L 7 R 15/24 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 5 R 1/22 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 15/24 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Arbeitgeber im rechtlichen Sinn kann nur ein rechtsfähiges Subjekt (Betrieb oder Kombinat), nicht aber eine nichtrechtsfähige Organisationseinheit (Betriebsteil oder nichtrechtsfähige Kombinatsleitung) sein.

 

2. Der in einem Arbeitsvertrag bezeichnete "Arbeitsort" ist nicht der Arbeitgeber eines Werktätigen.

 

3. Die künstliche Aufspaltung eines Überleitungsvertrages nach §§ 51, 53 DDR-AGB in einen rechtswirksamen Arbeitsverhältnisbeendigungsteil und einen rechtsunwirksamen Arbeitsverhältnisbegründungsteil ist nicht möglich, da es sich um einen einheitlichen Dreiecksvertrag handelt, der nur insgesamt wirksam oder unwirksam sein kann.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "Albert Funk" Freiberg - Überleitungsvertrag

  1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die von der Beklagten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, gerichtet auf die Feststellung höherer Entgelte in Form von Jahresendprämien sowie zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau – verfügte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (im Zeitraum vom 8. März 1983 bis 30. Juni 1990).

 

Dem 1957 geborenen Kläger wurde, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1978 bis Februar 1983 absolvierten Hochschulstudiums in der Fachstudienrichtung "Fertigungsmittelentwicklung" an der Technischen Hochschule Y...., mit Diplomurkunde vom 17. Februar 1983 der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Er war vom 8. März 1983 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Projektierungsingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... beschäftigt, wobei sein Arbeitsverhältnis ab 1. Juni 1990 mit Überleitungsvertrag vom 15. Juni 1990 auf – den Rechtsnachfolgebetrieb – W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke, die erst am 4. September 1990 ins Handelsregister eingetragen wurde, übergeleitet wurde bzw. werden sollte. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Im Jahr 2002 (oder früher) beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte eine Entgeltbescheinigung der W.... Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH vom 11. September 2002 (für den Beschäftigungszeitraum vom 8. März 1983 bis 30. Juni 1990) vor. Mit Bescheid vom 27. September 2002 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 8. März 1983 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der W.... Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH vom 11. September 2002, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 1. April 2021 (gerichtet an die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien sowie zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau ("Bergmannsgeld") bei den festgestellten Arbeitsentgelten und legte zum Nachweis bzw. zur Glaubhaftmachung Bezugsbelege sowie Aufzeichnungen aus seinen privaten Haushaltsbüchern vor. Den Antrag leitete die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See mit Schreiben vom 29. Juni 2021 an die Beklagte weiter, bei der es am 5. Juli 2021 einging.

 

Mit Schreiben vom 21. September 2021 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Feststellung der Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Feststellungsbescheides vom 27. September 2002 mit der Begründung an, es bestünden gewichtige Zweifel an der Richtigkeit dieses Feststellungsbescheides vom 27. September 2002, da es nach aktuellen Erkenntnissen an der betrieblichen Voraussetzung fehlen würde. Das Arbeitsrechtsverhältnis mit dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... sei aufgrund des Überleitungsvertrages zum 31. Mai 1990 beendet worden. Auf die Anhörung äußerte sich der Kläger mit Schreiben vom 28. September 2021 und vom 6. Oktober 2021.

 

Mit Bescheid vom 8. Oktober 2021 stellte die Beklagte fest, dass

  • § 1 AAÜG nicht anwendbar ist,
  • der Feststellungsbescheid vom 27. September 2002, mit dem die Zeiten vom 8. März 1983 bis 30. Juni 1990 als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG festgestellt wurden, rechtswidrig ist, aber nicht zurückgenommen werden kann und
  • kein Anspruch auf Feststellung von höheren Entgelten nach dem AAÜG besteht.

Zur Begründung führte sie aus: Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG würden nicht vorliegen, weil für den Kläger weder eine tatsächliche noch eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft bestanden habe. Die betriebliche Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft habe nicht vorgelegen, weil der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem VEB beschäftigt gewesen sei. Sein Arbeitsverhältnis mit dem VEB sei durch den Überleitungsvertrag vom 15. Juni 1990 zum 31. Mai 1990 beendet worden. Ein Arbeitsverhältnis mit der W.... AG habe bis zum 30. Juni 1990 nicht zu Stande kommen können, da die AG erst am 4. September 1990 im Handelsregister eingetragen worden sei. Der Feststellungsbescheid vom 27. September 2002 sei daher fehlerhaft begünstigend und damit rechtswidrig, könne aber (mangels Verschuldens des Klägers und infolge Fristablaufs) nicht zurückgenommen werden, sodass es bei den rechtswidrig festgestellten Pflichtbeitragszeiten verbliebe. Weitere Rechte seien aus dem Bescheid allerdings nicht ableitbar, auch nicht im Wege eines Überprüfungsverfahrens.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 (Eingang bei der Beklagten am 22. Oktober 2021) Widerspruch mit der Begründung ein, die Entscheidung der Beklagten beachte in keiner Weise den tatsächlichen urkundlich nachgewiesenen Sachverhalt der fortwährenden Beschäftigung des Klägers über den 31. Mai 1990 hinaus bis zum 30. Juni 1990 im VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.....

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger habe weder eine tatsächliche noch eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft im Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz erworben. Es fehle an der betrieblichen Voraussetzung. Bei dem Beschäftigungsbetrieb handele es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) im Sinne der Versorgungsordnung. Ab 1. September 1986 sei das Kombinat, trotz eines Stammbetriebes, über die Kombinatsleitung geführt worden. Diese sei auch als Arbeitgeberin im rechtlichen Sinne entsprechend der Arbeitsverträge sowie der Eintragungen im Sozialversicherungsausweis in Erscheinung getreten. Hierbei handele es sich allerdings nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung. Ihr habe nicht die standardisierte und automatisierte Sachgüterproduktion das Gepräge gegeben. Das Kombinat selbst habe als juristische Person zentralisiert Leitungs- und Koordinationsfunktionen wahrgenommen. Der Feststellungsbescheid vom 27. September 2002 sei fehlerhaft begünstigend und habe nur im Rahmen des Vertrauensschutzes weiterhin Bestandskraft. Der Vertrauensschutz erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen, weshalb höhere Entgelte nicht festgestellt werden könnten.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Januar 2022 Klage zum Sozialgericht Chemnitz mit der Begründung, die nunmehr von der Beklagten angestrengte Argumentationsvariante, der Kläger habe nicht in einem Produktionsbetrieb, sondern in der Kombinatsleitung gearbeitet, sei ebenso unzutreffend wie das zuvor benutzte Stichtagsargument. Der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... sei sehr wohl entgegen der Ansicht der Beklagten ein Produktionsbetrieb im Sinne des AAÜG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gewesen und der Kläger sei als dort beschäftigter Projektierungsingenieur entsprechend dem Arbeitsvertrag auch unmittelbar im Produktionsprozess tätig gewesen. Entsprechend ihrer Bestimmung habe die Kombinatsleitung die Aufgaben der Betriebsteile zentralisiert wahrgenommen, um die ineffektive Verteilung der Aufgaben auf die einzelnen Betriebsteile zu vermeiden. Bereits in § 1 des Statuts werde klargestellt, dass es sich bei der Kombinatsleitung nicht um eine juristisch selbstständige Struktureinheit des VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... gehandelt habe. Aus dem Arbeitsvertrag des Klägers ergebe sich, dass dieser seinen Arbeitssitz im "FH-Prod.-Ber. I" gehabt habe. Die Abkürzung stehe für den Betriebsteil "Hütte A.... bzw. A....er Hütte, Prod.-Bereich I". Dies weise ganz ausdrücklich auf die Tätigkeit des Klägers im Produktionsbetrieb hin. Der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... sei mit nichts anderem befasst gewesen als mit der Produktionsdurchführung im klassischen Sinne. Die Verhüttung von Erzen, die Produktion von Edelmetallen, die Aufbereitung von geförderten oder gelieferten Materialien bzw. Stoffen sowie das Wiederaufbereiten von Batterien zur Rohstoffrückgewinnung stelle Produktion dar. In diesem Sinne sei die ursprüngliche Einordnung der Beklagten nicht nur im Bescheid vom 27. September 2002 für den Kläger, sondern auch in "tausend" anderen Fällen für Beschäftigte des Kombinates sachlich und rechtlich völlig zutreffend gewesen und es gebe keinen berechtigten Grund, dies in Zweifel zu ziehen und die damaligen Feststellungen zur revidieren. Ein aktuelles Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) mit dem Aktenzeichen: L 7 R 294/22 ZV verpflichte die Beklagte in einem Parallelfall zur antragsgemäßen Leistung.

 

Das Sozialgericht Chemnitz hat – nach Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit Beschluss vom 5. Januar 2023, nach Fortführung des Verfahrens mit Verfügung vom 31. März 2023 sowie nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 6. November 2023 – mit Gerichtsbescheid vom 29. Dezember 2023 den Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2021 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Überprüfungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid sei rechtswidrig, da die betriebliche Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft im Fall des Klägers vorgelegen habe. Weder die ursprüngliche Argumentation der Beklagten im Ablehnungsbescheid, wonach aufgrund des Überleitungsvertrages das Arbeitsverhältnis mit dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... zum 31. Mai 1990 geendet habe, noch die neue Begründung, dass die Kombinatsleitung Arbeitgeber des Klägers gewesen sei und es damit an der betrieblichen Voraussetzung fehle, seien rechtlich haltbar. Im Rahmen eines vergleichbaren Parallelfalles vor dem Sächsischen LSG (L 7 R 294/22 ZV), in dem ebenso ein Überleitungsvertrag zwischen dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A...., dem Übernahmebetrieb W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke sowie dem dortigen Kläger geschlossen worden sei, habe das Sächsische LSG zu Recht die betriebliche Voraussetzung am Stichtag des 30. Juni 1990 bejaht. Die betriebliche Voraussetzung fehle entsprechend der Argumentation der Beklagten auch nicht deshalb, weil im rechtlichen Sinne am 30. Juni 1990 die Kombinatsleitung der Arbeitgeber des Klägers gewesen wäre. Ausweislich des vorliegenden Arbeitsvertrages vom 23. Februar 1983 sowie der nachfolgenden sämtlichen Änderungsverträge sei als Vertragspartner des Klägers und damit als Arbeitgeber jeweils der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... benannt. Der Umstand, dass als Arbeitsort der Passus "die Kombinatsleitung/Proj.-Büro, Arbeitssitz: FH-Prod.-Ber. I" im Arbeitsvertrag angegeben worden sei, führe nicht zu einer Änderung in Bezug auf den als Vertragspartner des Arbeitsvertrages bezeichneten VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..... Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinne am 30. Juni 1990 gerade nicht die Kombinatsleitung, sondern vielmehr entsprechend der klaren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... gewesen. Ein Betrieb "Kombinatsleitung" sei am 30. Juni 1990 weder rechtlich existent noch in irgendeiner Weise juristisch selbständig gewesen.

 

Gegen den am 3. Januar 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 15. Januar 2024 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Das Sozialgericht verletze mit seiner Entscheidung, dem Kläger bundesrechtlich fiktive Zusatzversorgungszeiten vom 1. März 1983 bis 30. Juni 1990 zuzusprechen, § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Der Anwendungsbereich des AAÜG sei für den Kläger nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht eröffnet. Das Sozialgericht habe im ersten Prüfungsschritt das Vorliegen der betrieblichen Anspruchsvoraussetzung für die Annahme einer "Zugehörigkeit" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu Unrecht bejaht. Entgegen der Bewertung des Sozialgerichts handele es sich bei dem inmitten stehenden VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..../Kombinatsleitung nicht um einen Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie im Sinne der vom BSG geprägten Definition dieses Begriffs. Der Kläger sei am 30. Juni 1990 ausweislich des Arbeitsvertrages vom 23. Februar 1983, der Änderungsverträge vom 10. Mai 1985, 9. August 1985, 10. April 1987 und 12. Oktober 1988, des Überleitungsvertrages vom 15. Juni 1990 sowie der Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung des Klägers im VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..../Kombinatsleitung beschäftigt gewesen, sodass aus Sicht der Beklagten ausschließlich dieser Betrieb Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinne gewesen sei. Arbeitgeber im rechtlichen Sinne sei für den Kläger nicht der VEB Berg- und Hüttenwerke A.... (mit Zweigbetrieben und Einrichtungen), Sitz A...., gewesen, der mit Wirkung ab 1. März 1990 Rechtsfähigkeit erlangt habe. Damit komme es bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens der betrieblichen Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft ausschließlich auf den Betriebszweck des VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..../Kombinatsleitung an. Ausweislich des Kombinatsstatutes vom 15. Dezember 1981 (mit Wirkung vom 1. Januar 1982 einschließlich der 1. Änderung des Statutes vom 15. Mai 1986) des zum 1. Januar 1961 gegründeten VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... hätten diesem Betrieb keinerlei Produktionsaufgaben oblegen. Dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..../Kombinatsleitung seien ausschließlich kombinatsübergreifende koordinierende und organisatorische Leitungs- und Lenkungsaufgaben übertragen gewesen, wie sich aus § 6 Abs. 1 des Kombinatsstatutes ergebe. Der dortigen Aufzählung der Aufgaben lasse sich nicht eine Aufgabe entnehmen, die unter den Begriff der massenhaften Produktionsdurchführung zu subsumieren wäre. Produziert hätten am 30. Juni 1990 im VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... nur die Kombinatsbetriebe.

 

Die Beklagte beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Dezember 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

 

Mit Schriftsätzen vom 11. März 2024 (Kläger) sowie vom 14. März 2024 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagte ist unbegründet, weil das Sozialgericht Chemnitz mit Gerichtsbescheid vom 29. Dezember 2023 zu Recht und mit zutreffender Begründung den Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2021 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet hat, den Überprüfungsantrag des Klägers (unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts) erneut zu bescheiden. Insoweit schließt sich der Senat, nach Überprüfung, den Gründen im angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Dezember 2023 an und nimmt darauf zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen zunächst vollständig Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:

 

1.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren – wie bereits im Klageverfahren – ausführt, der Kläger sei am 30. Juni 1990 im VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..../Kombinatsleitung beschäftigt gewesen, sodass es zur Beurteilung des Vorliegens der betrieblichen Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft ausschließlich auf diesen konkreten Arbeitgeber im Rechtssinne, der keinerlei Produktionsaufgaben ausgeführt habe, ankomme, irrt sie und ignoriert die tatsächlich maßgeblichen Umstände in nicht nachvollziehbarer Weise.

 

Ein Rechtssubjekt namens "Kombinatsleitung", worauf die Beklagte ausschließlich abstellt, welches Arbeitsverträge hätte schließen und als Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn – worauf es nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein ankommt (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 2 S. 6, S. 13; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 - B 4 RA 49/03 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 30/05 R - JURIS-Dokument, RdNr. 28; BSG, Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 39/05 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 41/05 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 37; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 27/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - B 5 RS 1/16 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13) – hätte fungieren können, existierte zu keinem Zeitpunkt. Rechtssubjektqualität kam ausweislich des mit Wirkung ab 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Kombinatsstatuts des VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... vom 15. Dezember 1981 einschließlich der 1. Änderung des Kombinatsstatuts des VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... vom 15. Mai 1986 sowie ausweislich der teilweise vorliegenden VEB-Registerauszüge lediglich dem Kombinat selbst (VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A....) sowie den vier Kombinatsbetrieben (VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." Stammbetrieb A.... [inklusive seiner Zweigbetriebe und Einrichtungen als lediglich Betriebsteile], VEB Halbzeugwerk V.... , VEB Nickelhütte U.... und VEB Nickelhütte T....) zu. Bei der in § 6 des Kombinatsstatuts beschriebenen "Kombinatsleitung" handelt es sich lediglich um eine rechtlich nichtselbstständige Organisationseinheit des Kombinats. Mangels Rechtssubjektqualität fehlte der "Kombinatsleitung" somit auch jede arbeitsrechtliche Handlungsfähigkeit (vgl. dazu: Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 124).

 

Die "Kombinatsleitung" als rechtlich nichtselbstständige Organisationseinheit des Kombinats trat ausweislich des Arbeitsvertrages des Klägers vom 23. Februar 1983, der Änderungsverträge des Klägers vom 10. Mai 1985, vom 9. August 1985, vom 10. April 1987 und vom 12. Oktober 1988 sowie des Überleitungsvertrages vom 15. Juni 1990 auch nicht als Arbeitgeber des Klägers auf, sondern wird in sämtlichen Verträgen lediglich zur Kennzeichnung des konkreten "Arbeitsortes" bzw. untechnisch / unjuristisch "[Einsatz]Betrieb[s]" des Klägers im Kombinat benannt. Sowohl der Arbeitsvertrag des Klägers vom 23. Februar 1983, als auch die Änderungsverträge des Klägers vom 10. Mai 1985, vom 9. August 1985, vom 10. April 1987 und vom 12. Oktober 1988 sowie der Überleitungsvertrag vom 15. Juni 1990 bezeichnen als konkreten Arbeitgeber des Klägers, jeweils im Einleitungssatz, ausschließlich den "VEB Bergbau- und Hüttenkombinat 'X....' A...." und keine "Kombinatsleitung".

 

Eine andere Bewertung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass im Ausweis des Klägers für Arbeit und Sozialversicherung das Arbeitsrechtsverhältnis des Klägers mit dem Stempelaufdruck "VEB Bergbau- und Hüttenkombinat 'X....' A.... Kombinatsleitung" quittiert wurde, weil durch diesen Stempelaufdruck die "Kombinatsleitung" weder Rechtssubjektqualität erlangt, noch durch irgendeinen rechtlich relevanten Akt zum Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn mutiert.

 

Vor diesem Hintergrund ist für die rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes ohne Belang, dass die Kombinatsleitung ausschließlich kombinatsübergreifende koordinierende und organisatorische Leitungs- und Lenkungsaufgaben und keinerlei Produktionsaufgaben ausführte.

 

2.

Soweit die Beklagte im Verwaltungsverfahren ausführte, die betriebliche Voraussetzung für eine Feststellung bundesrechtlich fiktiver Zusatzversorgungszeiten am sog. Stichtag 30. Juni 1990 habe im Fall des Klägers nicht vorgelegen, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem VEB durch den Überleitungsvertrag vom 15. Juni 1990 zum 31. Mai 1990 beendet worden sei, verkennt sie auch insoweit die maßgebliche Sach- und Rechtslage.

 

Beschäftigungsbetrieb des Klägers am 30. Juni 1990, und damit Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn – worauf es nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein ankommt (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 2 S. 6, S. 13; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 - B 4 RA 49/03 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 30/05 R - JURIS-Dokument, RdNr. 28; BSG, Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 39/05 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 41/05 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 37; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 32; BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 27/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - B 5 RS 1/16 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13) – war, wie bereits hervorgehoben, ausschließlich der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..... Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

 

Zwar hatte der Kläger am 15. Juni 1990 mit dem überleitenden Betrieb (dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A....) und dem übernehmenden Betrieb (der W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke) einen Überleitungsvertrag nach §§ 51, 53 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (nachfolgend: DDR-AGB) vom 16. Juni 1977 (DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185) mit Wirkung ab 1. Juni 1990 schriftlich vereinbart. Dieser entfaltete jedoch – zumindest bis zum 30. Juni 1990 wegen Unwirksamkeit – (noch) keine Rechtswirkungen, weil der übernehmende Betrieb (die W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke) noch keine Rechtssubjektqualität aufwies und verbindliche Verträge mangels arbeitsrechtlicher Handlungsfähigkeit noch gar nicht schließen konnte. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht Chemnitz darauf hingewiesen, dass dieser Überleitungsvertrag sowohl zum 1. Juni 1990 als auch am 30. Juni 1990 ins Leere ging, weil der übernehmende Betrieb (die W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke) erst am 4. September 1990 ins Handelsregister eingetragen wurde. Denn als AG wurde die W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke – ausweislich der vorliegenden Betriebsunterlagen – zwar am 30. Mai 1990 durch Satzung gegründet, erlangte Rechtsfähigkeit aber erst mit Eintragung im Handelsregister (mit der Registernummer: HRB 837) am 4. September 1990 bzw. kraft Gesetzes gemäß §§ 24 Abs. 2, 11 Abs. 2 des "Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)" vom 17. Juni 1990 (DDR-GBl. 1990 I, Nr. 33, S 300) am 1. Juli 1990. Denn die auf der Grundlage der "Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften" (nachfolgend: Umwandlungsverordnung) vom 1. März 1990 (DDR-GBl. 1990 I, Nr. 14, S. 107) eingeleitete Umwandlung wurde durch § 11 Abs. 2 des "Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)" vom 17. Juni 1990 (DDR-GBl. 1990 I, Nr. 33, S 300) mit Wirkung zum 1. Juli 1990 kraft Gesetzes überholt, sodass die spätere Registereintragung der aus der Umwandlung entstandenen Kapitalgesellschaft im Aufbau keine konstitutive, sondern nur noch deklaratorische Bedeutung hatte (vgl. dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 41; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 36; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 36). Weil die W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke im Zeitpunkt des Vertragsschlusses des Überleitungsvertrages am 15. Juni 1990 damit noch keine juristische Person war und somit noch keine Rechtssubjektqualität aufwies, fehlte ihr die arbeitsrechtliche Handlungsfähigkeit (vgl. dazu: Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 124). Sie konnte zu diesem Zeitpunkt daher (noch) keine (übereinstimmenden) Willenserklärungen im Sinne des § 41 Abs. 1 DDR-AGB abgegeben, was jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluss eines Überleitungsvertrages ist (vgl. dazu: Kirschner/Michas, „Abschluß, Änderung und Auflösung des Arbeitsvertrages“ [= Heft 2 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 2. Auflage, 1989, Verlag Tribüne Berlin, S. 59). Der Überleitungsvertrag war daher infolge der rechtshindernden Einwendung der fehlenden arbeitsrechtlichen Handlungsfähigkeit der W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke von Anfang an (mindestens schwebend) unwirksam.

 

Die von der Beklagten mit ihrer Argumentation herbeigeredete künstliche Aufspaltung des Überleitungsvertrages vom 15. Juni 1990 in einen angeblich rechtswirksamen Arbeitsverhältnisbeendigungsteil (Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... zum 31. Mai 1990) und einen angeblich rechtsunwirksamen Arbeitsverhältnisbegründungsteil (Begründung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke ab 1. Juni 1990) widerspricht im Übrigen nicht nur dem dokumentierten Willen der Vertragsparteien des Überleitungsvertrages, sondern auch dem Wesen des Überleitungsvertrages. Denn zum einen hatte das Sozialgericht Chemnitz bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Wille der Vertragsparteien des Überleitungsvertrages darauf gerichtet war, das Arbeitsverhältnis des Klägers nahtlos, also ohne zeitliche Lücke, fortzuführen, wie sich unzweideutig aus dem Überleitungsvertrag ergibt. Und zum anderen verkennt die Beklagte, dass es sich beim Überleitungsvertrag um einen sog. spezifischen Dreiecksvertrag handelt, bei dem sich die (endgültige) Auflösung des bisherigen Arbeitsvertrages und der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages miteinander vereinen (Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 139). Die Rechtshandlungen der Vertragspartner beim Überleitungsvertrag sind nämlich auf die (definitive und unbedingte) Beendigung des bisherigen Arbeitsrechtsverhältnisses (Vereinbarung zwischen dem bisherigen Betrieb und dem Werktätigen) und auf die (gleichfalls definitive und unbedingte) Begründung eines neuen Arbeitsrechtsverhältnisses (Vereinbarung zwischen dem neuen Betrieb und dem Werktätigen) gerichtet (Kirschner/Michas, „Abschluß, Änderung und Auflösung des Arbeitsvertrages“ [= Heft 2 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 2. Auflage, 1989, Verlag Tribüne Berlin, S. 59). Der Überleitungsvertrag enthält damit beide Vereinbarungen, was bedeutet, dass er nur "in der Einheit beider Bestandteile besteht" bzw. bestehen kann (Kirschner/Michas, „Abschluß, Änderung und Auflösung des Arbeitsvertrages“ [= Heft 2 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 2. Auflage, 1989, Verlag Tribüne Berlin, S. 59), zumal die Vereinigung beider Rechtshandlungen (Auflösung des bisherigen Arbeitsvertrages und Begründung eines neuen Arbeitsvertrages) zu einem Vertragsschluss "zu einer neuen Qualität hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Verträge führte" (Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 139). Sinn und Zweck des Überleitungsvertrages war es nämlich, dass "der Werktätige ohne zeitliche Unterbrechung, also unmittelbar, in ein neues Arbeitsrechtsverhältnis eintritt" (Kirschner/Michas, „Abschluß, Änderung und Auflösung des Arbeitsvertrages“ [= Heft 2 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 2. Auflage, 1989, Verlag Tribüne Berlin, S. 57). Mit dem Überleitungsvertrag sollte daher gerade die ununterbrochene Tätigkeit des Werktätigen durch Rechtshandlungen von zwei Betrieben und dem Werktätigen selbst gesichert werden (Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 139). Als dreiseitiger Vertrag lässt er sich damit nicht in einen rechtswirksamen Beendigungsteil und einen rechtsunwirksamen Begründungsteil aufspalten. Er kann lediglich insgesamt wirksam oder unwirksam sein, weil er "nur als Einheit seiner Bestandteile, nämlich Aufhebungsvertrag und Arbeitsvertrag, zustande kommen und wirksam werden kann" (Kirschner/Michas, „Abschluß, Änderung und Auflösung des Arbeitsvertrages“ [= Heft 2 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 2. Auflage, 1989, Verlag Tribüne Berlin, S. 60). Vor diesem Hintergrund kann die Argumentation der Beklagten, das Arbeitsrechtsverhältnis des Klägers mit dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... sei mit dem 31. Mai 1990 beendet bzw. aufgelöst gewesen, weil die Auflösungsvereinbarung wirksam sei, sodass es versorgungsrechtlich ohne Bedeutung sei, dass die als neuer Arbeitgeber vorgesehene W.... AG A.... Metallhütten und Verarbeitungswerke zum Zeitpunkt des Abschlusses des Überleitungsvertrages keine wirksamen Verträge habe abschließen können und es deshalb möglicherweise nicht zur Begründung eines neuen Arbeitsvertrages am 1. Juni 1990 gekommen sei, nicht überzeugen.

 

Soweit die Beklagte zudem in anderen Verfahren ausführte, sie sehe sich in ihrer Rechtsauffassung durch die zu gleichgelagerten Sachverhalten ergangenen Entscheidungen des BSG vom 29. Juli 2004 (im Verfahren: B 4 RA 4/04 R) und des LSG Berlin/Brandenburg vom 23. März 2022 (im Verfahren: L 16 R 315/20) bestätigt, führt dieser Einwand zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage, weil sie die jeweiligen Einzelfallumstände komplett verkennt. Die Entscheidung des BSG vom 29. Juli 2004 (im Verfahren: B 4 RA 4/04 R) ist zwischenzeitlich – wie die Beklagte sehr wohl weiß – rechtlich überholt. Denn in dem Urteil vom 29. Juli 2004 (im Verfahren: B 4 RA 4/04 R) ging das BSG noch davon aus, es sei versorgungsrechtlich ohne Bedeutung, wenn eine Kapitalgesellschaft erst nach dem 30. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen worden sei. Es habe ein Nebeneinander von VEB und Kapital-Vorgesellschaft bestanden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 4/04 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21 und 22). Hiervon ist das BSG inzwischen ausdrücklich abgerückt und hat klargestellt, dass

(BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 44; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 39; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 39; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 39). Die Entscheidung des LSG Berlin/Brandenburg vom 23. März 2022 (im Verfahren: L 16 R 315/20) verhält sich zur im konkreten Fall vorliegenden Konstellation nicht, betraf den Fall einer Überleitung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung ab 1. Juni 1990 in eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH), die ohnehin nicht die betriebliche Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft erfüllen kann, und verkennt – soweit die PGH im dortigen Fall bis 30. Juni 1990 keine Rechtsfähigkeit erlangt haben sollte (was sich aus der Entscheidung, die an der entscheidenden Stelle im Konjunktiv abgefasst ist, nicht hinreichend erschließt) – das Wesen des Überleitungsvertrages als dreiseitigen Vertrag, der "nur als Einheit seiner Bestandteile, nämlich Aufhebungsvertrag und Arbeitsvertrag, zustande kommen und wirksam werden kann" (Kirschner/Michas, „Abschluß, Änderung und Auflösung des Arbeitsvertrages“ [= Heft 2 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 2. Auflage, 1989, Verlag Tribüne Berlin, S. 60).

 

3.

Arbeitgeber des Klägers am 30. Juni 1990 (sowie seit 8. März 1983) war damit ausschließlich der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..... Weshalb es sich bei diesem konkreten Betrieb nicht um einen, im Sinne der Rechtsprechung des BSG für erforderlich erachteten, volkseigenen Produktionsdurchführungsbetrieb, der sein maßgebliches Gepräge durch die unmittelbare industrielle Massenproduktion von Sachgütern erhalten hat (vgl. dazu explizit: BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 1/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 20; BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/10 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 4/10 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25; BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 5 RS 8/10 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 8/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 23; BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24), gehandelt haben soll, ist von der Beklagten weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.

 

Denn zum einen ergibt sich aus den vorliegenden Betriebsunterlagen, dass der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A....

  • nach § 3 des Kombinatsstatuts vom 15. Dezember 1981 "Produktionsaufgaben" ausführte,
  • "gemäß seiner Produktionsstruktur [für] den Export und die Herstellung von Konsumgütern" (Edelmetalle, Edelmetallhalbzeuge, Edelmetallschaltstücke, Edelmetallgeräte und -apparate, Edelmetallchemikalien und galvanische Bäder, galvanische Oberflächenveredelungen, Bleierzeugnisse, Verbleiungen, Bleipumpen, Bleiarmaturen, Bleikleinteile; Feinzink, Zinkstaub, Zinksulfat, Kadmium, Wismut, Arsentrioxid, Reinzinn, Lagermetalle, Schriftmetalle, Weichlote, Feinblei, Kabelblei, Hartblei, Bleilegierungen, Kupferstein, Kupfersulfat, Bandstahl, Gusserzeugnisse aus Bundmetallen, Schwefelsäure, Zementzuschlagsstoffe, Strahlmittel; Wirbelzellenkühler, Ladeluftkühler, Kühlerteilblöcke; Zinnerzkonzentrat, Wolframkonzentrat, Arsenkonzentrat, Schotter und Splitte, Schwefelkieskonzentrat) verantwortlich war und
  • zudem dem Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali als zuständigem Staatsorgan unmittelbar unterstellt war, bei dem es sich gemäß § 1 Abs. 1 des "Statut[s] des Ministeriums für Erzbergbau, Metallurgie und Kali – Beschluss des Ministerrates" vom 9. Januar 1975 (DDR-GBl. 1975 I, Nr. 20, S. 345) um ein Industrieministerium handelte, für das, das "Rahmenstatut für die Industrieministerien – Beschluss des Ministerrates" vom 9. Januar 1975 (DDR-GBl. 1975 I, Nr. 7, S. 133) galt. Denn das BSG hat wiederholt ausgeführt, dass die Zuordnung eines VEB zu einem bestimmten Ministerium eines von mehreren Bewertungskriterien darstellen kann, das zur Bestimmung der Frage, ob die industrielle Produktion betriebsprägend war, herangezogen werden kann (BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 5 S. 34; Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 1 S. 4; Urteil vom 6. Mai 2004 - B 4 RA 52/03 R - JURIS-Dokument, RdNr. 29; Urteil vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 57/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 3 S. 19).

 

Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die dem Kombinat in §§ 4, 5 und 6 des Kombinatsstatuts überantworteten Leitungs- und Koordinierungsaufgaben die "Produktionsaufgaben" (§ 3 des Kombinatsstatuts) weder verdrängen, noch überlagern. Denn das konkrete Kombinatsstatut weist ausdrücklich dem VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... die "Verantwortlichkeit" für die im Kombinat produzierten Erzeugnisse zu. Ihm fiel deshalb die Verantwortung für die hergestellten Produkte zu, sodass er nach außen auch als Hersteller dieser hergestellten Produkte auftrat und für diese gemäß §§ 148 Abs. 2, 150 Abs. 1, 151 Abs. 2, 155 Abs. 1, 156 des Zivilgesetzbuches der DDR (nachfolgend: DDR-ZGB) vom 19. Juni 1975 (DDR-GBl. 1975 I, Nr. 27, S. 465) zu garantieren hatte. Zudem bestimmte § 10 Abs. 1 DDR-ZGB ausdrücklich, dass "die Rechte und Pflichten der Betriebe in den zivilrechtlichen Beziehungen ... auf der Grundlage der Leitung und Planung der Volkswirtschaft durch die Verantwortung bestimmt [wurden], die sie für eine planmäßige, bedarfsgerechte und kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung sowie die Nutzung, Mehrung und den Schutz des sozialistischen Eigentums [trugen]".

 

Die Beklagte übersieht offensichtlich ferner, dass in der DDR zwischen Kombinaten mit selbständiger Leitung sowie Kombinaten, die über einen Stammbetrieb geleitet wurden, unterschieden wurde (vgl. dazu bereits ausführlich: Sächsisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2023 - L 7 R 495/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 80). Kombinate, die – wie der VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A.... – über einen Stammbetrieb (VEB Bergbau- und Hüttenkombinat "X...." A..../Stammbetrieb) geleitet wurden, hatten – im Gegensatz zu einem Kombinat mit selbständiger Leitung – keine zentralen materiellen Fonds und kein von den Kombinatsbetrieben abgesondertes Arbeitskollektiv. Zwischen Kombinat und Stammbetrieb bestand eine besondere ökonomische Verflechtung, da die Leitungskräfte des Stammbetriebes unmittelbar Arbeit in Form von Leitungstätigkeit für das Kombinat leisteten, dafür die materiellen und finanziellen Fonds des Stammbetriebes in Anspruch nahmen und die Kosten für die Leitung des Kombinates ausschließlich in die Erzeugnisse des Stammbetriebes eingingen (vgl. dazu ausführlich: Görner in: Engelmann/Görner/Graul/Haase/Hieke/Lotze/Müller/Neuhäuser "Leitung und Organisation in Kombinaten – Rechtsfragen", Staatsverlag der DDR, Berlin, 1989, S. 63).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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