L 6 AS 1561/23 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SF 60/23 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1561/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 19.09.2023 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Gründe:

 

1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde mit den beiden Berufsrichterinnen und dem Berufsrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – [RVG]), weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Der Senat entwickelt mit der vorliegenden Entscheidung seine Rechtsprechung zu der Frage weiter, welche Umstände für die Gebührenbemessung nach dem RVG eine Rolle spielen, wenn die zu Grunde liegende Bewilligung von Prozesskostenhilfe zeitlich beschränkt ist.

 

2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

 

a) Sie ist zwar nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € und die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt. Ferner hat das Sozialgericht (SG) der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 RVG).

 

b) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat die aus der Staatskasse gemäß § 45 Absatz 1 Satz 1 RVG zu erstattenden Kosten zutreffend (auf 1.713,36 €) festgesetzt.

 

Die Höhe des Vergütungsanspruchs richtet sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. dem Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – VV RVG). Vorliegend entstehen Betragsrahmengebühren, weil das Gerichtskostengesetz (GKG) keine Anwendung findet, denn das Verfahren in der Hauptsache war für die Kläger kostenfrei (vgl. § 183 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

 

aa) Streitig ist zwischen den Beteiligten allein die Höhe des Ansatzes der Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG).

 

Die Kriterien, nach denen diese Gebühr – wie auch die anderen Gebühren nach dem VV RVG – zu bemessen ist, sind in der angefochtenen Entscheidung – wie auch in der Begründung des Erinnerungsgegners (in seinem Schriftsatz vom 25.10.2023) – ausgehend von der Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R) zutreffend dargestellt. Hierauf wird Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

 

Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz der Verfahrensgebühr mit 444 € (Mittelgebühr) jedenfalls nicht unbillig.

 

(1) Der Senat teilt die Beurteilung des SG, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in dem für die Beurteilung maßgebenden Zeitraum als durchschnittlich zu bewerten ist. Denn das SG ist bei seiner Entscheidung (im Ergebnis) zu Recht davon ausgegangen, dass auch die Fertigung der Berufungsbegründung (vom 13.04.2021) im vorliegenden Fall als für die Gebührenbemessung relevanter Aufwand zu berücksichtigen ist. Dieser Berücksichtigung steht die in dem Beschluss des Senats über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren vom 26.07.2021 vorgenommene Beschränkung auf den Zeitraum ab dem 04.05.2021 nicht entgegen.

 

Dabei folgt der Senat der Argumentation des SG in der angefochtenen Entscheidung allerdings insoweit nicht, als dort die Beschränkung der Prozesskostenhilfebewilligung auf die Zeit ab dem 04.05.2021 nachträglich als ungerechtfertigt und damit unbeachtlich angesehen wurde. Diese Argumentation ist unzulässig, weil sie eine Änderung des Beschlusses vom 26.07.2021 erfordern würde. Zu einer solchen Inzidentprüfung der vorgelagerten Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist das Gericht, das (lediglich) über die Gebührenbemessung zu entscheiden hat, jedoch weder berufen noch befugt (vgl. dazu auch Landessozialgericht [LSG] Hessen, Beschluss vom 10.07.201, L 2 SF 11/15 E, auf den der Erinnerungsgegner zu Recht verwiesen hat).

 

Gleichwohl kann der Aufwand, den der Erinnerungsführer für die Fertigung der Berufungsbegründung hatte, in die Kalkulation der Verfahrensgebühr einfließen, obwohl dieser vor dem Zeitpunkt liegt, ab dem den Klägern Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 4 RVG. Denn die zeitliche Begrenzung durch die Bestimmung eines abweichenden Beiordnungszeitpunktes in § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG bezieht sich nur auf die bei der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigenden Tätigkeit des Erinnerungsführers im Klage- (oder Berufungs-) verfahren. Seine nach 48 Abs. 4 Satz 2 RVG in die Gebührenbemessung einfließende Tätigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren unterliegt der Begrenzung durch den abweichenden Beiordnungszeitpunkt demgegenüber nicht, was sich sowohl dem Wortlaut der genannten beiden Sätze (vgl. dazu ausführlich LSG Bayern, Beschluss vom 05.02.2021, L 12 SF 172/18, juris Rn. 31 sowie LSG Bayern, Beschluss vom 11.08.2023, L 12 SF 140/20, juris Rn. 24) als auch den – schon von dem SG insoweit zu Recht benannten – Materialien zur Neufassung des § 48 Abs. 4 durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2.KostRMoG) entnehmen lässt (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 270 zu Buchstabe c)). Die dort in Bezug genommene Fallgestaltung liegt hier vor, weil die Kläger den Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht etwa nachträglich (im Anschluss an die Berufungsbegründung), sondern bereits unmittelbar mit der Einlegung der Berufung gestellt haben.

 

Die von dem Erinnerungsgegner in Bezug genommene Entscheidung des LSG Hessen (Beschluss vom 28.04.2014, L 2 AS 708/13 B) vermag nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen, weil die Entscheidung noch die Rechtslage vor Einfügung des § 48 Abs. 4 RVG in der hier maßgebenden Fassung betraf.

 

Unter Berücksichtigung der Klageschrift, der weiteren im Anschluss noch gefertigten (drei) Schriftsätze sowie der hierfür erforderlichen Recherchen und Gespräche bei/mit den Klägern ist die Annahme eines durchschnittlichen Aufwandes für die Verfahrensgebühr folglich nicht zu beanstanden.

 

(2) Entgegen der Ansicht des Erinnerungsgegners lässt es sich im vorliegenden Fall auch rechtfertigen, mit dem SG hinsichtlich der Schwierigkeit der Angelegenheit jedenfalls von einer durchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Denn auch wenn keine medizinischen Befunde zu würdigen waren und es sich bei der hier streitigen Frage der Erstausstattung um ein Standardproblem handelt, war der Sachverhalt doch insoweit ungewöhnlich gelagert und damit zumindest durchschnittlich schwer, als es um einen nicht unkomplizierten Sachverhalt mit Auslandsbezug ging.

 

(3) Was die (überdurchschnittliche) Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger angeht, nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach Prüfung zu eigen macht und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 4 SGG).

 

(4) Selbst bei Zugrundelegung unterdurchschnittlicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger und einem nicht erkennbaren besonderen Haftungsrisiko des Erinnerungsführers (wovon auch das SG ausgegangen ist) erscheint dem Senat damit auch nach Abwägung aller Einzelmerkmale insgesamt die Annahme eines Durchschnittsfalles, der den Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr rechtfertigt, zumindest vertretbar.

 

bb) Die Gebührenberechnung in der Kostennote des Erinnerungsführers vom 02.09.2021 begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken. Solche werden zudem von dem Erinnerungsgegner im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht, sodass die Festsetzung des dort ausgewiesenen Betrags von 1.713,36 € durch das SG zu Recht erfolgt ist.

 

3. Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

 

4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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