S 13 AS 244/24

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 13 AS 244/24
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

1.   Ein unstatthafter Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG kann durch weiteren Gerichtsbescheid als unzulässig verworfen werden.

2.   Ist gegen einen Gerichtsbescheid Berufung möglich, ist ein Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG unstatthaft.

Der Antrag auf mündliche Verhandlung wird als unzulässig verworfen.

Es wird festgestellt, dass das Verfahren S 13 AS 1547/23 durch den Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2024 beendet worden ist.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Verfahren S 13 AS 1547/23 durch den Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2024 beendet ist oder ob auf Antrag des Klägers mündliche Verhandlung durchzuführen ist.

Der Kläger erhob am 20. Dezember 2023 Klage mit den Anträgen, 1. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, wann er ihm das gemeinsame Sorgerecht (§ 1626a Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) zum Kind G G, *2010, entzogen hat, 2. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, auf welcher Rechtsgrundlage er ihm das gemeinsame Sorgerecht (§ 1626a BGB) zum Kind G G, *2010, entzogen hat, und 3. die Entziehung seiner elterlichen Sorge zum Kind G G für rechtswidrig zu erklären. Mit Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2024 wies das erkennende Gericht diese unter dem Aktenzeichen S 13 AS 1547/23 erfasste Klage ab. Im Gerichtsbescheid erfolgte unter „Rechtsmittelbelehrung“ der Hinweis, dass die Entscheidung mit der Berufung angefochten werden könne.

Am 27. Februar 2024 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid „Beschwerde“ eingelegt und mündliche Verhandlung beantragt. Mit Telefax vom Folgetag hat er auf Nachfrage des Gerichts klargestellt, dass das Schreiben als Berufung auszulegen sei, der Antrag auf mündliche Verhandlung aber aufrechterhalten werde. Zur Begründung trägt er insbesondere vor: Das Gericht habe sich nicht für Fakten interessiert.

Der Kläger beantragt,

            mündliche Verhandlung.

Der Beklagte beantragt,

festzustellen, dass das Verfahren S 13 AS 1547/23 durch den Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2024 beendet worden ist.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Nach erfolgter Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Absatz (Abs.) 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (vergleiche <vgl.> § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn der eingelegte Rechtsbehelf in Form des Antrags auf mündliche Verhandlung war offensichtlich unzulässig.

Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid war auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen. Der Auffassung, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung, den das Sozialgericht für unzulässig erachtet, durch Beschluss zu verwerfen ist (zum Streitstand aus neuerer Zeit Landessozialgericht <LSG> Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. April 2023, L 15 AS 48/23 B, juris Randnummer <Rn.> 4 mit weiteren Nachweisen), folgt die Kammer nicht. Denn nach § 125 SGG wird über die Klage durch Urteil entschieden, soweit – etwa nach § 105 SGG – nichts anderes bestimmt ist. Da der Antrag auf mündliche Verhandlung ein Rechtsbehelf ist, der dazu führt, dass das Gericht, das den Gerichtsbescheid erlassen hat, nochmals mit der Klage befasst ist, findet § 125 SGG auch Anwendung. Eine gesetzlich geregelte Ausnahme, die eine Entscheidung durch Beschluss ermöglicht, liegt nicht vor. Insbesondere ist § 158 Satz 2 SGG nicht einschlägig, da danach nur eine unzulässige Berufung durch Beschluss des Rechtsmittelgerichts verworfen werden kann. Auch verbietet sich eine analoge Anwendung des § 158 Satz 2 SGG (zum Ganzen Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017, L 13 AS 3192/16 B, juris).

Allerdings ist es bei unstatthaften Anträgen auf mündliche Verhandlung (hierzu ausführlich unter B.I.) nach Ansicht der Kammer möglich, statt durch Urteil erneut durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Eine erneute Entscheidung durch Gerichtsbescheid scheidet nach dem Sinn und Zweck des Antragsrechts auf mündliche Verhandlung nur grundsätzlich aus (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 105 Rn. 22). Insbesondere bei einer inzwischen wesentlich geänderten Prozesslage wird ein weiterer Gerichtsbescheid für zulässig erachtet (Müller in BeckOGK, Stand 1. November 2023, § 105 SGG Rn. 42; vgl. auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Juni 1988, VII K 14/84, BFHE 153, 507). Dasselbe hat bei unstatthaften Anträgen auf mündliche Verhandlung zu gelten. Denn streitgegenständlich ist hier nicht mehr der ursprüngliche Anspruch, über den mit dem früheren Gerichtsbescheid entschieden wurde, sondern nur die Frage der wirksamen Beendigung durch den früheren Gerichtsbescheid.

B. Der Antrag auf mündliche Verhandlung war abzulehnen.

Nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Satz 2 bestimmt, dass mündliche Verhandlung beantragt werden kann, wenn die Berufung nicht gegeben ist. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet nach Satz 3 mündliche Verhandlung statt.

I. Hier war der Antrag auf mündliche Verhandlung unstatthaft. Das Gericht hat zwar unter dem 26. Februar 2024 durch Gerichtsbescheid entschieden. Gegen denselben war aber Berufung zulässig, also mit den Worten des § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG „gegeben“. Denn die Beschränkungen der Berufung aus § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG griffen nicht. Diese betreffen bei Beteiligung einer natürlichen Person nach der Nummer <Nr.> 1 nämlich nur Klagen, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffen. Der Antrag zu 3. aus dem Verfahren S 13 AS 1547/23 fällt hierunter offensichtlich nicht. Die auf Erteilung einer Auskunft gerichteten Klageanträge zu 1. und 2. können dagegen zwar eine Dienstleistung im Sinne der Vorschrift sein (so Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 25. Oktober 1995, 5 RJ 40/93, SozR 3-2200 § 1303 Nr. 4). Hier ist das der Auskunftserteilung zugrundeliegende Problem des Sorgerechts aber nicht in Geld bezifferbar, sodass die Leistung keiner Wertbeschränkung unterliegt.

II. Ist Berufung gegeben, eröffnet auch § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG nicht die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung scheidet immer dann aus, wenn gegen einen Gerichtsbescheid das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist (vgl. BSG, Beschluss vom 8. November 2005, B 1 KR 76/05 B, SozR 4-1500 § 158 Nr. 2).

C. Das Verfahren S 13 AS 1547/23 ist durch den Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2024 beendet worden. Nach § 105 Abs. 3 Halbsatz (Halbs.) 1 SGG wirkt ein Gerichtsbescheid als Urteil, das nach § 125 SGG das Verfahren in der Instanz beendet.

Der Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2024 gilt auch nicht nach § 105 Abs. 3 Halbs. 2 SGG als nicht ergangenen. Denn der Antrag setzt nicht nur einen rechtzeitigen, sondern auch einen statthaften Antrag auf mündliche Verhandlung voraus (Müller in BeckOGK, Stand 1. November 2023, § 105 SGG Rn. 42; BSG, Beschluss vom 31. Januar 2017, B 13 R 33/16 BH, juris Rn. 18; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. April 2023, L 15 AS 48/23 B, juris). Vorliegend war der Antrag auf mündliche Verhandlung aber nicht statthaft (hierzu oben B.I.).

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung ist kraft Gesetzes statthaft, da die Beschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht greifen.

Rechtskraft
Aus
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