L 10 R 1330/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3768/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1330/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.03.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1963 geborene Kläger, türkischer Staatsbürger, erlernte keinen Beruf, zog im Jahr 1990 von der Türkei kommend in das Bundesgebiet zu und war von Februar 1991 mit Unterbrechungen, u.a. durch Zeiten der Arbeitsunfähig- und Arbeitslosigkeit, bis zum (erneuten) Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 25.09.2017 als Produktionsarbeiter, Lagerarbeiter, Linienbusfahrer, Lkw-Fahrer und zuletzt seit März 2013 (wieder) als Linienbusfahrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog er bis zur Aussteuerung Mitte 2018 (vgl. S. 54 Senats-Akte) Entgeltersatzleistungen. Eine Beschäftigung nahm er nicht mehr auf. Wegen der weiteren Einzelheiten der zurückgelegten rentenrechtlichen Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 12.02.2019 (Bl. 32 f. SG-Akte) Bezug genommen. Bei ihm ist nach eigener Angabe (zwischenzeitlich) ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt (s. S. 54 Senats-Akte).

Am 02.11.2017 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog medizinische Befundunterlagen bei und holte bei R1 das Gutachten vom 24.04.2018 ein. Der Gutachter diagnostizierte beim Kläger nach Untersuchung eine Zervicobrachialgie bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) mit mittelgradiger Funktionseinschränkung, ein Syndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) bei degenerativen Veränderungen mit leichtgradigen Funktionseinschränkungen und eine medikamentös kompensierte mittelgradige depressive Episode (depressive Verstimmung, Schlafstörung) sowie - nebendiagnostisch - ein medikamentös kompensiertes Asthma bronchiale, eine mit Hörgerät kompensierte Hörminderung links, eine medikamentös kompensierte hyperreaktive Harnblase, eine beidseitige Coxarthrose und eine beidseitige Rhizarthrose jeweils ohne Schmerzsymptomatik und ohne Funktionseinschränkungen sowie eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung. Unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Möglichkeit eines Körperhaltungswechsels, kein häufiges Heben/Tragen/Bewegen von Lasten, keine häufigen Zwangshaltungen der Wirbelsäule, keine Überkopfarbeiten, kein häufiges Bücken, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw. mit Treppensteigen) könne der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

In der Zeit vom 31.07. bis 24.08.2018 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der V1-Klinik - Abt. Psychosomatik - in R2 teil, aus der er ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts zwar arbeitsunfähig, aber mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und ohne Nachtschicht entlassen wurde (Diagnosen: mittelgradige depressive Episode, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Tinnitus aurium links, Lumboischialgie bei L5-Wurzelreizsyndrom links, HWS-Syndrom bei Neuroforamenstenose
C3-7, Spondylose Halswirbelkörper 5-7, Zervikalneuralgie, Asthma bronchiale). Die geklagte ausgeprägte Schmerzsymptomatik sei mit einem somatischen Korrelat nicht eindeutig erklärbar.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag sodann mit Bescheid vom 01.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2018 und der Begründung ab, dass der Kläger auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens und des Reha-Entlassungsberichts zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne, sodass keine Erwerbsminderung vorliege.

Hiergegen hat der Kläger am 14.12.2018 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen angeführt, dass er von psychiatrischer Seite an schweren Depressionen und einer chronischen Schmerzstörung leide. Von orthopädischer Seite bestünden massive Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule. Außerdem leide er an einem Asthma bronchiale. Er könne nicht mehr arbeiten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt S1 hat im Wesentlichen über chronische starke Schmerzen der HWS und LWS sowie über eine Depression beim Kläger berichtet (Auskunft vom 13.02.2019), was einer auch nur dreistündigen Arbeit am Tag entgegenstehe. Die wesentlichen Erkrankungen lägen auf orthopädischem, neurologischem und schmerztherapeutischem Gebiet. J1 hat mitgeteilt (Auskunft vom 08.03.2019), den Kläger zuletzt Mitte November 2018 wegen HWS- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm behandelt zu haben. Eine relevante Nervenwurzelreizsymptomatik habe elektrophysiologisch ausgeschlossen werden können. Leichte Tätigkeiten seien dem Kläger unter Beachtung im Einzelnen aufgeführter qualitativer Einschränkungen (s. Bl. 70 SG-Akte) noch sechs Stunden täglich möglich. 

Das SG hat von Amts wegen bei R3 ein Sachverständigengutachten eingeholt. R3 hat den Kläger am 27.06.2019 untersucht und am 24.01.2020 sein auf den 09.01.2020 datiertes Gutachten vorgelegt. Die Klägerseite hat „das Gutachten“ u.a. unter Hinweis darauf, dass zwischen der Untersuchung und der Vorlage des Gutachtens ein Zeitraum von 6,5 Monaten liege, „abgelehnt“.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG sodann bei B1 das Sachverständigengutachten vom 26.07.2020 eingeholt. B1 hat beim Kläger nach Untersuchung am 23.07.2020 von Seiten seiner Fachgebiete eine mäßiggradige depressive Episode sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei chronischem Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert (s. im Einzelnen Bl. 193 f. SG-Akte) und auf eine Beschwerdeaggravation bei auffälligem SFSS- (
Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome) und DemTect-Test (Demenz-Diagnostik) hingewiesen. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei aufgehoben.

Gegen die Einschätzung des B1 hat die Beklagte unter Verweis auf die sozialmedizinische Stellungnahme der K1 vom 13.08.2020 (Bl. 237 f. SG-Akte) Einwände erhoben. Das Gutachten des Sachverständigen sei in sich nicht schlüssig und seine Einschätzung beruhe auch im Wesentlichen allein auf den subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers, die B1 weder überprüft noch überhaupt kritisch gewürdigt habe. Die Klägerseite hat das Gutachten des B1 verteidigt.

Mit Urteil vom 23.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung aufgeführter qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass eine Erwerbsminderung nicht bestehe. Es hat sich dabei auf das Sachverständigengutachten des R3, auf das Gutachten des R1 sowie auf die Auskunft des J1 gestützt und dargelegt, dass und warum der entgegenstehenden Leistungsbeurteilung des B1 und des Arztes S1 nicht gefolgt werden könne.


Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 01.04.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.04.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Leistungseinschätzung des B1 zu folgen sei, andernfalls sei ein „Obergutachten“ einzuholen. Außerdem hat er auf den Arztbrief des H1 vom 29.01.2021 (S. 30 Senats-Akte) verwiesen, auf dessen Inhalt hier Bezug genommen wird.

Der Kläger beantragt,


das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.03.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2018
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Der Senat hat von Amts wegen das Sachverständigengutachten der E1 vom 27.01.2022 eingeholt, die den Kläger am 17.01.2022 untersucht hat. Die Sachverständige hat bei ihm auf ihren Fachgebieten eine depressive Episode unklarer Ausprägung, aktuell allenfalls leichtgradig (differentialdiagnostisch Dysthymie), ein chronisches HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen jeweils ohne neurologische Ausfälle sowie einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Eine chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren liege nicht vor. Es bestünden klinisch nur geringe Auffälligkeiten, namentlich ließen sich akute oder chronische radikuläre Schädigungen nicht objektivieren. Der vom Kläger angegebenen Schmerzstärke von aktuell 7 von 10 auf der Visuellen Analogskala (VAS) stünden der klinische Befund, der Umstand, dass er im Rahmen der Untersuchung auch nicht schmerzgeplagt gewirkt habe, sowie die laborchemisch nachgewiesene unterlassene Einnahme des Schmerzmittels Tilidin - trotz angegebener regelmäßiger Einnahme - entgegen. Zudem sei das Mittel Pregabalin im Blut lediglich unterhalb des therapeutischen Bereichs nachgewiesen worden, sodass die angegebene tägliche Einnahme von 200 mg ebenfalls nicht plausibel sei. Auch hätten der sog. Rey-Test und der SFSS-Test ein für Simulation und Aggravation sprechendes Ergebnis erbracht; beim BDI-II-Test (Beck-Depressions-Inventar - Revision) habe der Kläger ein Ergebnis erzielt, das nicht mit dem klinischen Befund übereinstimme. Er sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg (kurzzeitig auch bis 8 kg), Tätigkeiten in Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten, häufiges Bücken bzw. Arbeiten in permanenter Rumpfvorneige, Fließband- und Akkordarbeit, Nachtschichtarbeit sowie Tätigkeiten unter ungünstigen klimatischen Bedingungen (z.B. Kälte und Nässe). Besondere Arbeitsbedingungen, namentlich betriebsunübliche Pausen, benötige der Kläger nicht. Eine Einschränkung der sog. Wegefähigkeit liege ebenfalls nicht vor. Die Leistungseinschätzung des B1 sei inkonsistent und nicht nachvollziehbar. Auch er habe lediglich geringfügige psychiatrische Auffälligkeiten beschrieben und zudem ebenfalls deutliche Hinweise auf eine Aggravation dokumentiert. In diagnostischer Hinsicht sei auch den Ärzten in R2 nicht zu folgen, denn deren Diagnosen beruhten maßgeblich auf den subjektiven, inkonsistenten Beschwerdeangaben des Klägers, was auch im Hinblick auf die objektiv-klinisch nicht nachvollziehbare Einschätzung des H1 in seinen (im Wesentlichen gleichlautenden, so die Sachverständige, s. S. 83 Senats-Akte) aktenkundigen Arztbriefen gelte.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage - im Ergebnis - zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom
01.10.2018 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§ 43 Abs. 2 und 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI zutreffend dargelegt. Darauf nimmt der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen hier Bezug (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Kläger nicht erwerbsgemindert, denn er kann zur Überzeugung des Senats zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

In psychiatrischer Hinsicht leidet er an einer allenfalls leichtgradigen depressiven Episode bzw. einer Dysthymie, die unter Berücksichtigung der vom Kläger geklagten, namentlich von Seiten des Bewegungs- und Haltungsapparats ausstrahlenden, Schmerzen - soweit diese überhaupt haben objektiviert werden können - lediglich zu qualitativen Einschränkungen (Möglichkeit zum Körperhaltungswechsel, kein Heben und Tragen von Lasten über 5 kg bis kurzzeitig auch 8 kg, keine Tätigkeiten in Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein häufiges Bücken bzw. Arbeiten in permanenter Rumpfvorneige, keine Fließband- und Akkordarbeit, keine Nachtschicht bzw. Nachtarbeit, keine Tätigkeiten unter ungünstigen klimatischen Bedingungen wie z.B. Kälte und Nässe) führt, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungslimitierung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies stützt der Senat auf das Sachverständigengutachten der E1, die die Leistungsbeurteilung des R1 in seinem urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten bestätigt hat. Soweit R1 darüber hinaus auch Arbeiten auf
Leitern und Gerüsten bzw. mit Treppensteigen nicht mehr für leidensgerecht erachtet hat, legt der Senat diese qualitative Einschränkung seiner Beurteilung ebenfalls zu Grunde.

Bei der Untersuchung durch die Sachverständige E1, zu der der Kläger mit der S-Bahn angereist und pünktlich sowie mit sportlicher Kleidung erschienen ist, hat sich bei ihm ein durchgehend strukturierter Rapport mit zum größten Teil zielgerichtetem Antwortverhalten gezeigt. Der Kläger ist durchweg sowohl kooperativ als auch sehr mitteilungsbereit, wach und bewusstseinsklar, zu allen Qualitäten voll orientiert, psychomotorisch unauffällig sowie im formalen Denken, bei einer gewissen Weitschweifigkeit, geordnet gewesen. Anhaltspunkte für eine Bewusstseinsminderung, -trübung, -einengung, -verschiebung sowie für inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Störungen des Ich-Erlebens haben nicht vorgelegen. Die angegebenen Konzentrationsbeeinträchtigungen hat die Sachverständige nicht zu objektiveren vermocht, zumal der Kläger durchweg in der Lage gewesen ist - so E1 -, die an ihn gestellten Fragen problemlos zu beantworten. Die subjektiv berichteten Beeinträchtigungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses sind allenfalls in einer leichtgradigen Ausprägung plausibel gewesen. Ebenfalls nicht zu objektivieren gewesen ist eine mehr als nur leichte Antriebsminderung sowie eine Affektabflachung bei indes allenfalls leichtgradig, themenbezogen auch mittelgradig, depressiv gefärbter Stimmungslage, deutlicher Schwingungsfähigkeit und bei Auslösbarkeit positiver Emotionen. Ein Vermeidungsverhalten hat sich nicht eruieren lassen, ein phobisches Verhalten bzw. Panikattacken, Zwangsgedanken und -handlungen sowie Flashbacks, Trigger und Albträume hat der Kläger ausdrücklich verneint.

Seine subjektiv berichteten Schmerzen namentlich bei längerem Sitzen hat E1 nicht zu objektivieren vermocht. Der Kläger hat erst nach ca. 1,5 Stunden und auch erst, nachdem ihn die Sachverständige zuvor nach seiner Sitz- und Gehdauer befragt hatte, reklamiert, schmerzbedingt aufstehen zu müssen und ist sodann alle 10 bis 15 Minuten aufgestanden. Dies hat E1 als unglaubwürdig bewertet, zumal die neuropsychologischen Validierungstests (s. dazu oben im Tatbestand) deutliche Hinweise auf Aggravation und Simulation, die neurologisch-apparativen respektive elektrophysiologischen Untersuchungen im Wesentlichen regelrechte Befunde und auch die körperlich-neurologische Untersuchung (Befund: alle Gelenke aktiv und passiv frei beweglich; allseits gute Kraftentwicklung; kein Hinweis auf Paresen; regelrechter Muskeltonus; keine Muskelatrophien, keine radikuläre Ausstrahlung; alle Reflexe normal; keine Kloni; unbeeinträchtigtes Vibrationsempfinden in allen Extremitäten bei ungestörtem Lagesinn und Angabe einer Hypästhesie/Hypalgesie im Bereich des linken Beines; geschickte differenzierte Bewegungsmuster beidseits; Romberg- und Unterberger-Versuche unauffällig; Stand, Gang, Blind- und Seiltänzergang zwar sehr langsam demonstriert, aber ungestört bzw. sicher durchführbar; Einbeinstand und Einbeinhüpfen beidseits unauffällig) nur geringe Auffälligkeiten erbracht haben. Hinsichtlich der vom Kläger angegebenen strumpfförmigen Sensibilitätsstörung im linken Bein - bei klinisch seitengleich mittellebhaft auslösbaren Muskeleigenreflexen, ungestörtem Vibrationsempfinden und ausgeschlossenen akuten oder chronischen radikulären Schädigungen - hat die Sachverständige darauf hingewiesen, dass diese keinem Dermatom und keinen peripheren Nerven zugeordnet werden kann. Ferner hat sie hinsichtlich der geklagten Schmerzzustände - aktuell 7 von 10 auf das VAS - äußerliche Schmerzanzeichen bzw. eine entsprechende Schmerzbeeinträchtigung während der gesamten Untersuchung nicht zu erkennen vermocht und die vom Kläger angegebenen (Schmerz-)Medikamente, die er nach eigener Angabe regelmäßig einnimmt und die ihm „sehr gut“ tun (S. 56 Senats-Akte), sind serologisch überhaupt nicht bzw. nur unterhalb des therapeutischen Wirkbereichs nachgewiesen worden. Zudem - auch darauf hat die Sachverständige hingewiesen - nimmt der Kläger weder eine fachärztliche psychiatrische Behandlung, noch eine Psychotherapie in Anspruch und ist lediglich alle sechs Wochen in der Schmerztherapie.

Dass die Sachverständige in Ansehung all dessen sowie der ihr gegenüber vom Kläger gemachten Angaben zu seinen ihm noch möglichen Alltagsaktivitäten und erhaltenen Interessen (namentlich, s. S. 54 f., 57, 60 ff. Senats-Akte: nutzt „sehr gerne und häufig“ öffentliche Verkehrsmittel; pflegt Freundschaften und sieht „seine Freunde“ coronabedingt derzeit ein- bis zweimal im Monat; beschreibt sich selbst als „eher offen und hilfsbereit“ gegenüber anderen; Bewegung und - wenn auch langsames - Laufen schafft „oftmals etwas“ Abhilfe gegen seine Schmerzen; empfindet „besonders“ Freude, wenn sein Enkelkind bei ihm zu Besuch ist und spielt dann mit ihm auf dem Boden; empfindet Freude, wenn er einen gemeinsamen Spaziergang mit seiner Frau macht oder „alleine für sich an der frischen Natur“ ist; geht häufig nach draußen und unternimmt „kleinere“ Spaziergänge, „Hobby“; verbringt gemeinsam Zeit mit seiner Familie; schaut Fernsehen und liest „gelegentlich“ Zeitung) lediglich eine leichtgradige psychische Störung angenommen und höhergradige Schmerzzustände insbesondere in Ansehung der nicht authentischen, inkonsistenten und unplausiblen Beschwerdeangaben des Klägers bei deutlichen Hinweisen auf Aggravation und Simulation nicht zu objektivieren vermocht hat, ist für den Senat in jeder Hinsicht überzeugend. Ebenso überzeugend ist, dass E1 auf der Grundlage dessen lediglich zu den oben genannten qualitativen Einschränkungen, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungslimitierung für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts gelangt ist. Dem hat auch die Klägerseite nichts entgegengehalten.

Der Umstand, dass der Gutachter R1 im Rahmen seiner Untersuchung von psychischer Seite diagnostisch eine medikamentös kompensierte mittelgradige Depression angenommen hat, bedarf keiner weiteren Diskussion, denn unabhängig davon, dass auch er eine zeitliche Leistungslimitierung verneint hat, hat der von ihm erhobene klinische psychopathologische Befund keine wesentlichen Auffälligkeiten erbracht, worauf E1 ausdrücklich aufmerksam gemacht hat (s. S. 78 Senats-Akte). Nämliches gilt hinsichtlich des Reha-Entlassungsberichts der Ärzte in R2, die dem Kläger ebenfalls - unter Berücksichtigung der von ihm geklagten Beschwerden und Schmerzzustände - noch leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zugemutet haben. Nur am Rande merkt der Senat daher noch an, dass E1 auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass beim Kläger gerade keine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und auch keine sonstige höhergradige seelische Störung mit Schmerzzuständen vorliegt bzw. klinisch nicht zu objektivieren ist (s.o.) und dass die entsprechende diagnostische Einschätzung namentlich der Ärzte in R2 und des H1 in seinen Arztbriefen (u.a. Arztbrief vom 29.01.2021) im Wesentlichen allein auf den subjektiven, nicht authentischen, inkonsistenten und aggravierenden Beschwerdeangaben des Klägers beruht, die die genannten Ärzte nicht überprüft und validiert haben.

Ohnehin sind Art und Anzahl der gestellten Diagnosen nicht maßgeblich. Im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG - 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend kommt es auch auf die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht an (BSG a.a.O.). Derartige schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigungen mit Schmerzzuständen, die Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen haben könnten, haben indes - wie bereits dargelegt - weder die Sachverständige E1, noch der Gutachter R1 und auch nicht die Ärzte in R2 zu objektivieren vermocht.

Der entgegenstehenden Beurteilung des Sachverständigen B1 ist bereits deshalb nicht zu folgen, weil auch sie - darauf haben E1 und K1 (sozialmedizinische Stellungnahme vom 13.08.2020, als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar) zu Recht hingewiesen - in Ansehung des von ihm mitgeteilten im Wesentlichen unauffälligen klinischen Befunds allein auf den subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers beruht, die indes aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht Grundlage der sozialmedizinischen Beurteilung sein können. B1 hat die klägerischen Angaben unkritisch übernommen, obgleich der Kläger auch bei ihm in den testpsychologischen Untersuchungen auffällige Ergebnisse erzielt hat, die - so B1 selbst - auf eine Beschwerdeaggravation schließen lassen.

Entsprechendes gilt - wie schon dargelegt - im Hinblick auf die Einschätzung des H1 sowie hinsichtlich der Leistungsbeurteilung des Allgemeinmediziners S1 (in seiner Auskunft gegenüber dem SG), bei dem ohnehin schon eine besondere Kompetenz auf fachpsychiatrischem Gebiet nicht erkennbar ist; auch sie beide haben maßgeblich die inkonsistenten und aggravierenden Beschwerdeangaben des Klägers berücksichtigt und zu Grunde gelegt.

In neurologischer Hinsicht besteht beim Kläger allenfalls ein Spannungskopfschmerz, den die Sachverständige E1 im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung entsprechend berücksichtigt hat. Eine irgendwie geartete Wurzelreizsymptomatik hat E1 - ebenso wie neurologische Ausfallerscheinungen - ausgeschlossen (s.o.) und bereits J1 hat in seiner Auskunft gegenüber dem SG Nämliches bekundet. Auch bei der Untersuchung durch den Gutachter R1 hat Derartiges nicht vorgelegen. Soweit namentlich die Ärzte in R2 ein L5-Wurzelreizsyndrom links als Diagnose aufgeführt haben, hat E1 überzeugend darauf hingewiesen, dass diese Diagnose auf der Grundlage des im Reha-Entlassungsberichts beschriebenen unauffälligen neurologischen Befunds nicht plausibel ist, zumal - so die Sachverständige - auch in den übrigen aktenkundigen Arztbriefen jeweils unauffällige Reflexbefunde, fehlende Paresen, weitgehend unauffällige elektrophysiologische Befunde und untypische bzw. unplausible Sensibilitätsstörungen bei fehlenden klinischen Ausfallerscheinungen beschrieben worden sind. Ungeachtet dessen ändert dies alles auch nichts an dem von der Sachverständigen erhobenen Befund und auch nichts daran, dass jedenfalls - auch darauf hat E1 zutreffend hingewiesen - zeitlich überdauernde neurologische Funktionsstörungen nicht belegt sind. Ohnehin haben die Ärzte in R2 den Kläger auch unter der Annahme einer Wurzelreizsymptomatik für leistungsfähig im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich erachtet.

Unter Zugrundelegung all dessen kann der Senat offenlassen, ob das vom SG eingeholte Sachverständigengutachten des R3 in Ansehung eines Zeitraums von - wenn auch nur knapp - über sechs Monaten zwischen Untersuchung (27.06.2019) und Abfassung des schriftlichen Gutachtens (09.01.2020) verwertbar ist (s. dazu Urteil des 6. Senats des Landessozialgerichts - LSG - Baden-Württemberg vom 27.03.2014, L 6 U 4001/13, in juris, mit vergleichendem Hinweis auf Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB - 27.04.1993, GmS-OGB 1/92, in juris; Thüringer LSG 24.08.2017, L 1 U 121/14, in juris). Denn der Senat hat es im Rahmen seiner Würdigung als Tatsachengericht (§ 157 SGG) nicht verwertet, sondern seine Überzeugung insoweit auf das im Rechtsmittelverfahren eingeholte Sachverständigengutachten der E1 gestützt, das ihm die notwendigen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt hat. Die Sachverständige hat im Übrigen unter Würdigung der aktenkundigen Berichte der behandelnden Ärzte sowie der im Gutachten des R1 und im Reha-Entlassungsbericht dokumentierten Befunde auch ausdrücklich verneint, dass es im Laufe des Verfahrens zu einer wesentlichen Änderung im Leistungsbild des Klägers gekommen ist (vgl. S. 86, 92 Senats-Akte), was namentlich im Hinblick auf die zeitlich vorausgegangenen Leistungsbeurteilungen des R1 und der Ärzte in
R2 - darauf hat E1 ebenfalls hingewiesen - schlüssig und nachvollziehbar ist. Auch dem hat die Klägerseite nichts entgegengehalten. Warum der Einschätzung des B1 nicht gefolgt werden kann, hat der Senat bereits oben dargelegt, darauf wird verwiesen.

In orthopädisch-chirurgischer Hinsicht besteht beim Kläger ein chronisches HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen - wie dargelegt ohne neurologische Ausfälle - und eine beidseitige Coxarthrose bzw. Rhizarthrose ohne relevante Funktionseinschränkungen. Dies stützt der Senat auf das Gutachten des R1, die Auskunft (gegenüber dem SG) des J1 sowie auf das Gutachten der E1. Diese Gesundheitsstörungen bedingen auch unter Berücksichtigung der objektivierbaren Schmerzen (insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen) keine zeitliche Leistungsminderung, sondern führen lediglich zu den bereits aufgeführten, namentlich von R1 und E1 genannten, qualitativen Einschränkungen. Auch insoweit überzeugt deren Leistungsbeurteilung und auch die Ärzte in R2 sowie J1 sind von orthopädisch-chirurgischer Seite von nichts anderem ausgegangen. Soweit J1 - entsprechend der an ihn gerichteten Fragestellung des SG - ein sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen hat, schließt (auch) dies eine Erwerbsminderung aus (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI: „mindestens“, also einschließlich sechs Stunden). Ohnehin besteht auf der Grundlage des zuletzt von E1 erhobenen, im Wesentlichen unauffälligen muskulo-skelettalen Befunds (s.o.) sowie der von ihr mitberücksichtigten objektivierbaren Schmerzen und der dem Kläger noch möglichen Alltagsaktivitäten keine Zweifel, dass der Kläger seitens des orthopädisch-chirurgischen Fachgebiets leichte Tätigkeiten noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann.

Die sonstigen beim Kläger bestehenden (internistischen) Gesundheitsstörungen, insoweit wird auf das Gutachten des R1 und die von ihm mitgeteilten Diagnosen (s. dazu oben im Tatbestand) verwiesen, bedingen auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des geklagten linksseitigen Tinnitus keine zeitliche Leistungslimitierung; ihnen wird vielmehr mit den bereits genannten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen, was der Senat auf die Leistungsbeurteilung des R1 und die der Ärzte in R2 stützt. Auch der Arzt S1 hat im Übrigen (in seiner Auskunft gegenüber dem SG) aus den internistischen Anomalien keine (zusätzlichen) Einschränkungen abgeleitet.

Soweit der Kläger (freilich nur pauschal) auf sein Asthma bronchiale abgestellt hat, ergibt sich aus dem Arztbrief des S2 vom 23.04.2020 (Bl. 223 SG-Akte) eine Befundverbesserung bei stabiler bronchopulmonaler Situation. Ein Abweichen von der Leistungsbeurteilung des Gutachters R1, der das Asthma bronchiale berücksichtigt hat, ist mithin nicht angezeigt.

Soweit der Kläger ferner (wiederum nur pauschal) auf seine Refluxerkrankung mit Schluckbeschwerden verwiesen hat, lässt sich dem Arztbrief des Internisten und Endokrinologen K2 (Endokrinologische Gemeinschaftspraxis M1) vom 20.02.2019 (Bl. 150 SG-Akte) die Diagnose einer euthyreoten Hashimoto-Thyreoiditis entnehmen, ohne dass eine entsprechende Behandlung für erforderlich gehalten worden ist. Im Brief der Ärzte der Endokrinologischen Gemeinschaftspraxis vom 07.02.2020 (Bl. 152 SG-Akte) wird sodann über einen milden Verlauf berichtet und kein Zusammenhang zwischen den vom Kläger geklagten Leiden und der Schilddrüsendiagnostik gesehen. Daraus lässt sich mithin nichts ableiten, was dem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen könnte.

Aus dem Arztbrief der B2 vom 18.03.2020 (Bl. 226 SG-Akte) - die der Kläger wegen eines angegebenen (unklaren) Fremdkörpergefühls im Rachen-/ Halsbereich aufgesucht hat - ergibt sich lediglich der histologisch auffällige Befund einer nur mäßiggradigen chronischen helicobacter-induzierten nicht aktiven Antrum- und Corpus- bzw. Car-diagastritis mit lymphatischer Hyperplasie ohne Nachweis atropher oder metaplastischer Veränderungen und ohne Anhalt für eine Malignität sowie eine nur leichtgradige nicht erosive chronische Refluxösophagitis. Irgendwelche Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen lassen sich dem Arztbrief nicht einmal ansatzweise entnehmen und B2 hat auch darauf hingewiesen, dass sich die geklagten Refluxbeschwerden bei entsprechender antibiotischer Behandlung (Pylera) bzw. bei Einnahme von Magensäurehemmern (Protonenpumpeninhibitoren                  - PPI -) bessern sollten. Dass dies nicht der Fall gewesen ist, hat der Kläger indes nicht einmal behauptet und dass bloße Diagnosen ohnehin nicht entscheidend für die Annahme einer Erwerbsminderung sind, ist oben bereits aufgezeigt worden.

Der Senat hat nach alledem keine Zweifel daran, dass der Kläger noch in der Lage ist, jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass keine Erwerbsminderung vorliegt (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI). Dabei ist es unerheblich, ob ihm ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist vorliegend nicht erforderlich (vgl. BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in juris, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie dem Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, in juris). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (vgl. zuletzt BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, in juris). Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen (s.o.) im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Im Übrigen stellt der Senat noch fest, dass beim Kläger auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung in Gestalt einer Einschränkung seiner Wegefähigkeit (vgl. dazu nur BSG 12.12.2011, B 13 R 79/11 R, in juris) vorliegt. Derartiges lässt sich auf der Grundlage der von der Sachverständigen E1, dem Gutachter R1, den Ärzten in R2 und J1 mitgeteilten objektiv-klinischen Befunde nicht ableiten; auch der Wahlsachverständige B1 hat eine Einschränkung der Wegefähigkeit ausdrücklich verneint (Bl. 210 SG-Akte), zumal der Kläger zur Untersuchung bei E1 mit der S-Bahn angereist ist und ihr gegenüber angegeben hat, „sehr gerne und häufig“ die öffentlichen Verkehrsmittel „ohne besondere Probleme oder Bedenken“ zu benutzen (S. 54 Senats-Akte).

Soweit H1 (Arztbrief vom 29.01.2021) gemeint hat, der Kläger sei auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar, kommt es darauf - wie oben bereits dargelegt - nicht entscheidend an, weil
unerheblich ist, ob dem Kläger überhaupt ein leidensgerechter freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, die ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG 14.05.1996, 4 RA 60/94, in juris).

Soweit der Kläger noch auf den bei ihm vorliegenden GdB verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung, denn dem kommt hinsichtlich der zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris).

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat der Kläger zu Recht nicht geltend gemacht, denn er könnte schon im Hinblick auf sein Geburtsdatum im Jahr 1963 eine solche nicht mit Erfolg beanspruchen (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.






 

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