L 9 AL 81/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 1 AL 395/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 81/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.03.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat ¼ der Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld ab dem 07.03.2014 und wendet sich gegen eine Rückforderung iHv 3.939,76 €.

 

Der 0000 geborene Kläger bezog von der K. (K.) vom 24.10.2011 bis zum 11.03.2013 Krankengeld. Mit Wirkung zum 07.03.2014 meldete er sich arbeitslos und beantrage Arbeitslosengeld. Er gab an, vom 15.06.2011 bis zum 30.09.2013 bei dem Zeugen P. O., der einen Haus- und Gartenservice betreibt, in Vollzeit beschäftigt gewesen zu sein. Zum 01.10.2013 sei er durch den Zeugen von der Sozialversicherung abgemeldet worden. Dem Antrag legte der Kläger einen Arbeitsvertrag vom 01.07.2011 und eine Entgeltabrechnung für den Monat Juli 2011 bei. Der unbefristete Arbeitsvertrag bestimmt ab dem 01.07.2011 eine Tätigkeit des Klägers als Helfer in dem Haus- und Gartenservice für eine 40 Stundenwoche zu einem Stundenlohn von 13,80 € (Gesamtvergütung iHv 2.346 €). Die für Juli 2011 erstellte Lohnabrechnung wies eine Bruttovergütung iHv 2.318,40 €, Lohnsteuer iHv 296,66 € und einen Solidaritätszuschlag iHv 16,31 € aus. Angaben zu einem Empfängerkonto fehlen.

 

Mit Bescheid vom 03.04.2014 bewilligte die Beklagte vorläufig Arbeitslosengeld vom 07.03.2014 bis zum 05.03.2015 iHv 26,62 täglich.

 

Nachdem die Beklagte den Zeugen aufgefordert hatte, eine Arbeitsbescheinigung vorzulegen, teilte dieser mit Schreiben vom 10.05.2014 mit, der Kläger habe nie bei ihm gearbeitet.

Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlungen mit Wirkung zum 01.05.2014 ein und hörte den Kläger mit Schreiben vom 12.05.2014 dazu an, die vom 07.03.2014 bis zum 30.04.2014 bewilligten Leistungen aufzuheben und Arbeitslosengeld iHv 1.464,10 € sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge iHv 501,93 € zurückzufordern. Hierauf teilte der Kläger mit, die Behauptungen des Zeugen seien falsch.

 

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.06.2014 den Antrag auf Arbeitslosengeld ab und forderte die Erstattung des gezahlten Arbeitslosengeldes nach § 328 Abs. 3 SGB III. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Der Zeuge habe mitgeteilt den Kläger nicht beschäftigt zu haben. Da es an einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung fehle, sei auch die Zeit des Krankengeldbezuges nicht versicherungspflichtig.

 

Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er habe mit dem Zeugen einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen gehabt. Dieser habe ihn für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 23.10.2011 mit einem Arbeitsentgelt iHv 8.942 € bei der K. gemeldet. Der Zeuge sei nicht glaubwürdig, weil dieser bereits eine mehrjährige Haftstrafe wegen Beihilfe zum Bankraub verbüßt habe. Er habe gegen den Zeugen wegen Untreuehandlungen und Urkundenfälschungen Strafantrag gestellt.

 

Der Zeuge teilte mit, er habe den Kläger zum 01.07.2011 als Helfer eingestellt, aber das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.08.2011 zum 01.10.2011 gekündigt. Das Arbeitsverhältnis habe nur zum Schein bestanden, weil der Kläger den Krankenversicherungsschutz nicht habe verlieren wollen. Er habe mit dem ehemals befreundeten Kläger besprochen, ihn bei der Krankenversicherung anzumelden, wenn dieser für alle Kosten selbst aufkommen werde.

 

In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren LSG Nordrhein-Westfalen - L 9 AL 208/14 B ER erklärte die Beklagte sich bereit, für den Zeitraum vom 03.06.2014 bis zum 05.09.2014 vorläufig Arbeitslosegeld zu gewähren. Die Leistungen wurden mit Bescheid vom 03.09.2014 iH eines täglichen Leistungsbetrages von 26,62 € vorläufig bewilligt.

 

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2015 zurück. Der Kläger habe ab dem 07.03.2014 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die gezahlten Leistungen iHv insgesamt 1.966,03 € seien zu erstatten.

 

Am 13.07.2015 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Er habe die Anwartschaftszeit erfüllt. Dies könne er durch die Vorlage eines Arbeitsvertrages und der Lohnabrechnung beweisen. Die Aussagen des Zeugen seien als Schutzbehauptungen zu werten. Dieser habe ihn ohne vorherige Ankündigung bei der Einzugsstelle abgemeldet, um Sozialabgaben zu sparen.

 

Der Kläger hat in der Auslegung des Sozialgerichts beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015 zu verurteilen, ihm ab dem 07.03.2014 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen endgültig zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die Bescheide für rechtmäßig gehalten.

 

Mit Bescheid vom 28.01.2016 hat die Beklagte das für den Zeitraum vom 03.06.2014 bis zum 05.09.2014 ausgezahlte Arbeitslosengeld iHv 2.475,66 € und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 848,72 €zurückgefordert. Den Widerspruch des Klägers hiergegen hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2016 als unbegründet zurückgewiesen.

 

Den Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.10.2016 hat das Sozialgericht verlegt, weil der Kläger am 20.09.2016 sowohl telefonisch als auch schriftlich per Fax mitgeteilt hatte, er sei am Verhandlungstag zu einem anderen Verfahren als Zeuge geladen. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 ist auf Antrag des Klägers verlegt worden, weil dieser mit Schreiben vom 20.01.2017, welches beim Sozialgericht am selben Tag eingegangen ist, ein Attest vorgelegt hat, das eine Verhandlungsunfähigkeit wegen einer Augenerkrankung bescheinigte. Nachdem das Sozialgericht den Verhandlungstermin auf den 30.03.3017 bestimmt hat, hat der Kläger mit Fax vom 28.03.2017 mitgeteilt, er könnte krankheitsbedingt nicht an dem Verhandlungstermin teilnehmen und um Verlegung gebeten. Dem Schreiben hat er ein Attest von H. (praktischer Arzt) vom 24.03.2017 beigefügt, in dem dieser ausführt: „Der o.g. Patient befindet sich in meiner Behandlung. Aufgrund seiner Erkrankung ist Herr G. verhandlungsunfähig erkrankt. Er kann nicht an der Gerichtsverhandlung am 30.03.2017 teilnehmen.“ Mit gerichtlicher Verfügung vom 28.03.2017 hat das Sozialgericht mitgeteilt, dem dritten Antrag auf Terminsaufhebung könne ohne konkrete Darlegungen zu der Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen in Bezug auf die Verhandlungsunfähigkeit nicht entsprochen werden. Zugleich ist der Kläger aufgefordert worden, den ausstellenden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Verfügung ist dem Kläger per Fax (Sendebericht vom 28.03.2017 um 12.02 Uhr) und per Email mit Lesebestätigung (gelesen am 28.03.2017 um 12.55 Uhr) versendet worden. Der Kläger hat darauf nicht reagiert.

 

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung – ohne die Anwesenheit des Klägers – am 30.03.2017 den Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Mit Urteil vom 30.03.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.03.2013, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Er habe nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der Krankengeldbezug sei nicht als versicherungspflichtige Zeit berücksichtigungsfähig, weil der Kläger nicht unmittelbar vor dessen Beginn versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Zur Überzeugung der Kammer stehe – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der objektiven Beweislast – nicht fest, dass der Kläger in der Zeit vom 15.06.2011 bzw. 01.07.2011 bis zum 23.10.2011 in dem Betrieb des Zeugen als Arbeitnehmer angestellt gewesen sei. Es sei nicht erkennbar, dass der schriftliche Arbeitsvertrag von den Beteiligten in Vollzug gesetzt und gelebt worden sei. Vielmehr habe der Zeuge mit Schreiben vom 10.05.2014 und auch in seiner Aussage vor dem Sozialgericht wiederholt bekundet, der Kläger sei nicht einen einzigen Tag zur Arbeit erschienen und habe nicht eine Minute in seinem Haus und Gartenservice gearbeitet. Zwar seien die Angabe des Zeugen nicht frei von Widersprüchen, jedoch ergebe sich aus keiner seiner Angaben, dass der Kläger tatsächlich in dem Betrieb gearbeitet habe.

 

Gegen das am 22.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.05.2017 Berufung eingelegt. Das Kündigungsschreiben des Zeugen sei erst im Jahre 2014 erstellt worden. Es stehe zu vermuten, dass die Beklagte den Zeugen bei der Erstellung der rückwirkenden Kündigung beraten habe, damit sie das gezahlte Arbeitslosengeld zurückfordern könne. Zudem sei die Zeugenaussage unglaubwürdig. Der Zeuge habe ihn über seinen Steuerberater bei der zuständigen Einzugsstelle angemeldet. Wäre er nicht zur Arbeit erschienen, hätte der Zeuge sicherlich sofort eine Stornierung der Meldedaten veranlasst und nicht erst nach drei Jahren. Es sei die Aufgabe des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechtes das Arbeitsverhältnis mit Leben zu füllen. Dies obliege nicht dem Arbeitnehmer. Zudem habe das Sozialgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Schreiben, mit dem das Sozialgericht dem Terminverlegungsantrag abgelehnt habe, sei ihm nicht mehr rechtzeitig zugegangen.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgericht Köln vom 30.03.3017 zu ändern, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015 und des Bescheides vom 28.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2016 zu verurteilen, ihm ab dem 07.03.2014 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

           

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Die Beweislastentscheidung sei zutreffend, weil das Sozialgericht alle Sachaufklärungsmöglichkeiten genutzt habe. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen habe nur zum Schein bestanden. Eine Meldung des Arbeitgebers nach dem Krankengeldbezug ab dem 11.03.2013 sei nicht erfolgt, was gegen die Aussage des Klägers spreche, er habe bis zum 30.09.2013 bei dem Zeugen gearbeitet.

 

Nach entsprechender Aufforderung durch den Senat hat der Kläger am 15.02.2018 eine Schweigepflichtentbindung in Bezug auf die K. vorgelegt. Die K. hat mitgeteilt, der Kläger sei bei ihr seit dem 01.07.2011 Mitglied. Der Beschäftigungsbeginn sei per Datenaustausch am 18.07.2011 und das Beschäftigungsende zum 01.10.2011 am 14.08.2014 übermittelt worden.

 

Mit Schreiben vom 24.08.2018 hat die K. mitgeteilt, der Kläger habe die Entbindung von der Schweigepflicht widerrufen. Die Aufforderung des die Streitsache zunächst bearbeitenden 20. Senats vom 20.11.2018, eine Aufstellung der Auftraggeber zu übersenden, für die er ab dem 01.07.2011 im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden ist, hat der Kläger unter Hinweis auf Bestimmungen des Datenschutzgesetztes abgelehnt. Ein Ablehnungsgesuch gegen die seinerzeit zuständige Berichterstatterin des 20. Senats ist mit Beschluss von 18.03.2019 zurückgewiesen worden. Ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die seinerzeit zuständige Berichterstatterin ist mit Beschluss vom 21.08.2019 zurückgewiesen worden. Am 14.10.2019 hat der Kläger ein drittes Ablehnungsgesuch gegen die seinerzeit zuständige Berichterstatterin gerichtet, das als unzulässig angesehen worden ist.

 

Nach Abgabe der Streitsache an den erkennenden Senat hat dieser den Kläger mit Verfügung vom 19.07.2021 ua aufgefordert, mitzuteilen, auf welche Art die Gehaltszahlungen durch den Zeugen erfolgt sind und wie der Vetter des Zeugen heißt, der ebenfalls dort beschäftigt gewesen sei. Darüber hinaus ist der Kläger gebeten worden, die Gehaltsnachweise und Kontoauszüge für den Zeitraum seiner Beschäftigung zu übersenden. Trotz Erinnerungen vom 23.08.2021, 13.09.2021 und 08.11.2021 hat der Kläger die angeforderten Nachweise nicht vorgelegt. Mit Schreiben vom 15.03.2022 hat der Kläger ein Ablehnungsgesuch gegen die nunmehr zuständige Berichterstatterin gerichtet, das der Senat mit Beschluss vom 28.04.2022 für unbegründet erklärt hat.

 

Auf Nachfrage des Senats hat das Finanzamt Q. mitgeteilt, der Zeuge habe unter der Steuernummer des Klägers eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung übermittelt und für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis um 31.10.2011 Lohnsteuer iHv 296,66 € sowie 16,31 € Solidaritätszuschlag entrichtet.

 

Die Berichterstatterin hat die Streitsache für den 14.06.2022 zur Erörterung und Beweisaufnahme geladen. Der Kläger ist zu dem Termin nicht erschienen, sondern hat am 10.06.2022 ein Attest des Augenarztes X. vorgelegt, wonach er wegen einer Augenerkrankung nicht verhandlungsfähig sei. Auch zu einem am 27.01.2023 anberaumten Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme ist der Kläger nicht erschienen. Am 25.01.2023 hat er erneut ein Attest des Augenarztes X. vorgelegt, wonach er nicht verhandlungsfähig sei. Ein für den 03.08.2023 anberaumter Verhandlungstermin ist aufgehoben worden, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 15.07.2023, eingegangen per Fax am 17.07.2023, mitgeteilt hatte, er sei urlaubsbedingt abwesend. Der Kläger hat mit Schreiben vom 15.07.2023 ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die Berichterstatterin gestellt, das der Senat mit Beschluss vom 17.08.2023 für unbegründet erklärt hat.

 

Der Senat hat die Streitsache am 08.08.2023 für den 21.09.2023 geladen. Die Ladung ist dem Kläger am 10.08.2023 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 19.09.2023, das nach Mitteilung der Poststelle (Erklärung der Geschäftsleitung des Landessozialgerichts vom 24.10.2023) bei dem Landessozialgericht am 21.09.2023 um ca. 8.45 Uhr eingegangen und dem Senat erst nach Durchführung des Verhandlungstermins vorgelegt worden ist, hat der Kläger mitgeteilt, er könne krankheitsbedingt nicht am Termin teilnehmen und um Verlegung gebeten. Das Schreiben ist als Einschreiben mit Rückschein am 19.09.2023 bei der Post aufgegeben worden und enthält den Zusatz: „vorab per Fax“. Als Anlage ist ein Attest des Allgemeinarztes M. vom 19.09.2023 beigefügt mit dem Inhalt: „Oben genannter Patient befindet sich in meiner ambulanten hausärztlichen Behandlung. Aufgrund seiner anamnestischen Angaben sowie meiner heutigen körperlichen Untersuchung kann er die geplante Reise nicht antreten. Reiseunfähigkeit besteht voraussichtlich bis zum 29.09.2023. Ebenso besteht bis zum 29.09.2023 Verhandlungs-bzw. Vernehmungsunfähigkeit.“. Ein Eingang per Fax ist nach Mitteilung der Geschäftsstelle des Senats nicht erfolgt.

 

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Rückforderung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in den Bescheiden vom 05.06.2014 und 28.01.2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.06.2015 und 25.05.2016 aufgehoben.

 

Der Senat hat die Aussage des Zeugen beim Sozialgericht vom 30.03.2017 verlesen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Verfahrensakten L 9 AL 208/14 B ER (S 15 AL 395/14 ER) S 42 KR 601/20 und die Akte der Staatsanwaltschaft Köln (981 JF 1456/14) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da er ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2023 geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Falle seiner Abwesenheit hingewiesen worden ist. Der mit Schreiben vom 19.09.2023 gestellte Verlegungsantrag lag dem Senat im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht vor.

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

 

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 05.06.2014 und 28.01.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.06.2015 und 25.05.2016 sind nach der Aufhebung der Rückforderung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge durch die Beklagte, die als mündlicher Verwaltungsakt gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.03.2014 und er hat das für den Zeitraum vom 07.03.2014 bis zum 30.04.2014 sowie vom 03.06.2014 bis zum 05.09.2014 vorläufig gewährte Arbeitslosengeld iHv insgesamt 3.939,76 € (1.464,10 € + 2.475,66 €) zu erstatten.

 

Gegenstand der Klage ist der Ablehnungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015. Die Klage richtet sich darauf, die im Wege der vorläufigen Leistungsbewilligung für die Zeiträume vom 07.03.2014 bis zum 30.04.2014 und vom 03.06.2014 bis zum 05.09.2014 ausgezahlten Leistungen behalten zu dürfen sowie weiteres Arbeitslosengeld bis zur Anspruchserschöpfung zu erhalten. Der Bescheid vom 03.04.2014 ist nicht Klagegegenstand; er hat sich mit Erlass des Bescheides vom 05.06.2014 iS des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt (hierzu BSG Urteil vom 05.07.2017 – B 14 AS 36/16 R mwN). Darüber hinaus ist auch der Erstattungsbescheid vom 28.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2016 nach § 96 SGG Gegenstand der Klage geworden. Denn die vorläufige Leistungsbewilligung vom 03.09.2014, die sich mit Erlass des Erstattungsbescheides gem. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat, ist gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens über die Ablehnung- und Erstattungsverfügung vom 05.06.2014 geworden, weil die vorläufige Bewilligung ab dem 03.06.2014 die endgültige Ablehnung ändert (hierzu Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86 Rn. 3a). Der Bescheid vom 28.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2016 ist, obwohl das Sozialgericht hierüber nicht ausdrücklich entschieden hat, kraft Gesetzes Gegenstand des Berufungsverfahrens (hierzu Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 12a).

 

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend im Wege einer (kombinierten) Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt 1 und 4, § 56 SGG).

 

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.03.2014. Gem. §§ 136, 137 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer das für die Regelaltersrente im Sinne SGB VI erforderliche Lebensalter noch nicht erreicht hat, arbeitslos ist (§ 138 SGB III), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 141 SGB III) und die Anwartschaftszeit (§ 142 SGB III) erfüllt hat.

 

Der Kläger hat die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.

 

Nach 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung vom 21.07.2012 erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist des § 143 SGB III mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beläuft sich nach § 143 Abs. 1 SGB III in der maßgeblichen Fassung vom 20.12.2011 auf zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (Arbeitslosigkeit und Arbeitslosmeldung, vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB III). Im vorliegenden Fall reichte die Rahmenfrist also vom 07.03.2012 bis zum 06.03.2014. In diesem Zeitraum stand der Kläger nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis. Der Kläger hatte zwar in dem Zeitraum vom 07.03.2012 bis zum 11.03.2013 – also für mehr als zwölf Monate – Krankengeld tatsächlich bezogen. Diese Zeit des Krankengeldbezuges kann jedoch nicht gem. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III in der für die Bewertung der Versicherungspflicht maßgeblichen Fassung vom 31.07.2008 als versicherungspflichtige Zeit berücksichtigt werden, weil der Kläger nicht unmittelbar vor Beginn des Krankengeldbezuges versicherungspflichtig war oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III hatte oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hatte (§ 26 Abs. 1 HS 2 SGB III idF vom 31.07.2008).

 

Der Kläger kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe ab dem 15.06.2011 bei dem Zeugen in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Vielmehr stand er vor dem Krankengeldbezug bei dem Zeugen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Diese Überzeugung des Senats folgt aus der Gesamtschau des Vortrags und dem Verhalten des Klägers in dem Verwaltungs- und dem gerichtlichen Verfahren sowie aus der Zeugenvernehmung bei dem Sozialgericht, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet.

 

Versicherungspflichtig sind gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der maßgeblichen und insoweit unveränderten Fassung vom 31.07.2008 Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Beschäftigung ist nach der auch für das SGB III maßgeblichen Legaldefinition gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV in der (unveränderten) Fassung vom 12.01.2009 die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dies liegt regelmäßig vor, wenn entgeltliche Arbeit aufgrund eines wirksamen Arbeitsvertrages erbracht wird; allerdings steht eine zivilrechtliche Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes, das der Arbeitsleistung zugrunde liegt, einer Beschäftigung nicht entgegen (Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGB III, § 24 Rn. 14). Für das Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich, also die Aufnahme der Arbeit, wofür entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer arbeitsbereit ist und er dem Direktionsrecht des Arbeitgebers untersteht (BSG Urteil vom 15.12.1994 – 12 RK 17/92). Zwar kann in hier nicht einschlägigen Sonderfällen ein Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne auch dann bestehen, wenn keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird, etwa bei einem Streik, im Urlaub oder bei Krankheit (näher dazu Brand in Brand, SGB III, § 25 Rn. 4 mwN), grundsätzlich verlangt ein Beschäftigungsverhältnis jedoch die tatsächliche Erbringung von entgeltlicher Arbeit (Segebrecht in JurisPK SGB IV, § 7 Rn. 62).

 

Der Kläger hat weder ab dem 15.06.2011 noch ab dem 01.07.2011 eine Arbeit in dem Betrieb des Zeugen tatsächlich erbracht. Der Kläger hat in dem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu keiner Zeit konkret vorgetragen, er habe im Haus- und Gartenbetrieb des Zeugen tatsächlich Arbeiten verrichtet, sondern lediglich geäußert, er können seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit dem Arbeitsvertrag und einer Lohnabrechnung beweisen. Es sei die Aufgabe des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechtes das Arbeitsverhältnis mit Leben zu füllen. Ebenso hat der Zeuge bei dem Sozialgericht ausdrücklich bekundet, der Kläger habe „nicht eine Minute“ bei ihm gearbeitet.

 

Vor dem Hintergrund dieses Klägervortrags und der Bekundungen des Zeugen erbringen weder der Arbeitsvertrag noch die Lohnabrechnung für Juli 2011 Beweis dafür, dass ein Beschäftigungsverhältnis bei dem Zeugen in Vollzug gesetzt wurde. Zwar weist die Lohnabrechnung die Daten des Arbeitsvertrages, so den vereinbarten Stundenlohn iHv 13,80 € aus. Weitere individuelle Angaben, wie eine Steueridentifikationsnummer oder persönliche Bankdaten des Klägers fehlen aber, so dass die Lohnabrechnung nicht zwingend als das Ergebnis einer durch den Kläger erbrachten Arbeitsleistung erstellt worden sein muss. Vielmehr gelangt der Senat aufgrund der Angaben des Zeugen und angesichts der beharrlichen Mitwirkungsverweigerung des Klägers zu der Annahme, dass der Arbeitsvertrag nur zum Schein nach § 117 Abs. 1 BGB geschlossen worden ist, weil es dem Kläger einzig darum ging, krankenversichert zu sein, der Zeuge diesem gefällig sein wollte und eine tatsächliche entgeltliche Arbeitsleistung des Klägers von Beginn an nicht gewollt war. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge wollten einvernehmlich den äußeren Schein eines Arbeitsvertrages erzeugen, die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen, wie insbesondere die Erbringung der Arbeitsleistung und die Entlohnung, aber nicht eintreten lassen, so dass es beiden an einem Rechtsbindungswillen für das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses fehlte (vgl. hierzu Arnold in Ermann, BGB, 17. Aufl. 2023, 117 Rn. 1, 5).

 

Diese Bewertung fügt sich in den Geschehensablauf ein und kann nachvollziehbar erklären, warum lediglich für den Monat Juli 2011 Lohnsteuern durch den Zeugen abgeführt und eine Meldung bei der Krankenversicherung erfolgt ist. Als es dann später zwischen dem Kläger und dem Zeugen zu einem Konflikt kam, der im Juli 2014 in einer Strafanzeige wegen Urkundenfälschung gegen den Zeugen mündete, hat dieser sich veranlasst gesehen, erst Jahre später, das Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei der K. am 14.08.2014 anzuzeigen. Dazu passt, dass der Kläger der Aufforderung des Senats, die Kontoauszüge und sämtliche Lohnabrechnungen vorzulegen, nicht nachgekommen ist und er gegenüber der K. die dem LSG erteilte Schweigepflichtentbindung wiederrufen hat.

 

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Danach sind aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit – wie hier – mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Der Anwendungsbereich des § 328 SGB III ist eröffnet, weil über den Arbeitslosengeldanspruch für den Zeitraum vom 07.03.2014 bis zum 05.09.2014 mit den Bewilligungsbescheiden vom 03.04.2014 und 03.09.2014 nur vorläufig entschieden worden ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Teilobsiegen des Klägers in Form der Aufhebung der Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung Rechnung.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.

Rechtskraft
Aus
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