L 15 U 179/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 337/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 179/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 100/23 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2021 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Streitig sind Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente.

 

Der 0000 geborene Kläger war seit 01.10.2016 als Elektriker bei der W. GmbH in H. beschäftigt. Am 14.12.2016 stellte er sich bei dem Durchgangsarzt S. vor und gab ausweislich seiner im Durchgangsarztbericht vom 14.12.2016 festgehaltenen Hergangsschilderung an, an diesem Tag eine Lampe während des Stromflusses geprüft zu haben. Hierbei sei ihm die Lampe aus der Hand gefallen und es sei zu einem Stromschlag gekommen. Bis auf ein leichtes Taubheitsgefühl am linken Oberarm konnten keine pathologischen Befunde, insbesondere keine Stromeintritts- oder –austrittsmarken oder eine Verbrennung festgestellt werden. Der Kläger wurde als arbeitsfähig beurteilt. In seiner Unfallanzeige vom 29.12.2016 gab die Arbeitgeberin an, der Kläger habe bei Verdrahtungsarbeiten an einer Leuchtstoffröhre ein Bauteil (Plastikabdeckung, nicht leitend) gelöst, um dort Messungen durchzuführen. Er sei ins Schwanken gekommen und habe sich an der Plastikabdeckung festgehalten, um nicht von der Leiter zu fallen. Diese sei durch das hohe Gewicht abgerissen und der Kläger sei von der Leiter auf den Boden gefallen. Unter seinem Gewicht hätten sich neben der Plastikabdeckung auch zwei Kabel, auf denen Spannung gelegen habe, gelöst. Diese hätten zeitweise seinen linken Oberarm berührt und der Kläger habe einen kurzen Stromschlag erlitten. Durch den Aufprall auf den Boden habe er sich einen blauen Fleck und eine leichte Prellung am Arm zugezogen. Der Kläger habe die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Am 30.12.2016 stellte der Kläger sich im P. Klinikum A. in der Sprechstunde für Handchirurgie und Plastische Chirurgie vor. Dort wurde eine Bewegungseinschränkung des linken Arms bei Verdacht auf Ulnarisläsion nach Stromunfall vom 14.12.2016 diagnostiziert. In dem Bericht des P. Klinikums vom 09.01.2017 ist vermerkt, der Kläger und seine ebenfalls anwesende Ehefrau hätten angegeben, dass der Kläger seit dem Unfall wesensverändert sei. Er habe Angst vor Steckdosen und würde seiner Familie den Gebrauch von Steckdosen verbieten. Auch würde er über das Unfallereignis immer wieder nachgrübeln. Von handchirurgischer Seite bestehe aktuell kein Handlungsbedarf. Mit dem Kläger sei ein Termin in der Neurologischen Klinik für den 09.01.2017 vereinbart worden. Über die neurologische Untersuchung am 09.01.2017 berichtete Frau Q., Chefärztin der Klinik für Neurologie und Psychotraumatologie des P. Klinikums A., in ihrem Bericht vom 24.01.2017. Beim Kläger liege ein Zustand nach Stromunfall am 14.12.2016 mit persistierenden Armschmerzen und Angabe einer Hypästhesie ohne Anhalt für eine Nerven- oder Plexusläsion vor. Die Sensibilitätsstörungen könnten organpathologisch nicht zugeordnet werden. Auf elektrophysiologische Untersuchungen sei verzichtet worden, da der Kläger dies aus Furcht vor Strom ausdrücklich nicht gewünscht habe. Bei Persistenz der geklagten Ängste vor Elektrizität und Strom sei eine psychologische Exploration sinnvoll. Die Dipl.-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin F., in deren Behandlung der Kläger sich anschließend begab, nannte in ihrem Erstbericht vom 10.02.2017 als vorläufige Diagnosen eine Anpassungsstörung und eine spezifische Phobie. In ihrem Abschlussbericht vom 20.03.2017 vermerkte sie, dass dem bisherigen Eindruck zufolge eine psychische Störung von Krankheitswert auszuschließen sei. Der klinische Eindruck stimme nicht mit den geschilderten Beschwerden und Problemen überein. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit als Elektriker weiterhin nachgehen könne.

 

Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie O. diagnostizierte aufgrund einer Vorstellung des Klägers am 24.03.2017 eine depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine spezifische Phobie sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung. Der Durchgangsarzt Priv.-Doz. C. nahm aufgrund der vom Kläger bei der Nachuntersuchung am 14.03.2017 berichteten Schmerzen mit Bewegungseinschränkung der linken Schulter eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.03.2017 an (Durchgangsarztbericht vom 07.04.2017).

 

Mit Bescheid vom 29.03.2017 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 14.12.2016 als Versicherungsfall sowie unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vom 14.12.2016 bis zum 23.03.2017 und unfallbedingte psychotherapeutische Behandlungsbedürftigkeit zunächst bis zum 16.03.2017 an. Als Unfallfolgen wurden eine folgenlos verheilte Prellung des Oberarms sowie ein folgenlos verheilter Schock anerkannt. Als Unfallfolgen nicht anerkannt wurden subjektive psychische Beschwerden unklarer Genese. Die Beklagte führte aus, durch ein psychologisches Zusammenhangsgutachten des psychologischen Psychotherapeuten T. solle geprüft werden, ob sich die Notwendigkeit einer weiteren unfallbedingten Behandlung ergebe. Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zum 24.03.2017 sei unabhängig von dieser Begutachtung bereits jetzt zu treffen.

 

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Unfallschilderung seitens der W. GmbH nicht richtig sei. Er sei zu keinem Zeitpunkt auf der Leiter ins Straucheln gekommen und habe sich auch an keiner Lampe festgehalten. Auch sei er zu keinem Zeitpunkt von der Leiter gefallen und zu Boden gestürzt. Auch sei nicht richtig, dass er erstmals in der P. Klinik in A. über psychische Probleme berichtet habe. Die ersten psychischen Probleme seien von Priv.-Doz. C. im J. in H. dokumentiert worden. Aufgrund der psychischen Probleme und der unklaren Anamnese an seinem linken Arm sei er dann von Priv.-Doz. C. in der P. Klinik in A. vorgestellt worden. Die Behandlung durch die Dipl.-Psychologin F. sei abgebrochen worden, weil sie beim dritten Kontakt mitgeteilt habe, dass sie ihn nur weiter therapieren könne, wenn seine Ehefrau nicht mehr mit anwesend sei. Dies sei ihm aber seinerzeit noch nicht möglich gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie blieb dabei, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 23.03.2017 hinaus nicht vorliege und daher keine Zahlung von Verletztengeld ab 24.03.2017 erfolgen könne.

 

Auf Veranlassung der Beklagten untersuchte der Dipl.-Psychologe und psychologische Psychotherapeut T. den Kläger am 02.05.2017. In seinem Gutachten vom 16.05.2017 kam er zu dem Ergebnis, bei dem Kläger lägen keine behandlungsrelevanten psychischen Unfallfolgen vor. Diese hätten auch nicht vorgelegen. Der Unfall an sich sei nicht in der Lage gewesen, bei dem Kläger eine primäre und sekundäre psychische Unfallfolge auszulösen. Diagnostisch gehe er bei dem Kläger eher von der Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Hintergründen aus. Die Hintergründe für die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen lägen in der Persönlichkeitsstruktur und frühkindlichen Entwicklung des Klägers. Der Kläger sei in einer familiären Atmosphäre aufgewachsen, wo er kaum Zuwendung, Liebe und Anerkennung bekommen habe. Insbesondere die fehlende Zuwendung scheine aufgrund des erlebten Bagatellunfalls erneut reaktiviert worden zu sein. Er habe sich von dem Meister und anschließend von dem behandelnden Arzt mit seinem Leid nicht wertgeschätzt, nicht wahrgenommen und ungerecht behandelt gefühlt. Dies habe sowohl währenddessen als auch sekundär zu einer starken Kränkung und Frustration geführt, worauf der Kläger mit dysfunktionalen Verhaltensmustern, welche er durch die traumatischen Hintergründe in der Kernfamilie entwickelt habe, reagiert habe. Diese würden auch durch die Ehefrau aktuell verstärkt. Inwieweit diesbezüglich eine Therapiebedürftigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung oder der gesetzlichen Rentenversicherung vorliege, sei in der aktuellen Untersuchung nicht zu differenzieren gewesen, da der Kläger enorm zur Simulation neige. Die Beschwerden und Angaben würden sehr dramatisierend dargestellt. Bis auf die subjektiven Angaben des Klägers seien keine von der behandelnden Psychiaterin R. diagnostizierten Störungen im Rahmen seiner Untersuchung eruierbar gewesen. Eine Auffälligkeit auf Persönlichkeitsebene sei nicht zu übersehen. Dementsprechend sei die Unfallverarbeitung des Klägers sehr pathologisch. Wenn den aktuell angegebenen Beschwerden Glauben geschenkt werde, sei wiederum ein Unfallzusammenhang nicht gegeben. Die wesentliche Ursache liege in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers. Eine unfallbedingte Therapiebedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit hätten auf psychischer Ebene zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

 

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.2017 einen Rentenanspruch mit der Begründung ab, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs nicht gemindert sei. Es lägen keine Unfallfolgen vor, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in messbarem oder rentenberechtigendem Grade rechtfertigten. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2017 als unbegründet zurück.

 

Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 29.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2017 am 13.06.2017 und gegen den Bescheid vom 13.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2017 am 20.09.2017 jeweils Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Das Sozialgericht hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

 

Der Kläger hat vorgetragen, er habe ein psychisches Trauma erlitten. Demzufolge sei auch ein Schock als Unfallfolge anerkannt worden. Das psychische Trauma äußere sich in einer großen Angst vor Strom, so dass es ihm unmöglich sei, seinen Beruf als Elektriker auszuüben. Er könne weder einen Stecker in eine Steckdose stecken noch einen Lichtschalter benutzen. Die ungewöhnliche Verarbeitung eines Stromschlages, der überdies auch schwer gewesen sein könne, schließe die mittelbare Folge einer rentenberechtigenden Rente nun gerade nicht aus. Es habe einen Krankheitswert, wenn ein Elektriker nach einem Stromschlag sich nicht mehr traue, seinen Beruf auszuüben. Daraus resultiere überdies eine erhebliche MdE. Auch bestehe eine besondere berufliche Betroffenheit. Das von Herrn T. erstattete Gutachten enthalte Fehler und Unwahrheiten. In einem von dem Kläger unterschriebenen Schreiben heißt es, bei der Begutachtung sei nicht gesagt worden, dass sein Vater ihn geschlagen habe und seine Eltern geschieden seien.  Dies entspreche auch nicht der Realität. Seine Eltern seien bis zum heutigen Tage verheiratet. Seine Ehefrau sei bei dem Gespräch mit Herrn T. dabei gewesen und habe das komplette Gespräch auf Video aufgenommen. Dadurch könnten auch die falschen Angaben in dem Gutachten bewiesen werden.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2017 sowie des Bescheides vom 13.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2017 zu verurteilen, ihm zunächst Verletztengeld über den 23.03.2017 hinaus sowie nach dessen Ende Rente nach einer MdE nach mindestens 20 v. H. zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klagen abzuweisen.

 

Sie ist unter Vorlage einer ergänzenden Stellungnahme des Dipl.-Psychologen T. vom 06.03.2018 auf ihrem Standpunkt verblieben. Dieser führt darin aus, dass bezüglich der Behauptung des Klägers, sein Vater habe ihn geschlagen, keinerlei Aussage in seinem Gutachten vorliege. Hier werde nur darauf hingewiesen, dass auf seine Frage, ob der Vater gewalttätig gewesen sei, der Kläger nicht habe antworten wollen. Bezüglich der elterlichen Situation und seiner Aussage, dass aufgrund der Alkoholproblematik es zur Scheidung gekommen sei, sei er seine Handnotizen durchgegangen. Hier habe der Kläger recht. Handschriftlich sei vermerkt, dass es zu keiner Scheidung gekommen sei. Der vorliegende Schreibfehler im Gutachten ändere aber an der einschätzenden Beurteilung bzw. der gutachterlichen Einschätzung nichts. Unter dem Punkt „Diskussion und Stellungnahme“ habe er weder ein Gewalterlebnis in der Kindheit noch die Scheidung der Eltern als Argument für die zugrunde liegende Störung angegeben. Eine Scheidung würde aufgrund der Alkohol- problematik des Vaters eher zu einer psychischen Entlastung des Klägers geführt haben. Dass das laufende Gespräch von der Ehefrau aufgenommen worden sei, sei ihm nicht bekannt gewesen. Diesbezüglich werde er gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau rechtliche Schritte in die Wege leiten, dass ohne seine Erlaubnis das gutachterliche Explorationsgespräch auf Video aufgenommen worden sei.

 

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte von R. und dem P. Klinikum A. eingeholt und anschließend die Dipl.-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin N. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 27.07.2019 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 16.08.2019 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger eine generalisierte Angststörung, eine spezifische Phobie vor Strom sowie eine mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen vor dem Hintergrund einer abhängigen (asthenischen) Persönlichkeitsstörung vorlägen. Die Diagnose einer PTBS könne nicht gestellt werden. Der Unfall sei als zufälliger Auslöser der aktuell noch vorhandenen psychischen Störungen anzusehen. Die ersten nachvollziehbaren Reaktionen auf das Geschehen seien Angst und eine akute Belastungsreaktion gewesen. Dabei habe neben dem Unfall selbst auch die Reaktion des Vorarbeiters eine entscheidende Rolle gespielt, die von dem Kläger bei der Schilderung des Unfallgeschehens immer wieder mit erwähnt worden sei. Diese Reaktionen hielten in der Regel nur kurze Zeit an. Nach ICD 10 klinge eine akute Belastungsreaktion nach Stunden oder Tagen ab. Die Symptomatik sei in der Folge dann aber durch massives Vermeidungsverhalten aufrechterhalten worden, das negativ und positiv verstärkt worden sei. Diese Symptomatik habe ihm auch ermöglicht, in seine Familie zurückzukehren, ohne sich den Anforderungen der Betreuung der Kinder stellen zu müssen und stattdessen selbst von der Ehefrau versorgt zu werden. Außerdem sei er von der wohl aversiv erlebten beruflichen Situation befreit worden. Auf diese Weise habe der Unfall mit seinen psychischen Folgen eine Lösung in einer kritischen Lebenssituation dargestellt und zu einem Zielkonflikt mit der Überwindung der Symptomatik geführt. Erreichte Ziele seien Schonung und Entlastung gewesen, die bis heute anhielten. Jede Veränderung habe der Kläger mit verstärkter Symptomatik verhindern können. Dadurch sei auch zu erklären, warum die psychotherapeutischen Bemühungen bisher ohne Erfolg geblieben seien. Da sich weder in der Exploration noch in der testpsychologischen Untersuchung Hinweise auf Simulation, Aggravation oder Verdeutlichung ergeben hätten, sei davon auszugehen, dass der Kläger den Zusammenhang seiner psychischen Störungen mit dem Unfall tatsächlich so erlebe. Es sei anzunehmen, dass im Verlauf schon früh ein dysfunktionales kognitives Schema entstanden sei, wonach der Kläger sich als Opfer des Unfallgeschehens erlebe. Das Schema sei subjektiv konsistent und selbstwertkonform und deshalb nur schwer veränderbar. Nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sei der Unfall nicht in der Lage, eine psychische Störung des vorliegenden Ausmaßes zu verursachen. Wesentlich für die aktuelle Symptomatik seien die Persönlichkeit des Klägers, Vermeidungsstrategien und Zielkonflikte. Der Unfall sei dabei lediglich eine zufällige Bedingung gewesen, die durch andere zufällige Bedingungen mit der gleichen Wirkung ersetzt werden könnten. Aus psychopathologischer Sicht habe aufgrund des Unfallereignisses keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Auch bestehe keine MdE aufgrund psychischer Unfallfolgen.

 

Der Kläger hat Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. Wegen seines Vorbringens im Einzelnen wird auf den am 01.10.2019 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz des Klägers Bezug genommen. Die Sachverständige N. hat sich hiermit in ihrer vom Sozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 07.12.2019 auseinandergesetzt und an ihrer Auffassung festgehalten.

 

Mit Urteil vom 16.03.2021 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

 

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 14.04.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.04.2021 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass er einen weitergehenden Anspruch auf Verletztengeld sowie einen Anspruch auf Rente wegen des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 14.12.2016 hat.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2021 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2017 sowie des Bescheides vom 13.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2017 zu verurteilen, ihm über den 23.03.2017 hinaus zunächst Verletztengeld und im Anschluss daran eine Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                                    die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Das Berufungsgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG Priv.-Doz. E. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt (Beweisanordnung vom 18.01.2022). Dieser hat mitgeteilt, dass der Kläger die Untersuchungstermine am 05.05. und 15.06.2022 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat. Nachdem der Kläger eine dieses Verhalten rechtfertigende Erklärung nicht binnen der vom Gericht gesetzten Frist vorgelegt hat, ist die Beweisanordnung vom 18.01.2022 aufgehoben worden (Beschluss vom 09.11.2022).

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet sind. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf die Gewährung von Verletztengeld und auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente.

 

Nach § 45 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte (1) in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und (2) unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch u. a. auf Arbeitsentgelt hatten.

 

Diese Voraussetzungen lagen über den 05.05.2017 – dem Tag, bis zu dem der Kläger Verletztengeld bezogen hat, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten an die M. vom 17.05.2017 ergibt – nicht mehr vor. Zugunsten des Klägers wurde keine Maßnahme der Heilbehandlung durchgeführt, die ihn an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit gehindert hätte. Der Kläger war auch nicht aufgrund eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter, dessen Beschäftigungsverhältnis – wie hier beim Kläger – fortbesteht, aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit weiterhin nachzugehen. Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (BSG Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 31/06 R, juris Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung ist danach zunächst das Vorliegen einer Krankheit im Rechtssinne (vgl. hierzu BSG Urteil vom 27.06.2017 – B 2 U 17/15 R, juris Rn. 21 ff.), die entweder als Gesundheitserstschaden wesentlich kausal auf das Unfallereignis oder (bei Berufskrankheiten) auf beruflich bedingte Einwirkungen zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität) oder als Gesundheitsfolgeschaden wesentlich kausal auf dem durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitserstschaden beruht (haftungsausfüllende Kausalität). Für die erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs (haftungsbegründende und/oder haftungsausfüllende Kausalität) zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten Gesundheitsstörungen gilt die Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R, juris Rn. 12 m. w. N.).

 

Diese Kausalitätsprüfung erfordert zunächst die Ermittlung der objektiven naturwissenschaftlichen Verursachung, bei der es darauf ankommt, ob die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder den Tod eine Wirkursache war (BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 2 U 19/11 RBSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § ( Nr. 46, Rn. 31 ff.; hierzu auch Ricke, WzS 2013, 241). Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen beantwortet werden (grundlegend BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rn. 55 ff.; BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 2 U 19/11 RBSGE 112, 177  SozR 4-2700 § 8 Nr. 46, Rn. 31 ff.). Dies schließt die Prüfung mit ein, ob ein Ereignis nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen und welche Vorerkrankungen/Schadensanlagen ggfls. bestanden haben, die nach den genannten wissenschaftlichen Kriterien ebenfalls geeignet sind, die geltend gemachte Gesundheitsstörung zu bewirken (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen Körper- oder einem psychischen Gesundheitsschaden und einem Unfall ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2003 – B 2 U 8/03 RSozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m. w. N.).

 

Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss sich auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellen. Kriterien zur Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache bei medizinischen Sachverhalten sind die versicherte Ursache als solche hinsichtlich Art und Stärke, einschließlich des zeitlichen Ablaufs, die konkurrierende (n) Ursache (n) hinsichtlich Art und Stärke, Krankheitsbild und Krankengeschichte, als auch die weitere Entwicklung und mögliche Vorgeschichte (siehe hierzu statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15 f. m. w. N.).

 

Weitere Voraussetzung für die Gewährung von Verletztengeld ist sodann, dass die durch den Versicherungsfall bedingte Gesundheitsstörung wesentlich kausal dazu führt, dass der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung krankheitsbedingt nicht ausüben kann.

Dabei gilt auch für diese jeweiligen ursächlichen Zusammenhänge die Theorie der wesentlichen Bedingung mit der Prüfung des naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs im ersten Schritt und der Prüfung in einem zweiten, wertenden Schritt, ob das versicherte Unfallereignis für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit wesentlich war (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 20.04.2015 – L 10 U 495/14, juris Rn. 35).

 

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt dabei, dass Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschäden, ebenso wie die Merkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung zur Zeit des Unfalls, Unfallereignis im Rahmen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII und im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB VII die krankheitsbedingte Unmöglichkeit, die zuletzt ausgeübte versicherte Tätigkeit wiederaufzunehmen, im Wege des Vollbeweises also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Dem gegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R, juris Rn. 16 m. w. N.).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger über den 05.05.207 hinaus nicht mehr infolge eines Versicherungsfalls, hier infolge des als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 14.12.2016 arbeitsunfähig.

 

Als Gesundheits(erst)schäden infolge des Ereignisses vom 14.12.2016 haben bei dem Kläger über die von der Beklagten mit Bescheid vom 29.03.2017 anerkannten Unfallfolgen in Gestalt einer folgenlos verheilten Prellung des Oberarms und eines folgenlos verheilten Schocks keine weiteren Gesundheitsstörungen mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vorgelegen. Die von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen waren am 06.05.2017 soweit abgeklungen, dass sie den Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr daran hinderten, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Elektriker auszuüben.

 

Aus chirurgischer Sicht hat B./P. Unfallklinik A. in seinem Bericht vom 24.02.2017 vermerkt, dass Arbeitsunfähigkeit noch für weitere drei Wochen zu rechtfertigen sei. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit ist sodann von Priv.-Doz. C. aufgrund der dortigen Vorstellung des Klägers am 14.03.2017 zunächst bis zum 31.03.2017 und am 28.03.2017 nochmals bis zum 07.04.2017 wegen der vom Kläger angegebenen Schmerzen mit Bewegungseinschränkung der linken Schulter bescheinigt worden. Weitere Bescheinigungen, die eine Arbeitsunfähigkeit auf chirurgischem Gebiet über den 07.04.2017 hinaus feststellen, liegen nicht vor, und es sind auch keine medizinischen Befunde aktenkundig dokumentiert, die Anlass geben könnten, auf chirurgischem Gebiet eine über den 05.05.2017 hinaus gehende Arbeitsunfähigkeit anzunehmen.

 

Der Kläger hat über den von der Beklagten als Unfallfolge anerkannten folgenlos verheilten Schock hinaus auch keine psychischen Unfallfolgen erlitten. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung von Leistungen aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Dazu ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der internationalen anerkannten Diagnosesysteme (z. B. ICD-10 oder DSM IV, nunmehr DSM V) erforderlich (BSG Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 22).

 

Der Senat folgt in Bezug auf die beim Kläger vorliegenden psychischen Gesundheitsstörungen der Sachverständigen N., die in ihrem Gutachten vom 27.07.2019 als Diagnosen nach ICD-10 eine generalisierte Angststörung (F41.1), eine spezifische Phobie vor Strom (F40.2), eine mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen (F32.1) vor dem Hintergrund einer abhängigen (asthenischen) Persönlichkeitsstörung (F60.7) beim Kläger festgestellt hat. Sie hat zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass die von ihr in Übereinstimmung mit der behandelnden Psychiaterin R. beschriebene Symptomatik die ICD-10-Kriterien für die von der Sachverständigen in Bezug auf die Depression und die Angststörungen benannten Diagnosen erfüllt und auch bezüglich der von ihr unter Hinweis auf das vom Kläger in der Untersuchungssituation gezeigte Verhalten in Bezug auf seine Ehefrau und seine brüchige berufliche Entwicklung diagnostizierte abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung die Kriterien nach ICD-10 F.60.7 gegeben sind. Die Sachverständige N. hat außerdem überzeugend dargelegt, weshalb die von der behandelnden Ärztin R. neben der Depression und den Angststörungen gestellte Diagnose einer PTBS nicht anzunehmen ist. Denn die Kriterien einer PTBS nach dem Diagnose Manual der ICD-10 und des DSM-V sind nicht erfüllt. Schon das Ereignis selbst reicht nach dem Diagnosemanual nicht aus, um eine PTBS zu verursachen.

 

Nach ICD-10 F43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Das DSM-V definiert das traumatische Ereignis als Konfrontation (in einer der dort näher beschriebenen Weisen) mit Tod, tödlicher Bedrohung, schwerer Verletzung, angedrohter schwerer Verletzung, sexueller Gewalt oder angedrohter sexueller Gewalt.

 

Ein Trauma im Sinne der vorgenannten Definitionen hat der Kläger nicht erlitten, wie die Sachverständige N. in Übereinstimmung mit dem Dipl.-Psych. und psychologischen Psychotherapeuten T., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, dargelegt hat. Sie hat zu Recht hervorgehoben, dass es sich bei dem Ereignis um einen leichten Stromunfall gehandelt hat, der in keiner Weise lebensbedrohlich gewesen ist. Auch die medizinischen Befunde direkt nach dem Ereignis sprechen ihren Ausführungen zufolge nicht für eine bedrohliche oder ernsthafte Verletzung.

 

Die von der Sachverständigen N. beim Kläger festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen beruhen weder als Gesundheitserstschaden wesentliche kausal auf dem Unfallereignis vom 14.12.2016 noch als Gesundheitsfolgeschaden wesentlich kausal auf dem durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitserstschaden. Denn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen ist nicht mit der notwendigen (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit gegeben, wie die Sachverständige überzeugend dargelegt hat.

Der Unfall ist ihren Ausführungen zufolge nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in der Lage, eine psychische Störung des beim Kläger vorliegenden Ausmaßes zu verursachen. Hierauf hatte auch schon der von der Beklagten eingeschaltete Dipl.-Psych. und psychologische Psychotherapeut T., der ebenfalls einen Ursachenzusammenhang zwischen der depressiven Episode und den Angststörungen und dem Ereignis vom 14.12.2016 verneint hat, hingewiesen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.05.2017 insoweit dargelegt, dass es sich um einen Bagatellunfall mit übersichtlichen Folgen gehandelt hat und der Kläger nach dem erlebten Stromschlag bei vollem Bewusstsein gezielt handeln konnte. Dies deckt sich mit der Einschätzung der Sachverständigen N., wonach es sich nur um einen leichten Unfall durch den Kontakt zu Strom ohne dokumentierte EKG-Veränderungen oder Verbrennungen gehandelt hat. Ihren Darlegungen zufolge ist es nachvollziehbar, dass der Kläger hierauf mit Angst und einer akuten Belastungsreaktion reagiert hat, wobei neben dem Unfall selbst aber auch die von dem Kläger bei der Schilderung des Geschehens immer wieder erwähnte Reaktion des Vorarbeiters eine entscheidende Rolle gespielt hat. Ein starkes Kränkungserleben durch die Reaktion des Vorarbeiters, von dem der Kläger sich nach dem Unfall nicht ernst genommen fühlte, ist auch schon von der erstbehandelnden Dipl.-Psych. F. beschrieben und von Herrn T. in seinem Gutachten vom 16.05.2017 hervorgehoben worden. Eine akute Belastungsreaktion klingt nach den Erläuterungen der Sachverständigen N. in der Regel nach Stunden oder Tagen ab. Der Kläger hat jedoch auch darüber hinaus auf den Unfall mit großer Angst und massivem Vermeidungsverhalten reagiert, was zu einer Aufrechterhaltung der psychischen Symptomatik und einer chronischen Entwicklung geführt hat. Dies ist – wie die Sachverständige N. dargelegt hat – aufgrund der Merkmale des Ereignisses aber nicht erklärbar. Der Sachverständigen N. zufolge sind Vermeidungsstrategien und Zielkonflikte vor dem Hintergrund der beim Kläger vorliegenden abhängigen Persönlichkeitsstörung die wesentlichen Gründe für die Aufrechterhaltung der psychischen Symptomatik, während der Unfall hierfür keine wesentliche Bedingung gewesen ist.

Die Sachverständige hat insoweit dargelegt, dass die Symptomatik nach Abklingen der akuten Belastungsreaktion durch massives Vermeidungsverhalten, das negativ und positiv verstärkt wurde, aufrechterhalten worden ist. Der Kläger äußerte bereits direkt nach dem Ereignis, dass er nicht mehr als Elektriker arbeiten könne, und vermied alles, was mit Strom zu tun hatte. Dies führte – so die Sachverständige – zu kurzfristiger Erleichterung, langfristig aber zur Aufrechterhaltung der Angstsymptomatik. Hinzu kam – wie die Sachverständige weiter ausgeführt hat –, dass die Symptomatik es dem Kläger ermöglichte, in seine Familie zurückzukehren, ohne sich den Anforderungen der Betreuung der Kinder stellen zu müssen und stattdessen selbst von der Ehefrau versorgt zu werden. Außerdem wurde er von der beruflichen Situation befreit. Wie die Sachverständige einleuchtend erläutert hat, stellte der Unfall und die in der Folge aufgetretene psychische Symptomatik eine Lösung in einer kritischen Lebenssituation dar, die zu einem Zielkonflikt mit der Überwindung der Symptomatik führte. Denn die erreichten Ziele waren Schonung und Entlastung und jede Veränderung konnte der Kläger mit verstärkter Symptomatik verhindern, was zu einem Verharren in der Symptomatik geführt hat. Diese Argumentation der Sachverständigen erscheint durchaus einleuchtend. Sie hat nämlich gut herausgearbeitet, dass es belastbare Hinweise aus der Exploration und den Akten gibt, wonach der Kläger schon vor dem Unfall nicht in der Lage war, die Herausforderungen seines Lebens vollumfänglich zu meistern. So hat der Kläger ausweislich der im Gutachten festgehaltenen anamnestischen Angaben zu seiner Biografie erklärt, dass beide Kinder autistisch seien mit schwierigem Sozialverhalten, Geräuschempfindlichkeit, Zwangsverhalten und eingeschränkter Handlungsfähigkeit und er sich dadurch überfordert gefühlt habe, weshalb es zu einer räumlichen Trennung der Ehepartner gekommen sei und er erst nach dem Unfall in die häusliche Gemeinschaft zurückgekehrt sei. Aus den Akten ergeben sich zudem häufige Wechsel des Arbeitgebers, wobei die Beschäftigungsverhältnisse in der Zeit vom 01.09.2008 bis zum Unfall vielfach jeweils nur wenige Monate dauerten (s. Aufstellung der M. vom 08.06.2018). Der Kläger hat hierzu ausweislich seiner anamnestischen Angaben im Gutachten vom 27.07.2019 erklärt, dass er nach seiner Ausbildung zum Elektro-Installateur von seinem Ausbildungsbetrieb nicht übernommen worden sei und danach bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen gearbeitet habe, wobei er keine Chance auf eine feste Stelle in einem Betrieb gehabt habe, weil er keinen Führerschein und keine Berufserfahrung gehabt habe. Die Kündigungen seien jeweils aufgrund von fehlenden Aufträgen der Zeitarbeitsfirmen erfolgt. Die Aufstellung der M. und die Angaben des Klägers bezüglich seines Berufslebens belegen danach, dass die Sachverständige N. zutreffend von einer brüchigen beruflichen Entwicklung beim Kläger ausgegangen ist.

Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten der Sachverständigen N. geben keinen Anlass, die Richtigkeit ihrer Beurteilung in Zweifel zu ziehen. Seine Angabe in der von ihm verfassten Stellungnahme zu dem Gutachten vom 27.07.2019, dass er auch schon vor dem Unfall von seiner Frau zu Arztbesuchen begleitet wurde, sichert vielmehr die von der Sachverständigen gestellte Diagnose einer abhängigen Persönlichkeitsstörung ab. Denn ein solches Verhalten ist für einen erwachsenen Mann ungewöhnlich und deutet auf Ängste und Vermeidung in diesen Situationen hin, wie die Sachverständige N. in ihrer Stellungnahme vom 07.12.2019 nachvollziehbar dargelegt hat. Soweit der Kläger des Weiteren die nicht erfolgreichen Bemühungen seiner Ehefrau, sein Vermeidungsverhalten zu überwinden, beschreibt, scheint er – wie die Sachverständige N. in ihrer Stellungnahme vom 07.12.2019 vermerkt hat – ein konsequentes Verhalten seiner  Ehefrau durch passiv-aggressive Verweigerung zu verhindern, um unangenehme Gefühle und Ängste zu reduzieren. Damit bestätigen die Angaben des Klägers auch die von der Sachverständigen N. in ihrem Gutachten herausgearbeiteten Vermeidungsstrategien und Zielkonflikte.

Zu weiteren Ermittlungen bestand kein Anlass, weil der Sachverhalt durch die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen geklärt ist. Dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war nicht mehr nachzugehen, nachdem die Beweisanordnung vom 18.01.2022, mit der der vom Kläger als Arzt seines Vertrauens benannte Priv.-Doz. E. zum Sachverständigen ernannt wurde, mit Beschluss vom 09.11.2022 aufgehoben worden ist, weil der Kläger die Untersuchungstermine am 05.05. und 15.06.2022 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat und binnen der vom Gericht gesetzten Frist auch keine sein Verhalten rechtfertigende Erklärung vorgelegt hat. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.05.2023 auch nicht mehr aufrechterhalten worden.

Haben danach über das Ende der Verletztengeldzahlung hinaus beim Kläger keine Gesundheitsstörungen mehr vorgelegen, die wesentlich kausal auf den Unfall vom 14.12.2016 oder dessen Folgen zurückzuführen sind, war er über das Ende der Verletztengeldzahlung hinaus auch nicht länger infolge des Ereignisses vom 14.12.2016 arbeitsunfähig. Daher bestehen auch keine weitergehenden Verletztengeldansprüche. Der Kläger war über das Ende der Verletztengeldzahlung hinaus auch nicht infolge des Ereignisses vom 14.12.2016 in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert, so dass auch ein Rentenanspruch nicht gegeben ist (vgl. § 56 SGB VII).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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