PrüfvV 2016 regelt die ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung der Krankenkasse an das Krankenhaus, welchen Prüfgegenstand das Prüfverfahren haben soll. Insoweit bestimmt § 4 PrüfvV 2016: Erkennt die Krankenkasse bei der Prüfung nach § 3 Auffälligkeiten, die es erforderlich machen, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit der Abrechnung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 einzuleiten, hat sie dem Krankenhaus den sich aus den Auffälligkeiten ergebenden Prüfgegenstand innerhalb von 6 Wochen nach Eingang der nach § 3 übermittelten Daten und der entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen. Dabei hat sie nach Satz 2 den Prüfgegenstand mindestens aber beispielsweise wie folgt zu benennen:

 

  • primäre Fehlbelegung
  • sekundäre Fehlbelegung
  • Kodierprüfung unter Benennung der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnose(n) und/oder Prozedur(en) unter Benennung der beanstandeten OPS-Ziffer(n)
  • Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen (medizinische Indikation, NUB etc.).

 

Die Aufzählung in Satz 2 ist nicht abschließend, Mehrfachnennungen sind möglich. Ist kein Prüfgegenstand benannt, liegt keine ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung vor. Die Mitteilung muss dem Krankenhaus in der Frist nach Satz 1 zugehen.

 

Soweit der 10. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in der in juris zitierten Entscheidung vom 25. April 2023 – L 10 KR 15/21 – unter Rn. 32 daraus folgert, eine allgemein gehaltene Frage „nach der Richtigkeit der angegebenen Nebendiagnosen“ sei unzulässig und ein solch allgemein gehaltener Auftrag vermöge eine spätere Abrechnungskorrektur des Krankenhauses durch eine Änderung der Nebendiagnose(n) nach dem Wortlaut des § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 nicht auszuschließen, wird verkannt, dass hier nur die inhaltlichen Anforderungen an die Prüfanzeige, nicht aber an den Prüfauftrag formuliert werden. Als Konsequenz einer gänzlich fehlenden Benennung des Prüfgegenstandes wird in § 4 Satz 4 PrüfvV auch nur die Rechtsfolge geregelt, dass dann keine ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung vorliegt. Welche Auswirkungen eine (vermeintlich) lediglich nicht hinreichende Konkretisierung des Prüfgegenstandes in der Prüfanzeige der Krankenkasse an das Krankenhaus haben soll, ist hingegen nicht bestimmt worden.

 

Eine solche Regelung wäre aber zu erwarten, wenn die Vertragsparteien auch im Hinblick auf nicht hinreichend konkretisierte Prüfmitteilungen die weitreichende Rechtsfolge der Nichtigkeit des folgenden Verfahrens einschließlich der Wirkungslosigkeit des Fristenregimes des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 für Korrekturen bzw. Ergänzungen von Datensätzen hätten vereinbaren wollen. So spricht der Wortlaut von § 4 Satz 4 PrüfvG 2016 dafür, dass auch eine nicht vollständig den Anforderungen des § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 entsprechende Prüfmitteilung das Prüfverfahren wirksam einleitet, zumal der Wortlaut des § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 selbst (mindestens aber „beispielsweise“) für die Konkretisierung des Prüfgegenstandes keine trennscharfen Vorgaben macht.

 

Ohnehin lässt sich eine Prüfanzeige, die sich generell auf die kodierten Nebendiagnosen bezieht, zwanglos dahingehend auslegen, dass sämtliche vergütungsrechtlich relevanten Nebendiagnosen beanstandet und geprüft werden sollen. Die Anwendung der normenvertraglichen Bestimmungen der PrüfvV unterliegt den allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft und nicht den für Abrechnungsbestimmungen geltenden Einschränkungen im Sinne einer eng am Wortlaut orientierten, nur durch systematische Erwägungen unterstützen Auslegung (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20 R, juris, Rn. 21). Es ist nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten, sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung abzustellen. Wenn als Prüfgegenstand in der Prüfanzeige nur der Begriff „Nebendiagnose(n)“ genannt wird und zuvor vom Krankenhaus mit dem Datensatz nach § 301 SGB V mehrere Nebendiagnosen übermittelt worden waren, entspricht es allgemeinem Verständnis, dass sämtliche Nebendiagnosen geprüft werden sollen, soweit sie vergütungsrelevant sind. Die Forderung, dass diese Nebendiagnosen nochmals im Einzelnen aufgelistet werden müssten, um den Vorgaben des § 4 PrüfvV an die Konkretisierung gerecht zu werden, erscheint dem erkennenden Senat als bloßer Formalismus, der den Beteiligten des Prüfverfahrens nicht zu mehr Klarheit verhilft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn von mehreren vergütungsrechtlich relevanten Nebendiagnosen tatsächlich nur einzelne beanstandet und geprüft werden sollen.

 

Auch in diesem Fall ist daher zu beachten, dass maßgebend für die Zulässigkeit von Rechnungskorrekturen während des Prüfverfahrens § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 ist, der nach Beauftragung des MDK für die Durchführung der Prüfung gilt. Danach verliert das Krankenhaus das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern, soweit die vorgegebenen Fristen nicht beachtet werden und soweit der Datensatz Prüfgegenstand der von der Krankenkasse veranlassten MDK-Prüfung geworden ist. Maßgebend ist daher nicht die Prüfanzeige der Krankenkasse oder des MDK an das Krankenhaus, sondern der Prüfauftrag, den die Krankenkasse dem MDK erteilt. Das BSG hat die von ihm angenommene Präklusionswirkung an folgendem Beispiel illustriert (BSG, a.a.O., Rdnr. 17):

 

„Ein Krankenhaus kodiert vier Nebendiagnosen, die in ihrer Kombination vergütungsrelevant sind. Die KK erteilt dem MDK einen Prüfauftrag bzgl der Nebendiagnosen. Der MDK sieht, wie sich im Gerichtsverfahren später herausstellt, zu Recht zwei Nebendiagnosen als nicht kodierfähig an, sodass die Vergütungsrelevanz der Nebendiagnosen entfällt und die Vergütung geringer ist. Hat das Krankenhaus in Reaktion auf den MDK nach Ablauf der in § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 vorgesehenen Fristen vorsorglich weitere Nebendiagnosen kodiert, die ebenfalls vergütungsrelevant sind, und den geänderten Datensatz der KK übermittelt, spielt es keine Rolle, ob diese Nachkodierung zutreffend ist. Die nachkodierten Nebendiagnosen sind auch im Gerichtsverfahren nicht mehr berücksichtigungsfähig und nicht geeignet, einen höheren oder auch nur gleich hohen Vergütungsanspruch zu begründen.“

 

Bezieht sich also – wie hier – der dem MDK erteilte Prüfauftrag auf sämtliche vergütungsrelevanten Nebendiagnosen, ist es dem Krankenhaus nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV 2016 bzw. nach Beendigung der Begutachtung durch den MDK  (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2016) verwehrt, den Datensatz durch Nachkodierung anderer vergütungsrelevanter Nebendiagnosen zu ergänzen.

 

 

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er u. a. der Rechtsfrage, wie konkret der Prüfauftrag an den MDK in Fallgestaltungen der vorliegenden Art formuliert sein muss, um den gesamten Datensatz Nebendiagnosen zu präkludieren, grundsätzliche Bedeutung beimisst.

 

Die Entscheidung über den Streitwert ergeht gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtskraft
Aus
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