L 8 U 1080/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 1539/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1080/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.03.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist die Einstellung der Zahlung von Übergangsgeld mit Ablauf des 02.11.2017 streitig.

Der 1962 in Italien geborene Kläger hat keine Ausbildung abgeschlossen. Er war in seinem Berufsleben zunächst selbstständig im Bereich Trockenbau tätig. Zum Unfallzeitpunkt am 23.01.2016 war er seit sieben Jahren als Arbeiter bei der P1 GmbH angestellt. Hierbei handelt es sich um eine Baufirma, die im Auftrag der Deutsche Bahn tätig wird. Der Kläger war überwiegend mit Gründungsarbeiten, Betonsanierungen, Kabeltiefbau sowie Rückbauarbeiten beschäftigt.

Am 23.01.2016 wurde der Kläger bei Gleisbauarbeiten von einer S-Bahn gestreift. Nach dem Entlassungsbericht des Klinikums S1 vom 04.02.2016 erlitt er ein Polytrauma mit einem Weichteilschaden ersten Grades bei offener Fraktur/Luxation des Unterarmes rechts, eine Orbitabodenfraktur sowie Fraktur der lateralen Orbitawand, eine Nasenbeinfraktur, eine Unterkieferfraktur, eine Skapulafraktur rechts und eine Rippenfraktur der elften und zwölften Rippe rechts. In der Folge war der Kläger arbeitsunfähig und erhielt bis zum 21.07.2017 Verletztengeld.

Bei der Heilverfahrenskontrolle in den Kliniken S3 am 01.02.2017 zeigte sich beim Kläger noch eine Kraft- und Belastungsminderung der rechten Hand/des rechten Arms nach Unterarmfraktur sowie eine Einschränkung von kognitiven Fähigkeiten bzw. eine konzentrative Belastbarkeitseinschränkung. Empfohlen wurde insoweit eine Arbeitserprobung in der letzten Tätigkeit im Umfang von zunächst vier Stunden. Im Laufe der Arbeitserprobung stellte sich heraus, dass der Kläger zwar mit der einfacheren Tätigkeit auf dem Betriebshof, die er zunächst durchführte, gut zurechtkam. Ein erneuter Einsatz des Klägers vollschichtig in der Montage war jedoch nicht mehr möglich. Da der Arbeitgeber keine dauerhafte leichtere Tätigkeit anbieten konnte und die vollschichtige Ausübung der letzten Tätigkeit nicht mehr möglich war, wurde die Arbeits- und Belastungserprobung beendet.

Die Beklagte beauftragte sodann zunächst den privaten Arbeitsvermittler P2. Dieser unterstützte den Kläger ab 01.06.2017 bei Bewerbungen für eine Helfertätigkeit. Allerdings waren die Bewerbungsbemühungen sowohl aufgrund der gesundheitlichen, als auch der erheblichen sprachlichen Einschränkungen des Klägers nicht erfolgreich.

Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19.07.2017 eine praxisorientierte Teilhabeleistung zur Reintegration für Rehabilitanden der Firma R1 für die Dauer von neun Monaten im Berufsförderungswerk S2 (Bezirksstelle S1). Für die Dauer der Maßnahme gewährte sie Übergangsgeld in Höhe von 68 % des bisher gezahlten Verletztengeldes. Entsprechend beauftragte die Beklagte die Krankenkasse mit der Auszahlung von Übergangsgeld von 54,19 € täglich ab dem 04.09.2017.

Am 04.09.2017 nahm der Kläger zunächst an der Maßnahme teil. Noch am selben Tag rief seine Ehefrau bei der Beklagten an und teilte mit, dass ihr Mann wegen der eingeschränkten Deutschkenntnisse Probleme habe und auch seine Kopfschmerzen wieder stark seien, er könne nicht weiter teilnehmen. Entsprechend bestätigte der Reha-Träger am 06.09.2017, dass der Kläger die Maßnahme abgebrochen habe. Die Mitarbeiterin G1 des S2 teilte der Beklagten telefonisch am 11.09.2017 sowie mit E-Mail vom 13.09.2017 mit, dass beim Kläger deutliche sprachliche Defizite in Deutsch, sowohl im Hinblick auf das Sprechen, als auch auf das Lesen und Schreiben bestünden und dass insoweit eine sprachliche Förderung im Vorfeld einer weiteren Rehabilitationsmaßnahme empfehlenswert sei.

Mit Attest vom 05.09.2017 attestierte der K1 dem Kläger Schulungsunfähigkeit vom 05.09.2017 bis voraussichtlich 24.09.2017. Im Zwischenbericht vom 09.10.2017 berichtete K1, dass der Kläger sich bei ihm mit persistierenden Schmerzen erneut vorgestellt habe. Er habe über Kopfschmerzen geklagt. Eine Aggravation könne seinerseits nicht ausgeschlossen werden. Entsprechend äußerte er sich auch im Bericht vom 07.12.2017 und teilte mit, dass er eine Arbeitsunfähigkeit bis 31.12.2017 attestiert habe. Er sei jedoch nicht bereit, eine weitere Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen.

Die Beklagte veranlasste am 12.09.2017 einen Termin des Klägers mit der B1 zur Abklärung der deutschen Sprach- und Schreibkenntnisse des Klägers. Deren Mitarbeiterin Frau E1 teilte am 09.10.2017 mit, dass sich herausgestellt habe, dass ein Gespräch mit dem Kläger in deutscher Sprache zwar möglich sei, er jedoch nicht Deutsch lesen und schreiben könne. Ein entsprechender Deutschkurs sei insoweit zu empfehlen.

Mit Schreiben vom 12.10.2017 hörte die Beklagte den Kläger zur Einstellung des Übergangsgeldes ab 02.11.2017 an. Er habe die Maßnahme bereits nach einem Tag abgebrochen, sodass kein Anspruch auf Übergangsgeld mehr bestehe. Es sei Schulungsunfähigkeit ab dem 05.09.2017 durch K1 attestiert worden und der Bildungsträger habe ergänzend auf erhebliche Defizite im Bereich der Kommunikationsfähigkeit in der deutschen Sprache hingewiesen.

Daraufhin beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 27.10.2017 die C2 mit der Prüfung, ob die Eignung des Klägers für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vorliege. Hierfür wertete die Firma die neuropsychologische Testung durch G2 sowie des H1 vom 20.11.2017 aus. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine ausreichende kognitive Belastbarkeit für eine Beschäftigung in Vollzeit vorliege und er die Grundvoraussetzungen für weitere berufliche Maßnahmen erfülle. Allerdings sei eine schulische Maßnahme im engeren Sinne nicht zu empfehlen. Die Auffälligkeiten bei der kognitiven Leistungsfähigkeit und die deutlichen sprachlichen Defizite würden einem erfolgreichen Verlauf entgegenstehen. Ferner sei beim Kläger die Motivation für eine umfassende Maßnahme, die mit dem Erlernen neuer theoretischer Inhalte verbunden wäre, nicht erkennbar. Erstrebenswert sei eine einfache und überwiegend klar strukturierte Tätigkeit, die zu einem hohen Maß an Routine führe. In einer solchen Tätigkeit dürften deutlich weniger Schwierigkeiten auftreten, als bei komplexeren Aufgaben. Weiterhin führte die C2 ein Evaluierungsgespräch mit dem Kläger am 09.02.2018 durch und empfahl anschließend die Durchführung einer möglichst kurzen Anpassungsqualifizierung. Eine klassische schulische Maßnahme sei aufgrund der mangelnden Motivation und der bestehenden Einschränkungen nicht sinnvoll. Empfohlen werde eine kurze und zielgerichtete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, um den Versicherten für den Werkschutz zu qualifizieren. Entsprechend bot die Beklagte dem Kläger eine IHK-zertifizierte Maßnahme für eine Tätigkeit im Werkschutz vom 14.05. bis 01.06.2018 an.

Auf die Anhörung des Klägers zur Einstellung des Übergangsgeldes teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 02.11.2017 mit, dass der Kläger davon ausgehe, dass nach wie vor die Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben angezeigt sei. Die ausgewählte Maßnahme sei nicht geeignet gewesen. Es sei daher eine angemessene Teilhabeleistung zu bewilligen und weiterhin Übergangsgeld zu gewähren.

Mit Bescheid vom 03.11.2017 verfügte die Beklagte die Einstellung des Übergangsgeldes mit Ablauf des 02.11.2017.
Durch die vorliegenden Beeinträchtigungen sei der Kläger derzeit nicht in der Lage, an einer geeigneten qualifizierten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilzunehmen. Die ihm bewilligte Maßnahme im S2 ab 04.09.2017 sei bereits nach einem Tag abgebrochen worden. Vom Bildungsträger sei ergänzend auf erhebliche Defizite im Bereich der deutschen Kommunikationsfähigkeit hingewiesen und diese Einschätzung auch im Rahmen eines Erstgespräches bei der G3 am 06.10.2017 bestätigt worden. Weiterhin habe K1 unmittelbar Schulunfähigkeit bescheinigt und Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich bis 01.01.2018 festgestellt.

Hiergegen legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 17.11.2017 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf das Schreiben vom 02.11.2017.

Der Kläger meldete sich zum 01.01.2018 arbeitslos und bezog anschließend zunächst Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Auf Grund der Unfallfolgen bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 35 VII i.V. § 33 SGB IX. Ein Anspruch auf Übergangsgeld nach § 49 SGB VII bestehe, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalles Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhielten und durch die aktive Teilnahme an dieser Maßnahme kein oder nur geringeres Einkommen erzielen könnten. Eine praxisorientierte berufliche Qualifizierungsmaßnähme im Berufsförderungswerk S2 sei bereits am 1. Tag vom Kläger abgebrochen worden. Die Abklärung alternativer beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen im L1 habe aufgrund mangelnder Belastbarkeit und Deutschkenntnisse nach kurzer Zeit ebenfalls beendet werden müssen. Aktuell nehme der Kläger an keiner Maßnahme teil, die ihn an einer möglichen Erwerbstätigkeit hindere. Nach den medizinischen Unterlagen seien mittelschwere körperliche Tätigkeiten möglich. Ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe somit derzeit nicht.

Im Rahmen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zahlte die Beklagte Übergangsgeld ab dem 03.11.2017 vorläufig weiter und stellte die Übergangsgeldzahlungen erst mit Ablauf des 21.03.2018 endgültig ein. Weiterhin bezog der Kläger vom 02.01. bis 13.05.2018 Arbeitslosengeld I.

Nach Aufnahme der Integrationsmaßnahme der C2 ab dem 14.05.2018 zahlte die Beklagte vom 14.05.2018 bis 27.05.2018 Übergangsgeld. Am 27.05.2018 musste die Maßnahme aufgrund eines Myokardinfarktes des Klägers abgebrochen werden.

Am 23.03.2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er absolviere aktuell eine Teilhabeleistung. Daher habe er Anspruch auf Übergangsgeld. Die Einstellung des Übergangsgeldes sei nicht rechtmäßig.

Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.

Das SG hat unter dem 25.04.2018 darauf hingewiesen, dass die Aufhebung des Übergangsgeldes aufgrund des Abbruchs der Maßnahme rechtmäßig sein dürfte.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.06.2018 mitgeteilt, dass er ab dem 14.05.2018 eine Qualifizierungsmaßnahme absolviert habe, die aufgrund des schweren Herzinfarktes vorzeitig beendet werden musste. Davor habe er bereits Leistungen der C2 erhalten, die ebenfalls als Teilhabeleistung zu qualifizieren seien.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12.07.2018 ausgeführt, dass es sich bei den Leistungen der C2 nicht um Teilhabeleistungen gehandelt habe. Es sei dem Kläger bereits mit Schreiben vom 27.10.2017 mitgeteilt worden, dass die Einschaltung der C2 der Prüfung diene, inwieweit weitergehende berufliche Rehabilitationsleistungen an ihn zu erbringen seien.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2023 abgewiesen. Es liege eine maßgebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, die eine Aufhebung der Bewilligung des Übergangsgeldes nach § 48 SGB X rechtfertige, da der Kläger die Maßnahme, für die das Übergangsgeld bewilligt worden sei, noch am ersten Tag, dem 04.09.2017 abgebrochen habe. Nach § 49 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) werde Übergangsgeld erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhielten. Der Kläger habe nur am 04.09.2017 an der bewilligten Leistung zur Teilhabe teilgenommen. Aufgrund des Abbruchs der Maßnahme habe ihm ab dem 05.09.2017 kein Übergangsgeld mehr nach § 49 SGB VII zugestanden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes nach § 51 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011 bzw. § 71 SGB IX der ab 01.01.2018 gültigen Fassung des Gesetzes vom 23.12.2016. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. (bzw. § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX n.F.) bestehe ein Anspruch auf Weiterzahlung von Übergangsgeld, wenn nach dem Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich seien, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bestehe, und wenn diese Leistung aus Gründen, die der Leistungsempfänger nicht zu vertreten habe, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden könne. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Denn bereits dem Gesetzeswortlaut nach setze die Vorschrift den Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben voraus. Abgeschlossen sei eine entsprechende Maßnahme, wenn sie planmäßig — wie vorgesehen — beendet worden sei. Vorzeitig abgebrochene Maßnahmen könnten Weiterzahlungsansprüche daher nicht begründen.

Eine Weiterzahlung des Übergangsgeldes über den 02.11.2017 hinaus könne auch nicht aus § 51 Abs. 3 SGB IX a.F. (bzw. § 71 Abs. 3 SGB IX n.F.) resultieren. Diese Vorschrift bestimme, dass, wenn Leistungsempfänger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen könnten, Übergangsgeld bis zum Ende dieser Leistung, längstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt werde. Vorliegend könne dahinstehen, ob die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in Anspruch genommen werden könnten, da die bewilligte Teilhabeleistung auch an den mangelnden Deutschkenntnissen des Klägers gescheitert sei, denn die Vorschrift gewähre einen Weiterzahlungsanspruch längstens für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen, d.h. vorliegend bis zum 17.10.2017. Da die Beklagte bis einschließlich 02.11.2017 Übergangsgeld weitergewährt und erst danach die Leistung aufgehoben habe, könne hieraus kein weiterer Anspruch auf Übergangsgeld hergeleitet werden. Eine weitere Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben habe der Kläger erst wieder ab dem 14.05.2018 absolviert und für die Dauer der Maßnahme auch Übergangsgeld erhalten. Das zuvor geführte Gespräch mit der C2 und deren Überprüfung der Aktenlage im Hinblick darauf, was für eine Maßnahme für den Kläger in Betracht komme, diene allein der Vorbereitung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und sei nicht selbst als Teilhabeleistung zu qualifizieren. Insoweit habe der Kläger vor dem 14.05.2018 keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach § 49 SGB VII gehabt.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen den ihr am 14.03.2023 zugestellten Gerichtsbescheid am 11.04.2023 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Bescheid vom 03.11.2017 werde als rechtswidrig gerügt, da der Kläger den Bescheid erst zum 06.11.2017 erhalten habe und somit die Einstellung des Übergangsgeldes zum 07.11.2017 und gerade nicht ab dem 03.11.2017 hätte erfolgen können. Die Annahme des SG, dass eine Aufhebung rückwirkend möglich sei, da es dem Kläger aufgrund der Anhörung bekannt gewesen sei, dass ihm kein Übergangsgeld zustehe, könne nicht gefolgt werden und gehe fehl. Worauf das SG die rückwirkende Aufhebung stütze, insbesondere welche Rechtsnorm, sei nicht klar. Der Kläger habe dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sodass ihm Übergangsgeld zu gewähren sei.
Die Maßnahme sei für den Kläger aufgrund seines sprachlichen Defizits nicht geeignet gewesen. Dem Kläger sei jedoch eine geeignete Teilhabeleistung von Seiten der Beklagten zu gewähren gewesen. Die Einschränkungen des Klägers in der deutschen Sprache und die Defizite in der Kommunikationsfähigkeit des Klägers führten dazu, dass schulische Maßnahmen nicht geeignet seien. Hier stelle sich die Frage, warum von der Beklagten keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden seien, eine geeignete Teilhabeleistung für den Kläger zu finden. Der Kläger sei für jegliche Maßnahmen offen gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.03.2023 sowie den Bescheid vom 03.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 03.11.17 hinaus Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe und Frist zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass nach § 48 Abs. 1 SGB X ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete. Eine wesentliche Änderung sei bereits am 05.09.2017 eingetreten, da der Kläger bereits am ersten Tag die bewilligte Maßnahme abgebrochen habe. Dem Kläger habe es schlicht an der Bereitschaft zur Mitwirkung gefehlt. Eine berufliche Ausbildung habe er weder begonnen noch abgeschlossen. Er habe geäußert, dass eine „schulische“ Qualifikation für ihn nicht in Frage komme. Aufgrund der Unfallfolgen und seines allgemeinen Gesundheitszustandes habe er dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Verfügung gestanden. Er sei, trotz Unfallfolgen, weiterhin in der Lage, eine praktische Anlerntätigkeit aufzunehmen. Hierzu werde er von der Berufungsbeklagten unterstützt. Die Beklagte habe die C2 T2, beauftragt, den Berufungskläger bei der Teilhabe am Arbeitsleben zu unterstützen. Aus der Berufungsbegründung würden sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die die Feststellungen im Gerichtsbescheid vom 08.03.2023 erschütterten. Der Reha-Manager der Beklagten A1 habe den Kläger bei der Teilhabe am Arbeitsleben intensiv unterstützt. Es seien ausführliche Gespräche geführt worden. Jedoch sei der Kläger nicht, wie nachträglich behauptet, für „jegliche Maßnahmen“ offen gewesen.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 22.01.2024 mit den Beteiligten nicht öffentlich erörtert.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Der angefochtene Bescheid vom 03.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2018 ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Übergangsgeld über den 02.11.2017 hinaus. Daher hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der Übergangsgeldbewilligung nach § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 49 SGB VII i.V.m. § 51 SGB IX a.F. für den Zeitraum bis zum 31.12.2017 bzw. § 71 SGB IX n.F. für den Zeitraum ab dem 01.01.2018 ausführlich dargelegt und anschließend zutreffend und fundiert ausgeführt, dass ab dem Zeitpunkt des Abbruchs der Leistung zur Teilhabe am 04.09.2017 kein Anspruch auf Übergangsgeld mehr besteht. Der Kläger hat bestätigt, dass er die Maßnahme am 04.09.20217 abgebrochen hat. Bereits aus diesem Grund ist der Anspruch auf Übergangsgeld ab dem 05.09.2017 entfallen, da es sich beim Übergangsgeld um eine akzessorische Leistung handelt, die von der Bewilligung und Durchführung der Hauptleistung zur Teilnahme am Arbeitsleben abhängig ist (vgl. Westermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 49 SGB VII Rdnr. 23 ff.). Demgemäß besteht ein Rechtsanspruch auf Übergangsgeld erst dann, wenn die Hauptleistung bewilligt ist und auch tatsächlich durchgeführt wird (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.1989 – 4 RA 50/88 –, juris Rdnr. 28 ff.). Bei einem Abbruch der Teilnahme an der Maßnahme endet der Anspruch auf Übergangsgeld, es sei denn, dass ein Fall des § 71 Abs. 3 SGB IX vorliegt.

Das SG führt auch zutreffend aus, dass der Kläger aus § 71 Abs. 3 SGB IX (bzw. aus § 51 Abs. 3 SGB IX a.F.) ebenfalls keinen Anspruch auf Übergangsgeld über den 02.11.2017 hinaus ableiten kann, da die Beklagte das Übergangsgeld über den 04.09.2017 hinaus bis einschließlich 02.11.2017 und daher weit über den sechswöchigen Anspruchszeitraum des § 71 Abs. 3 SGB IX hinaus weitergezahlt hat. Die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 71 Abs. 3 SGB IX erfüllt sind, kann daher dahingestellt bleiben. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Abbruch der Leistung zur Teilhabe nicht allein aus gesundheitlichen Gründen, sondern auch infolge der mangelnden Deutschkenntnisse des Klägers erfolgte und somit nicht allein gesundheitliche Gründe ursächlich waren. Der Anspruch auf Zwischenübergangsgeld nach § 71 Abs. 3 SGB IX im Anschluss an eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Vermittlung in eine zumutbare Beschäftigung setzt voraus, dass der Leistungsempfänger der Arbeitsvermittlung subjektiv und objektiv zur Verfügung steht (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2023 – L 10 R 3772/20 –, juris Rdnr. 40 ff.). Dies ist vorliegend der Umstände, welche zum Abbruch geführt haben zweifelhaft, kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Bei § 71 SGB IX handelt es sich auch um eine abschließende Regelung; andere Fallkonstellationen als die dort genannten vermögen daher keinen Anspruch auf Weiterzahlung von unterhaltssichernden Leistungen außerhalb der Laufzeit der Hauptmaßnahme zu begründen. „Erweiternde Auslegungen“ und Analogieschlüsse kommen mangels Regelungslücke grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Schlette in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 71 SGB IX Rdnr. 11; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2008 – L 3 U 68/05 –, juris Rdnr. 43).

Ein Anspruch auf Übergangsgeld ist im vorliegenden Fall erst wieder durch die erneute Leistung zur Teilhabe ab dem 14.05.2018 entstanden. Entsprechend hat die Beklagte ab diesem Zeitpunkt wieder Übergangsgeld gezahlt. Die in der Zwischenzeit von der Beklagten initiierten Maßnahmen zur Prüfung der Deutschkenntnisse des Klägers sowie der Eignungsabklärung durch die C2 sind als Vorbereitungshandlungen nicht geeignet, einen Anspruch auf Übergangsgeld auszulösen. Maßnahmen zur Eignungsabklärung nach § 33 Abs. 4 SGB IX a. F. bzw. § 49 Abs. 4 Satz 2 SGB IX n.F., bei denen es sich um einen Teil des den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens handelt, stellen keine Leistungen zur Teilhabe dar und lösen daher keinen Anspruch auf Übergangsgeld aus (vgl. Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 49 SGB IX Rdnr. 140; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.02.2017 – L 3 R 849/16 –, juris Rdnr. 19). Hierauf weist auch das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hin.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt nicht zu einer anderweitigen Beurteilung des Sachverhalts. Entgegen dem Vorbringen des Klägers war die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X berechtigt, die Übergangsgeldbewilligung ab dem 03.11.2017 aufzuheben. Die Beklagte hat im Bescheid vom 19.07.2017 den Kläger darüber in Kenntnis gesetzt, dass Übergangsgeld nur für die Dauer der Maßnahme gezahlt wird. Im Anhörungsschreiben vom 12.10.2017 hat die Beklagte den Kläger dann darüber in Kenntnis gesetzt, dass nach Abbruch der Maßnahme derzeit keine weitere Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren ist und die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld daher entfallen sind. Die Beklagte hat zudem die beabsichtigte Einstellung des Übergangsgeldes am 02.11.2017 angekündigt. Somit hat die Beklagte die Zahlung des Übergangsgeldes nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zum 04.09.2017, sondern erst später nach vorheriger Ankündigung eingestellt. Die Beklagte hat auch die Prozessbevollmächtigte über die vorläufige Weitergewährung des Übergangsgeldes bis zur Klärung der Frage der Fortführung einer Leistung zur Teilhabe mit Schreiben vom 06.09.2017 informiert. Der Kläger hatte daher Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse, so dass die Beklagte zu Recht die Zahlung des Übergangsgeldes zum 02.11.2017 eingestellt hat.

Auch soweit der Kläger anführt, dass die Maßnahme nicht geeignet gewesen sei und er weiterhin Anspruch auf eine Leistung zur Teilhabe habe, begründet dies keinen Anspruch auf Übergangsgeld. Ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht nur während einer laufenden Leistung zur Teilnahme. Der Kläger stellt selbst außer Frage, dass er die mit Bescheid vom 19.07.2017 bewilligte Leistung abgebrochen hat. Die Frage, ob die mit Bescheid vom 19.07.2017 bewilligte Leistung geeignet war und er weiterhin Anspruch auf Bewilligung einer anderen Leistung zur Teilhabe hat, ist durch weitere Eignungsmaßnahmen zu ermitteln, begründet jedoch keinen Anspruch auf Übergangsgeld während dieser vorbereitenden Abklärungszeit. Das Übergangsgeld sichert nur den Lebensunterhalt während einer laufenden Leistung zur Teilhabe. Eine solche hat der Kläger im Zeitraum vom 03.11.2017 bis zum 14.05.2018 nicht durchlaufen. Im Übrigen hat die Beklagte weitere Maßnahmen ergriffen, um die Eignung des Klägers für eine weitere Leistung zur Teilhabe und die Auswahl dieser Leistung zu prüfen. Insofern trifft der Vorwurf des Klägers, dass die Beklagte keine weiteren Maßnahmen zur Prüfung des Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe ergriffen habe, nicht zu. Die Auswahl und die Prüfung obliegt jedoch der Beklagten nach Maßgabe des § 49 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, so dass nicht von vorneherein Anspruch auf Bewilligung einer Maßnahme mit Übergangsgeldanspruch besteht. Zudem war der Kläger nach den Ausführungen der C2 im Bericht vom 12.02.2018 zur Absolvierung einer schulischen Maßnahme nicht bereit, so dass auch nicht sämtliche Maßnahmen in Betracht kamen. Die Beklagte hat daher zu Recht die Zahlung von Übergangsgeld ab dem 03.11.2017 eingestellt.

Die Berufung des Klägers war daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.


 

Rechtskraft
Aus
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