L 5 R 1811/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1856/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1811/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.06.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1989 geborene Kläger besuchte nach erfolgreichem Hauptschulabschluss das Berufskolleg und begann im September 2011 zunächst eine Maurerlehre. Nach deren Abbruch nahm er im Februar 2012 eine Ausbildung zum Fliesen-, Platten- und Mosaikleger auf, ohne diese abzuschließen. Seit 31.07.2014 ist er arbeitslos. Seit 01.02.2017 bezieht er durchgehend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch.

Am 21.04.2016 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Vorgelegt wurde u.a. das Gutachten von H1, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 25.01.2016, in welchem folgende Diagnosen gestellt wurden: Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet, DD geistige Leistungsminderung seit der Kindheit im Rahmen einer Entwicklungsverzögerung, DD schizophrenes Residuum. Der Kläger habe eine chronische Störung seit der Kindheit, sei erheblich verlangsamt, habe kognitive Einschränkungen. Es liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ohne positives Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor.

Gemäß dem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Gutachten vom 22.06.2016 diagnostizierte die L1 gestützt u.a. auf eine ambulante Untersuchung des Klägers eine schizotype Störung, aufgrund welcher er nur weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig sei. Die Leistungsminderung sei für höchstens ein Jahr bis Juni 2017 gegeben. In dieser Zeit solle dringend zunächst eine medizinische Rehabilitationsbehandlung und im Anschluss daran eine berufliche Rehabilitationsbehandlung, z. B. im Therapeutikum H2, eingeleitet werden. Von dort aus könne dann langfristig eine Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt bei dem noch sehr jungen Kläger erfolgen.

In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des G1 vom 03.07.2016 führte dieser unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten vom 25.01.2016 u.a. aus, dass eine erhebliche psychische Störung seit der Kindheit vorliege. Seit der Geburt bestehe ein Leistungsvermögen von lediglich unter drei Stunden.

Sodann lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2016 den Rentenantrag ab, weil der Kläger die Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfülle. Der Kläger sei seit dem 25.11.1989 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Er habe jedoch die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erforderliche allgemeine Wartezeit von 60 Monaten (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erfüllt. Auch die Voraussetzungen des § 43 Abs. 6 i. V. m. § 50 Abs. 2 SGB VI seien nicht erfüllt, weil das Versicherungskonto bis zum 05.07.2016 statt der erforderlichen 240 nur 72 Wartezeitmonate enthalte.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, erst nach dem 30.07.2015 an einer schweren Depression erkrankt zu sein. Er legte ein Schreiben des T1 vom 18.07.2016 vor, in welchem u.a. ausgeführt wurde, dass der Kläger dort seit dem 13.01.1998 in ständiger ambulanter Behandlung stehe und über eine geistige Leistungsminderung seit der Kindheit im Rahmen einer Entwicklungsstörung oder einem schizophrenen Residuum nichts bekannt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2016 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.07.2016 zurück. Sie hielt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid daran fest, dass der Kläger seit dem 25.11.1989 voll erwerbsgemindert sei und ausgehend hiervon die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien.

Zur Begründung der hiergegen am 10.11.2016 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage S 13 R 3528/16 trug der Kläger vor, dass das Gutachten von L1 keine Feststellungen hinsichtlich des Eintritts der Erwerbsminderung zum Zeitpunkt der Geburt enthalte. Ausgehend von einer am 21.04.2016 eingetretenen vollen Erwerbsminderung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die geltend gemachte Rente erfüllt.

Das Gericht vernahm die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der T1 führte am 02.02.2017 hinsichtlich der Leistungsfähigkeit für eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus, dass der Kläger angebe, vorzeitig zu ermüden und unter Konzentrationsstörungen zu leiden. Es erscheine sehr fraglich, ob der Kläger selbst eine leichte berufliche Tätigkeit durchhalten könne. Der G2 sah sich in seiner Aussage vom 03.02.2017 zu Angaben zur Leistungsfähigkeit des Klägers nicht in der Lage. Der befragte L2 hielt in seiner Aussage vom 26.02.2017 den Kläger für fähig, ohne Gefährdung seiner Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden täglich zu verrichten.

In der von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17.03.2017 führte der N1 aus, dass sich aus den eingeholten Auskünften keine Befunde ergäben, die eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers bedingten.

In der Zeit vom 23.05.2017 bis 20.06.2017 nahm der Kläger zulasten der Beklagten eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik K1 in Anspruch. Im Kurzbrief vom 19.06.2017 wurden folgende Entlassungsdiagnosen genannt: Neurasthenie (psychophysische Erschöpfung), soziale Phobien, ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Gemäß Entlassungsbericht vom 28.06.2017 wurden eine Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr mit einem BMI von 30 bis unter 35, soziale Phobien und eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Es bestehe ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die Beklagte nahm dahingehend Stellung, dass sie im Lichte der im Klageverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnisse nach Rücksprache mit ihrem ärztlichen Dienst ihre bisherige Einschätzung einer bereits in das Erwerbsleben eingebrachten Erwerbsminderung aufgebe und davon ausgehe, dass gar keine Erwerbsminderung eingetreten sei.

Nach ambulanter Untersuchung vom 15.05.2018 diagnostizierte der M1 in seinem von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 27.05.2018 beim Kläger einen Verdacht auf eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, die Angabe von sozialen Ängsten, agoraphoben Ängsten und Panik, bisher unzureichend behandelt, die Angabe eines Ganzkörperschmerzes ohne organisches Korrelat und die Angabe eines Taubheitsgefühls des linken Beines. Der Kläger könne ohne Gefährdung seiner Gesundheit eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Es sei von einer reduzierten psychischen Belastbarkeit auszugehen. Tätigkeiten mit besonders hoher Verantwortung (z. B. als Vorgesetzter für mehr als fünf Mitarbeiter), Tätigkeiten mit hohen emotionalen Belastungen (z. B. in der Betreuung von Schwerstkranken) und an einem Arbeitsplatz mit hohem Konfliktpotenzial (z. B. im Gemeindevollzugsdienst oder allgemein im Vollzugsdienst) seien dem Kläger wegen der psychischen Störungen nicht möglich. Überdies seien ihm durch das Zusammenwirken angegebener chronischer Schmerzen und des massiven Übergewichts Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und schwere körperliche Arbeiten nicht zumutbar. Körperlich bis zu mittelschwere Tätigkeiten seien auch in Früh- und Spätschicht mit den vorgenannten Einschränkungen möglich. Die Behandlungsmöglichkeiten würden von dem Kläger nur sehr unzureichend benutzt. Es liege weder eine neurologische Erkrankung noch eine psychische Störung vor, welche die rentenrelevante Wegefähigkeit einschränke. Der Kläger habe einen Pkw und fahre auch Auto.

Den Antrag des Klägers, den Sachverständigen M1 wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, lehnte das SG ab.

In der Zeit vom 20.09.2018 bis 04.10.2018 ließ sich der Kläger im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H3 stationär behandeln. Gemäß Bericht vom 09.10.2018 wurden folgende Diagnosen gestellt: Eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden und histrionischen Anteilen, eine Somatisierungsstörung, eine mittelgradige depressive Episode, eine dissoziative Störung und eine Adipositas (BMI 31,8).

In dem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten psychosomatischen Gutachten vom 15.04.2019 nach ambulanter Untersuchung diagnostizierte der W1 beim Kläger eine schwerste Persönlichkeitsstörung (vorwiegend schizoid), eine Somatisierungsstörung und eine Adipositas. Der Kläger sei derzeit nicht in der Lage, irgendeiner Tätigkeit nachzukommen oder minimale Gehstrecken ohne Begleitung zurückzulegen.

Die Beklagte legte sozialmedizinische Stellungnahmen ihres Beratungsarztes N1, zuletzt vom 13.05.2019 vor. Darin führte N1 hinsichtlich der stationären Behandlung des Klägers vom 20.09.2018 bis 04.10.2018 u.a. aus, dass sich die Kriterien der genannten Persönlichkeitsstörung nach den Maßgaben des ICD-10 oder DSM-5 nicht abbilden würden. Des Weiteren lasse sich die mitgeteilte mittelgradige depressive Episode nicht nachvollziehen. Die Angaben würden allenfalls zu einer leichten Depressivität passen, während auffalle, dass überhaupt keine störungsspezifischen therapeutischen Anstrengungen belegt worden seien, die tatsächlich an die Behandlung einer entsprechenden Erkrankung denken ließen. Schließlich lasse sich auch die Diagnose einer dissoziativen Störung nicht nachvollziehen, da psychopathologische Auffälligkeiten diesbezüglich im psychopathologischen Befund überhaupt nicht benannt worden seien. Zu dem Gutachten des W1 nahm N1 dahingehend Stellung, dass hinsichtlich der Angabe des Klägers, „er tue nichts“, auffalle, dass im Bereich des körperlichen Untersuchungsbefundes keine Inaktivitätsatrophie der Muskulatur beschrieben werde, was eigentlich bei völliger Inaktivität zu erwarten wäre. Die mitgeteilte antidepressive Medikation mit Citalopram habe im Blut des Klägers nicht nachgewiesen werden können. Der psychopathologische Befund passe nicht zu der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung. Auch die diagnostische Einschätzung einer Somatisierungsstörung könne als solche nicht nachvollzogen werden, da keine nachvollziehbaren psychopathologischen Anknüpfungstatsachen oder funktionellen Befunde im körperlichen Befund benannt worden seien, die ein entsprechendes Krankheitsbild glaubhaft machen würden. Auch sei auf eine Beschwerdevalidierung verzichtet worden, obwohl sich in dem Vorgutachten des Sachverständigen M1 Hinweise für eine Simulation ergeben hätten. Insgesamt ergebe sich kein zweifelsfreier Beleg dafür, dass das quantitative Leistungsvermögen des Klägers gemindert sei.

Mit Urteil vom 22.07.2019 wies das SG die Klage S 13 R 3528/16 ab: Eine Erwerbsminderung des Klägers aufgrund eines Leidens auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet sei weder zum 25.11.1989 noch zu irgendeinem Zeitpunkt danach bis gegenwärtig nachgewiesen. Gestützt auf das gerichtliche Sachverständigengutachten des Nervenarztes M1 könne bei dem Kläger hinsichtlich des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets (allenfalls) vom Vorliegen einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung ausgegangen werden. Der Gerichtssachverständige M1 sei zutreffend und schlüssig zu dem Ergebnis gekommen, dass der bei dem Kläger nachgewiesenen eingeschränkten Belastbarkeit hinreichend durch die Beachtung der angegebenen, qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden könne. Unter Beachtung derselben sei dem Kläger eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden auch unter Berücksichtigung der stationären Behandlung des Klägers vom 20.09.2018 bis 04.10.2018 im Zentrum für Psychosoziale Medizin in H3 bzw. des Berichts vom 09.10.2018 zumutbar. Dem entsprechend könne der Beurteilung der den Kläger im Verwaltungsverfahren begutachtenden L1 ebenso wenig wie der Einschätzung des nach § 109 SGG gehörten Gutachters W1 und der Einschätzung des den Kläger behandelnden T1 gefolgt werden. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 01.04.2020 zurück (L 8 R 2906/19).

Einen erneuten, hier streitgegenständlichen Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 12.01.2021 lehnte die Beklagte ohne weitere medizinische Ermittlungen mit Bescheid vom 15.02.2021 ab, weil der Kläger weiterhin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

Den hiergegen ohne nähere Begründung eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2021 zurück. Zur Begründung führte sie bei der Überprüfung nach Aktenlage aus, eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei seit der im vorangegangenen Klageverfahren durch den Sachverständigen M1 erfolgten Begutachtung nicht erkennbar.

Hiergegen hat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers am 06.07.2021 Klage zum SG erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers dürfte sich im Verhältnis zur damaligen Begutachtung bei W1 noch weiter verschlechtert haben. Der Kläger sei bis Ende 2019 psychotherapeutisch behandelt worden, bis eine Wahrnehmung der Sitzungen aufgrund von Schmerzen und eines eingetretenen Erschöpfungszustandes nicht mehr möglich gewesen sei. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte auf eine nach Aktenlage abgegebene sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme der Agentur für Arbeit H2 vom 12.08.2019 verwiesen, wonach mit großer Wahrscheinlichkeit von einer dauerhaften Leistungseinschränkung auszugehen sei.

Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständigen Zeugen vernommen. Der W2 hat am 27.08.2021 erklärt, beim Kläger, der sich bei ihm letztmals am 16.07.2020 vorgestellt habe, bestehe ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Eine abschließende diagnostische Einordnung habe nicht getroffen werden können. Der L2 hat am 27.08.2021 erklärt, aus orthopädischer Sicht sei der Kläger aufgrund fehlender wesentlicher pathologischer Befunde fähig, regelmäßig sechs Stunden täglich arbeiten zu können. Die S1 hat auf einen Befundbericht vom 23.04.2019 verwiesen, wonach seinerzeit eine stationäre Behandlung des Klägers erforderlich gewesen sei. Die S2 in S3 hat mit Schreiben vom 02.09.2021 Auszüge aus einem Bericht vom 05.04.2019 vorgelegt, wonach eine Indikation für eine stationäre psychotherapeutische Behandlung wegen fehlender Geeignetheit des Klägers, selbstständig und selbstverantwortlich an Therapien teilzunehmen, nicht bestehe. Es bestehe auch keine eindeutige Behandlungsmotivation des Klägers.

Für die Beklagte hat die G3 sodann in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.10.2021 eine erneute psychiatrische Begutachtung für sinnvoll erachtet.

Daraufhin hat das SG den S4 mit der Erstellung eines Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11.10.2022 im Gutachten vom 17.01.2023 ausgeführt, beim Kläger seien eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung und eine depressive Episode, remittiert, zu diagnostizieren. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ohne Gefährdung der Gesundheit zumutbar verrichten. Krankheitsbedingte Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht.

Das SG hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 16.05.2023 nicht-öffentlich erörtert und mit Gerichtsbescheid vom 07.06.2023 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine volle oder auch nur teilweise Erwerbsminderung des Klägers sei nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, so dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. Beim Kläger bestehe auf dem für seine Beurteilung maßgeblichen neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nach dem Sachverständigengutachten von S4 eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung und eine remittierte depressive Episode. Der Sachverständige habe für die Kammer überzeugend anhand der erhobenen Befunde und der anamnestischen Angaben des Klägers zum Tagesablauf und Freizeitverhalten es für zumutbar erachtet, dass der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr werktäglich unter Beachtung qualitativer Einschränkungen ausübe. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwendungen (S4 sollte wissen, dass man von einem kranken Menschen nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen könne; alles, was der Kläger zu seinem Vorteil äußerte, sei als nicht sehr glaubhaft dargestellt worden, was der Patient zu seinem Nachteil äußerte, sei jedoch gründlich abgewogen und extrem hervorgehoben worden, nur um den Patienten widersprüchlich und nicht glaubhaft darzustellen) würden hiergegen schon aufgrund des pauschalen und unsubstantiierten Vortrags nicht überzeugen. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit sei hiernach auch unter Zugrundelegung des überzeugenden Gerichtsbescheids der 13. Kammer des SG vom 22.07.2019 im vorangegangenen Klageverfahren nicht festzustellen. Vielmehr könne der Kläger in Übereinstimmung mit der Zeugenaussage des behandelnden L2 ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiter eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden täglich verrichten, ohne dass besondere qualitative Einschränkungen bei einem Einsatz des Klägers im Berufsleben zu beachten wären. Nach alledem komme der Zeugenaussage des behandelnden W2 der geringere Beweiswert zu. Die Kammer stelle daher in Übereinstimmung mit dem Gutachten von S4 fest, dass der Kläger fähig sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Mithin sei dem Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder eine Verweisungstätigkeit zu benennen noch insoweit ein berufskundliches Gutachten einzuholen, weil keine Zweifel daran bestünden, dass der Versicherte noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem Betrieb einsetzbar sei. Eine Einschränkung der rentenrelevanten Wegefähigkeit liege bereits deswegen nicht vor, weil der Kläger gemäß seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen M1 im vorangegangenen Klageverfahren eine Fahrerlaubnis habe und ein Kraftfahrzeug zur Verfügung stehe. Eine ausreichende Wegefähigkeit habe auch S4 in seinem aktuellen Gerichtsgutachten bestätigt.

Gegen den den Klägerbevollmächtigten am 07.06.2023 zugestellten Gerichtsbescheid, hat der Kläger persönlich am 20.06.2023 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, er könne nicht einmal zur Arbeit fahren oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen, geschweige denn sechs Stunden und länger eine Tätigkeit verrichten. Er besitze überhaupt keinen eigenen Pkw. Das in der Entscheidung des SG zitierte Fahrzeug gehöre seinem Vater. Er könne nicht bis zu einer Stunde Auto fahren, an guten Tagen gehe es maximal 10 Minuten. Zudem habe er anders als vom SG dargestellt mittlere bis schwere Depressionen. Dazu kämen noch immer häufiger auftretende Gedächtnisstörungen beziehungsweise Gedächtnislücken. Ebenso habe er immer mehr Schmerzen in Form von Herzrasen, Atemnot und Gelenkschmerzen sowie häufige Schweißausbrüche.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.06.2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 18.09.2023 erörtert und mitgeteilt, dass die gerichtlichen Ermittlungen abgeschlossen seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogene Akte des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 8 R 2906/19 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2021, mit dem der (erneute) Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1.         voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2.         in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.         vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da der Kläger 1989 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf ihn keine Anwendung.

Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor.

Für den Senat steht fest, dass der Kläger täglich noch mindestens sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten mit nur qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann.

Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten von S4 im Klageverfahren vor dem SG. Die umfassenden Ausführungen insbesondere des Gerichtsgutachters S4 sind in sich schlüssig und für den Senat gut nachvollziehbar, er macht sie deshalb zur Grundlage seiner Beurteilung. Die Ausführungen des Sachverständigen stehen im Einklang mit der Leistungsbeurteilung des nervenärztlichen Gutachters Herrn M1 im vorherigen Klageverfahren. S4 hat für den Senat auch nachvollziehbar dargelegt, weshalb den Gutachten im früheren Verwaltungsverfahren von H1 und L1 sowie dem Gutachten im vorangegangenen Klageverfahren von W1 nicht gefolgt werden kann.

Bei dem Kläger bestehen folgende Gesundheitsstörungen:
ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.6)
depressive Episode, remittiert (ICD-10: F32.4).

Diese Gesundheitsstörungen wirken sich nur insoweit auf die berufliche Leistungsfähigkeit aus, als qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Solche Tätigkeiten sind zu vermeiden, die mit einer erhöhten psychovegetativen Stressbelastung einhergehen - zum Beispiel durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastungen (z.B. Nachtarbeit). Auch Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte oder Tätigkeiten mit anhaltend hohen Anforderungen an die Daueraufmerksamkeit (etwa Kontrollaufgaben mit der Notwendigkeit sofortiger Reaktion in definierten Fallkonstellationen) sind aufgrund der damit verbundenen psychovegetativen Daueranspannung aus gesundheitlichen Gründen auszuschließen. Tätigkeiten mit erhöhtem Konfliktpotenzial sowie Tätigkeiten, die die Fähigkeit voraussetzen, sich auf spezifische Bedürfnisse Dritter einzustellen und das eigene Verhalten darauf auszurichten (unmittelbarer Publikumskontakt, pflegende/beratende Tätigkeiten) sind nicht leidensgerecht. Grundsätzlich möglich sind insgesamt kognitiv wenig beanspruchende, emotional und psychovegetativ nicht überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten.

Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten.

Der Senat weist nachdrücklich darauf hin, dass vor dem Hintergrund der früheren Erwerbstätigkeit sowie des durch soziale Umstände unterstützten Vermeidungsverhaltens eine auf Aktivierung und Reintegration in das Sozialleben ausgerichtete, multimodale Behandlung – präferenziell in einem psychiatrisch-tagesklinischen Setting - hilfreich sei, die gegenwärtige soziale Situation grundsätzlich zu verändern und sich in ein Erwerbsleben zu integrieren, sofern eine hinreichende Eigenmotivation hierfür besteht. Therapeutische Optionen mit Psychopharmako – etwa auch antriebssteigernde und anxiolytische wirksame Antidepressiva – können sinnvolles Teilelement einer solchen multimodalen Therapie sein. Eine etwa vier- bis sechswöchige tagesklinische Behandlung, anschließend fortgeführt in einer höherfrequenten ambulanten psychiatrischen Behandlung (z.B. in einer Psychiatrischen Institutsambulanz eines ausgewiesen Psychiatrischen Zentrums), könnte den Kläger wirksam unterstützen. Bislang fehlt es hierzu an einer Eigenmotivation, welche dringend wünschenswert wäre.

Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Dieser Grundsatz gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen der Eintritt des Leistungsfalls in der Vergangenheit umstritten ist. Dies gilt umso mehr, wenn in zeitlich unmittelbarer Nähe zum letztmöglichen Zeitpunkt eines relevanten Leistungsfalls eine Untersuchung nach Begutachtungskriterien durch einen Sachverständigen stattgefunden hat (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 18.05.2022 - L 5 R 1498/21 - und Urteil vom 23.02.2022 - L 5 R 502/21 -, beide n.v.).

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. Zwar wirkt, wie oben dargelegt, grundsätzlich nur eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht rentenbegründend, jedoch kann unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer spezifischen Leistungsbehinderung das Erfordernis resultieren, den Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. BSG, Urteile vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R-, vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 R - und vom 11.05.1999 - B 13 RJ 71/97 R -, jeweils in juris). Abzustellen ist insoweit darauf, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten typische Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen ermöglicht (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/795 -; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt im Urteil des BSG vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - und auch im Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R -, alle in juris). Dieser Kern an typischen körperlichen Verrichtungen ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht überholt. Die Aufzählung der Arbeitsfelder und Verrichtungen ist nicht abschließend; sie kann etwa um einfache Büro- oder Montagetätigkeiten und im Hinblick auf die zunehmende Automatisierung von Prozessen auch z.B. um Verrichtungen wie das Messen, Prüfen, Überwachen und die (Qualitäts-)Kontrolle von Produktionsvorgängen erweitert werden (BSG, Urteil vom 11.12.2019 – a.a.O.). Davon, dass der Kläger solche Tätigkeiten nicht mehr verrichten kann, ist der Senat nicht überzeugt.

Der Senat ist darüber hinaus nicht davon überzeugt, dass ein Katalog- oder Seltenheitsfall, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte, vorliegt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit nur möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Der Arbeitsmarkt gilt in Ermangelung einer praktischen Einsatzfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG abschließend als verschlossen, wenn der Versicherte nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen arbeiten kann, der Versicherte entsprechende Arbeitsplätze aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Betriebsfremde nicht vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Aufstiegspositionen nicht an Betriebsfremde vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen.

Keine der genannten Fallkonstellationen ist hier gegeben.

Die Wegefähigkeit ist gegeben. Der Kläger ist in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Krankheitsbedingte Einschränkung der Wegefähigkeit konnten bei der Begutachtung durch S4 nicht festgestellt werden. Sofern der Kläger aktuell öffentliche Verkehrsmittel meidet, kann dies mit einem strukturierten Expositionstraining überwunden werden. Eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Gehfähigkeit konnte durch S4 nicht festgestellt werden.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere das vorliegende Gutachten von S4 hat dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne eine weitere Sachaufklärung zu betreiben. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG, Urteil vom 08.12.2009 - B 5 R 148/09 B -, in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).




 

Rechtskraft
Aus
Saved