S 112 KR 2121/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 2121/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein Ausschluss aus der obligatorischen Anschlussversicherung (§ 188 Abs. 4 SGB V) besteht in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 8a S. 2 i.V.m. S. 1 SGB V für Empfänger laufender Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Dies setzt regelmäßig einen – ggf. rückwirkend – zuerkennenden Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers voraus. 2. Bestehen keine Anhaltspunkte für eine manipulative Leistungssteuerung durch den Sozialhilfeträger steht der (allgemeine) Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) einer Befugnis der Krankenkasse entgegen, die obligatorische Anschlussversicherung gemäß § 188 Abs. 4 SGB V mittels Feststellung der Eigenschaft als „Empfänger laufender (SGB XII-) Leistungen“ auszuschließen (Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 KR 21/18 R – juris, Rn. 17).

 

Sozialgericht Berlin

 

 

S 112 KR 2121/21

 

verkündet am
8. April 2024

 

 

 

 

 

 

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

          V. … GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführung…


 

in Sachen: B. … geb. … 1964

- Klägerin -

 

Proz.-Bev.:

 

gegen

 

          AOK Rheinland-Pfalz/Saarland,  

Virchowstr. 30, 67304 Eisenberg,

- Beklagte –

 

1.       Jobcenter Berlin Treptow-Köpenick,  

Groß-Berliner-Damm 73 A-E, 12487 Berlin,
 

2.       das Land Berlin vertreten durch das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin,
Abt. Soziales und Jugend Amt für Soziales - Fachbereich I - Rechtsstelle

Hans-Schmidt-Str. 18, 12489 Berlin,

- Beigeladene -

 

 

hat die 112. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2024 durch den Präsidenten des Sozialgerichts … sowie die ehrenamtliche Richterin … und den ehrenamtlichen Richter … für Recht erkannt:

 

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 952,72 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. April 2021 zu zahlen.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese Kosten selbst zu tragen haben.

 

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Streitig sind Vergütungsansprüche für eine stationäre Behandlung des obdachlosen Patienten … B.  (fortan: B. bzw. Patient) im Oktober 2020.

 

Der 1964 geborene, seit vielen Jahren alkoholabhängige Patient wurde am 20. Juni 2018 aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) H. … entlassen, wo er seit Juli 2017 inhaftiert war. Aus der für ihn von der JVA im Rahmen der Entlassungsmaßnahmen vorgesehenen vollstationären Einrichtung Haus S. … zog B. noch am Entlassungstag wieder aus und verschwand. Eine ihm vom beigeladenen Sozialhilfeträger unter dem 22. Juni 2018 bewilligte Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII wurde sechs Tage später (Bescheid vom 28. Juni 2018) wieder aufgehoben, weil die Betreuung nicht zustande gekommen war. Nach zwei stationären Behandlungen (vom 26. Juni bis 3. Juli sowie vom 4. bis 10. Juli 2018) war B., für den seit 5. Juli 2018 ein Betreuer (vorläufig) bestellt war, ab 10. Juli 2018 in einer Wohnungsloseneinrichtung untergebracht (Haus H. …). Das beigeladene Jobcenter bewilligte ihm mit Bescheid vom 27. Juli 2018 rückwirkend ab 20. Juni 2018 laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Die beklagte Krankenkasse stellte unter dem 17. September 2018 für den Patienten eine Mitgliedsbescheinigung (Beginn 1. Juli 2018) aus. B. war bereits seit August 2018 nicht mehr auffindbar und es bestand weder zu seinem Betreuer noch zur Beklagten oder zu den Beigeladenen Kontakt. Der Beigeladene zu 1) hob die Bewilligung von SGB II-Leistungen schließlich ab 1. Februar 2019 auf. Anschließend und zugleich letztmalig bezog B. Arbeitslosengeld II vom 1. Dezember 2020 bis 31. Januar 2021.

 

Vom 15.  bis zum 16. Oktober 2020 befand sich B. in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin. Die stationäre Aufnahme erfolgte über die Rettungsstelle des Krankenhauses aufgrund eines Entzugskrampfanfalles bei Alkoholentzug. Der Patient wurde neurologisch tragiert und konsiliarisch psychiatrisch behandelt. Nach Stabilisierung des Zustandes und dem Ausschluss neurologischer Auffälligkeiten wurde der Patient zum kontrollierten Alkoholentzug bzw. Überwachung aufgenommen. Wegen der Einzelheiten der Behandlung wird auf den Arztbrief vom 16. Oktober 2020 verwiesen.

 

Nachdem die Beklagte die Kostenübernahme für die Behandlung abgelehnt hatte stellte ihr die Klägerin am 26. März 2021 die entstandenen Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 952,72 € vergeblich in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte auf Grundlage der PEPP PA02 D („Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Alter < 65 Jahre, ohne komplizierende Konstellation, ohne Heroinkonsum oder intravenösen Gebrauch sonstiger Substanzen, ohne qualifizierten Entzug ab mehr als 14 Behandlungstagen'"). Der Rechnungsbetrag war am 9. April 2021 fällig.

 

Mit der am 7. Dezember 2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin den Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten weiter. Für B., der zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert gewesen sei, habe eine Mitgliedschaft aufgrund der Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a) Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) bestanden. Einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall habe B. nicht gehabt. Den Folgeaufenthalt des Patienten vom 6. bis 17. Januar 2021 habe die Beklagte beglichen. Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf die Klageschrift vom 7. Dezember 2021 nebst Anlagen sowie auf die Schriftsätze vom 24. März 2022, 1. August 2022, 12. Dezember 2022, 7. August 2023, 3. November 2023 und 12. März 2024 verwiesen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 952,72 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. April 2021 zu zahlen,

2. die Sprungrevision zuzulassen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            1. die Klage abzuweisen,

2. die Sprungrevision zuzulassen.

 

Der Patient sei zum Zeitpunkt der Behandlung kein Mitglied der Beklagten gewesen. Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a) SGB V habe schon mangels Mitwirkung des B. nicht festgestellt werden können. Sowohl eine Auffang-Pflichtversicherung wie eine obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V seien wegen eines nachgewiesenen anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall ausgeschlossen. Denn der Patient sei im Zeitpunkt der stationären Behandlung evident (sozial)hilfebedürftig gewesen und deswegen über den zuständigen Sozialhilfeträger abzusichern. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen der Beklagten vom 3. Februar 2022, 4. Mai 2022, 2. September 2022, 16. November 2022, 25. April 2023, 2. Oktober 2023 und 25. Januar 2024 wird ergänzend Bezug genommen.

 

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und zur Ergänzung des Sachverhalts wird schließlich Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der den Behandlungsfall betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der den B. betreffenden Leistungsakte (eAkte) des beigeladenen Jobcenters sowie den Inhalt (des Retents) der Sozialhilfeakten des B. Die genannten Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die vom klagenden Krankenhaus erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (st. Rspr; vgl. BSG vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, RdNr. 9; BSG vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr. 17, RdNr. 7) und begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von 952,72 € nebst der tenorierten Zinsen gegen die Beklagte zu.

 

1. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 17/17 R –, RdNr. 12, st. Rspr.).

 

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (st. Rechtsprechung; vgl. z.B. BSG vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, RdNr. 13, 15 f; BSG vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 77 RdNr. 10, 12 f m.w.N.). Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die stationäre Behandlung des Patienten im fraglichen Zeitraum (15. - 16. Oktober 2020) medizinisch erforderlich und wirtschaftlich war. Die Beteiligten streiten auch nicht darüber, dass das Krankenhaus die Höhe der Vergütung auf Grundlage des tatsächlichen Geschehensablaufs zutreffend nach dem für Plankrankenhäuser geltenden, oben benannten öffentlich-rechtlichen Preisrecht sachlich-rechnerisch zutreffend berechnete. Eine nähere Prüfung der erkennenden Kammer zu dieser Höhe erübrigt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (z.B. BSG vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 26/18 R - juris RdNr 11 m.w.N.).

 

2. Der Patient erfüllte nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V die Voraussetzungen für den Zugang zur obligatorischen Anschlussversicherung.

 

§ 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V (in der insoweit bis heute unveränderten Fassung des Art 1 Nr. 2b Buchst. b des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15. Juli 2013, BGBl I 2423) bestimmt: Für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, setzt sich die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt.

 

Die Möglichkeit des Zugangs des Patienten zur obligatorischen Anschlussversicherung war hiernach kraft seiner unmittelbar vorausgegangenen, bei der Krankenkasse bis (mindestens) zum 31. Januar 2019 bestehenden Versicherungspflicht grundsätzlich eröffnet. Die Versicherungspflicht folgte für diese Zeit aus dem Bezug bzw. der Zuerkennung (zu zuerkanntem Arbeitslosengeld vgl. BSG, Urteil vom 22. Mai 2003 – B 12 KR 20/02 R – juris) von Alg II (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V). Der Patient erklärte auch nicht seinen Austritt aus der Versicherung (§ 188 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V).

 

3. Der Zugang zur obligatorischen Anschlussversicherung war nicht nach § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V ausgeschlossen. An die Stelle der bisherigen Versicherungspflicht trat weder eine andere Versicherungspflicht noch eine Familienversicherung (dazu a), noch war die obligatorische Anschlussversicherung aufgrund eines nachgewiesenen anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall ausgeschlossen (dazu b).

 

§ 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V bestimmt: Satz 1 gilt nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird.

 

a) Für den ledigen, 1964 geborenen Patienten bestand weder eine Familienversicherung noch wurde nach dem 31. Januar 2019 bis zum Beginn der Krankenhausbehandlung eine vorrangige Versicherungspflicht für ihn begründet, insbesondere nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V durch erneuten Leistungsbezug nach dem SGB II mit Zuordnung zu einer anderen Krankenkasse. Aus dem im Klageverfahren ermittelten Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers ergeben sich keinerlei Hinweise auf sonstige Tatbestände einer Versicherungspflicht.

 

Eine andere Versicherungspflicht ergab sich für den Patienten auch nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Denn der Zugang zur obligatorischen Anschlussversicherung schließt eine nachrangige Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V von vornherein aus. Mit der obligatorischen Anschlussversicherung wollte der Gesetzgeber den Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Versicherung vor der nachrangigen Auffang-Versicherungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V stärken (vgl. BT-Drucks. 17/13947 S. 27 f. zu Nr. 2b Buchst b; BSG vom 10. Dezember 2019 - B 12 KR 20/18 R - BSGE 129, 265 = SozR 4-2500 § 188 Nr. 1, Rn. 25).

 

b) Ein Ausschluss aus der obligatorischen Anschlussversicherung ist auch nicht aus dem Grund eines nachgewiesenen anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall gegeben.

 

Maßgeblich ist insoweit § 5 Abs. 8a SGB V, der nach übereinstimmender Rechtsprechung des 12. und 1. Senats des BSG auf § 188 Abs. 4 SGB V entsprechend anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 KR 35/19 R – juris Rn. 14 ff.; BSG, Urteil vom 10. März 2022 – B 1 KR 30/20 R, Rn. 19 m.w.N., BSGE 134, 6 ff.). Nach Maßgabe der insoweit anwendbaren sog. Prognoserechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2022 – B 1 KR 30/20 R, Rn. 19 m.w.N., BSGE 134, 6 ff.) muss spätestens am letzten Tag des nachgehenden Leistungsanspruchs gemäß § 19 Abs. 2 SGB V mit dem nahtlosen Anschluss eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall sicher zu rechnen gewesen sein. Ein Ausschluss aus der obligatorischen Anschlussversicherung besteht in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 8a S. 2 i.V.m. S. 1 SGB V für Empfänger laufender Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Es kommt insoweit nicht auf den – vorliegend nicht gegebenen – tatsächlichen Bezug von (Geld-) Leistungen an. Laufende Leistungen der Grundsicherung werden vielmehr auch in dem Zeitraum „empfangen“, für den sie durch Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers – gegebenenfalls auch rückwirkend – zuerkannt sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 KR 21/18 R – Rn. 12 m.w.N.). An einem derartigen zuerkennenden Verwaltungsakt fehlt es vorliegend.

 

Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht es regelmäßig - und auch vorliegend - nicht aus, wenn – ohne Verwaltungsakt – lediglich die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB XII erfüllt waren, was hier nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen unzweifelhaft der Fall sein dürfte. Es bedarf vielmehr einer entsprechenden Feststellung des (Sozialhilfe-)Anspruchs, und zwar grundsätzlich durch den zuständigen Sozialhilfeträger (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2010 – B 12 KR 25/09 R – juris, Rn. 17 ff. = BSGE 107, 26-37; zustimmend Felix, MedR 2023, 264, 266). Ausnahmsweise kann sich die Eigenschaft als „Empfänger laufender (SGB XII-) Leistungen“ auch auf der Grundlage einer entsprechenden sachlich-rechtlichen Feststellung der Krankenkasse ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 KR 21/18 R – juris, Rn. 17). Begründet wird diese Kompetenz mit der gesetzgeberischen Erwägung, gesteuerte Kostenverschiebungen durch die Sozialhilfeträger zu verhindern. Anders als im Sachverhalt, der dem zuletzt genannten Urteil des BSG zu Grunde lag, ist vorliegend jedoch nicht die verfahrensrechtliche Situation gegeben, dass noch ein offener Anspruch des B. auf eine abschließende Verwaltungsentscheidung des Sozialhilfeträgers bestand. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene zu 2) das SGB XII-Leistungsverfahren (manipulativ) zu Lasten der Beklagten gesteuert haben könnte. Vielmehr hatten alle hier involvierten Träger, die Beklagte ebenso wie die Beigeladenen zu 1) und 2), ab August 2018 jeglichen Kontakt zum B. im Dunkel von dessen Obdachlosigkeit verloren. Die Beigeladene zu 2) hatte insbesondere auch im Zeitpunkt der in Rede stehenden Krankenbehandlung keine Kenntnis vom Leistungsfall. In derartigen Fällen steht der (allgemeine) Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) einer Befugnis der Krankenkasse entgegen, die obligatorische Anschlussversicherung mittels Feststellung der Eigenschaft als „Empfänger laufender (SGB XII-) Leistungen“ auszuschließen.

 

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 5 des Berliner Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom 1. November 1994 (Krankenhausvertrag).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die keine Anträge gestellt haben, ist nicht veranlasst.

 

Das Gericht hat die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 161 Abs. 2 i. V. m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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