L 6 U 1484/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1818/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1484/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen (Witwenrente, Sterbegeld und Überführungskosten) an die Klägerin aufgrund des Versterbens ihres Ehemannes, der 1963 geborenen Z1 (Versicherter), im Streit, der am 22. Oktober 2021 in einem Waldstück leblos unter seinem Fahrzeug aufgefunden wurde.

In der Unfallanzeige der P1 GmbH (Arbeitgeberin) vom 28. Oktober 2021 wurde angegeben, dass der Versicherte einen Verkehrsunfall bei der Fahrt zu einem Geschäftsessen mit einem Kunden erlitten habe, nähere Details seien noch nicht bekannt. Auf ergänzende Nachfrage gab die Arbeitgeberin an, dass das Geschäftsessen mit Herrn H1 von der Firma S1 habe stattfinden sollen. Ende September habe die Firma S1 einen größeren Auftrag bei einem Partner von PTS platziert. Alle bestehenden PTC Lizenzen seien dabei bei diesem Partner konsolidiert worden. Der Versicherte und Herr H1 seien sehr eng in diesen Auftrag eingebunden gewesen. Im Rahmen des Abendessens hätten sich beide Herren nochmal zu diesem Auftrag abstimmen und besprechen wollen, wie die Zusammenarbeit zwischen S2, PTC und dem Partner weiter gehen solle (Schreiben vom 1. Dezember 2021).

Aus der Sterbeurkunde geht hervor, dass der Versicherte zwischen dem 21. Oktober 2021, 18:30 Uhr und dem 22. Oktober 2021, 7:46 Uhr verstorben ist.

Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft K1 bei. Aus dieser ergab sich, dass der Leichnam des Versicherten beschlagnahmt worden sei und sich bis zur Entscheidung der StA beim Bestattungsunternehmen S3 in K1 befinde. Die Angehörigen seien informiert worden, Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung lägen nicht vor.

Im Ermittlungsbericht über einen nicht natürlichen Tod wurde als Ereignis ein Unfallgeschehen durch mangelhafte Sicherung eines Pkw beschrieben. Der Versicherte sei zuletzt am 21. Oktober 2021 um 18:30 Uhr von der Ehefrau zu Hause gesehen worden. Die Leichenschau habe am 22. Oktober 2021 stattgefunden, es habe sich um einen Tod durch Ersticken gehandelt. Die Beschlagnahme des Leichnams sei am 22. Oktober 2021 gegenüber einem Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens S3 erfolgt, der Leichnam in den dortigen Kühlräumlichkeiten verblieben. Eine Obduktion werde nicht für notwendig erachtet.

Der Zeuge B1 habe am 22. Oktober 2021 um 7.46 Uhr eine männliche regungslose Person unter einem Auto liegend festgestellt. Die Person reagiere nicht mehr. Als Örtlichkeit sei die „Spitzkehre“ circa 200 Meter nach dem Ortsausgang M1 in Richtung S4 angegeben worden. Vor Ort sei von Kräften des Polizeireviers E1 ein Handy sowie der Fahrzeugschlüssel übergeben worden. Weiter sei mitgeteilt worden, dass von dem Bereich hinter den Sitzen ein Kit mit Erste-Hilfe-Material entnommen worden und auf den Beifahrersitz gelegt worden sei. Sonstige Veränderungen an dem Fahrzeug seien nicht vorgenommen worden. Weiterhin sei die durch den Notarzt ausgestellte Todesbescheinigung übergeben worden, eine Besatzung des Verkehrsdienstes K1 sei ebenfalls vor Ort gewesen.

An dem Leichnam seien bereits sichere Todeszeichen festzustellen gewesen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen habe sich bestätigt, dass es sich um den Fahrzeughalter des BMW, Typ Z4, den Versicherten, handele. In dem übergebenen Handy sei auf dem Sperrbildschirm ein „verpasster Anruf“ sowie weitere Mitteilungen eines H1 „gestern 20:35 Uhr“ festgestellt worden. Im mobilen Navigationsgerät, das sich im Fahrzeug befunden habe, sei die Route zur Zieladresse, M4“ eingegeben gewesen. Eine Überprüfung des Namens „H1“ habe die Wohnanschrift ergeben. Im Kofferraum des Fahrzeugs seien zwei Reisetaschen gefunden worden, in einer habe sich Bettzeug befunden, in der anderen Kleidungsstücke, ein Kulturbeutel sowie ein Tablet.

Im Zuge der weiteren Ermittlungen sei durch die Ehefrau in Erfahrung gebracht worden, dass der Versicherte in der vergangenen Nacht bei einem Freund in M2 habe übernachten wollen. An dem PKW sei kein Gang eingelegt und die Handbremse nicht angezogen worden. Am Kofferraum hätten noch Wischspuren festgestellt werden können, welche darauf hindeuteten, dass der Versicherte noch versucht habe, den rollenden PKW aufzuhalten.

Vor dem PKW habe im Flurbereich des Waldweges eine Fahr- bzw. Rollspur, welche zur Endstellung des PKW gepasst habe, festgestellt werden können.

Das Abschleppunternehmen habe den PKW hochgehoben. Hierbei sei an der Heckunterseite eine eingedrückte Plastikabdeckung festzustellen gewesen, die mit der Endlage des Leichnams korrespondiert habe. Auf dem Waldboden unter dem Pkw habe sich eine Anhäufung von Erde und Blättern befunden. Dies lasse den Schluss zu, dass der Versicherte unter den rollenden Pkw gelangt, dort entlanggeschliffen sei, sich vermutlich noch unter dem Pkw gedreht habe, bevor er schließlich das Weiterrollen mit seinem Körper vollständig blockiert habe. Am unteren Rückenbereich seien Einpressspuren der Reifen an der Oberbekleidung und am Ledergürtel sichtbar gewesen.

Da am Vormittag des 22. Oktober 2021 kein Polizeiarzt verfügbar gewesen sei, sei ein Bestattungsunternehmen beauftragt worden. Ziel sei es gewesen, die noch durchzuführende Leichenschau am Nachmittag im Bestattungsunternehmen durchzuführen. Vor Ort habe eine starke Blutstauung im Kopfbereich sowie in den Augen festgestellt werden können. An beiden Halsseiten seien Einpressspuren des T-Shirts festzustellen. Die Leichenflecken am Halsbereich seien trichterförmig in Richtung Oberkörper verlaufen. Anhand dieser Feststellungen sei von einem Tod durch Ersticken auszugehen. Die Hose des Versicherten sei geöffnet gewesen, sodass angenommen werden könne, dass er einen Halt gemacht habe, um seine Notdurft zu verrichten. In der Innentasche der Jacke hätten sich das Geld-Etui mit diversen Berechtigungskarten und Ausweispapieren befunden.

Zwischenzeitlich habe die Ehefrau des Versicherten durch die dortigen Kollegen angetroffen werden können. Diese habe angegeben, dass der Versicherte am Vorabend gegen 18:30 Uhr von zu Hause aufgebrochen sei, um einen Freund in M2 zu besuchen. Besprochen gewesen sei, dass er am 22. Oktober 2021 nach dem Frühstück wieder nach Hause komme.

Die Leichenschau habe am 22. Oktober 2021 von 14:15 Uhr bis 14:45 Uhr in den Räumlichkeiten der Trauerhilfe S3 stattgefunden. Hierbei habe Z2 einen Asphyxiationstod bescheinigt. In beiden Augebindehäuten seien eindeutige Einblutungen festgestellt worden, welche die mangelnde Sauerstoffzufuhr und somit den Tod durch Ersticken untermauerten.

Am letztlichen Fundort sei aufgrund der geöffneten Jeanshose anzunehmen, dass der Versicherte seinen Pkw am Waldweg angehalten habe und ausgestiegen sei, um auszutreten. Hierbei habe er es unterlassen, seinen Pkw ausreichend gegen ein Wegrollen zu sichern. Es sei anzunehmen, dass der Versicherte noch versucht habe, den rollenden Pkw aufzuhalten. Entsprechende Wischspuren am Fahrzeugheck seien sichtbar gewesen. Bei diesem Versuch sei der Versicherte unter den rollenden Pkw geraten und schließlich unter dem Fahrzeugheck eingeklemmt worden. Durch das Einklemmen sei eine Atmung nicht mehr möglich gewesen, sodass der Versicherter unter seinem Pkw erstickt sei. Hinweise auf eine Fremdeinwirkung lägen nicht vor.

Aus dem Bericht des Polizeireviers E1 ergab sich, dass der Streifenwagen am 22. Oktober 2021 um 7:46 Uhr am Auffindeort eintraf, als noch kein Rettungswagen und kein Notarzt vor Ort gewesen ist. Bei Annähern an das Fahrzeug habe eine männliche, augenscheinlich leblose Person halb unter der hinteren rechten Fahrzeugseite festgestellt werden können. Sie habe bäuchlings bis seitlich auf der rechten Körperseite auf dem Waldweg vor dem rechten Hinterrad des Fahrzeugs gelegen. Oberkörper und Kopf seien nicht sichtbar gewesen. Lediglich die Hände hätten noch unter dem Fahrzeug hervorgeschaut, an diesen seien Leichenflecken ersichtlich gewesen. Den Fahrzeugschlüssel habe die Person in der rechten Hand gehabt. Zunächst sei versucht worden, die Person an den Beinen unter dem Fahrzeug hervorzuziehen, um Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen zu können. Dies sei aufgrund der Verkeilung unter dem Fahrzeug jedoch nicht möglich gewesen.

Es sei dann der Kofferraum geöffnet worden, um nach einem Wagenheber zu suchen. Die Beifahrertür sei geöffnet und hinter beiden Vordersitzen ein Kit mit verschiedener Fahrzeugausrüstung im Fahrzeug aufgefunden wie geöffnet worden, ein Wagenheber fehlte aber. Das Kit sei im Anschluss geöffnet und auf den Beifahrersitz gelegt, aber nichts herausgenommen worden. Die Gangschaltung des Fahrzeugs habe sich im Leerlauf befunden. Auf dem Beifahrersitz habe ein an ein Ladekabel angeschlossenen Smartphone festgestellt werden können, dieses habe noch 1% Akku sowie einige Anrufe in Abwesenheit ab 19:16 Uhr am Vortrag gezeigt. Das Smartphone sei vom Ladekabel entfernt und aus dem Fahrzeug genommen worden. Daraufhin sei die Beifahrertür wieder geschlossen worden. Kurz darauf sei der Rettungswagen eingetroffen, die Notärztin habe nur noch den Tod der Person feststellen können.

Die Tatörtlichkeit sei weiträumig abgesperrt worden. Vermutlich habe der Versicherte sein Fahrzeug in der Haltebucht rechts neben der Fahrbahn im Kurvenbereich abgestellt, um seine Notdurft im Wald zu verrichten. Hierbei habe er offensichtlich vergessen die Handbremse zu ziehen bzw. habe sich diese eventuell gelöst und das Fahrzeug sei rückwärts in Richtung des Waldweges gerollt. Hier seien Reifenspuren im Bereich des am Waldrand befindlichen Laubes festgestellt worden. Beim Versuch, das Fahrzeug vor dem Wegrollen zu sichern, sei der Versicherte aller Voraussicht nach unter das Fahrzeug geraten, in Folge dessen sei er nach aktuellem Erkenntnisstand vermutlich erstickt.

In einem weiteren Vermerk führte Polizeiobermeister POM Ö1 aus, dass die Person auf Ansprache nicht reagiert habe. Anschließend sei versucht worden, die Person an den Beinen hervorzuziehen, was nicht gelungen sei. Des Weiteren seien Leichenflecken an den Händen festgestellt worden. Die Person habe einen Schlüsselbund in der rechten Handinnenfläche gehalten. Er POM Ö1 habe der Person den Schlüsselbund aus der Hand genommen, da er das Fahrzeug habe aufschließen wollen. Allerdings habe er vor dem Aufschließen des Fahrzeugs keine Kontrolle durchgeführt, ob die Tür bereits aufgeschlossen gewesen sei. Nachdem er den Schlüsselbund auf der Motorhaube abgelegt habe, habe er im Kofferraum nach einem Wagenheber gesucht, um eventuell die Person befreien zu können. Hierbei habe er eine gelbe Tasche aus dem Kofferraum genommen und diese auf dem Boden abgestellt. Die Suche nach einem Wagenheber sei erfolglos verlaufen. Die gelbe Tasche habe er wieder eingeräumt und den Kofferraum zu gemacht.

Kurz darauf sei die Rettungswagenbesatzung eingetroffen, welche ebenfalls Leichenflecken festgestellt habe. Die Notärztin habe den Tod der Person bescheinigt. Weiter habe er die Beifahrertür des Fahrzeugs aufgemacht und die Gangschaltung kontrolliert. Diese sei in den Leerlauf geschaltet gewesen.

Polizeioberkommissarin (POKin) K2 führte in ihrem Vermerk aus, dass bei ihrem Eintreffen nur die Hände unter dem Fahrzeug hervorgeschaut hätten. An diesen seien Leichenflecken ersichtlich gewesen. Den Fahrzeugschlüssel habe die Person in der rechten Hand gehalten. Zunächst sei versucht worden, die Person an den Beinen unter dem Fahrzeug hervorzuziehen, um Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen zu können. Dies sei aufgrund der Verkeilung der Person unter dem Fahrzeug jedoch nicht möglich gewesen. Durch POM Ö1 sei daraufhin der Kofferraum geöffnet worden, um nach einem Wagenheber zu suchen. Sie selbst habe die Beifahrertür geöffnet und hinter beiden Vordersitzen ein Kit mit Fahrzeugausrüstung aufgefunden und geöffnet ohne einen Wagenheber zu finden. Die Gangschaltung des Fahrzeugs habe sich im Leerlauf befunden.

Das Ermittlungsverfahren wurde von der StA mit Verfügung vom 25. Oktober 2021 eingestellt, da keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ein Dritter für den Tod verantwortlich sein könne. Eine Obduktion sei nicht angezeigt, die Leiche werde zur Bestattung freigegeben.

H1 gab, schriftlich befragt (vgl. Blatt 125 VerwAkte), an, dass das Treffen am 21. Oktober 2021 um 18.30 Uhr im Landgasthof P2 vereinbart gewesen sei. Zweck des Treffens sei der Abschluss der Vertragsverhandlung gewesen, auch habe die weitere Zusammenarbeit besprochen werden sollen. Der Versicherte habe nicht bei ihm übernachten wollen, eine Reservierung sei in der Gaststätte nicht erfolgt, da diese ausreichend Platz für zwei Personen biete.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2022 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Witwenrente, Sterbegeld und Überführungskosten) aufgrund des tödlichen Unfalls des Versicherten ab.

Das Fahrzeug des Versicherten sei nach den Lichtbildern der Polizei mit gerade stehenden Vorderrädern entdeckt worden, was die Schlussfolgerung zulasse, dass sich der Versicherte nicht mehr auf dem direkten Weg zwischen M2 und M3 befunden habe, sondern in diesen Waldweg bewusst eingebogen sei. Dass sich der Versicherte im Unfallzeitpunkt bei seiner versicherten Tätigkeit befunden habe, lasse sich somit nicht feststellen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssten jedoch voll bewiesen sei. Es habe nicht geklärt werden können, ob sich der Unfall auf dem Weg zu einem Geschäftstermin oder einem privaten Treffen ereignet habe. Auch sei der Todeszeitpunkt nicht bekannt, theoretisch könne sich der Unfall auch erst nach dem Termin, den der Versicherte eingeplant habe, ereignet haben.

Selbst wenn es sich um einen Dienstweg zu einem Geschäftsessen gehandelt habe, sei der eigentliche Weg mit dem Verlassen der direkten Strecke zwischen M2 und M3 durch das bewusste Einbiegen in den Waldweg unterbrochen worden. Es liege dann ein unversicherter Abweg vor, welcher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Das Verrichten der Notdurft sei eine eigenwirtschaftliche und damit unversicherte Tätigkeit, sodass bereits aus diesem Grund kein Versicherungsschutz bestehe. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Witwenrente, Sterbegeld und Überführungskosten) würden nicht erbracht, da kein Versicherungsfall vorliege.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, dass sich aus der Aussage des Herrn <H1> eine jahrelange Zusammenarbeit ergebe, sodass ihre Aussage, der Versicherte sei zu einem Geschäftsessen mit einem Freund verabredet, dem Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht entgegenstehe. Inhalt des Gesprächs habe die weitere Zusammenarbeit der Firmen nach Vertragsschluss sein sollen. Aus der Akte der StA ergebe sich weiter, dass Herr <H1> an dem Abend noch mehrmals versucht habe, den Versicherten zu erreichen, nachdem dieser zu dem vereinbarten Abendessen nicht erschienen sei. Es erstaune deshalb, weshalb diese Frage Herrn <H 1> nicht gestellt worden sei bzw. weshalb der Arbeitgeber hierzu nicht befragt worden sei.

Vielmehr werde versucht, das Vorliegen eines Arbeitsunfalls aufgrund objektiver Beweislosigkeit abzulehnen. Man stelle generell in Frage, ob das Firmenessen überhaupt stattgefunden habe. Weiter versuche der Sachbearbeiter eine Übernachtung zu konstruieren und stelle in Frage, ob der Weg mit einer geschäftlichen Tätigkeit in Einklang zu bringen sei. Der entsprechende Aktenvermerk zeige, dass eine ordnungsgemäße Amtsermittlung nicht stattgefunden habe. Denn bei Überprüfung des Unfallortes hätte man ohne große Anstrengungen herausfinden können, dass der Weg direkt von dem Heimatort zu dem Gasthaus verlaufe. Aus dem Ermittlungsbericht ergebe sich weiter, dass der Versicherte aus dem Wagen ausgestiegen sei um auszutreten. Aufgrund der geöffneten Hose sei angenommen worden, dass er deshalb an dem Waldweg angehalten und ausgestiegen sei, um seine Notdurft zu verrichten, es dabei aber unterlassen habe, den Pkw ausreichend gegen ein Wegrollen zu sichern.

Es bestehe ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bei Verrichten der Notdurft auf dem Heimweg, der Versicherungsschutz werde hierdurch nicht unterbrochen. Auch für das Aufsuchen der Toilette auf Betriebswegen werde Versicherungsschutz angenommen, weil der Versicherte gezwungen sei, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er es im häuslichen Bereich getan hätte. Nichts Anderes gelte für den Weg von zu Hause zu einem Geschäftsessen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 11. März 2022 machte die Klägerin geltend, dass es die StA nicht interessiere, ob sich der Versicherte auf dem Weg zu einem Geschäftsessen befunden habe. Hingegen ergebe sich aus den zahlreichen Zeugenaussagen, dass ein solches mit Herrn <H1> verabredet gewesen sei. Es sei völlig unerheblich, ob der Versicherte bei Herrn H1 habe übernachten wollen. Des Weiteren sei auch der genaue Todeszeitpunkt für das Vorliegen eines Wegeunfalls unbeachtlich. Entscheidend sei nur, dass der Versicherte sich auf dem direkten Weg zu der Gaststätte befunden habe, in der das Geschäftsessen habe stattfinden sollen und er dort nicht erschienen sei.

Der Zeuge H1 gab, erneut schriftlich befragt (vgl. Blatt 157 VerwAkte), an, dass er, nachdem keine Absage des Termins oder eine Rückmeldung von dem Versicherten gekommen sei, natürlich versucht habe, diesen zu kontaktieren. Ob dies bereits vor 20.35 Uhr gewesen sei, könne er nicht mehr nachvollziehen, da der Handyverlauf nicht so weit (zurück) reiche. Den Versicherten habe er seit März 2013 gekannt.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2022 zurück. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich der Versicherte auf einem geschäftlichen Weg befunden habe, sei er zu dem Zeitpunkt, als er von seinem Auto überrollt worden sei, nicht versichert gewesen. Aufgrund der Auffindesituation sei zweifelsfrei davon auszugehen, dass der Versicherte auf den Waldweg abgebogen sei, um dort seine Notdurft zu verrichten. Er habe sich hinter seinem Fahrzeug befunden und bereits die Hose geöffnet gehabt, als er überrollt worden sei. Er habe sich also zu diesem Zeitpunkt bereits bei der Verrichtung der Notdurft befunden. Dies sei eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit und unversichert. Ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sei nicht gegeben. Auch habe keine besondere Betriebsgefahr vorgelegen, da es sich bei dem Fahrzeug um das auf den Versicherten seit zwei Jahren zugelassene Fahrzeug gehandelt habe. Der Umgang mit diesem Fahrzeug sei dem Versicherten daher bekannt gewesen, eine ihm unbekannte, besondere Betriebsgefahr könne somit nicht angenommen werden.

Unabhängig von der Frage, ob sich der Versicherte auf einem grundsätzlich versicherten Weg befunden habe, als er auf dem Weg nach M2 unterwegs gewesen sei, sei festzustellen, dass er bei der Verrichtung der Notdurft nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe.

Am 1. Juni 2022 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Versicherte sei am 21. Oktober 2021 auf dem Weg von seiner Privatadresse zu der Gaststätte Landgasthof P2 dort mit einem Geschäftspartner um ca. 18:30 Uhr verabredet gewesen. Gegenstand des Gesprächs sei der Abschluss der Vertragsverhandlungen zwischen zwei Jahre lang verhandelnden Vertragsparteien und Geschäftspartnern gewesen. Aufgrund der jahrelangen sehr engen Zusammenarbeit sei der Versicherte zwischenzeitlich mit dem Geschäftspartner befreundet gewesen. Auf dem Weg zu der Gaststätte sei der Versicherte in einer sogenannten „Spitzkehre“ nach dem Ortseingang M2 in Richtung S4 in den Wald abgebogen. Unstreitig sei, dass er nicht mehr zu dem Geschäftsessen gekommen sei.

Der Versicherte sei am 22. Oktober 2021 tot unter seinem Auto liegend aufgefunden worden. Die Hose des Versicherten sei geöffnet gewesen, sodass die Polizei angenommen habe, dass er angehalten habe und ausgestiegen sei, um auszutreten. Er habe es dabei unterlassen, den Pkw ausreichend gegen ein Wegrollen zu sichern. Ein Gang sei nicht eingelegt, die Handbremse wäre nicht gesichert gewesen. Als der Versicherte hinter dem Wagen gestanden sei, sei dieser ins Rollen gekommen. Er habe mit beiden Händen versucht, den Pkw aufzuhalten. Allerdings sei er dabei unter seinen eigenen Pkw geraten und unter dem Fahrzeugheck eingeklemmt worden.

Der Versicherungsschutz entfalle nicht dadurch, dass der Versicherte den Weg zu einem Geschäftsessen wegen der Verrichtung der Notdurft unterbrochen habe. Denn der Weg zur Verrichtung der Notdurft stehe bei einem Wegeunfall unter Versicherungsschutz, weil der Versicherte durch seine Tätigkeit gezwungen sei, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies in seinem häuslichen Bereich getan haben würden. Die Verrichtung der Notdurft erfolge erfahrungsgemäß nicht während der Fortbewegung. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe die Polizei keine entsprechenden Feststellungen treffen können, dass der Versicherte verunglückt sei, als er gerade seine Notdurft verrichtet habe. Gegen diese Behauptung spreche, dass an beiden Händen des Versicherten Spuren festgestellt worden seien, die bewiesen, dass er versucht habe, den Pkw am Abrollen zu hindern und sich gegen ihn gestemmt habe, als er überrollt worden sei. Des Weiteren spreche dagegen, dass er seinen Schlüsselbund in der rechten Hand gehalten habe.

Im Übrigen habe auch eine Betriebsgefahr bestanden. Der Versicherte sei, bevor er die Notdurft habe verrichten können, von seinem eigenen Fahrzeug, welches nicht gesichert gewesen sei, überrollt und getötet worden. Er habe durch ein Abstemmen gegen den Pkw – erfolglos – versucht, dies zu verhindern. Auch wenn dem Versicherten generell der Umgang mit dem Pkw bekannt gewesen sei, habe er sich auf unebenem und unbekanntem Waldgelände befunden und dieses nicht einschätzen können.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Februar 2023 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2022 Witwenrente und Sterbegeld zu gewähren sowie die Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung zu erstatten.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Versicherte zum Unfallzeitpunkt am 21. Oktober 2021 auf einem versicherten (Hin-)Weg befunden habe. Dass die Klägerin gegenüber der Polizei unter dem Eindruck der sie extrem belastenden Situation zunächst angegeben habe, der Versicherte sei am 21. Oktober 2021 gegen 18:30 Uhr aufgebrochen, um einen Freund zu besuchen, führe nicht zum Wegfall des Versicherungsschutzes. Diese Angabe erkläre sich bereits aus der Tatsache, dass sich der Versicherte und Herr H1 seit Jahren gekannt hätten. Dazu habe Herr H1 gegenüber der Beklagten klarstellend angegeben, dass er mit dem Versicherten am 21. Oktober 2021 um 18:30 Uhr im Landgasthof P2 einen geschäftlichen Termin gehabt habe, um mit ihm den weiteren Abschluss von Vertragsverhandlungen zu besprechen. Dass sich der Versicherte deshalb auf einem versicherten Weg befunden habe, stelle die Beklagte auch nicht mehr in Abrede.

Soweit die Beklagte im Bescheid vom 1. Februar 2022 noch damit argumentiert habe, der Unfall könne sich auch erst nach dem Termin ereignet haben, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Diese Vermutung sei erstens widerlegt und ändere zweitens nichts am bestehenden Versicherungsschutz. Der Versicherte habe sich in diesem Fall dann auf einem versicherten Nachhauseweg befunden.

Rechtlich unbeachtlich sei weiter, dass es sich bei dem Pkw um ein auf den Versicherten zugelassenes Fahrzeug gehandelt habe. Ob dieser mit dem Pkw vertraut gewesen sei oder nicht, spiele keine Rolle.

Einem Arbeitsunfall stehe auch nicht entgegen, dass der Versicherte nach den polizeilichen Feststellungen den Weg unterbrochen gehabt habe, um seine Notdurft zu verrichten. Es habe sich um eine versicherte Tätigkeit gehandelt, da diese auch ausgeübt werde, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetze und darauf gerichtet sei, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Sollte sich der Versicherte nach dem Verlassen des Pkw auf dem Weg zur Verrichtung der Notdurft oder nach Verrichtung der Notdurft wieder auf dem Weg zu seinem Pkw befunden habe, so habe er sich auf einem versicherten Weg befunden. Wege, die zu diesem Zweck zurückgelegt würden, seien von dem mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziel geprägt. Nichts Anderes gelte, wenn die Notdurft nicht auf einer Toilette auf dem Betriebsgelände, sondern außerhalb desselben verrichtet werde.

Nach den polizeilichen Feststellungen gehe die Kammer davon aus, dass der Versicherte erst nach Verrichtung der Notdurft bemerkt habe, dass sein Pkw wegrolle und er dies habe verhindern wollen. Die Kammer schließe dies aus der Tatsache, dass, nachdem der Versicherte am nächsten Tag tot unter seinem Pkw aufgefunden worden sei, Einnässungsspuren an seiner Kleidung nicht festgestellt worden seien, somit davon auszugehen sei, dass die Blase bei zum Tode führenden Unfall bereits entleert gewesen sei.

Letztendlich brauche aber eine Feststellung, ob sich der Versicherte noch auf dem Weg zur Verrichtung der Notdurft oder davon zurück befunden habe oder sich der Unfall während der Verrichtung der Notdurft ereignet habe, nicht getroffen zu werden. Selbst wenn der Versicherte während der Verrichtung der Notdurft das Wegrollen des Pkw bemerkt habe, was er dann habe verhindern wollen, stehe dies dem Unfallversicherungsschutz nicht entgegen. Zwar gehöre nach ständiger Rechtsprechung die Verrichtung der Notdurft selbst sowie der Aufenthalt am Ort der Verrichtung zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, da sie unabhängig von einer betrieblichen Tätigkeit erforderlich sei. Etwas anderes gelte aber dann, wenn sich besondere betriebsbezogene Gefahren realisiert hätten, denen ein Versicherter im grundsätzlich unversicherten persönlichen Lebensbereich nicht ausgesetzt gewesen sei. Komme der versicherten Tätigkeit eine wesentliche Mitursache zu, wäre das Unfallereignis somit ohne die versicherte Tätigkeit wahrscheinlich nicht in derselben Art bzw. mit ähnlich schweren Folgen eingetreten, bestehe Versicherungsschutz.

Zur Überzeugung der Kammer hätte sich der tragische Unfall ohne die versicherte Tätigkeit nicht ereignet. Der Versicherte habe die Fahrt zum Treffen mit dem Geschäftspartner nur kurz (circa drei Kilometer) vor dem Treffpunkt in der Gaststätte P2 unterbrochen, um seine Notdurft zu verrichten. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Harndrang derart ausgeprägt gewesen sein müsse, dass sich der Versicherte nicht mehr in der Lage gesehen habe, die Verrichtung erst im, in wenigen Minuten erreichbaren, Landgasthof zu verrichten, wo er auch die Möglichkeit gehabt habe, sich anschließend die Hände zu waschen. Kein vernünftig denkender und handelnder Mensch werde kurz vor dem zeitnahen Erreichen einer Toilette die Fahrt unterbrechen, um seine Notdurft auf einem öffentlichen Waldparkplatz zu verrichten, so dies nicht zwingend erforderlich wäre. Dass der Versicherte bei dem kurzen Stopp auf dem Parkplatz von einem ausgeprägten Harndrang geplagt gewesen sei, ergebe sich auch aus der Tatsache, dass er sein Fahrzeug beim Aussteigen überhaupt nicht gegen ein Wegrollen gesichert habe. Ein derartig verhängnisvoller Fehler unterlaufe einem nur in einer extremen Stresssituation.

Am 22. Mai 2023 hat die Beklagte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat geltend gemacht, dass der Versicherte am 22. Oktober 2021 im Kurvenbereich der circa 200 Meter vom Ortsende M2 unter seinem Privatfahrzeug liegend tot aufgefunden worden sei. Die Hose des Verstorbenen sei geöffnet gewesen, sodass angenommen worden sei, dass der Versicherte einen Halt gemacht habe, um seine Notdurft zu verrichten. Am Fahrzeug selbst sei kein Gang eingelegt und die Handbremse nicht angezogen gewesen. Am Kofferraum hätten sich Wischspuren gefunden, welche darauf hindeuten könnten, dass der Versicherte versucht habe, den rollenden Pkw aufzuhalten. Vor dem Pkw habe im Flurbereich des Waldweges eine Fahr- bzw. Rollspur, welche zur Endstellung des Fahrzeuges gepasst habe, festgestellt werden können.

Nach den Ermittlungen werde vermutet, dass der Versicherte unter den rollenden Pkw gelangte, dort entlang schliff und sich noch unter dem Fahrzeug drehte, bevor sein Körper das Weiterrollen vollständig blockiert habe. Im Fahrzeug selbst sei im mobilen Navigationsgerät die Route zur Zieladresse, M3“ eingegeben gewesen, der Zeuge H1 wohne in der S1/J1. Im Kofferraum des Fahrzeugs seien zwei Reisetaschen gefunden worden, in einer habe sich Bettzeug befunden, in der anderen Kleidungsstücke, ein Kulturbeutel und ein Tablet.

Das Urteil des SG überzeuge nicht. Werde der Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfalle der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz. Eine Unterbrechung des versicherten Weges trete schon dann ein, sobald deutlich werde, dass das Verhalten des Versicherten nicht mehr durch den Willen zur Fortsetzung des Weges von oder zu dem Ort der Tätigkeit, sondern durch eine andere Handlungstendenz gekennzeichnet sei. Die räumliche Unterbrechung beginne spätestens dann, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum seines Weges von dem Ort der Tätigkeit verlasse und ende erst mit dem (Wieder-)Erreichen dieses Verkehrsraums bzw. der Wiederaufnahme der Fortbewegung in Richtung des ursprünglichen Ziels.

Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen sei nicht voll bewiesen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt tatsächlich auf dem unmittelbaren Weg zum Geschäftsessen gewesen sei. Zum einen sei im mobilen Navigationsgerät nicht die Adresse des Gasthofes, sondern die Privatadresse des Zeugen H1 eingegeben worden. Zum anderen liege die Unfallstelle nicht auf dem unmittelbaren Weg zum Landgasthof. Die Straße, auf die der Versicherte eingebogen sei, sei laut Routenplaner der unmittelbare Weg zur Zieladresse des Navigationsgerätes – der Privatadresse des Zeugen.

Nach den Erstangaben der Klägerin habe der Versicherte einen Freund besuchen und bei diesem auch übernachten wollen. Im Fahrzeug seien Bett- und Waschzeug sowie Wechselkleidung in zwei Reisetaschen mitgeführt worden. Es sei völlig unklar, weshalb sich diese Gegenstände im Auto befunden hätten. Bei lebensnaher Betrachtungsweise sei es extrem ungewöhnlich, dass jemand derartige Ausstattungsgegenstände zu einem Geschäftstermin ohne Übernachtung mitnehme. Es liege unzweifelhaft keine nur geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges vor. Nicht relevant sei, ob der Versicherte vor, bei oder nach Verrichtung der Notdurft verunfallt sei. Denn eine eigenwirtschaftliche Unterbrechung ende erst wieder beim Einmünden in den versicherten Weg, wovon hier nicht die Rede sein könne.

Auch wenn niemand nähere Angaben zum tatsächlichen Unfallgeschehen machen könne, erscheine es nach den Erkenntnissen aus der Akte der StA, insbesondere aufgrund der offenen Hose des Versicherten, ausgeschlossen, dass diese Unterbrechung betrieblich motiviert gewesen sei.

Ein Versicherungsschutz lasse sich auch nicht über eine Betriebsgefahr herleiten. Der Versicherte habe keinen Dienst-, sondern einen Privat-Pkw gefahren. Eine besondere Wegegefahr habe ebenfalls nicht vorgelegen, da das Auto auf einem Waldweg gestanden und sich nicht im öffentlichen Verkehr bewegt habe. Schließlich irre das SG auch bei der Annahme einer besonderen betriebsbezogenen Gefahr. Die Fahrt zum Freund oder Geschäftspartner stelle keine Betriebsgefahr dar. Eine solche könne hier allenfalls der Pkw darstellen. Da es sich aber um den Privat-Pkw gehandelt habe, fehle es an der Betriebsbezogenheit. In dem vom SG zitierten Fall sei die Fahrt mit einem Firmen-LKW erfolgt, zudem sei es dort nicht zu einer nachgewiesenen Unterbrechung gekommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung. Das Geschäftsessen sei im Parallelverfahren durch die Zeugenaussage des Geschäftspartners bestätigt worden. Die Beklagte vernachlässige, dass der Versicherte in der Wahl seines Weges frei gewesen sei. Nach der Rechtsprechung bestehe Versicherungsschutz auch auf einem Umweg, wenn nur so die Notdurft verrichtet und der Weg fortgesetzt werden könne. Selbst wenn der Beklagten beigepflichtet werde, dass zum Zeitpunkt des Verrichtens der Notdurft, welche nicht nachgewiesen worden sei, kein Versicherungsschutz bestanden habe, wäre dann wieder Versicherungsschutz eingetreten, als der Versicherte versucht habe, das Auto, welches aufgrund der nicht angezogenen Handbremse auf ihn zugerollt sei, mit seinen Händen zu stoppen und die Gefahr abzuwenden. Von dem PKW sei eine besondere Betriebsgefahr ausgegangen, wobei unerheblich sei, dass es sich um keinen Dienstwagen gehandelt habe.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2022 hat die Beklagte Hinterbliebenenleistungen auch gegenüber dem Sohn des Versicherten, Z3, abgelehnt. Dessen beim Sozialgericht Stuttgart geführte Klage (S 10 U 1819/22) ist ebenfalls erfolgreich gewesen (Urteil vom 17. Februar 2023). Im nachfolgenden Berufungsverfahren (L 1 U 1485/23), dessen Akten der erkennende Senat beigezogen hat, hat sich folgendes ergeben:

Nach dem Routenplaner google.maps hat die Wegstrecke vom Wohnort des Klägers mindestens 51,2 km (über die B296) und 57,3 km über die A8 betragen. Mittels eines weiteren Ausdrucks ist der Fundort des Versicherten klargestellt worden.

Weiter sind Rechnungen und die Kreditkartenabrechnung der Gaststätte P2 vom Abend des 21. Oktober 2021 beigezogen worden.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 6. Juli 2023 ist der Zeuge H1 vernommen worden, die Ladung der Ehefrau des Versicherten, der hiesigen Klägerin, ist wegen deren Urlaubsabwesenheit aufgehoben worden.

Der dortige Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass die Sitzungsvertreterin der Beklagten nach dem Sitzungsbericht über die mündliche Verhandlung beim SG diesem zwar darin zugestimmt habe, dass es sich um einen versicherten Dienstweg gehandelt habe, das Verhandlungsprotokoll und der Tatbestand des Urteils hätten eine solche Erklärung hingegen nicht enthalten. Nach vorläufiger Einschätzung bestehe keine rechtliche Bindungswirkung, insbesondere könnten die Beteiligten keine Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs unstreitig stellen.

Der Sohn des Versicherten, der dortige Kläger, hat erklärt, dass er an dem Abend, als sein Vater losgefahren sei, ebenfalls zu Hause gewesen sei. Er könne sich an die Abfahrt erinnern, der Versicherte habe zu einem Geschäftsessen mit dem Zeugen H1 gewollt. Es sei, soweit er sich erinnere, noch hell gewesen oder es habe bereits die Dämmerung begonnen, er wisse aber nicht genau, zu welcher Uhrzeit dies gewesen sei. Auf Vorhalt wegen der Bettwäsche im Kofferraum habe der Sohn angegeben, dass er darüber nichts Genaues wisse. Er gehe davon aus, dass der Versicherte irgendwo habe übernachten wollen, er sei ja auf dem Weg zu einem Gasthof gewesen.

Der Zeuge H1 hat bekundet, dass er den Versicherte seit etwa dem Jahr 2012 gekannt habe. Es treffe zu, dass er sich mit dem Versicherten geduzt habe, das sei in ihrem beruflichen Bereich so üblich. Einen engeren privaten Kontakt in dem Sinne, dass gemeinsame Freizeitaktivitäten oder gemeinsame Urlaube durchgeführt worden seien, habe es nicht gegeben. Sie hätten sich häufiger zu Geschäftsessen getroffen.

Die Verträge seien jährlich neu zu verhandeln gewesen, sie hätten einen Abschluss erreicht, aber die Planungen seien gleich weiter gelaufen für das nächste Jahr. In diesem Zusammenhang hätten sie sich getroffen.

Es sei so gewesen, dass sie sich auch wegen der Coronapandemie nicht im Unternehmen hätten treffen sollen, gerade weil die Unternehmen ja in die Bekämpfung der Pandemie eingebunden gewesen seien. Sie hätten den konkreten Termin für den P2 abgesprochen. Er meine, dass es der Versicherte gewesen sei, der den Termin vorgeschlagen habe. Weiter glaube er, dass sie sich auf 18:00 Uhr verabredet hätten. Er habe es allerdings nicht rechtzeitig aus dem Büro geschafft und dann auch versucht, den Versicherten zu erreichen, und ihn gebeten, sich zu melden, damit er Bescheid wisse, dass er nicht oder nicht rechtzeitig in dem Lokal sein werde. Er glaube, dass er gegen 18.30 Uhr in dem Lokal angekommen sei. Nach etwa einer halben Stunde sei er wieder gegangen, er habe vom Hotel aus angerufen, wo der Versicherte bleibe.

Auf Vorhalt der konkreten Uhrzeiten der Handykontakte hat der Zeuge angegeben, dass er gegen halb neun, wenn er jetzt in sein Handy schaue sei es 20:22 Uhr gewesen, eine Nachricht an den Versicherten geschrieben habe. Das sei allerdings schon zu Hause gewesen. Die Anrufe vom Lokal aus seien früher gewesen, das könne um 19:16 Uhr gewesen sein. Er habe in dem Lokal ein Bier getrunken, das etwa 3,60 € gekostet habe. Auf Vorhalt der Rechnungen hat der Zeuge erklärt, dass er vielleicht dort auch nichts getrunken habe. Es könne sein, dass er sich nach so langer Zeit nicht mehr richtig erinnere.

Er sei dann nach etwa einer halben Stunde nach Hause gefahren. Er wohne in der habe dort auch damals schon gewohnt. Zu der Fahrtstrecke des Versicherten könne er nichts sagen, dieser habe sicher nicht zu ihm nach Hause gewollt, da er ja gar nicht da gewesen sei. Es sei keine Rede davon gewesen, dass der Versicherte bei ihm hätte übernachten sollen. Er habe auch zuvor nie bei ihm übernachtet. Nach früheren Geschäftsessen sei er, soweit er wisse, immer nach Hause gefahren.

Auf Nachfrage der Klägervertreterin, wo sonst auf dem Weg man eventuell die Notdurft hätte verrichten können, hat der Zeuge angegeben, dass er nur sagen könne, dass es noch einen Abzweig nach F1 gebe, den er aber auch nicht für so geeignet halte.

Als er in der Gaststätte angekommen sei, habe er nach dem Versicherten gefragt, der dort bekannt gewesen sei. Sie hätten immer einen Tisch in demselben Raum gehabt, es habe sich um einen Nebenraum in der Gaststätte gehandelt, wo es etwas ruhiger gewesen sei, sodass man geschäftliche Dinge habe besprechen können. Die Geschäftsessen hätten üblicherweise so zwei Stunden gedauert, der Versicherte sei danach immer heim gefahren. An dem fraglichen Abend sei die Frau des Zeugen nicht zu Hause gewesen, auch sonst niemand.

Auch Nachfrage der Klägervertreterin hat der Zeuge weiter angegeben, dass er nicht wisse, warum der Versicherte Richtung S4 gefahren sein sollte, er sei immer von H2 oder von der Autobahn gekommen. Wenn man diesen Weg benutze, sehe man, wenn man hochfahre, zunächst die Einmündung des Waldwegs, auch wenn dort um die Ecke ein Parkplatz sei.

Er habe dem Versicherten circa eine Stunde vor dem Termin Bescheid gesagt, dass er sich verspäte, da er ja wisse, wie lange es für den Versicherten gedauert habe, nach F1 zu kommen. Er könne nicht sagen, ob jemand seine Anwesenheit an dem Abend bestätigen könne. Es sei möglich, dass man seinen Namen dort kenne, wenn man den Geschäftsführer frage. Der Versicherte habe ihn niemals abgeholt und dorthin mitgenommen.

Er habe die Ehefrau – die hiesige Klägerin – nicht kontaktieren können, da er weder eine Festnetznummer noch eine andere Telefonnummer gehabt habe. Er habe versucht, den Arbeitgeber des Versicherten zu kontaktieren. Er könne aber nicht sagen, ob das an dem fraglichen Abend gewesen sei und ob er ihn dort erreicht habe. Er habe jedenfalls am nächsten Tag dort angerufen.

Eine nochmalige Nachfrage in der Gaststätte ergab, dass um 19.16 Uhr ein Jakobsweizen für 4,30 € gebucht worden sei. Die einzige weitere Rechnung mit nur einem Getränk habe einen Schnaps betroffen für 3,50 € und sei kurz nach 22.00 Uhr ausgestellt worden.

Weiter ist eine Auskunft beim Landratsamt K1 beigezogen worden, wonach keine Informationen dazu vorlägen, ob es an dem fraglichen Abend Verkehrsbehinderungen auf der L564 (Straße) gegeben habe. Aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine Sperrung durch eine andere Stelle veranlasst gewesen sei. Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass von einem unversicherten Abweg auszugehen sein dürfte.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2023 (vgl. Protokoll) ist die (hiesige) Klägerin – nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht – als Zeugin gehört worden. Diese hat bekundet, dass der Versicherte an dem Abend länger mit seinem Vorgesetzten telefoniert habe. Dabei sei es um den geplanten Deal gegangen, der größere Summen umfasst habe. Den Zeugen H1 habe der Versicherte schon lange gekannt, er habe sich mit ihm auch früher schon öfters getroffen und diese Treffen hätten, soweit sie wisse, auch im „P2“ stattgefunden. An dem Abend sei er mit seinem Cabrio losgefahren, es sei noch hell gewesen, es könne gegen 18 Uhr gewesen sein.

Es treffe zu, dass der Versicherte auch ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gehabt habe, er habe aber das Cabrio genommen. Der Wagen sei auch ein bisschen „sein Spielzeug“ gewesen. Hinsichtlich des Bettzeuges im Kofferraum hat die Klägerin angegeben, dass der Versicherte immer auf alle Eventualitäten eingerichtet gewesen sei, er habe ihr an dem fraglichen Abend gesagt, dass er eventuell erst am folgenden Tag zurückkomme. Sie habe ihn dann noch einmal auf „WhatsApp“ angeschrieben. Nachdem sie keine Antwort bekommen habe, habe sie sich aber auch wegen seiner Aussage, er komme eventuell erst morgens wieder, keine Sorgen gemacht. Es sei das Firmenhandy gewesen, ein privates Handy habe der Versicherte nicht dabei gehabt. Ob der Versicherte den Zeugen H1 schon einmal privat besucht habe, könne sie nicht sagen. Sie habe den Zeugen H1 vor dem Unfall auch einmal selbst getroffen.

Das Firmenfahrzeug sei ein Audi gewesen und mit diesem habe ihr Sohn an dem Abend fahren wollen. Sie wisse nicht, welche Strecke ihr Mann zum P2“ genommen habe. Es könne sein, dass es unterschiedliche Strecken gewesen seien. Sie selbst fahre immer nach Google und es gebe auch verschiedene Wege.

Im Urteil vom gleichen Tag hat der 1. Senat das Urteil des SG aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der dortige Spruchkörper ist vor einer Beweiserleichterung ausgegangen, weil der Unfall tödlich verlaufen sei und es keine unmittelbaren Zeugen für die Fahrt und den Unfall gebe. Der Versicherte habe sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf einem versicherten Arbeitsweg zu einem geschäftlichen Abendessen in den Landgasthof P2 in F1 befunden. Der Versicherungsschutz sei aber erloschen, als er von der S5 Straße in den Waldweg abgebogen sei, den Wagen angehalten habe und ausgestiegen sei. Darin liege eine schädliche Unterbrechung, da er den Wagen zu privaten Zwecken verlassen habe, was sich deutlich in der Änderung der Handlungstendenz zeige. Der Versicherte sei zur Verrichtung einer privatnützigen Tätigkeit ausgestiegen und bereits dadurch sei der Versicherungsschutz erloschen. Eine betriebliche Gefahr habe sich dabei nicht verwirklicht, sondern nur das allgemeine Verkehrsrisiko, zumal das benutzte Fahrzeug ein privates gewesen sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 17. Februar 2023, mit dem die Beklagte auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG, vgl. zur statthaften Klageart: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 6. Oktober 2022 – B 2 U 9/19 R –, juris, Rz. 11) verurteilt worden ist, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 19. Mai 2022 Hinterbliebenenleistungen in Form von Witwenrente, Sterbegeld und Überführungskosten – dem Grunde nach – zu gewähren. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Begründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 1. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch der erkennende Senat ist, ebenso wie der 1. Senat, nach Auswertung der Verwaltungsakte, der von der Beklagten beigezogenen polizeilichen Ermittlungsakten sowie der Ermittlungsergebnisse aus dem Parallelverfahren (L 1 U 1415/23), die im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet werden, zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen zu Recht abgelehnt hat. Denn der Versicherte hat in der Zeit zwischen dem 21. Oktober 2021 18:30 Uhr und dem 22. Oktober 2021 7:46 Uhr keinen versicherten Arbeitsunfall erlitten.

Rechtsgrundlage der Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen sind die §§ 63 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (Nr. 1), Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung (Nr. 2) und Hinterbliebenenrente (Nr. 3). Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht indessen nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist, § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Als Versicherungsfall kommt vorliegend nur ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) in Betracht, eine Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) scheidet von vornherein aus. Einen solchen Arbeitsunfall hat der Versicherte zur Überzeugung des Senats jedoch nicht erlitten.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 28. Juni 2022 – B 2 U 16/20 R –, juris, Rz. 11 und vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R –, juris, Rz.12).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitsschaden“ erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 – B 2 U 30/07 R –, BSGE 103, 45 <47> und vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43 Rz. 17).

Nach diesen Maßstäben kann der Senat zwar einen Unfall feststellen, nämlich, dass mit dem Überrollen/Überfahren des Versicherten durch sein Fahrzeug in der Spitzkehre auf der S5 Straße circa 200 Meter hinter dem Ortsausgang von M2 Richtung S4 ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis stattgefunden hat. In dessen Folge ist der Versicherte zu Tode gekommen, indem er unter dem Fahrzeug erstickte, wie der Senat dem polizeilichen Bericht über die Leichenschau entnimmt.

Wie es zu dem Überrollen/Überfahren gekommen ist, bleibt nach den Ermittlungsergebnissen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch offen, so dass es dem Erfordernis einer im Vollbeweis nachgewiesenen versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfallereignisses fehlt. Der Senat vermag sich schon nicht davon zu überzeugen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses überhaupt unter Versicherungsschutz gestanden hat, d. h. einer versicherten Tätigkeit nachgegangen ist. Insbesondere ist nicht erwiesen, dass er sich am 21. Oktober 2021 auf einem versicherten Weg zu einem Geschäftsessen befand.

Das folgt schon daraus, dass die Angaben der Klägerin und des Zeugen H1, mit dem das Geschäftsessen verabredet gewesen sein soll, in entscheidungserheblicher Weise differieren. So hat die Klägerin zunächst gegenüber der Polizei angegeben, dass der Versicherte an dem fraglichen Abend die Privatwohnung (T1, R1) um 18:30 Uhr verlassen hat. Dieser Zeitpunkt ist auch der Sterbeurkunde, einer öffentlichen Urkunde, zu entnehmen. Demgegenüber hat der Zeuge H1 bei seinen schriftlichen Erstangaben gegenüber der Beklagten bekundet, dass das Geschäftsessen um 18:30 Uhr in der Gaststätte „P3 (
K3, M2) vereinbart gewesen sei, diesen Zeitpunkt hat er bei seiner gerichtlichen Vernehmung nochmals wiederholt. Diesen Zeitpunkt hat die Klägerin im Übrigen selbst in ihrer Klagebegründung angegeben. Das zugrunde gelegt, konnte der Versicherte die Gaststätte zum vom Zeugen H1 angegebenen Zeitpunkt nicht annähernd erreichen, nachdem zwischen der Privatwohnung und der Gaststätte eine Entfernung von rund 60 km besteht. Vielmehr ist realistisch von einer Fahrtzeit von mindestens einer Stunde auszugehen, wie sie auch der im Parallelverfahren zur Akte gelangte Ausdruck aus dem Routenplaner ausweist. In diesem Sinne hat der Zeuge H1 bei seiner Vernehmung selbst darauf hingewiesen, dass der Versicherte eine nicht unerhebliche Wegstrecke zurückzulegen hatte. Nachdem durch die Anrufe des Zeugen H1beim Versicherten dokumentiert ist, dass diese über funktionierende Kommunikationsmöglichkeiten verfügten, wäre schon bei einem rein geschäftlichen Termin, erst Recht aber bei einem Termin mit einem guten Bekannten, der der Zeuge H1 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den Versicherten gewesen ist, zu erwarten, dass eine Information über die doch deutliche Verspätung erfolgt, was nicht geschah. Tatsache ist nämlich, dass der Versicherte zum angeblich verabredeten Zeitpunkt erst seine Privatwohnung verlassen hat, also erst deutlich verspätet hätte am vereinbarten Treffpunkt eintreffen können.

Diese Ungereimtheiten werden weiter darin deutlich, dass die Klägerin gegenüber der Polizei angegeben hat, dass der Versicherte zu einem Freund gefahren sei, dort habe übernachten wollen und vereinbart gewesen sei, dass er erst am Folgetag nach dem Frühstück zurückkehre. Aus diesen noch unbeeinflussten Erstangaben wird daher ein – auch zeitlich – gefestigter Plan ersichtlich und nicht nur eine vage Absicht, wie es die Klägerin nunmehr in ihrer Vernehmung im Parallelverfahren darzustellen versucht. Dass die Klägerin nach ihren Erstangaben nicht mehr mit einer Rückkehr des Versicherten vor dem nächsten Morgen gerechnet hat, plausibilisiert, weshalb sie ihn an dem Abend nicht vermisst hat. Dafür, dass den Versicherten an dem Abend noch eine WhatsApp-Nachricht erreicht hätte, wie die Klägerin nunmehr behauptet, ergeben sich aus den Feststellungen der Polizei keine Anhaltpunkte. Wie überzeugend es ist, dass die Klägerin angibt, deshalb beruhigt gewesen zu sein, weil sie keine Antwort auf die Nachricht erhalten hat, lässt der Senat dahinstehen.

Für einen solchen konkreten Übernachtungsplan des Versicherten sprechen tatsächliche Momente, nämlich die beiden Reisetaschen im Kofferraum, die – nach dem Bericht der Polizei – Bettwäsche, Wechselkleidung und einen Kulturbeutel enthielten. Dass sich diese Taschen nicht nur zufällig im Fahrzeug befunden haben, sondern für diese Fahrt gepackt wurden, wird dadurch untermauert, dass sich auch das Tablet des Versicherten, das vom Arbeitgeber gestellt war, in einer der Taschen befand. Selbst wenn der Versicherte, wie im Parallelverfahren angegeben wurde, immer auf alles vorbereitet gewesen sein mag, spricht das Verstauen des Tablets in einer der Taschen deutlich dagegen, dass diese sich nur zufällig im Kofferraum befanden.

Weiter ist das mobile Navigationsgerät im Fahrzeug des Versicherten nicht auf die Adresse des Gasthofs programmiert gewesen, sondern vielmehr auf die Anschrift, M3 die knapp zwei Kilometer von der Gaststätte entfernt liegt, sich aber in unmittelbarer Nähe zu der Wohnanschrift des Zeugen H1 befindet. Dadurch allein, dass der Versicherte somit einen anderen als den direkten Weg zu Gaststätte gewählt hat, erlischt der Versicherungsschutz zwar nicht. Denn grundsätzlich umfasst der Schutzbereich der Wegeunfallversicherung auch Abweichungen von der optimalen Streckenführung (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 12/12 R –, juris, Rz. 20), da das Kriterium der Unmittelbarkeit dem Versicherten bei der Routenwahl breite Spielräume gewährt, die individuellen Überlegungen, Vorlieben, Neigungen und Gewohnheiten Raum lassen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 16/20 R –, juris, Rz. 15). Dass, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht jede beliebe Strecke gewählt werden kann, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Zu würdigen hat der Senat jedoch, dass die gewählte Strecke unmittelbar zu dem im Navigationsgerät programmierten Ziel führt. Dies spricht dagegen, dass primäres Fahrtziel die Gaststätte gewesen ist und passt zu den Erstangaben der Klägerin, dass der Versicherte bei einem Freund übernachten wollte. Soweit die Klägerin zur Berufungserwiderung meint, der Versicherte haben einen Umweg genommen, um die Notdurft verrichten zu können, fehlt es hierfür an jeglichen Anhaltspunkten, zumal sie selbst einräumt, dass das Verrichten der Notdurft nicht bewiesen ist. Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die Annahme eines Geschäftsessens nicht schon daran scheitert, dass zu dem Geschäftspartner ein freundschaftlicher Kontakt bestanden haben kann.

Dass der Zeuge H1 angegeben hat, der Versicherte habe noch nie bei ihm übernachtet, dies an dem Abend nicht vorgehabt und ihn auch noch nie zu Hause abgeholt, ändert weder etwas an dem programmierten Ziel noch an dem Umstand, dass sich der Versicherte auf dem direkten Weg zu dem programmierten Ziel befunden hat. Die Zeitangaben des Zeugen H1 stehen einem verabredeten Treffen an der Privatanschrift nicht entgegen. Dieser hat nämlich bekundet, ungefähr eine halbe Stunde gewartet zu haben und dann nach Hause zurückgekehrt zu sein, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Versicherte die Gaststätte noch nicht erreicht haben konnte. Unabhängig davon, dass der Zeuge nicht mehr mit Sicherheit wusste, ob er an dem Abend in der Gaststätte überhaupt ein Bier getrunken hat, wäre ein Verlassen der Gaststätte um 19:16 Uhr, dem Zeitpunkt als in der Gaststätte ein einzelnes Bier bezahlt wurde, unter Berücksichtigung der Fahrtzeit des Versicherten mit einer Verabredung an der Wohnanschrift nicht unvereinbar.

Wenn die Klägerin nunmehr behauptet, dass der Versicherte die Privatwohnung schon gegen 18:00 Uhr verlassen habe, stehen dieses Vorbringen im Widerspruch zu den Erstangaben und dem, was in der Sterbeurkunde dokumentiert sind. Dessen ungeachtet ist auch bei einem Verlassen der Privatwohnung um 18:00 Uhr ein Erreichen des Treffpunkts in gut 60 km Entfernung bei einer auch über Landstraßen führenden Strecke nicht realistisch und wäre eine telefonische Information des Geschäftspartners zu erwarten gewesen, die aber tatsächlich nicht erfolgt ist. Das ist der Handyauswertung zu entnehmen.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Parallelverfahren angegeben hat, dass der Versicherte vor seiner Abfahrt noch ein langes Telefonat mit dem Vorgesetzten geführt hat, erschließt sich dies vor dem Hintergrund nicht, dass die Arbeitgeberin in der Unfallanzeige vom 28. Oktober 2021 – somit sechs Tage nach dem Auffinden des Versicherten und drei Tage nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens (25. Oktober 2021) – nur rudimentäre Angaben machen konnte und darauf verwiesen, hat, dass mehr noch nicht bekannt sei. Wenn tatsächlich ausführliche Absprachen im Hinblick auf das vorbestehende Geschäftsessen getroffen worden wären, wie die Klägerin nunmehr glauben machen will, wären sofort detaillierte Angaben zu erwarten gewesen.

Die Ausführungen der Beklagten dahingehend, dass sich der Unfall erst nach dem Geschäftsessen auf dem Rückweg ereignet haben könne, gehen fehl. In diesem Fall hätte das Geschäftsessen bereits stattgefunden haben müssen, was ausgeschlossen werden kann, nachdem keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zeuge H1 den Versicherten an dem Abend tatsächlich getroffen hat. Soweit die Terminsvertreterin der Beklagten – ausweislich des (internen) Terminsberichtes – dem SG darin zugestimmt zu haben scheint, dass es sich um einen grundsätzlich versicherten Betriebsweg handelte, geht hiervon schon deshalb keine Bindungswirkung aus, da nur ein Anspruch einem Anerkenntnis zugänglich ist, aber keine Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs.

Nichts Anderes folgt daraus, wenn der Senat zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass der Versicherte seine Privatwohnung tatsächlich verlassen hat, um mit seinem Pkw zu einem Geschäftsessen zu fahren. Denn auch dann hätte sich der Versicherte zum Zeitpunkt des von außen einwirkenden Ereignisses nicht auf diesem – unterstellten – versicherten Weg befunden.

„Weg“ ist die Strecke zwischen einem Start- und einem Zielpunkt. Bei allen (Rück-)Wegen setzt § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nur den Ort der versicherten Tätigkeit als Startpunkt fest, lässt aber das Ziel offen. Daher ist in jedem Einzelfall festzustellen, welches individuelle Ziel der Versicherte ansteuerte, als er verunglückte. Zwischen dem gesetzlich festgelegten Startpunkt und dem ermittelten Zielpunkt ist nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also das „Sichfortbewegen“ bzw. „Unterwegssein“ auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den Zielort zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2023 – B 2 U 3/21 R –, juris, Rz. 20).

Startpunkt wäre folglich die Privatwohnung des Versicherten in R1, Zielpunkt die Gaststätte P2 gewesen und der versicherte Weg die mit dem Pkw zwischen diesen beiden Orten zurückgelegte Strecke. Zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses hatte der Versicherte indessen seinen Pkw an einem Waldweg abgestellt und diesen verlassen. Es bestehen daher keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Zeitpunkt die maßgebliche subjektive Handlungstendenz des Versicherten darauf gerichtet gewesen ist, den Zielort zu erreichen. Ein „Sichfortbewegen“ in Richtung des Zielortes hat gerade nicht bestanden, vielmehr hatte der Versicherte die Fahrt unterbrochen und war aus seinem Fahrzeug ausgestiegen. Die Handlungstendenz als innere Tatsache muss aber aufgrund objektiver Umstände des Einzelfalls im Vollbeweis feststehen. Dabei ist nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, wobei die Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände dahingehend, ob die anspruchsbegründenden Tatsachen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, zu würdigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R –, juris, Rz. 25 f.).

Weshalb der Versicherte sein Fahrzeug abgestellt und verlassen hat, ist bislang lediglich spekuliert worden und bleibt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass betriebliche Gründe, besondere Umstände des Straßenverkehrs oder der technische Zustand des Fahrzeugs hierfür ursächlich waren, bestehen nicht. Eine anhand objektiver Umstände nach außen erkennbare subjektive Handlungstendenz auf die Verrichtung einer betriebsbezogenen Tätigkeit liegt damit nicht vor. Eine Eigentümlichkeit des Sachverhaltes, die in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein kann, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen, besteht nicht. Nur in derartigen Fällen können schon wenige tatsächliche Anhaltspunkte ausreichen, um von einem bestimmten Geschehensablauf auszugehen oder von einer bestimmten Tatsache überzeugt zu sein. Das bezieht sich aber nur auf die zu würdigenden Tatsachen und schließt nicht die Befugnis ein, das Beweismaß zu verringern. Nach den Grundsätzen der Beweiswürdigung sind typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalls ergeben, im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Allgemeine Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes widersprechen dem in § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 25/03 R –, juris, Rz. 17).

Die Nichterweislichkeit der auf die Zurücklegung eines versicherten Weges gerichteten Handlungstendenz des Versicherten geht nach den allgemeinen Grundsätzen der materiellen Beweislast grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der hieraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Für die den Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII begründenden Umstände und damit auch für den sachlichen Zusammenhang des zurückgelegten Weges trifft die Klägerin die Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R –, juris, Rz. 30).

Zu keinem anderen Ergebnis führt es, wenn der Senat wie das SG weiter unterstellt, der Versicherte könnte angehalten haben, um seine Notdurft zu verrichten.

Im Grundsatz ist nämlich davon auszugehen, dass bei der Benutzung eines Fahrzeugs die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums deutlich wird. Sie prägt das Verhalten des Versicherten vielmehr schon dann, wenn er durch das vollständige Abbremsen des Fahrzeugs nach außen dokumentiert, dass er sich auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R –, juris, Rz. 14). An der einschränkenden Rechtsprechung, dass die Unterbrechung erst beginnt, wenn der öffentliche Verkehrsraum verlassen wird, wobei in der Vergangenheit aus Gründen der Rechtsklarheit und Verwaltungspraktikabilität die Einbeziehung bestimmter im privaten Bereich wurzelnder Unfallrisiken in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Kauf genommen wurde, ist nicht festgehalten worden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 12/12 R –, juris, Rz.18). Danach endete der Versicherungsschutz des Verunfallten spätestens mit dem Verlassen der Fahrbahn in den Waldweg.
Selbst wenn berücksichtigt wird, dass der Weg zur Verrichtung der Notdurft ebenso unter Versicherungsschutz steht, wenn der Versicherte aus betrieblichen Gründen gezwungen ist, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies im häuslichen Bereich getan hätte (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 RU 5/89 – juris Rz. 15), spricht das zwar dafür, dass der Versicherungsschutz nicht schon mit dem Abbremsen oder dem Verlassen der Fahrbahn unterbrochen worden ist. Ein über das Verlassen des Fahrzeugs hinausgehender Versicherungsschutz lässt sich aber deshalb nicht begründen, da das Verrichten der Notdurft selbst eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit darstellt.

Das Verlassen des Fahrzeuges stellt vorliegend somit den letzten nachvollziehbaren Anknüpfungspunkt für eine versicherte Tätigkeit dar. Denn es wäre rein spekulativ, davon auszugehen, dass noch ein relevanter Weg zwischen dem Fahrzeug und dem Ort des Verrichtens der Notdurft zurückzulegen gewesen wäre. Eine solche Überlegung mag beim Aufsuchen einer Toilettenanlage oder eines sonst bestimmbaren Ortes (zum Überschreiten von Bahngleisen vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 1977 – 8 RU 8/77 –, juris, Rz. 15) in Betracht kommen, nicht aber auf einem Waldweg. Ebenso wie nach der Rechtsprechung beim Aufsuchen einer Toilettenanlage der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentüre endet (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2015 – L 6 U 526/13 –, juris, Rz. 46; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. April 2020 – L 10 U 2537/18 –, juris, Rz. 31), kann vorliegend aufgrund anderer tatsächlicher Anhaltspunkte auf nichts anderes als das Verlassen des Pkw abgestellt werden. Selbst wenn danach von einem Anhalten zum Verrichten der Notdurft ausgegangen wird, ist nicht belegt, wie weit sich der Versicherte hierzu von seinem Fahrzeug entfernt hatte. Die Erwägungen des SG zu einer vermeintlichen Dringlichkeit des Anhaltens – für die es an objektiven Anhaltpunkten ebenso fehlt – sprechen gegen einen relevanten Weg.

Ohnehin basiert die Annahme der Polizei, der Versicherte habe angehalten, um seine Notdurft zu verrichten, einzig auf dem Umstand, dass seine Hose geöffnet gewesen ist. Wie ein vermutetes Verrichten der Notdurft damit ein Einklang zu bringen sein soll, dass der Versicherte mit seinem Fahrzeugschlüssel in der rechten Hand aufgefunden worden ist, ergibt sich aus dem Bericht nicht.

Im Übrigen hat die Polizei vor Ort keinerlei konkrete Feststellungen dazu getroffen, wo das Fahrzeug möglicherweise abgestellt worden ist, über welche Strecke es möglicherweise zurückgerollt ist und ob und wenn ja, welche Fußspuren sich zwischen der Straße und dem Fahrzeug befunden haben. Dass ein Rollweg ersichtlich gewesen ist, erklärt sich zwanglos damit, dass das Fahrzeug an die Auffindeposition gelangt sein muss, gibt aber keinen Hinweis darauf, wo es zunächst abgestellt wurde und über welche Strecke es selbstständig gerollt ist, wie von der Polizei vermutet. Stattdessen spricht der Umstand, dass nach der Feststellung von Leichenflecken an der Hand des Versicherten in dessen Fahrzeug nach einem Wagenheber gesucht wurde, um Erste-Hilfe-Maßnahmen leisten zu können, deutlich dafür, dass der Spurenlage und deren Sicherung vor Ort nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen worden ist. So konnte sich der Polizeibeamte nicht einmal daran erinnern, ob das Fahrzeug verriegelt gewesen ist, oder von ihm, nachdem er den Fahrzeugschlüssel an sich genommen hatte, entriegelt wurde. Dass der Versicherte allein durch das zurückrollende Fahrzeug zu Fall kam, stellt ebenfalls eine bloße Vermutung der Polizei dar. Die ärztlichen Untersuchungen, die schon nicht vor Ort durchgeführt wurden, sondern in einem Bestattungsunternehmen, haben sich darauf beschränkt, als letztliche Todesursache ein Ersticken anzunehmen, weitere Feststellungen zum Gesundheitszustand des Versicherten finden sich nicht.

Soweit das SG darauf hinweist, dass der Versicherte das Verrichten der Notdurft bereits beendet gehabt habe müsse, da keine Einnässung beschrieben sei, überzeugt das nicht. Zum einen ist dem Polizeibericht nur zu entnehmen, dass Reifenspuren an der Kleidung erkennbar gewesen sind, aber keine weiteren Angaben zum Zustand der Kleidung gemacht wurden. Zum anderen spricht viel dafür, dass der Leichnam Ende Oktober über Nacht auf dem Waldboden gelegen hat, sodass schon deshalb verlässliche Angaben zum Durchfeuchtungszustand der Kleidung nicht zu erwarten stehen. Es kann deshalb dahinstehen, mit welchem Austritt von Körperflüssigkeiten mit Eintritt des Todes zu rechnen ist.

Letztlich hat der Versicherungsschutz zur Überzeugung des Senats nicht wieder eingesetzt. Dazu müsste die eigenwirtschaftliche Tätigkeit erkennbar beendet sein, der öffentliche Verkehrsraum erreicht und der ursprüngliche Weg mit der subjektiven Handlungstendenz wieder aufgenommen worden sein. Im Hinblick auf Fahrten des Individualverkehrs, z. B. mit Kraftfahrzeugen, liegt die das Ende der Unterbrechung und die Wiederbegründung des Versicherungsschutzes markierende Handlung darin, dass die unterbrochene Fahrt nach außen hin erkennbar fortgesetzt wird, wobei die Rechtsprechung bislang offen gelassen hat, ob dies bereits beim Einsteigen in das geparkte Fahrzeug, im Starten des Motors, im Losfahren oder erst im Einfädeln in den fließenden Verkehr zu sehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 16/20 R –, juris, Rz. 23 f.). Auf diese Unterscheidung kommt es vorliegend deshalb nicht an, da sich der Versicherte noch außerhalb seines Fahrzeuges befunden hat, sodass ein nach außen erkennbares Fortsetzen der Fahrt somit nicht gegeben ist.

Eine besondere Betriebsgefahr hat, entgegen der Auffassung der Klägerin, ebenfalls nicht bestanden. Ob die Mitwirkung der Beschaffenheit der Unfallstelle an der Herbeiführung oder dem Ausmaß der Verletzung eine rechtlich wesentliche Mitursache für den Unfall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 1971 – 2 RU 200/69 –, juris, Rz. 20). Eine besondere Betriebsgefahr ist beispielsweise anzunehmen, wenn der grundsätzlich versicherte Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz verbleibt, dort frühstückt und durch die Explosion eines Kessels geschädigt wird. Die Begründung hierfür folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, die Beschäftigten gegen die Gefahren des Betriebes zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung dort ausgesetzt sind und die Unternehmen von möglichen Schadenersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R –, juris, Rz. 25). Eine solche betriebliche Gefahr ist durch den Pkw, bei dem es sich nicht einmal um ein Firmenfahrzeug, sondern das Privatfahrzeug des Versicherten handelte, nicht begründet worden. Dass der Pkw aufgrund einer mangelnden Sicherung ins Rollen gekommen ist und den Versicherten bei dem Versuch, das Fahrzeug aufzuhalten, erfasst hat, stellt im Übrigen schon nur eine Mutmaßung der Polizei dar, die nicht durch die Sicherung entsprechender Spuren untermauert worden ist. Letztlich herrschten auf dem Waldweg keine festgestellten besonderen Betriebsgefahren, vor denen die Unfallversicherung den Versicherten schützen soll.

Auch wenn es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt, lassen sich aus der Lichtbilddokumentation keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Pkw ohne das – vermutete – Einschreiten des Versicherten beschädigt oder in seiner Fahrtauglichkeit beeinträchtigt worden wäre. Wie und weshalb der Versicherte unter das Fahrzeug geraten ist, bleibt nämlich nach dem Polizeibericht offen. Grundlage der polizeilichen Vermutungen zum tatsächlichen Geschehen sind lediglich Wischspuren am Fahrzeug gewesen, ohne zu klären, ob diese von dem Versicherten stammen.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in beiden Instanzen.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Der Senat hat das Bestehen von Versicherungsschutz schon aus tatsächlichen Gründen verneint, auf die vom 1. Senat aufgeworfenen Rechtsfragen kam es vorliegend somit nicht an.


 

Rechtskraft
Aus
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