L 8 BA 126/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 BA 39/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 126/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.11.2020 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 61.677,54 Euro festgesetzt.

 

 

 

 

Gründe

 

 

I.

 

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über eine Nachforderung von Beiträgen und Umlagen zur Sozialversicherung in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin im Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2016.

 

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH; Gesellschaftsvertrag vom 27.11.2008 [im Folgenden GV]; Eintrag ins Handelsregister des Amtsgerichts Y. HRB N01 am 10.02.2009). Ihr Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Bauarbeiten, insbesondere Dachdeckerarbeiten (§ 2 GV). Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000 € (§ 3 GV).

 

Im Streitzeitraum wurde der Beigeladene zu 2) (im Folgenden: B.) auf der Grundlage eines Geschäftsführer-Vertrags vom 05.01.2009 (im Folgenden: GFV) als Geschäftsführer für die Klägerin, deren alleinige Gesellschafterin seine Ehefrau (im Folgenden: E.) war, tätig.

 

Gem. § 5 GV bestand für B. die Verpflichtung, die Weisungen der Gesellschafter zu befolgen, insbesondere eine Geschäftsordnung zu beachten und von den Gesellschaftern als zustimmungsbedürftig bezeichnete Geschäfte nur mit deren Zustimmung vorzunehmen (§ 5 GV). Als Geschäftsführer war er von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit (§ 6.2 GV).

 

Nach den Regelungen des GFV oblag B. die verantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebes sowie die Vertretung nach Maßgabe des Gesetzes, des GV, einer etwaigen Geschäftsordnung und der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 GFV). Die Klägerin behielt sich das Recht der Bestellung weiterer Geschäftsführer vor. Die Geschäftsverteilung der Geschäftsführer untereinander sollte sich in diesem Fall nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung oder nach dem Geschäftsverteilungsplan richten (§ 1 Abs. 4 GFV). B. war verpflichtet, der Klägerin seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen; eine Nebentätigkeit bedurfte der vorherigen Zustimmung (§ 4 Abs. 1, 2 GFV). Er erhielt ein in monatlichen Teilbeträgen von 5.500 Euro zu zahlendes Jahresgehalt von 66.000 € brutto (§ 8 Abs. 1 GFV) zzgl. einer Weihnachtsgratifikation und eines Urlaubsgeldes (§ 8 Abs. 3 GFV) sowie eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung (§ 11 Abs. 2 GFV). Die Vergütung wurde im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten fortgezahlt (§ 9 GFV). Geregelt waren auch der Ersatz von Spesen bzw. ein Aufwendungsersatz (§ 10 GFV) sowie ein Anspruch auf bezahlten Urlaub von 24 Arbeitstagen im Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 GFV).

 

B. vermietete der Klägerin die Geschäftsräume/Betriebsstätte sowie wesentliche Betriebsmittel und gewährte ihr ein Darlehen über insgesamt 110.000 €.

 

Mit Schreiben vom 29.04.2009 teilte die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) B. mit, der für ihn begründete Versicherungsschutz aus einer freiwilligen Versicherung erstrecke sich auf die Tätigkeit bei der Klägerin.

 

Eine von der Beklagten im Jahr 2013 für die Jahre 2009 bis 2012 abgeschlossene Betriebsprüfung blieb bis auf Feststellungen zur unzutreffenden Beurteilung von Urlaubsabgeltungen für namentlich benannte Mitarbeiter ohne Beanstandung (Bescheid vom 10.05.2013).

 

In der Zeit zwischen Februar und Mai 2017 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2016 durch. Nach Anhörung mit Schreiben vom 22.03.2017 setzte sie eine Beitragsforderung einschließlich der Umlage nach § 358 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) (Umlage UI) in Höhe von insgesamt 61.677,54 € für die Tätigkeit des B. als Geschäftsführer fest (Bescheid vom 15.06.2017 und Widerspruchsbescheid vom 26.06.2017). Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die im Rahmen der Betriebsprüfung vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe ergeben, dass B. seine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Bei Geschäftsführern, die nicht am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt seien (sog. Fremdgeschäftsführer) liege nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Der Fremdgeschäftsführer sei in einer nicht von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes eingegliedert und dürfe nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschafterbeschlüsse handeln. Selbst bei Belassung großer Freiheiten unterliege er der Überwachung durch die Gesellschafter. Das BSG messe der Rechtsmacht eine besonders große Bedeutung bei; eine eventuelle faktische Machtposition im Unternehmen falle demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Auch eine familiäre Bindung sei nicht geeignet, die ausschlaggebende Rechtsmacht, wie sie sich nach dem Gesellschaftsrecht ergebe, außer Acht zu lassen. Die Gewährung eines Darlehens des B. an die Klägerin bleibe ohne Einfluss auf den sozialversicherungsrechtlichen Status, da sich hieraus kein Unternehmerrisiko ergebe. Gleiches gelte für die Vermietung/Verpachtung von Betriebsgebäuden und Betriebsmitteln.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 05.01.2017 Klage vor dem Sozialgericht Detmold (SG) erhoben.

 

Wenngleich E. ihre alleinige Gesellschafterin gewesen sei, sprächen jedoch alle übrigen Aspekte für eine selbstständige Tätigkeit des B., der als Dachdeckermeister und alleiniger Branchenkenner ihre wirtschaftliche Ausrichtung bestimme sowie allein und eigenverantwortlich die Arbeitsorganisation gestalte. E. hingegen sei lediglich Bürokauffrau und daher aufgrund der fachlichen Qualifikation nicht in der Lage, den Betrieb zu führen. Entgegen der Auffassung der Beklagten trage B. im Hinblick auf das von ihm gewährte Darlehen für den Fall der Insolvenz auch ein unternehmerisches Risiko. Durch die Darlehensgewährung sowie die Vermietung der Betriebsstätte und wesentlicher Betriebsmittel bestimme er im Übrigen die wirtschaftlichen Geschicke der Klägerin und könne unliebsame Weisungen durch den Hinweis auf die mögliche Kündigung der Miet- und Darlehensverträge verhindern. Für die Zeit vor April 2014 habe sie, die Klägerin, angesichts der im Internet veröffentlichen Hinweise der Beklagten berechtigt darauf vertrauen können, dass B. als „Kopf und Seele“ ihres Unternehmens als selbstständig beurteilt werde. Außerdem sei Verwirkung eingetreten. Bei vorangegangenen Betriebsprüfungen habe die Beklagte keine Feststellungen zur Beitragspflicht für die Tätigkeit des B. getroffen. Jedenfalls aber habe sie, die Klägerin, auf den Bescheid der BG Bau vom 29.04.2009 vertrauen dürfen, der inzident die Feststellung beinhalte, dass B. gerade nicht pflichtversichert gewesen sei. Da die Beklagte sie im Rahmen der Schlussbesprechung zur Betriebsprüfung am 06.05.2013 darauf hingewiesen habe, dass eine gesonderte Nachricht im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status des B. erfolgen werde, sei sie nach Erteilung des Betriebsprüfungsbescheides vom 10.05.2013 im Ergebnis von einer Klärung des versicherungsrechtlichen Status entsprechend dem Bescheid der BG ausgegangen.

 

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2017 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12.10.2017 aufzuheben und festzustellen, dass betreffend den Beigeladenen zu 2) keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

                        die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die Begründung des angefochtenen Bescheides für zutreffend erachtet und diese vertieft. Eine alleinige Branchenkenntnis habe das BSG als tragfähiges Argument für eine Selbstständigkeit ausgeschlossen. Entscheidend seien allein die Rechtsmachtverhältnisse, die durch die mietvertraglichen Bindungen und die Darlehensgewährung unberührt blieben. Soweit B. zur Durchsetzung seines Willens die Betriebsmittel entziehen könne, befinde sich die Klägerin in der gleichen Situation wie jedes Unternehmen, das auf Mittel Dritter angewiesen sei. Die rein wirtschaftliche Macht kompensiere die fehlende gesellschaftsrechtliche Macht nicht. Vermietungen und Darlehensgewährungen begründeten auch kein mit der Geschäftsführertätigkeit verbundenes, vielmehr lediglich ein Haftungs- oder Ausfallrisiko. Auch auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen.

 

Das SG hat das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss der Revisionsverfahren B 12 R 25/18 R und B 12 KR 21/19 R angeordnet und anschließend die Klage durch Urteil vom 25.11.2020 – im Einverständnis der Beteiligten – ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Es hat den Antrag der Klägerin dahingehend ausgelegt, dass beantragt werde, den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2017 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12.10.2017 aufzuheben und festzustellen, dass B. seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als Selbstständiger ausgeübt habe, ohne der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu unterliegen. Die Klage sei zulässig aber unbegründet. Der Status als Selbstständiger werde nur anerkannt, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile halte, mit denen er zugleich rechtlich über die Möglichkeit verfüge, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren. Diese Voraussetzungen lägen bei B. nicht vor. Zudem enthalte der Geschäftsführer-Vertrag arbeitnehmertypische Merkmale. Die sog. „Kopf und Seele“- Rechtsprechung sei durch die neuere Rechtsprechung des BSG ausdrücklich aufgegeben worden. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen in deren Bestand könne sich die Klägerin nicht berufen.

 

Gegen das ihr am 29.12.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.01.2021 Berufung eingelegt. Der Senat hat das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens B 12 R 6/21 R angeordnet (Beschluss vom 04.08.2021 – L 8 BA 11/21) und es nach dessen Beendigung unter dem Aktenzeichen L 8 BA 126/23 wiederaufgenommen.

 

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass in dem vom BSG zu entscheidenden Fall kein anderer Verwaltungsakt zur Feststellung der Versicherungspflicht vorgelegen habe. Vorliegend hingegen sei von der BG Bau nach Beantwortung eines Fragenkatalogs mit dem Bescheid vom 29.04.2009 eine freiwillige Versicherung des B. bestätigt worden. Eine Einschränkung auf den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung könne dem Bescheid insbesondere aufgrund der zuvor initiierten Prüfung, in der allgemein vom „Versicherungsverhältnis für“ B. die Rede sei, nicht entnommen werden.

 

Die Klägerin beantragt – der Auslegung des Klageantrags durch das SG folgend – schriftsätzlich,

 

den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2017 sowie das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.11.2020 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 2) seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als Selbstständiger ausgeübt hat, ohne der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu unterliegen.

 

Vorsorglich werde beantragt, entsprechend dem schriftsätzlichen Antrag des erstinstanzlichen Verfahrens zu entscheiden.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Das Schreiben der BG Bau vom 29.04.2009 sei kein Verwaltungsakt, sondern lediglich ein Informationsschreiben. Selbst als Verwaltungsakt verstanden, begründe es keinen Vertrauensschutz, da die BG keine sozialversicherungsrechtlichen Entscheidungen zur Versicherungspflicht u. a. in der Renten- und Arbeitslosenversicherung treffen dürfe. Aus dem Betriebsprüfungsbescheid vom 10.05.2013 könne die Klägerin keinen Vertrauensschutz herleiten, da die Tätigkeit des B. nicht Gegenstand der Prüfung gewesen sei. Auch in der Schlussbesprechung lägen ausweislich des vorgelegten Protokolls hierzu keine Aussagen vor.

 

Die Beteiligten sind mit gerichtlichem Schreiben vom 21.12.2023 darauf hingewiesen worden, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete und beabsichtigt sei, diese gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Klägerin hat ihre Berufung daraufhin bekräftigt und beantragt, die Revision zuzulassen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewiesen ist.

 

 

 

II.

 

Die zulässige Berufung der Klägerin wird durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 S. 1 SGG zurückgewiesen. Zur Möglichkeit einer solchen Entscheidung sind die Beteiligten durch den erkennenden Senat mit Schreiben vom 21.12.2023 angehört worden (§ 153 Abs. 4 S. 2 SGG).

 

Gem. § 153 Abs. 4 S. 1 SGG kann der Senat die Berufung außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Dies gilt auch bei einer Entscheidung des SG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. BSG Beschl. v. 06.08.2019 – B 13 R 233/18 B – juris Rn. 11).

 

Die Voraussetzungen der Zurückweisung gem. § 153 Abs. 4 SGG liegen vor. Im Klageverfahren hat das SG mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine mündliche Verhandlung wird nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht für erforderlich gehalten. Der Sachverhalt ist umfassend ermittelt, eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung nicht mehr erforderlich. Das erstmalige Vorbringen noch nicht vorgetragener Tatsachen oder rechtlicher Gesichtspunkte in einem Verhandlungstermin ist nicht zu erwarten. Schließlich ist ein weiteres Vorbringen durch die Klägerin nicht angekündigt worden. Andere Aspekte, die nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.

 

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Detmold vom 25.11.2020 ist unbegründet.

 

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Beitragsbescheid der Beklagten vom 15.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2017 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht des B. in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt und Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des B. als Geschäftsführer der Klägerin im Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2016 i.H.v. insgesamt 61.677,54 Euro erhoben hat.

 

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren (entsprechend der Auslegung ihres erstinstanzlichen Klageantrags durch das SG) die Feststellung begehrt, dass B. seine Tätigkeit „nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als Selbstständiger ausgeübt“ habe, „ohne der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu unterliegen“, ist der Antrag teilweise unzulässig.

 

Bei Auslegung nach dem objektiven Erklärungsgehalt (vgl. §§ 133, 157 BGB) misst der Senat der Ausführung im Bescheid, „die im Rahmen der Betriebsprüfung vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung“ habe ergeben, „dass B. seine Tätigkeit (…) seit dem 01.01.2013 im Rahmen eines anhängigen Beschäftigungsverhältnisses“ ausübe, keine Regelung im Sinn von § 31 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X zu (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rn. 12; Urt. v. 26.02.2019 – B 12 R 8/18 R – juris Rn. 16). Vielmehr handelt es sich hier um einen (komprimiert einführenden) Teil der Begründung des Bescheides für die sich anschließenden Verfügungssätze, insbesondere zur Feststellung der Versicherungspflichten für den Prüfzeitraum. Entsprechend kann diese Formulierung nicht gesondert angefochten werden (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 1/21 R – juris Rn. 11 m.w.N.). Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist im streitigen Bescheid nicht festgestellt worden. Es ist – nach Auslegung (vgl. § 123 SGG) – (aber) auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren ändern (§ 99 SGG) wollte. Die Berufungsbegründung stellt insoweit ausdrücklich (vorsorglich) klar, dass nach dem eigenen schriftsätzlichen Antrag im erstinstanzlichen Verfahren erkannt und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt werden solle, dass B. nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege.

 

Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.

 

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 1 und 5 SGB IV (in der bis zum 25.11.2019 gültigen Fassung). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Im Rahmen der Prüfung werden Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe u.a. in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern erlassen.

 

I. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des sie belastenden Verwaltungsaktes mit Schreiben vom 22.03.2017 ordnungsgemäß angehört (§ 24 Abs. 1 SGB X).

 

II. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. B. unterlag im streitbefangenen Zeitraum der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (hierzu unter 1.). Tatbestände, die zu einer Versicherungsfreiheit in den genannten Sozialversicherungszweigen führen, liegen nicht vor (hierzu unter 2.). Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen (hierzu unter 3.). Fehler bei der Berechnung der nachgeforderten Beiträge und der Umlage UI sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden (hierzu unter 4.).

 

1. Der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III).

 

B war bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum als Geschäftsführer gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt.

 

Wenn – wie hier – in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen (dazu unter a.), beurteilt sich das Vorliegen einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV (dazu unter b.).

 

a. Verwaltungsakte, die einer Feststellung von Versicherungspflicht des B. aufgrund von Beschäftigung entgegenstehen, liegen nicht vor.

 

aa. Die Klägerin kann sich zunächst nicht auf die vorangegangenen Betriebsprüfungen berufen. Eine materielle Bindungswirkung können dort erlassene Bescheide nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind (vgl. BSG Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 32). Derartige Regelungen hinsichtlich des B. sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Betriebsprüfungsbescheid vom 10.05.2013, dies auch nicht im Zusammenspiel mit dem Protokoll der Schlussbesprechung vom 06.05.2013. Nach den eigenen Angaben der Klägerin hat die Beklagte bei der Schlussbesprechung vielmehr eine (zukünftige) gesonderte Nachricht im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status des B. angekündigt.

 

bb. Auch das Schreiben der BG Bau vom 29.04.2009 enthält keine (die Beklagte bindende) Feststellung zu der – hier streitigen Frage – einer Versicherungspflicht des B. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

 

Seinem Inhalt nach trifft das von der Klägerin in Bezug genommene Schreiben des Unfallversicherungsträgers schon grundsätzlich keine Feststellung zum Bestehen bzw. Nicht-Bestehen einer Versicherungspflicht des B. (dazu unter (1.)). Erst recht wird hiermit keine Versicherungsfreiheit in den (hier streitigen) Bereichen der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (konstitutiv) begründet (dazu unter (2.)). Zudem entfaltet der Bescheid keine Bindungswirkung für die Beklagte (dazu unter (3.)).

 

(1.) Ausweislich des Betreffs „Freiwillige Versicherung“ und der Formulierung „Der für Ihre Person begründete Versicherungsschutz erstreckt sich auf Ihre Tätigkeit in folgenden Mitgliedsunternehmen: (…) Fa. N. GmbH“ bestätigt das Schreiben – bei Auslegung der behördlichen Erklärung aus der Perspektive eines verständigen objektiven Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) offenkundig allein die Erstreckung einer (zuvor bei der BG) begründeten „freiwilligen“ Versicherung auf die Tätigkeit des B. bei der Klägerin.

 

Auch wenn in dem dieser Erstreckungsregelung vorausgegangenen Verfahren (wohl) eine Prüfung der Versicherungspflicht des B. in der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt ist, so enthält das Schreiben des Unfallversicherungsträgers keine gesonderte (eigene) Feststellung zum Bestehen einer (bereichsspezifischen) Versicherungspflicht. Fehlt es aber an einem Verfügungssatz zu einer solch etwaigen Versicherungspflicht, kann die (inzident gebliebene) Prüfung – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine Bindungswirkung nach außen entfalten.

 

Soweit Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung als verbindlich hinnehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde legen müssen, beschränkt sich die Tatbestandswirkung (allein) auf die getroffenen Regelungen, d.h. auf den Verfügungssatz des entsprechenden Verwaltungsakts (vgl. BSG Urt. v. 08.09.2015 – B 1 KR 16/15 R – Rn. 22; Senatsurt. v. 21.09.2022 – L 8 BA 75/20 – juris Rn. 37 m.w.N.).

 

(2.) Darüber hinaus kann dem Schreiben der BG (entgegen wohl der Auffassung der Klägerin) auch ohnehin keine über den (spezifischen) Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung hinausgehende Regelung zugemessen werden.

 

Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts nach dem maßgebenden objektiven Empfängerhorizont sind auch die weiteren Umstände und der Kontext, in dem eine getroffene Aussage steht, zu beachten (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rn. 30).

 

Anders als den Krankenkassen als Einzugsstellen (§ 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV), der DRV Bund als Clearingstelle (§ 7a SGB IV) und den Rentenversicherungsträgern im Rahmen von Betriebsprüfungen (§ 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV) ist den Unfallversicherungsträgern die Feststellung einer nicht den eigenen Sozialversicherungszweig betreffenden (Nicht-)Versicherungspflicht nicht übertragen (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rn. 30). § 28p Abs. 1c SGB IV (bzw. § 28p Abs. 1b SGB IV in der vor 2015 geltenden Fassung des Gesetzes) verdeutlicht vielmehr das Nebeneinander der Entscheidungen der Beklagten und der Unfallversicherungsträger. So hat letzterer gem. § 28p Abs. 1c S. 2 SGB IV (bzw. zuvor § 28p Abs. 1b S. 2 SGB IV) nach der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers über die Feststellungen aus einer Betriebsprüfung eigene Bescheide – allein für seinen Bereich – zu erlassen.

 

Anhaltspunkte dafür, dass die BG Bau entgegen ihrer sachlich auf ihren eigenen Versicherungszweig begrenzten Kompetenzen eine Feststellung zu weiteren Versicherungszweigen treffen wollte, finden sich weder in der von der Klägerin nur rudimentär aus dem Verfahren des Unfallversicherungsträgers vorgelegten „Kurzerinnerung“ vom 23.02.2009 noch im Schreiben vom 29.04.2009 selbst. Diese ergeben sich auch nicht aus sonstigen Umständen.

 

Allein die Bezeichnung des Betreffs der Kurzerinnerung als „Prüfung des Versicherungsverhältnisses“ und die Darlegung der Gründe für die Prüfung genügen nicht, um hieraus eine vermeintliche Prüfung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung anzunehmen. Vielmehr begründet bereits die Prüfung durch die BG Bau auf der Grundlage eines von ihr verfassten und beigefügten Fragebogens die Annahme, dass diese Prüfung (allein) den Bereich der Unfallversicherung betreffen sollte. An diesem Prüfverfahren war die Beklagte nicht beteiligt und von der BG auch nicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB X hinzugezogen. Die Begrenzung auf den Versicherungszweig der gesetzlichen Unfallversicherung wird im Weiteren dadurch deutlich, dass das der Prüfung folgende Schreiben vom 29.04.2009 ebenfalls vom Unfallversicherungsträger gefertigt worden ist (vgl. auch BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rn. 30). Eine etwaige – kompetenzwidrige – Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung kann dem Schreiben auch seinem Wortlaut nach nicht entnommen werden. Andere Versicherungszweige werden an keiner Stelle erwähnt.

 

(3.) Schließlich vermag das Schreiben der BG Bau vom 29.04.2009 auch keine Bindungswirkung zulasten der Beklagten zu entfalten.

 

Ein Verwaltungsakt bindet grundsätzlich nur die Beteiligten des Verfahrens (§ 77 SGG). Ob die Entscheidung einer Behörde Rechtswirkungen ausnahmsweise nicht nur für den unmittelbar betroffenen Adressaten und sonstige hinzugezogene Beteiligte, sondern darüber hinaus eine „Drittbindungswirkung“ (auch) gegenüber anderen Behörden entfaltet, hängt vom jeweils einschlägigen materiellen Recht ab. Erforderlich ist dabei eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung zum Umfang einer derartigen Bindung Dritter (vgl. BSG Urt. v. 08.09.2015 – B 1 KR 16/15 R – Rn. 22; Urt. v. 13.12.2000 – B 6 KA 26/00 R – juris Rn. 22 m.w.N.; Urt. v. 04.10.1994 – 7 KlAr 1/93 – juris Rn. 117). An einer derartigen Vorschrift, wie sie z.B. § 18b Abs. 6 SGB IV für Entscheidungen über die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens oder ausdrücklich § 7a Abs. 2 S. 4 SGB IV für die Beurteilung der Versicherungspflicht durch die DRV Bund im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens trifft, fehlt es bei einer Regelung zur freiwilligen Versicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Vielmehr verdeutlicht § 28p Abs. 1c S. 2 SGB IV – wie bereits dargelegt – gerade im Hinblick auf die Feststellung der Versicherungspflicht, dass der Unfallversicherungsträger eine allein für seinen Bereich spezifische Entscheidung zu treffen hat.

 

b. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit maßgeblich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. z.B. BSG Urt. v. 28.06.2022 – B 12 R 3/20 R – juris Rn. 11; Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 10/20 R – juris Rn. 21; Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.; vgl. auch Senatsurt. v. 30.11.2022 – L 8 R 597/17 – juris Rn. 71; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff.).

 

Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH dabei in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (st. Rspr; vgl. BSG Urt. v. 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.). Der Geschäftsführer einer GmbH kann seine Tätigkeit allerdings nur dann selbstständig ausüben, wenn er am Gesellschaftskapital beteiligt ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer), während bei einem Fremdgeschäftsführer eine selbstständige Tätigkeit grundsätzlich ausscheidet (vgl. z.B. BSG Urt. v. 29.03.2022 – B 12 R 2/20 R – juris Rn. 32; Urt. v. 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R – juris Rn. 15; Urt. v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R – juris Rn. 13).  Selbst ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist aber nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mindestens 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält oder bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt (st. Rspr.; vgl. z.B. Urt. v. 28.06.2022 – B 12 R 4/20 R – juris Rn. 18; Urt. v. 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R - juris 15 m.w.N.). Hiervon kann auch im Falle besonderer Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen nicht abgesehen werden, selbst wenn der Betroffene faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderte, er also gleichsam „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist (vgl. z.B. BSG Urt. v. 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 30 ff.; Urt. v. 29.08.20212 – B 12 R 14/10 R – juris Rn. 26 ff.; Urt. v. 30.04.2013 – B 12 KR 19/11 R – juris Rn. 19). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar (vgl. z.B. BSG Urt. v. 27.04.2021 – B 12 KR 27/19 R – juris Rn. 15; Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 15 m.w.N.; Senatsurt. v. 14.12.2022 – L 8 BA 159/19 – juris Rn. 84).

 

Nach diesen Grundsätzen war B als Fremdgeschäftsführer im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt. Er war am Stammkapital der Klägerin nicht beteiligt. Alleinige Gesellschafterin war vielmehr E, deren Weisungsrecht er unterlag (vgl. § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG sowie § 5 Abs. 2 GV und §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GFV). Diese Weisungsgebundenheit des B war weder aufgehoben noch eingeschränkt. Auch waren Einzelanweisungen an ihn durch Gesellschafterbeschluss nicht ausgeschlossen (vgl. hierzu BSG Urt. v. 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R – juris Rn. 16 m.w.N.).

 

Unerheblich bleiben die Möglichkeiten des B., als Vermieter der Betriebsstätte und wesentlicher Betriebsmittel sowie Darlehensgeber wirtschaftlichen Druck auf die Klägerin auszuüben. Die Möglichkeit, durch eine Kündigung für den Unternehmensbetrieb relevanter Darlehen oder Mietverträge auf die wirtschaftliche Unternehmenssituation Einfluss zu nehmen, eröffnet dem Feststellungsbetroffenen keine erforderliche umfassende Einflussmöglichkeit, die der Stellung eines beherrschenden Gesellschafter(-Geschäftsführers) entspricht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 13.12.2022 – B 12 KR 16/20 R – juris Rn. 25). Außerhalb des Gesellschaftsvertrages bestehende wirtschaftliche Verflechtungen sind nicht zu berücksichtigten; sie vermögen die sich aus der Satzung ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (vgl. z.B. BSG Urt. v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R – juris Rn. 19; Senatsbeschl. v. 16.05.2022 – L 8 BA 1/21 – juris Rn. 44).

 

Die Annahme einer Beschäftigung wird zudem durch die nach dem GFV vorgesehene Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit bestätigt. So hatte B. unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens für den Einsatz seiner Arbeitskraft (§ 4 GFV) – arbeitnehmertypisch (vgl. BSG Urt. v. 28.06.2022 – B 12 R 4/20 R – juris Rn. 21; Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 17) – Anspruch auf eine jährliche feste Vergütung zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten (§ 8 Abs. 1 GFV) zzgl. einer Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld (§ 8 Abs. 3 GFV), auf Aufwendungsersatz (§ 8 Abs. 3 GFV) sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Monate (§ 9 GFV) (vgl. hierzu BSG Urt. v. 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R – juris Rn. 16; Urt. v. 28.06.2022 – B 12 R 4/20 R – juris Rn. 21; Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 17; Urt. v. 14.03.2018 – B 12 R 3/17 R – juris Rn. 18; Senatsurt. v. 21.09.2022 – L 8 BA 75/20 – juris Rn. 52). Anders als die Klägerin meint, bleibt es auch hinsichtlich eines Unternehmerrisikos ohne Bedeutung, dass B. ihr die Betriebsstätte und wesentliche Betriebsmittel vermietet und ein Darlehen gewährt hat. Die wirtschaftlichen Risiken, die B. als Darlehensgeber und Vermieter auf sich genommen hat, sind nicht seiner Stellung als Geschäftsführer der Klägerin zuzuordnen (vgl. Senatsbeschl. v. 21.06.2023 – L 8 BA 160/21 – juris Rn. 10, 33).

 

2. Die Voraussetzungen von Versicherungsfreiheitstatbeständen (§ 5 SGB VI, § 27 SGB III) sind nicht erfüllt.

 

 

3. Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG) berufen. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer (vermeintlichen) Aufgabe der „Kopf und Seele“-Rechtsprechung durch den u.a. für Beitragspflichten zuständigen 12. Senat des BSG (hierzu unter a.), als auch hinsichtlich beanstandungsfrei gebliebener Betriebsprüfungen (hierzu unter b.), und einer (vermeintlich abweichenden) Entscheidung der BG Bau (hierzu unter c.). 

 

a. Eine verfassungsrechtlich relevante "Abkehr" von früheren Rechtsprechungsmaßstäben zur Versicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern in Familiengesellschaften (sog. „Kopf- und Seele-Rechtsprechung“) gibt es nicht (vgl. ausführlich BSG Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 19 ff.; zur Rspr. hinsichtlich der erforderlichen 50%-Mehrheit vgl. schon BSG Urt. v. 08.08.1990 – 11 RAr 77/89 – juris Rn. 19 m.w.N. zur Rspr seit 1974; vgl. auch Senatsbeschl. v. 27.01.2021 – L 8 BA 88/19 – juris Rn. 48 m.w.N.). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es in der Hand der Klägerin lag, zu Beginn der Tätigkeit des B. durch einen Feststellungsantrag Rechtssicherheit im Hinblick auf dessen sozialversicherungsrechtlichen Status zu erlangen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.05.2022 – L 8 BA 1/21 – juris Rn. 52).

 

b. Die Klägerin kann sich auch nicht auf Verwirkung bzw. auf Vertrauensschutz aus den früheren Betriebsprüfungen berufen. Eine Vertrauensschutz bewirkende materielle Bindungswirkung aufgrund einer Betriebsprüfung kann sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie -höhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden sind (vgl. z.B. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rn. 28 m.w.N.; Urt. v. 18.10.2022 – B 12 R 7/20 R – juris Rn. 13; Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 32; Senatsbeschl. v. 16.03.2023 – L 8 R 997/17 – juris Rn. 54 m.w.N.).

 

Mangels einer Regelung zur Versicherungspflicht des B. in den vorigen Betriebsprüfbescheiden liegt bezogen auf seine Person kein Verwaltungsakt vor, der Anknüpfungspunkt für Bestands- und Vertrauensschutz hinsichtlich seines Status auch für Zeiten nach dem Prüfzeitraum sein könnte.

 

c. Schließlich vermag auch das Schreiben der Bau BG vom 29.04.2009 kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin zu begründen.

 

Soweit das BSG in Fällen einer Beitragsnachforderung für zurückliegende Zeiten entschieden hat, dass Beitragspflichtige nicht für zurückliegende Zeiten mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden dürften, die im Widerspruch zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung stehe (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rn. 29 m.w.N.), liegt ein solcher Fall einer geänderten behördlichen Verwaltungspraxis hier nicht vor. Wie bereits dargelegt hat die BG Bau eine der Beklagten zurechenbare Feststellung i.S.v. § 31 SGB X zur fehlenden Versicherungspflicht des B. in den Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenförderung nicht getroffen.

 

Unabhängig hiervon trägt das prozessuale Verhalten der Klägerin im Verfahrensverlauf ihre Behauptung, aufgrund des Bescheides der BG Bau vom 29.04.2009 ein schutzwürdiges Vertrauen zur fehlenden Versicherungspflicht in allen Sozialversicherungszweigen begründet zu haben, aber auch nicht. So hat die Klägerin trotz der von ihr selbst angegebenen damaligen Thematisierung der Versicherungspflicht des B. weder im Laufe des in 2013 durchgeführten Betriebsprüfungsverfahren noch der damaligen Schlussbesprechung am 06.05.2013 geltend gemacht, es läge bereits ein Feststellungsbescheid zur Versicherungspflicht des B. vor. Gleiches gilt für die (dem hier streitigen Verfahren zugrundeliegenden) Betriebsprüfung 2017. Auch in dem sich an den Erlass des streitigen Bescheides vom 15.06.2017 anschließenden Widerspruchsverfahren, in dem die Klägerin bereits anwaltlich vertreten war, sind zur Begründung einer Selbstständigkeit zwar zahlreiche Umstände der Tätigkeit des B. wie z.B. dessen besondere Qualifikation, die Darlehensgewährung, die Vermietung und die Stellung als „Kopf und Seele“ sowie eine „Verwirkung“ aus vorigen Betriebsprüfungsbescheiden, nicht jedoch ein (vermeintlich entgegenstehender bzw. vertrauensbegründender) Bescheid der BG Bau benannt worden. Mit denselben Argumenten hat die Klägerin schließlich zunächst das ab November 2017 betriebene Klageverfahren geführt. Erstmalig im Juni 2020 ist von ihr das Schreiben der BG Bau vom 29.04.2009 vorgelegt und aus diesem zunächst (auch nur) eine Feststellungswirkung abgeleitet worden.  Die Berufung auf ein vermeintliches Vertrauen ist schließlich noch später – mit der Berufungsschrift vom 15.01.2021 und damit weit über drei Jahre nach der hier streitigen Beurteilung der Versicherungspflicht des B. durch die Beklagte – erfolgt.

 

4. Hinsichtlich der Höhe der Beitragsnachforderung zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sind Unrichtigkeiten ebenso wenig erkennbar wie hinsichtlich der Festsetzung der Umlage UI. Entgegenstehender Vortrag der Klägerin hierzu ist nicht erfolgt.

 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder erstattungsfähig noch sind diese mit Kosten zu belasten, da sie von einer Antragstellung abgesehen haben (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

 

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Gerichtskostengesetz.

 

Rechtskraft
Aus
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