L 1 U 2085/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2168/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2085/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Eingangsvoraussetzung für die Anerkennung einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 als Arbeitsunfall ist ein Kontakt mit einer Indexperson während einer versicherten, ggfs. betrieblichen Verrichtung.
2. Eine Indexperson ist eine Person, die nachweislich bereits vor dem Versicherten mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert war.
3. Eine solche vorhergehende Infektion kann in der Regel nur durch einen positiven PCR-Test, unter Umständen auch nur durch einen Schnelltest, nachgewiesen werden. Dass die vermeintliche Indexperson vor dem Kontakt unspezifische Symptome gezeigt hatte, reicht nicht aus.
4. Erst wenn ein solcher Kontakt mit einer Indexperson im Vollbeweis gesichert ist, muss auf zweiter Ebene ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen diesem Kontakt und der späteren Infektion des Versicherten bestehen. Hier sind als Indizien unter Umständen die räumliche Nähe und die Dauer des Kontakts oder das Tragen von Schutzmitteln (FFP- oder medizinische Masken) relevant.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine nachgewiesene Corona-Infektion einen Arbeitsunfall darstellt.

Der 1966 geborene Kläger ist als Montierer in der Maschinenbau- und Betriebstechnik der M1 AG beschäftigt.

Am Montag, dem 8. März 2021 wurde der Kläger mittels PCR-Test positiv auf Covid-19 getestet (Bericht des L1 Laborzentrums B1 vom 8. März 2021).
Es wurde die Mutation A230637 (N501Y) nachgewiesen, aber die englische und südafrikanische Varianten mit weiteren PCR-Verfahren ausgeschlossen. Die S1 und F1 bestätigten am 15. November 2021, dass der Kläger sie am 8. März 2021 wegen einer nachgewiesenen Corona-Infektion aufgesucht hatte und er inzwischen an einem sog. Long-Covid-Syndrom leide.

Erste Symptome bestanden nach Angaben des Klägers ab 5. März 2021. Eine positiver Schnelltest wurde bereits am 6. März 2021 durchgeführt. Vom 8. März bis 4. Oktober 2021 bezog der Kläger Krankengeld.

Am 13. Oktober 2021 teilte die für den Kläger zuständige Krankenkasse AOK B2 der Beklagten mit, sie gehe - auf Grund der Angaben des Klägers - davon aus, dass der Kläger als Folge eines Arbeitsunfalles an Covid 19 erkrankt sei. Die Annahme beruhe auf den Angaben des Klägers, der gegenüber der AOK in einem Fragebogen am 7. Oktober 2021 erklärt habe, er habe auf der Arbeit Kontakt zu einer Indexperson gehabt. Innerhalb des Betriebes habe es nachweislich eine größere Anzahl von an Covid-19 erkrankten Personen gegeben.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die M1 AG am 7. Dezember 2021 mit, in der Abteilung, in welcher der Kläger gearbeitet habe, sei ein Corona-Ausbruch bekannt. Es seien zwei Mitarbeiter hiervon betroffen gewesen. Ob sich der Kläger in der Firma infiziert habe, sei nicht sicher, es sei an den Zeugen O1 als Indexperson zu denken.

Auf hiernach erfolgte Nachfrage der Beklagten übersandte der Zeuge O1 sein (allerdings nur schwer lesbares und nicht eindeutig namentlich gekennzeichnetes) positives PCR-Testergebnis vom 8. März 2021, das ebenfalls einen positiven Nachweis der Spike Mutation N501Y bestätigt.

In der Unfallanzeige vom 22. Februar 2022 führte die M1 AG weiter aus, der Kläger habe einen positiven Schnelltest bereits am 6. März 2021 gemacht, der PCR-Test sei dann am 8. März 2021 positiv ausgefallen. Näher sei das Unfalldatum nicht definierbar. Der Kläger hab in den Tagen zuvor mehrfach kurze „Smalltalks“ mit ihm bekannten Kollegen aus der Nachbarabteilung „QM“ gehalten.

Mit Bescheid vom 17. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2022 lehnte es die Beklagte ab, die Covid-19 Infektion des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die bloße Vermutung, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort unter (nicht genau aufklärbaren) Umständen möglicherweise mit Krankheitserregern infiziert worden zu sein, reiche im Sinne der Beweisanforderungen nicht aus. Bei dem Corona-Virus handele es sich inzwischen um eine Allgemeingefahr/Pandemie, die nur über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sei, wenn eindeutig nachgewiesen werde, dass die Infektion im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten sei. Nachdem der Kläger mit PCR-Test vom 8. März 2021 zeitgleich mit dem als Indexperson in Frage kommenden Kollegen - dem Zeugen O1 - positiv auf das Corona-Virus getestet worden sei, sei von einem zeitgleichen Beginn der Erkrankung auszugehen. Zwar habe es entsprechend den Angaben des Arbeitgebers weitere Infizierte in der Halle 30/3 gegeben, der Kläger habe hingegen in Halle 4.1 gearbeitet. Anhand der aktenkundigen Unterlagen habe kein intensiver oder länger andauernder Kontakt zu einer so genannten Indexperson (nachweislich infizierte Person) bestanden.

Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2022 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, bei seinem Arbeitgeber sei es zu einem größeren Infektionsgeschehen gekommen. Die Mehrzahl der Infektionen sei in der Halle 30/3 des Arbeitgebers aufgetreten. Auch er sei in der Halle 30/3 eingesetzt gewesen. Er habe während der Einarbeitungsphase und den Überführungsfahrten darüber hinaus engen Kontakt zu dem Zeugen O1 gehabt. Dieser habe sich nachweislich mit Corona infiziert, sein positiver Test sei zum gleichen Zeitpunkt wie sein Test erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass der Zeuge O1 bereits bei Kontakt mit ihm, dem Kläger, infiziert gewesen sei und er sich bei diesem angesteckt habe. Auch im Hinblick auf die Überführungsfahrten, die bis zu 10 Minuten gedauert hätten, bleibe anzumerken, dass diese mehrfach am Tag, bis zu fünf Mal, erfolgt seien. Es hätten sich teilweise bis zu fünf Personen auf engstem Raum im Fahrzeug befunden, so dass das Ansteckungsrisiko wesentlich erhöht gewesen sei. Die Fahrten seien von Halle 30/3 aus erfolgt, so dass davon auszugehen sei, dass sich auch infizierte Personen im Fahrzeug aufgehalten hätten. Im Fahrzeug habe sich auch der angesprochene Zeuge O1 befunden.

Das SG hat bei der M1 AG eine Arbeitgeberauskunft eingeholt. Die Arbeitgeberin hat erklärt, der Kläger sei im Februar/März 2021 im Rahmen des Integrationskonzepts für Mitarbeiter mit Einsatzeinschränkungen befristet im Bereich Fuhrpark im Gebäude 30/3 in der Fahrradwerkstatt eingesetzt gewesen. Die in der Gefährdungsbeurteilung genannten Schutzmaßnahmen seien im Werk R1 vollständig umgesetzt worden. In dem angefragten Zeitraum seien keine Fälle bekannt, in denen Beschäftigte diese Maßnahmen nicht eingehalten hätten. Die Daten über gemeldete Coronainfektionen seien in einem System namens „Safe" geführt. Laut der im System vorhandenen Daten habe es im Zeitraum vom 21. Februar bis 6. März 2021 im Werk R1 insgesamt 39 Infektionsfälle gegeben. Es seien aber nur zwei Personen mit Infektion zur Arbeit gekommen (sog. „Chain Trigger") und hätten Kontakt zu jeweils einer weiteren Person gehabt. Es seien somit im relevanten Zeitraum zwei Personen bekannt, die sich als Kontaktpersonen der „Chain trigger" mutmaßlich im Werk mit dem Coronavirus infiziert hätten („internal infected").

Die übrigen 35 Infektionsfälle (rechnerisch ergeben sich allerdings 37) hätten keinen Kontakt zu anderen Beschäftigten gehabt und die Infektion aus dem privaten oder unbekannten Umfeld erhalten. Der Fall des Klägers sei im System „Safe" dokumentiert als einer dieser Infektionsfälle. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung sei keine Angabe dahingehend erfolgt, dass er sich potentiell auf der Arbeit infiziert haben könnte. Es sei nicht bekannt, ob der Kläger engeren Kontakt zu Personen gehabt habe, für die im Zeitraum 21. Februar bis 6. März 2021 eine Infektionsmeldung vorliege. Ob Fahrzeuge von infizierten Personen übergeben worden seien, sei ebenfalls nicht bekannt. Zwischen Fahrzeugrückgabe und Fahrzeugüberführung lägen in der Regel ein bis zwei Tage. Eine Reinigung/Desinfektion des Fahrzeugs habe vor Übergabe an die Überführungsperson nicht stattgefunden. Als weitere Indexperson komme ggf. der Zeuge Z1 in Betracht, mit ersten Symptomen am 9. März 2021 und dem letzten Kontakt zu anderen Personen am 8. März 2021. Zu diesem habe der Kläger - sowie zu dem Zeugen O1 - im relevanten Zeitraum mutmaßlich den engsten Kontakt gehabt, da alle drei Personen in relativer Nähe zueinander in der Fahrradwerkstatt tätig gewesen seien. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. April 2023 führte die M1 AG aus, es lägen Systemeingaben für eine COVID-Infektion der Zeugen O1 und Z1 vor. Zu diesen beiden Personen habe der Kläger im relevanten Zeitraum mutmaßlich den engsten Kontakt gehabt, da alle drei Personen in der Fahrradwerkstatt tätig gewesen seien. Die Corona-Vorgaben seien eingehalten worden. Insbesondere das Lüften und Masketragen. Die Werkstatt selbst sei kein geschlossener Raum, sondern liege innerhalb des QM-Gebäudes 30/3. Die Werkstatt habe geschätzt ca. 40 qm Fläche, aber sei an einer Seite zum restlichen QM-Gebäude hin offen. Die Decken lägen ca. 20 m hoch. In der Werkstatt selbst gebe es keine Fenster. Die Halle werde über eine Lüftungsanlage belüftet. Das Gebäude sei zudem klimatisiert, worüber ebenfalls ein Luftaustausch stattfinde.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das SG den Kläger persönlich gehört und die Zeugen O1 und Z1 vernommen.

Der Kläger hat hierbei angegeben, der Zeuge O1 habe schon vor seinem positiven Testergebnis Krankheitssymptome gezeigt und in der Zeit ab dem 2. März 2021 auf der Arbeit „herumgeschnupft“. Er habe ihn auch darauf angesprochen. Seine Frau habe gemeint, er (der Kläger) solle sich vom Zeugen O1 möglichst fernhalten.
Er habe am Freitag, 5. den März 2021 erstmals Symptome verspürt. In seinem Bekanntenkreis habe es damals keinen Coronafall gegeben, während in dem Gebäude 30/3 eine Abteilung mit 97% Coronafällen betroffen gewesen sei.

Der Zeuge O1 hat angegeben, er habe am Freitag, den 5. März 2021 leichte Erkältungssymptome bekommen. Am Sonntag, den 7. März 2021 sei es dann ein bisschen mehr gewesen. Am Montag, den 8. März 2021 sei er zuerst zur Arbeit und dann zum Arzt. Dort sei ein Test gemacht worden, der positiv gewesen sei. Auf Nachfrage, wann seine Ehefrau positiv auf Corona getestet worden sei, hat der Zeuge O1 nach einem Blick auf sein Handy geantwortet, diese sei in einem Labor in E1 am 3. März 2021 positiv getestet worden. Sie habe damals aber keine Symptome gehabt. Er selbst habe die ersten Symptome am Freitag, 5. März 2021 gehabt, davor nicht. Als seine Frau getestet worden sei, habe er nichts gehabt. Seine Tochter habe sich nicht infiziert. Der Zeuge O1 hat zur Zusammenarbeit dem Kläger im fraglichen Zeitraum angegeben, mal habe dieser neben ihm gestanden und ihm über die Schulter geschaut. Der Kontakt sein „schon näher“ gewesen, der Kläger habe sehen müssen, wie man gewisse Tätigkeiten erledigt. Sie seien auch zusammen mit einem Auto gefahren.

Der Zeuge Z1 hat ausgesagt, er sei im März 2021 am Corona-Virus erkrankt. Am 15. März 2021 sei er abgesondert worden. Der PCR-Test seien einen Tag zuvor gewesen. Zuvor habe er keine Symptome gehabt. Der Test sei einfach eine Routinekontrolle gewesen.

Mit Urteil vom 13. Juni 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, da keine Index-Person benannt werden könne, seien die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht nachgewiesen. Vorliegend habe der Kläger als Indexpersonen die beiden Zeugen O1 und Z1 benannt. Diese schieden als sog. Indexpersonen jedoch aus, da sie weder zu dem Zeitpunkt, als bei dem Kläger erstmals Symptome einer Covid-19 Infektion auftraten (5. März 2021), noch zu dem Zeitpunkt, als der erste Schnelltest des Klägers ein positives Corona-Testergebnis lieferte (6. März 2021), noch zu dem Zeitpunkt, als bei dem Kläger der PCR-Test durchgeführt wurde (8. März 2021) nachweislich an Corona infiziert gewesen seien. Soweit der Kläger vorgetragen habe, es sei davon auszugehen, dass sich aufgrund des hohen Infektionsgeschehens im M1 Werk in R1 zum damaligen Zeitpunkt mindestens eine Person gemeinsam mit ihm in den überführten Fahrzeugen befunden habe, so könne dieser Vortrag nicht überzeugen. Weitere in Frage kommenden Personen habe der Kläger namentlich nicht benennen können. Auch nach der eingeholten Arbeitgeberauskunft habe der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt werden können. Es fehle damit bereits an einer nachgewiesenen Indexperson und dem Aufenthalt mit dieser in demselben Pkw während der Inkubationszeit. Hierbei sei auch zu beachten, dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben habe, während der Frühstücks- und Mittagspause im Pausenraum des M1-Werkes oder in der Fahrradwerkstatt in Gegenwart weiterer Kollegen Mahlzeiten ohne Mund-Nasen-Schutz zu sich genommen zu haben. Insofern bestehe genauso gut die Möglichkeit, dass der Kläger sich im Zuge dessen mit einer infizierten Person im selben Raum ohne Mund-Nasen-Bedeckung über mehrere Minuten aufgehalten und sich dann infiziert habe. Nach ständiger Rechtsprechung falle aber die Nahrungsaufnahme selbst nicht unter den gesetzlichen Schutz der Unfallversicherung.

Gegen das am 20. Juni 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Juli 2023 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe sich zum Zeitpunkt der Infektion noch in der Einarbeitungsphase (im Bereich der Reparatur der Werksfahrräder, sowie im Bereich von Überführungsfahrten der Fahrzeuge innerhalb des Werkes) befunden. Aus diesem Grund sei es unumgänglicher Weise zu engeren Kontakten mit den einarbeitenden Kollegen gekommen, da insoweit entsprechende Arbeitsschritte und Handgriffe gezeigt werden mussten, was mit entsprechendem Abstand nicht möglich war. So sei es auch zu engerem Kontakt mit dem Zeugen O1 gekommen. Zudem habe im Bereich der Überführungsfahrten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bestanden, da ein enger Kontakt mit anderen Personen auf engstem Raum über einen längeren Zeitraum ohne den erforderlichen Abstand erfolgte. Der Zeuge O1 sei vorliegend auch als Index-Person zu werten. Von einer Ansteckung durch den Zeugen O1 sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszugehen. Der positive Test des Zeugen O1 sei zwar zum gleichen Zeitpunkt wie sein Test am 8. März 2021 erfolgt. Allerdings sei die Ehefrau des Zeugen O1 bereits am 3. März 2021 positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Bei seinem Arbeitgeber sei es zu einem größeren Infektionsgeschehen mit mehreren Infizierten gekommen. Die Mehrzahl der Infektionen sei in der Halle 30/3 des Arbeitgebers aufgetreten, in der er tätig gewesen sei. Es lägen auch keine Hinweise auf eine anderweitige Infektion mit dem Coronavirus außerhalb des Arbeitsplatzes vor. Er habe zum Schutz seiner Mutter die eigenen Kontakte im privaten Bereich auf ein Minimum reduziert gehabt.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 13. November 2023 mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat dort angegeben, er sei 76 Wochen krank gewesen und leide auch jetzt noch an den Folgen der (Corona-)Infektion. Seine Augen seien schlechter geworden, er leide unter einem sehr starken Fatiguesyndrom und habe auch Angst vor weiteren Folgeschäden. In seinem gesamten privaten Bekanntenkreis habe es damals keinen einzigen Coronafall gegeben. Er habe damals seine privaten Kontakte auch extrem eingeschränkt. Seine Frau sei zeitlich erst nach ihm erkrankt und habe sich bei ihm angesteckt. Die Kinder seien im „homeschooling“ gewesen und könnten ihn auch nicht angesteckt haben. Nach seiner Erinnerung habe der Zeuge O1 schon vor dem 5. März 2021 Symptome gezeigt. Dies wisse er deshalb, weil dieser am Freitag, den 5. März 2021 gar nicht im Betrieb gewesen sei.

Der Kläger hat im Nachgang mit Schreiben vom 19. Dezember 2023 zu weiteren Ermittlungsmöglichkeiten vorgetragen. Ergänzend hat er geltend gemacht, dass der Zeuge O1 bereits vor dem 5. März 2021 Symptome gehabt haben müsse, belege auch eine vom Kläger vorgelegte (WhatsApp) Kommunikation des Klägers. Der Zeuge O1 sei am 5. März 2021 nicht bei der Arbeit gewesen, der Kläger habe dem Zeugen O1 aber am 6. März 2021 eine Nachricht mit der Nachfrage gestellt, wie es seiner Frau und ihm gehe.
Der Zeuge O1 habe darauf geantwortet: „Danke der Nachfrage. Noch nicht besser. Müssen halt abwarten.“ Nachdem die Ehefrau des Zeugen O1 keinerlei Symptome gezeigt habe, könne der Zeuge O1 mit der Aussage „noch nicht besser“ nur sich selbst gemeint haben.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nochmals betont, es habe damals im Werk R1 mehr als 3 Hotspots gegeben und eine Abteilung sei mit über 90% Erkrankungen betroffen gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2023 sowie den Bescheid vom 17. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Infektion des Berufungsklägers mit dem Corona-Virus vom 5. März 2021 als Arbeitsunfall anzuerkennen,
           
hilfsweise,

(1) ein medizinisches Sachverständigengutachten durch einen entsprechenden Facharzt bzw. Virologen zu der Frage der Inkubationszeiten des Corona-Virus im vorliegenden Fall, der Frage des Zeitpunktes, zu dem der Zeuge O1 Überträger des Corona-Virus gewesen ist und der Frage einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bei symptomfreien Überträgern einzuholen.

(2) die beiden Ergebnisse der positiven PCR-Tests des Zeugen O1 und seiner Ehefrau zum Nachweis der bei diesen festgestellten Corona-Varianten durch das Gericht anzufordern zum Beweis der Tatsache, dass sich zunächst die Ehefrau des Zeugen O1 mit dieser Variante angesteckt hat, sodann ihren Ehemann mit der Variante angesteckt hat und dieser wiederum den Kläger, der dann seine Ehefrau mit der gleichen Variante angesteckt hat. Soweit die Testergebnisse nicht mehr vorliegen, wird beantragt, die Adressen des durchführenden Labors von den Eheleuten O1 zu erfragen und die entsprechenden Testergebnisse im Labor anzufordern. Wie sich aus den PCR-Testergebnissen des Klägers und der Ehefrau ergebe, sei die RNA zur Ganzgenomsequenzierung weitergeleitet worden. Es wird insoweit beantragt, die Ergebnisse der Ganzgenomsequenzierung anzufordern zur Feststellung der Virus-Variante, die bei den Eheleuten O1 und dem Kläger vorlagen. Ebenso wird beantragt, die Ergebnisse der Ganzgenomsequenzierung für die Tests der Eheleute O1 anzufordern,

(3) ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, inwieweit die bei dem Kläger und seiner Ehefrau festgestellte Coronavariante mit der Mutation „N501Y A23063T“ zum Zeitpunkt der Infektion des Klägers mit dem Coronavirus bereits in der Bevölkerung verbreitet war zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei der Virusvariante, mit der der Kläger infiziert war, um eine noch nicht bzw. noch nicht weit in der Bevölkerung verbreitete Variante gehandelt hat, weshalb eine Ansteckung des Klägers außerhalb seines Arbeitsumfeldes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist,

(4) ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass im Werkstattbereich des Arbeitgebers des Klägers im D1-Werk in R1 beengte Raumverhältnisse und keine ausreichende Belüftung bestanden haben, um einen ordnungsgemäßen Luftaustausch bei hohem Publikumsverkehr zu gewährleisten und es daher zu einer hohen Konzentration an infektiösen Aerosolen gekommen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und hat darauf verwiesen. Die vom Kläger vorgetragene Infektionskette zwischen dem Zeugen O1 bzw. dessen Ehefrau und dem Kläger selbst erschließe sich nicht. Der Kläger stelle lediglich verschiedene Behauptungen auf und verweise auf eine Kommunikation zwischen dem Zeugen O1 und ihm. Bezüglich des Symptombeginns des Zeugen O1 sei demgegenüber auf die Zeugenaussage des Zeugen O1 vor dem SG zu verweisen, wonach dieser erst am 5. März 2021 erste Symptome einer Erkrankung gehabt habe. Beweise für eine frühere Erkrankung (des Zeugen O1) lägen nicht vor. Der Kläger verkenne die Beweisanforderungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Sofern er dahingehend die Beweisfrage geklärt haben möchte, ob die Mutation „N501Y A23063T“ in der Bevölkerung weit verbreitet war, führe der Ausschluss möglicher Alternativursachen nicht zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage, da vielmehr konkret bewiesen werden müsse, wie die Infektion zustande gekommen sei. Eine prozentuale Verbreitung der jeweiligen Mutation in der Bevölkerung sei folglich irrelevant. Die Beklagte bezweifle, ob hierfür überhaupt rückwirkend sinnvolle Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Ferner habe das SG die Infektionsdichte im D1-Werk zutreffend berücksichtigt. Nachdem ca. 6500 Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt dort tätig waren, handelt es sich bei ca. 40 infizierten Mitarbeitern lediglich um 0,6 % der Mitarbeiter. Einen Corona-Hotspot könne die Beklagte mithin nicht erkennen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die umfassende Sachverhaltsdarstellung im erstinstanzlichen Urteil, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 17. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2022, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, die mit PCR-Test vom 8. März 2021 nachgewiesene Covid-19-Infektion des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen.
 
Die hiergegen erhobene kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist statthaft und zulässig (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Das BSG erkennt, wenn das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Streit steht, ein Wahlrecht des Verletzten zwischen einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage und - wie hier - einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage an (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, B 2 U 17/10 R, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1; BSG, Urteil vom 15. Mai 2012, B 2 U 8/11 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 20; BSG, Urteil vom 26. November 2019, B 2 U 8/18 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 71).

Die Klage ist allerdings nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die mit PCR-Test vom 8. März 2021 nachgewiesene Covid-19 Infektion als Arbeitsunfall anerkannt wird. Der Bescheid vom 17. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weshalb das SG die Klage zutreffend abgewiesen hat.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Anerkennung eines Versicherungsfalls ist § 102 SGB VII. Danach haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung eines Versicherungsfalls (oder von Unfallfolgen), wenn ein Unfall vorliegt, der die Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 SGB VII erfüllt. § 102 SGB VII ist damit nicht nur eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsaktes für den Unfallversicherungsträger, sondern zugleich auch Anspruchsgrundlage für den Versicherten (ausführlich hierzu BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R = a.a.O., Rn. 15 ff.). Der Tatbestand des § 102 SGB VII setzt voraus, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einen (u.U. nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S. 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - B 2 U 13/13 R = SozR 4-2700 § 2 Nr. 31; Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R = SozR 4-2700, § 8 Nr. 43; Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R = SozR 4-2700, § 8 Nr. 42; Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 9/10 R = BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 17 Rn. 10; Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 27/07 R = SozR 4-2700, § 8 Nr. 30, Rn. 10 m.w.N.).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserstschaden“ bzw. (evtl.) „Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. D.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 -, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Demgegenüber genügt (ausschließlich) für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45).

Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11; BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008, B 2 U 26/06 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015, B 2 U 8/14 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 55; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, B 5 RS 4/16 R, BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr. 7; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016, B 2 U 16/15 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 60).

Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben sind die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles nicht erfüllt. Der Senat kann nicht feststellen, dass sich der Unfall (Infektion mit dem Covid-19-Virus mit behandlungsbedürftigen Symptomen) bei der versicherten Tätigkeit und nicht im privaten Bereich ereignet hat.

1.)
Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Corona-Infektion im März 2021 dem Grunde nach als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Auch hat er sich nicht nur mit dem Coronavirus infiziert (belegt durch den PCR-Test vom 8. März 2021), sondern in Folge dessen auch einen Gesundheitsschaden erlitten, der zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Bei der Infektion mit dem Coronavirus handelt es sich daher um einen "Unfall". Auch eine bakterielle oder virale Infektion kann ein Unfallereignis im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII darstellen (zu einer Infektion mit Bakterien vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2019 - B 2 U 34/17 R -, juris Rn. 18; Hessisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2021 - L 3 U 131/18 -, Rn. 44 jeweils m.w.N.). Unfälle sind, wie ausgeführt, von außen einwirkende, körperlich schädigende und zeitlich begrenzte Ereignisse. Das Eindringen eines Bakteriums bzw. Virus in den Körper ist ein solches zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und daher grundsätzlich ein Unfall. Etwas anderes gilt auch nicht deswegen, weil es im Rahmen des weltweiten Pandemiegeschehenes zu massenweise Infektionen mit dem Covid-19-Virus gekommen ist. Das zusätzliche Risiko, eine Infektion am Arbeitsplatz zu erleiden, ist (auch im Rahmen einer weltweiten Pandemie) durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt (SG Konstanz, Urteil vom 16. September 2022 - S 1 U 452/22 -, Rn. 28, juris).

Die Annahme eines Arbeitsunfalls erfordert zwar regelmäßig den Nachweis einer gesundheitsschädigenden Einwirkung innerhalb einer Arbeitsschicht. Die Einwirkung muss grundsätzlich an einem bestimmten, jedoch nicht an einem kalendermäßig genau bestimmbaren Tag eingetreten sein (vgl. BSG vom 26. September 1961 - 2 RU 191/59 -, juris, Rn. 15). Bei Infektionen wird sich der exakte Zeitpunkt einer Infektion nur in Ausnahmefällen positiv feststellen lassen. Dies schließt, für sich genommen, aber die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht aus, solange positiv festgestellt werden kann, dass die konkrete Verrichtung zum Zeitpunkt der Infektion eine versicherte Tätigkeit war (vgl. BSG, ‑ B 2 U 34/17 R -, a.a.O). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

Die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall scheitert daran, dass auch unter Berücksichtigung aller Aspekte des Falles nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls, also in dem Moment, in dem er sich mit dem Coronavirus infizierte, einer Verrichtung nachging, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist.

Für die Annahme eines der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verhaltens im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII muss eine sachliche Verbindung der im Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, das heißt ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 27. November 2018 - B 2 U 7/17 R -, juris Rn. 11 m.w.N.). Die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung müssen im Vollbeweis, das heißt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (allg. Meinung, vgl. nur: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R -, juris, Rn. 23; stRspr). Dies ist dann der Fall, wenn ihr Vorliegen in so hohem Maß wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der Tatsachen zu begründen (BSG, Urteil vom 18. April 2000 - B 2 U 7/99 R -, juris, Rn. 19; Jung/Brose in: Eichenhofer, SGB VII, 2. Auflage, 2019, § 8 Rn. 86). Die Maßstäbe der Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftmachung reichen nicht aus. Zwar verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, die ohnehin so gut wie nie zu erreichen ist (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage 2020, § 128 Rn. 3b). So kann es, wenn der genaue Unfallhergang nicht bewiesen ist, ausreichen, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall hinweisen und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil vom 31. Mai 1996 - 2 RU 24/95 – juris, Rn. 26; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 93. EL, 1. März 2017, SGB VII, § 8 Rn. 262). Eine versicherte Tätigkeit ist aber zu verneinen, wenn auch andere nicht versicherte Geschehensabläufe ebenso ernsthaft in Betracht kommen (BSG, a.a.O.). Die Beweislast für das Vorliegen der den Arbeitsunfall begründenden Umstände als anspruchsbegründende Tatsachen trägt dabei der Versicherte, unabhängig von den Umständen, die gegebenenfalls zur Beweislosigkeit führen. Im konkreten Fall bestehende Beweisschwierigkeiten sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) durch das Gericht zu berücksichtigen (stRspr.; zuletzt BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 - B 2 U 9/19 R -, juris Rn. 26; auch BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 18/98 R -, juris, Rn. 27; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 25/03 R -, juris, Rn. 17; Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 42/98 R -, juris, Rn. 20; Urteil vom 18. April 2000 - B 2 U 7/99 R -, juris, Rn. 29).

In Anwendung dieser Grundsätze konnte der Senat sich auch bei Berücksichtigung aller Umstände nicht die volle Überzeugung davon bilden, dass der Kläger sich die Corona-Infektion nur bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen haben kann. Eine „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“ (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, Rn. 17 in juris), die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist nicht erwiesen. Denn es ist nicht ermittelbar, bei welchem Ereignis sich der Kläger mit Covid-19 infiziert hat.

Auch in Zeiten einer weltweilten Pandemie stellt die bloße Zusammenarbeit von Menschen für sich genommen kein Unfallereignis dar, auch wenn jeder menschliche Kontakt die potentielle Möglichkeit einer Infektion birgt. Es gehört zudem zu den Kennzeichen einer Pandemie, dass ein großes Ansteckungsrisiko in allen Bereichen des menschlichen Lebens besteht und sich ein konkretes Infektionsereignis oft nicht ermitteln lässt (vgl. Spellbrink, jM 2023, 23- 26).

Unabdingbare Mindest- und Ausgangsvoraussetzung für ein feststellbares, konkretes „Unfallereignisses“ im Sinne eines Arbeitsunfalls durch eine erlittene (bakterielle oder wie hier) virale Infektion ist aus Sicht des Senats, dass der Betroffene im Rahmen einer versicherten Verrichtung im engen zeitlichem Zusammenhang mit der Infektion persönlichen Kontakt mit einer/m nachweisbar zeitlich vor dem Betroffenen infizierten Person (sog. Indexperson) hatte (vergleichbare Anforderungen stellend, teilweise aber auch im Rahmen der Kausalitätsprüfung: SG Speyer, Urteil vom 7. Februar 2024 - S 12 U 178/22 -, Rn. 26, juris; SG Speyer, Urteil vom 9. Mai 2023 -S 12 U 88/21 -, Rn. 26, juris; SG Augsburg, Urteil vom 18. November 2022 - S 18 U 205/21 -, Rn. 16, juris; SG Osnabrück, Urteil vom 23. März 2023 - S 17 U 220/21 -, Rn. 33, juris; SG Augsburg, Urteil vom 29. November 2022 - S 11 U 92/22 -, juris; SG Potsdam, Gerichtsbescheid vom 15. August 2022 - S 2 U 102/21 -, Rn. 16, juris). Dieser Kontakt muss als Ausgangspunkt für die Annahme eines „Unfallereignisses“ im Vollbeweis gesichert feststehen. Es reicht hingegen nicht aus, die erhöhte Gefahr einer Einwirkung auf den Körper festzustellen oder Wahrscheinlichkeiten einer privaten oder beruflichen Ansteckung gegeneinander abzuwägen, sondern es bleibt bei dem Grundsatz, dass für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls eine konkrete Einwirkung gesichert festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, Rn. 20, juris; SG Cottbus, Urteil vom 25. Mai 2023 - S 13 U 56/21 -, Rn. 32, juris).

Die nachgelagerte Frage, ob dieser Kontakt möglicherweise zur Infektion geführt hat, betrifft die Frage der wesentlichen Ursachenzusammenhänge, wofür dann der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit genügt. Um die Frage des Kausalzusammenhangs jedoch überhaupt beurteilen zu können, ist es zuvor erforderlich den Kontakt zu einer zeitlich vor dem Kläger infizierten Person sowie die Intensität dieses Kontaktes im Vollbeweis gesichert festzustellen (vgl. zu den Qualitätsanforderungen, die an die Intensität des Kontakts zu stellen sind, um ein hinreichend wahrscheinlich kausale Infektion anzunehmen: SG Speyer – S 12 U 178/22 -, a.a.O., Rn. 28, m.w.N.; SG Speyer, Urteil vom 7. Februar 2023 -S 12 U 188/21 -, Rn. 38, juris).

Im Fall des Klägers vermag der Senat bereits nicht im Vollbeweis gesichert festzustellen, dass er mit einer zeitlich vor ihm infizierten Indexperson im Rahmen einer versicherten Verrichtung Kontakt hatte, so dass sich die Folgefragen gar nicht stellen.

Grundsätzlich ist ein intensiver persönlicher Kontakt innerhalb von etwa zwei Wochen vor dem Eintritt der Erkrankung mit einer mit dem Corona-Virus infizierten Person (sog. Indexperson) geeignet, eine Infektion mit dem Corona-Virus auszulösen (vgl. Brandenburg/Woltjen, MedSach 2021, 113, 116; Empfehlung des Robert-Koch-Institutes zur Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS.CoC-2-Infektionen <KP-N>, Stand 12. Januar 2022, Ziff. 3; vgl. auch Merkblatt der DGUV und der DIVI, Corona-Virus (SARS-CoV-2) COVID 19 als Berufskrankheit, 4. Juni 2020; SG Speyer, Urteil vom 7. Februar 2024 -S 12 U 178/22 –, Rn. 27, juris).

Ein Kontakt mit einer Indexperson im Vorfeld der Infektion des Klägers ist nicht feststellbar.
Der Kläger wurde am Montag, den 8. März 2021 mittels PCR-Test positiv auf Covid-19 getestet (Bericht des L1 Laborzentums B1 vom 8. März 2021). Erste Symptome bestanden nach eigenen Angaben des Klägers bereits ab 5. März 2021 und ein positiver Schnelltest wurde am 6. März 2021 durchgeführt. Die M1 AG hat auf Nachfrage des SG ausgeführt, im Zeitraum vom 21. Februar bis 6. März 2021 habe es dort insgesamt 39 Infektionsfälle gegeben, von denen aber nur zwei Personen mit einer Infektion zur Arbeit gekommen (sog. „Chain Trigger") seien und Kontakt zu jeweils einer weiteren Person gehabt hätten. Konkret als mögliche Indexpersonen, zu denen der Kläger Kontakt hatte, hat die M1 AG ausschließlich die Zeugen O1 und Z1 benannt. Beide scheiden jedoch als relevante Indexpersonen aus, da eine der Infektion des Klägers zeitlich vorausgehende Infektion der angeblichen Indexperson nicht nachweisbar ist. Weitere mögliche Indexpersonen wurden weder von der Arbeitgeberin noch von dem Kläger benannt.

Der Zeuge Z1 ist erst am 14. März 2021 und damit nach dem Kläger mittels PCR Test positiv auf Corona getestet worden und scheidet daher als Indexperson aus.

Der Zeuge O1 hat angegeben, er habe am Freitag, den 5. März 2021 - also zeitgleich mit dem Kläger - leichte Erkältungssymptome bekommen und am Sonntag, den 7. März 2021 sei es dann ein bisschen mehr gewesen. Erst am Montag, den 8. März 2021 wurde bei ihm - frühestens zeitgleich mit dem Kläger - durch PCR-Test die Infektion mit dem Corona-Virus nachgewiesen. Eine zeitlich bereits vor der Infektion des Klägers bestehende Infektion des Zeugen O1 lässt sich daher nicht im Vollbeweis feststellen, weshalb der Zeuge O1 als Indexperson ebenfalls ausscheidet.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, der Zeuge O1 habe schon vor seinem positiven Testergebnis Krankheitssymptome gezeigt und auch schon in der Zeit ab dem 2. März 2021 auf der Arbeit „herumgeschnupft“, konnte diese Behauptung durch die Vernehmung des Zeugen O1 nicht bestätigt werden. Der Senat kann im Übrigen auch dann nicht feststellen, ob der Kläger oder der Zeuge O1 zuerst mit dem Virus infiziert waren, wenn man die Angabe des Klägers, der Zeuge O1 habe bereits vor dem 2. März 2021 auf der Arbeit „herumgeschnupft“ als wahr unterstellt. Denn frühestens durch einen positiven Schnelltest (der im Nachgang durch einen PCR Test bestätigt wurde) kann der Vollbeweis einer Corona-Infektion erbracht werden. Unbestimmte Symptome, die auf eine Vielzahl möglicher Erkrankungen zurückzuführen sind, können selbst dann nicht als Vollbeweis einer bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Infektion dienen, wenn sich der Betroffene zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich mit Corona infiziert hat. Aus diesem Grund misst der Senat auch der vorgelegten WhatsApp Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Zeugen O1 keine entscheidungserheblichen Beweiswert zu, zumal diese denkbar unbestimmt ist und eine Vielzahl möglicher Interpretationen zulässt. Auch auf die Frage, ob der Zeuge O1 noch am Freitag, den 5. März 2021 bei der Arbeit war, kommt es daher nicht entscheidend an.

Soweit der Kläger auf die bereits am 3. März 2021 nachgewiesene Infektion der Ehefrau des Zeugen O1 abstellt, kommt auch dieser keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da der Kläger zur Ehefrau des Zeugen O1 im fraglichen Zeitraum keinen persönlichen Kontakt hatte und diese somit gleichfalls als Indexperson ausscheidet. Die aufgezeigte Infektionskette - Ehefrau des Zeugen O1, dann Zeuge O1, dann Kläger - stellt sicherlich eine denkbare Möglichkeit des Infektionsgeschehens dar und mag sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Im Rahmen einer weltweiten Pandemie, bei der sich im Frühjahr des Jahres 2021 allein in Deutschland täglich tausende Menschen infizierten, bestehen jedoch eine Vielzahl an anderen denkbaren Infektionsmöglichkeiten. Mögliche, aber nicht gesichert feststellbare Infektionswege sind nicht als Grundlage einer Tatsachenfeststellung im Vollbeweis geeignet.

Nicht ausschlaggebend für die Überzeugungsbildung des Senats sind in diesem Zusammenhang die vom RKI entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung von engen Kontaktpersonen mit erhöhtem Infektionsrisiko. Sie orientieren sich am Abstand, der Dauer des Kontaktes, den äußeren Umständen (geschlossene Räume, Außenbereich) und dem Umstand, ob ein Mund-Nasen-Schutz (FFP2-Maske oder anderen Maske) getragen wurde. Die Hinweise haben sich mit dem jeweils vorherrschenden Virustyp und dessen Ansteckungspotenzial sowie nach der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse verändert (so zutreffend: SG Konstanz, Urteil vom 16. September 2022 - S 1 U 452/22 -, Rn. 31, juris). Die vom RKI entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung von engen Kontaktpersonen bewerten das Risiko einer (erfolgten) Übertragung als Voraussetzung für eine mögliche Isolierung und haben bzw. hatten daher in erster Linie eine präventive Funktion, um weitere Infektionen möglichst im Vorfeld zu verhindern. Sie sind hingegen nicht geeignet, um aus einer ex post Perspektive gesicherte Infektionsketten festzustellen.

Die (die Verwaltung, aber nicht die Gerichte bindenden) Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zur Anerkennung von Covid 19 als Arbeitsunfall knüpfen an die Maßstäbe des RKI an und stellen dem denkbaren beruflichen Risiko außerberufliche Risiken gegenüber, sodass insoweit dieselben Vorbehalte gelten (SG Konstanz, - S 1 U 452/22 -, Rn. 32, juris). Danach könne es für die Annahme eines Arbeitsunfalls im Einzelfall ausreichen, wenn es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld (z.B. innerhalb eines Betriebs oder Schule) der betroffenen Person nachweislich eine größere Anzahl von infektiösen Personen gegeben hat und konkrete, die Infektion begünstigende Bedingungen bei der versicherten Tätigkeit vorgelegen haben. Der Senat kann hier offen lassen, ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelfall tatsächlich ein „Unfallereignis“ auch ohne individuellen und konkreten Kontakt zu einer Indexperson als gesichert festgestellt werden kann und ob eine derartige Fallgestaltung bei einem größeren Infektionsgeschehen überhaupt jemals eine praktischen Anwendung zukommen kann, da sich bei einem derartigen „Massenausbruch“ in aller Regel auch konkrete Indexpersonen feststellen lassen werden.

Jedenfalls vorliegend vermag der Senat bereits nicht festzustellen, dass es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld des Klägers nachweislich einer größeren Anzahl von infektiösen Personen gegeben hat. Die M1 AG hat hierzu mitgeteilt, dass es im Zeitraum vom 21. Februar bis 6. März 2021 insgesamt 39 Infektionsfälle im Werk R1 gab, von denen aber nur zwei Personen mit Infektion zur Arbeit gekommen sind und Kontakt zu jeweils einer weiteren Person hatten. Der Senat schließt sich der Bewertung der Beklagten an, wonach es bei etwa 6.000 Beschäftigten im Werk R1, selbst unter Berücksichtigung aller 39 infizierten Personen, kein derart relevantes Infektionsgeschehen gab, das es erlauben würde, einen Arbeitsunfall auch ohne nachgewiesenen Kontakt zu einer Indexperson festzustellen.

2.)
Zu Gunsten des Klägers greifen keine Beweiserleichterungen.

Die Voraussetzungen des sog. prima-facie-Beweises liegen nicht vor. Ein solcher Anscheinsbeweis (auch: Beweis des ersten Anscheins) ist etwa angenommen worden, wenn jemand am Arbeitsplatz unter ungeklärten Umständen verunfallt, es aber keine Hinweise auf einen atypischen Geschehensablauf, also auf außerbetriebliche Ursachen gibt (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, B 2 U 23/05 R, BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 22; BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, B 2 U 2/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43). Beim Anscheinsbeweis handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, a.a.O.). Im Rahmen einer weltweilten Pandemie mit Millionen erkrankter Menschen, ist es regelmäßig nicht so, dass der äußere, insbesondere zeitliche Zusammenhang eine Infektion am Arbeitsplatz nahelegt, nicht versicherte Umstände hingegen nicht vorhanden sind oder fernliegen (vgl. auch: SG Konstanz, Urteil vom 16. September 2022 -S 1 U 452/22 –, Rn. 29 - 30, juris; SG Speyer - S 12 U 178/22 -, a.a.O., Rn. 37).

Es fehlt also bereits an einem typischen Geschehensablauf, der die Infektion typischerweise einer betrieblichen Verrichtung zuordnet. Dass sich der Kläger bei einer betrieblichen Verrichtung angesteckt hat, ist möglich, liegt aber typischerweise nicht näher als eine Infektion im außerberuflichen Bereich. Auch wenn der Kläger angibt, im außerberuflichen Bereich Kontakt so weit als möglich vermieden zu haben und keinen Kontakt zu einer infizierten Person gehabt zu haben, vermag der Senat außerberufliche Konkurrenzursachen (familiäre Kontakte, Einkaufen, Arztbesuche, Aufenthalt in Tankstellen oder öffentliche Verkehrsmitteln...) nicht als untypisch auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist zudem anzumerken, dass auch nicht versicherte Infektionen auf dem Werksgelände der M1 AG denkbar sind, da beispielsweise die Nahrungsaufnahme in den Pausen nicht versichert ist und der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG selbst angegeben hat, während der Frühstücks- und Mittagspause im Pausenraum des M1 Werkes oder in der Fahrradwerkstatt in Gegenwart weiterer Kollegen Mahlzeiten ohne Mund-Nasen-Schutz zu sich genommen zu haben.
Da eine arbeitsrechtliche (Neben-)Pflicht zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung (oder Wiederherstellung) der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen prinzipiell nicht besteht (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 5/15 R = BSGE 122, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 35), scheidet ein sachlicher Zusammenhang von Erholungspausen mit arbeitsvertraglichen Pflichten aus (Hessisches LSG, Urteil vom 14. Juni 2019 - L 9 U 208/17 -, juris; SG Augsburg, ‑ S 18 U 205/21 -, a.a.O. Rn. 17; SG Speyer - S 12 U 178/22 -, a.a.O., Rn. 33; vgl. auch Urteil des Senats vom 27. Februar 2023 -L 1 U 2032/22 –, Rn. 28, juris).

Die den Kläger treffenden Beweisschwierigkeiten rechtfertigen zudem weder eine Beweislastumkehr noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen. Bei den Fällen, bei denen im Rahmen der Beweiswürdigung typischen Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen werden darf, handelt es sich in erster Linie um solche aufgrund der versicherten Tätigkeit, z.B. bei einem tödlichen Unfallereignis des allein tätigen Versicherten ohne Unfallzeugen (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 -, BSGE 19, S. 52 ff., 56) oder wegen eines unfallbedingten Erinnerungsverlusts des Versicherten (BSG, Urteil vom 12. Juni 1990 - 2 RU 58/89 -, juris; Urteil des erkennenden Senats vom 11. Mai 2015 - L 1 U 2542/14 - juris, Rn. 32), oder aufgrund sonstiger dem Beschäftigungsunternehmen bzw. dem Unfallversicherungsträger zuzurechnender Umstände (z.B. fehlerhafte oder unzureichende Beweiserhebung durch den UV-Träger, die nicht nachholbar ist; vgl. BSG, Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 38/96 - juris, Rn. 23 ff; Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 02/21, § 8 SGB VII, Rn. 335a). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die sich bei Infektionskrankheiten stellende Schwierigkeit, dass für die Infektion meistens verschiedene Infektionsquellen und Übertragungswege in Betracht kommen, ohne dass sich feststellen lässt, bei welcher Gelegenheit es tatsächlich zu der Ansteckung gekommen ist, hat der Verordnungsgeber dadurch Rechnung getragen, dass er Infektionskrankheiten in bestimmten versicherten Tätigkeiten mit besonders erhöhter Gefährdungslage als Berufskrankheit (BK) bezeichnet hat. Insoweit gelten für die hier nicht in Streit stehende Anerkennung einer BK Beweiserleichterungen. Eine entsprechende Anwendung dieser für eine andere Art von Versicherungsfällen entwickelte Regelung, bei der die erhöhte Gefahr einer Einwirkung auf den Körper ausreicht, ohne dass eine konkrete Einwirkung festgestellt werden muss, auf den Versicherungsfall des Arbeitsunfalls ist schon mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht erlaubt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht geboten, für die Feststellung von Infektionskrankheiten als Folge eines Arbeitsunfalls Abweichungen von den allgemeinen Beweisregeln zuzulassen (BSG, - B 2 U 29/07 R -, a.a.O., Rn. 20; SG Cottbus, - S 13 U 56/21 -, a.a.O., Rn. 32).

Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Krankenversicherungsschutz voll greift und die gesetzliche Unfallversicherung ein Sondersystem darstellt, dass spezifische Risiken aus dem konkreten Verantwortungsbereich der Unternehmer abdecken soll (Spellbrink, jM 2023, 23- 26).

3.)
Den hilfsweise gestellten Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen ist nicht zu entsprechen.

Soweit der Kläger mit Hilfsantrag 1 beantragt, ein medizinisches Sachverständigengutachten durch einen entsprechenden Facharzt bzw. Virologen zu der Frage der Inkubationszeiten des Corona-Virus im vorliegenden Fall, der Frage des Zeitpunktes, zu dem der Zeuge O1 Überträger des Corona-Virus gewesen ist und der Frage einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bei symptomfreien Überträgern einzuholen, handelt es sich lediglich um eine Beweisanregung, da eine konkrete Tatsache, die durch das Gutachten bewiesen werden soll nicht benannt wird.

Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag läge nur vor, wenn dieser aufzeigt, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden soll. Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (BSG, Beschluss vom 9. Juli 2015 - B 9 SB 19/15 B -, Rn. 12 - 13, juris), da nur hierdurch der Senat in die Lage versetzt wird, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen. Unbestimmte bzw. unsubstantiierte Beweisanträge vermögen dem Gericht dagegen keine Pflicht zur weiteren Beweisaufnahme aufzuerlegen (vgl. BSG Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 33/11 R - NZS 2012, 230; BSG Beschluss vom 19. November 2009 - B 13 R 303/09 B - Beck RS 2010, 65789 = juris, Rn. 12). Diesen Substantiierungsanforderungen wird der gestellte Beweisantrag nicht gerecht. Der Senat sieht sich auch nicht gedrängt, ein solches Gutachten von Amts wegen einzuholen. Da die aufgeworfenen Fragen für die Entscheidung des Rechtsstreits - entsprechend der obigen Ausführungen - nicht entscheidungserheblich sind.

Die weiteren Hilfsbeweisanträge 2 bis 4 sind ordnungsgemäß gestellt, allerdings kommt es auf die darin zum Beweis gestellten Tatsachen nicht entscheidungserheblich an. Ein Beweisantrag kann ablehnt werden, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann (allg. Meinung: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, SGG § 103 Rn. 8; BSG, Beschluss vom 7. Oktober 2016 - B 9 V 28/16 B -, Rn. 20, juris).

Die mit den Hilfsantrag 2 zum Beweis gestellte Tatsache, dass der Kläger, der Zeuge O1 und dessen Ehefrau an der gleichen Coronavariante erkrankt waren, kann als wahr unterstellt werden, ohne dass sich dies entscheidungserheblich auswirkt. Auch in diesem Fall fehlt es am oben näher beschriebenen (Mindest-)Erfordernis des Kontakts zu einer Indexperson. Gleiches gilt für den Hilfsantrag 3, der darauf abzielt, zu klären, inwieweit die beim Kläger festgestellte Corona-Variante mit der Mutation „N501Y A23063T“ zum Zeitpunkt der Infektion des Klägers „noch nicht bzw. noch nicht weit in der Bevölkerung verbreitet“ war. Selbst wenn man als wahr unterstellt, dass der Kläger, der Zeuge O1 und dessen Ehefrau an der gleichen Coronavariante erkrankt waren und diese spezielle Mutation zum Zeitpunkt der Infektion des Klägers noch nicht „weit in der Bevölkerung verbreitet“ war, so führt dies zwar dazu, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit der vom Kläger behaupteten Infektionskette gesteigert wird. Die Feststellung, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, ist jedoch auch in diesem Fall nicht mit dem erforderliche Überzeugungsgrad des Vollbeweises möglich, da nach wie vor eine Vielzahl an weiteren, unversicherten Infektionswegen denkbar ist (s.o.) und beim Senat erhebliche Zweifel an einer Infektion bei einer versicherten Verrichtung verbleiben.

Auch der Hilfsantrag 4 kann aus den gleichen Gründe als wahr unterstellt werden. Fehlt es am erforderlichen Kontakt zu einer Indexperson, so sind die konkreten räumlichen Verhältnisse vor Ort ohne Relevanz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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