L 8 R 797/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 R 442/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 797/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 21.09.2023 wird zurückgewiesen.

 

Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin wendet sich gegen die Gewährung einer Dauerrente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

 

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 07.10.2020 die Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über Februar 2021 hinaus.

 

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. stellte in einem durch die Beklagte veranlassten Gutachten die Diagnose einer anhaltenden wahnhaften Störung/paranoiden Psychose und kam zu dem Ergebnis, dass das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin weiterhin weniger als drei Stunden täglich betrage. Es sei von einem Dauerzustand auszugehen (Gutachten vom 21.07.2021).

 

Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 10.08.2021 und Widerspruchsbescheid vom 17.05.2022 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung über Februar 2021 hinaus.

 

Mit ihrer unter Vorlage des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2022 am 01.06.2022 zum Sozialgericht Detmold (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin im Kern geltend gemacht, bei der Entscheidung der Beklagten handele es sich um eine Zwangsberentung. Die zugrunde gelegten Diagnosen seien frei erfunden. Eine Wiederherstellung des Leistungsvermögens sei nie versucht worden.  

 

Die Klägerin hat wörtlich „Anklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.05.2022“ erhoben und „um Opferschutz noch zusätzliche Rechte von Opfer aus Straftaten und Schadenersatz“ gebeten. Sie „erhebe weitere Klage auf falsche Diagnose und Rufmord“.

 

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheides schriftsätzlich beantragt,

 

                        die Klage abzuweisen.

 

Von der Klägerin sind diverse Unterlagen, u.a. zu ihrem Lebenslauf, vorgelegt worden. Das SG hat Befundberichte beigezogen und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie L. Beweis erhoben. Unter der Diagnose einer chronischen wahnhaften Störung im Sinne einer paranoiden Schizophrenie hat der Sachverständige die Leistungsbeurteilung des R. im Verwaltungsverfahren bestätigt. Eine Besserung des Leistungsvermögens sei unwahrscheinlich (Gutachten vom 30.05.2023).

 

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die von ihm als Anfechtung des Rentenbewilligungsbescheides ausgelegte Klage durch Gerichtsbescheid vom 21.09.2023 abgewiesen. Dahinstehen könne, auf welche Anspruchsgrundlage sich das Klagebegehren stützen lasse. Die Klägerin erfülle jedenfalls die Voraussetzungen für die ihr bewilligte Erwerbsminderungsrente. Insbesondere sei sie aufgrund einer schweren psychotischen Störung mit hochgradiger Beeinträchtigung der Realitätskontrolle unzweifelhaft voll erwerbsgemindert.

 

Gegen den ihr am 05.10.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.10.2023 Berufung eingelegt.

 

Sie sei nie in psychiatrischer Behandlung gewesen. Die Dauer des Verfahrens beim SG und dessen falsche Entscheidung hätten alle Rechte für die Unterstützung, Gerechtigkeit und Rehabilitation mit ihrer sozialen Integration annulliert. Hierdurch werde organisierter Kriminalität, Sekten und Clans bei langjähriger Situation des Stalkings und der Nachstellung Gelegenheit geboten. Die Beklagte und das Gericht hätten reale psychische Probleme einer vorher gesunden und gut ausgebildeten deutschen Frau und Mutter verursacht, namentlich Angstzustände und eine posttraumatische Belastungsstörung. Nach einer gewissen Phase der Rehabilitation werde sie gleichwohl wieder arbeiten können und keine Erwerbsminderungsrente mehr benötigen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

ihr statt der bisherigen Dauerrente eine befristete Erwerbsminderungsrente zu gewähren und eine Diagnose zu stellen, die der Realität entspricht.

           

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Klägerin hat diverse, teils vorbekannte Unterlagen vorgelegt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte die Streitsache in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, da die Beklagte zum Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl. § 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG); BSG Beschl. v. 26.01.2023 – B 4 AS 190/22 BH – juris Rn. 4).

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die von der Klägerin erhobene Klage ist bereits unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet.

 

Soweit die Klägerin mit ihrer Klage begehrt, den ihr eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung bewilligenden Bescheid der Beklagten vom 10.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2022 teilweise aufzuheben und die bewilligte Rente mit einer Befristung zu versehen, ist ihre (Teil-)Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 HS 1 SGG) (vgl. zur zeitlichen Teilbarkeit der Rentenbewilligung BSG Urt. v. 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R – juris Rn. 24; BSG Beschl. v. 17.08.2017 – B 5 R 248/16 B – juris Rn. 7) mangels Klagebefugnis unzulässig (vgl. hierzu: BSG Urt. vom 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R – juris Rn. 17; Groß in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 54 Rn. 10).

 

Der Klägerin fehlt es an einer Beschwer (vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 SGG). Diese setzt neben der Behauptung, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, die Möglichkeit voraus, dass die behauptete Rechtswidrigkeit die Klägerin bzw. den Kläger in eigenen subjektiven Rechten betrifft (vgl. z.B. Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 54 SGG Rn. 40). Eine Verletzung eigener Rechte kann die Klägerin nicht mit Erfolg behaupten, da die angefochtene Leistungsbewilligung (vgl. §§ 43 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 5 SGB VI) ihrem eigenen (zeitlich unbefristeten) (Weiter-)Bewilligungsantrag vom 07.10.2020 entspricht, sich für sie als lediglich rechtlich vorteilhaft darstellt und unter keinem Gesichtspunkt belastend in subjektive Rechte eingreift. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass einer etwaigen zukünftigen Besserung im Gesundheitszustand der Klägerin nach Maßgabe der Vorschrift des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinreichend Rechnung getragen werden könnte.

 

Soweit die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzend begehrt hat, „eine Diagnose zu stellen, die der Realität entspricht“, ist (auch) dieser Antrag unzulässig. Eine Anspruchsgrundlage für die Feststellung bestimmter Diagnosen sieht das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vor. Selbst bei der Prüfung der Erwerbsminderung sind nicht Diagnosen als solche, sondern vielmehr die Beeinflussung des Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen maßgeblich (vgl. z.B. BSG Beschl. v. 09.09.2019 – B 5 R 21/19 B – juris Rn. 6 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 05.01.2022-  L 8 R 752/16 – juris Rn. 58; Senatsbeschl. v. 14.03.2023 – L 8 R 878/22 – juris Rn. 31 m.w.N.). Etwaige Diagnosen dienen (lediglich) dazu, einen (ggf. bestehenden) Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit zu begründen; einer isolierten Elementenfeststellung sind sie damit nicht zugänglich.

 

Unabhängig von der Unzulässigkeit der Klageanträge, ist die Klage auch unbegründet. Die in den Gutachten des R. und des L. beschriebenen Einschränkungen und deren prognostische Entwicklung finden ihre Bestätigung durch die Begutachtung im vorangegangenen Rentenantragsverfahren durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Z. und sämtliche vorliegenden Befundberichte. Das (aktenkundige) Auftreten der Klägerin lässt dabei keine Zweifel an der Validität der Ergebnisse aufkommen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

Gründe, die Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.

 

 

Rechtskraft
Aus
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