L 8 BA 2524/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 BA 8/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 2524/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Sozialversicherungsfreiheit einer Physiotherapeutin, die im Rahmen eines Nutzungsvertrags Räume einer Praxis für Physiotherapie für die Behandlung eigener Patienten nutzt, und hierfür einen pauschalen Mietzins von 100 € monatlich zuzüglich einer Nutzungsgebühr in Höhe von 35 % ihres Bruttoumsatzes entrichtet.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.04.2023 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf
5.000 Euro festgesetzt.


Tatbestand


Streitig ist, ob die Beigeladene bei der seit dem 01.04.2019 in der Praxis der Klägerin ausgeübten Physiotherapeutin der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die Klägerin betreibt eine Praxis für Physiotherapie (M1 Institut). Die Beigeladene ist seit dem 01.04.2019 in der von der Klägerin betriebenen Praxis tätig. Die Klägerin verfügt über eine Zulassung zur Versorgung Versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung mit physiotherapeutischen Leistungen. Die Beigeladene besitzt keine solche Zulassung.

Am 14.01.2019 schloss die Klägerin (als „Praxisinhaberin" bezeichnet) mit der Beigeladenen (als „Nutzende" bezeichnet) einen als Nutzungsvertrag bezeichneten Vertrag. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:


§ 1 Zweck des Vertrages
Der Vertrag regelt das Mietverhältnis, die Nebenkosten und die Nutzungsgebühr, die von der Beigeladenen an die Klägerin zu entrichten sind, um die Praxisräume im M1 Institut selbständig und in eigener Verantwortung nutzen zu dürfen.

§ 2 Mietobjekt und —höhe
Die Beigeladene mietet im M1 Institut der Klägerin die Praxisräume im Erd- und Kellergeschoss für den Betrag von 100,00 Euro im Monat inklusive Nebenkosten (Heizung, Wasser, Strom, Reinigung). Die Raumaufteilung erfolgt in Absprache mit der Klägerin.

§ 3 Einrichtung
Die Beigeladene ist berechtigt, die Praxisausstattung zu nutzen, insbesondere die Behandlungsbank und die anderen notwendigen Praxisutensilien zur Ausübung ihrer Tätigkeit.

§ 4 Umsatzanteil
Die Beigeladene verpflichtet sich, zzgl. zur Grundmiete eine Nutzungsgebühr von 35% des in den gemieteten Praxisräumen erzielten Brutto-Umsatzes an die Klägerin abzuführen. Dieser Betrag ist nach Ende eines Kalendervierteljahres innerhalb von drei Wochen zu überweisen. Auf Verlangen der Klägerin wird die Beigeladene die Behandlungen anhand ihrer Unterlagen nachweisen.

§ 5 Laufzeit, Kündigung
Der Vertrag gilt ab dem 01.04.2019 und ist nicht befristet.

§ 6 Haftungen
Die Beigeladene und die Klägerin betreiben ihre physiotherapeutische Tätigkeit jeweils in eigener Verantwortung selbständig; insbesondere haften sie deshalb auch für die jeweilige Tätigkeit selbst. Beide Parteien unterhalten jeweils eigene Haftpflichtversicherungen mit Mindestdeckungssummen.


Am 15.01.2019 stellten die Klägerin und die Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gemäß § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen als Physiotherapeutin und beantragten die Feststellung, dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorliege. Hierzu legten sie den Nutzungsvertrag und eine Rechnung der Beigeladenen an die Klägerin vom 30.04.2019 in Höhe von 130,68 Euro vor. Mit Schreiben vom 16.02.2019 sowie vom 20.05.2019 machten die Beigeladene und die Klägerin schriftlich nähere Angaben zu der Tätigkeit der Beigeladenen.

Unter dem 18.06.2019 hörte die Beklagte die Klägerin sowie die Beigeladene zur beabsichtigten Feststellung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen und der Versicherungspflicht in der Kranken-, der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung an. Die Klägerin wurde ferner aufgefordert, sämtliche von der Beigeladenen an sie ausgestellte Rechnungen vorzulegen.

Die Klägerin reichte im Anhörungsverfahren Rechnungen der Beigeladenen für die Monate Mai 2019 (in Höhe von 987,50 Euro) und Juni 2019 (in Höhe von 854,64 Euro) sowie Auszüge aus dem von ihr verwendeten Programm „Theorg" ein und ergänzte schriftlich ihre Ausführungen zur Ausübung der Tätigkeit der Beigeladenen.

Mit Bescheid vom 09.07.2019 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Physiotherapeutin bei G1 Krankengymnastik, seit dem 01.04.2019 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und in dem Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 01.04.2019. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine selbständige Tätigkeit werde durch die freie Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit und das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos - welchen aber entsprechende unternehmerische Chancen und Möglichkeiten gegenüberstehen müssten - gekennzeichnet. Entscheidend für die versicherungsrechtliche Beurteilung sei das Gesamtbild der Tätigkeit nach Maßgabe der im Einzelfall bestimmenden rechtlichen und tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse. Aus den vorgelegten vertraglichen und dargestellten tatsächlichen Verhältnissen ergäben sich die folgenden wesentlichen Tätigkeitsmerkmale, die bei der Beurteilung des Gesamtbildes berücksichtigt worden seien. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Tätigkeit ausschließlich persönlich ausgeführt werde, dass die Abrechnung der Leistungen über die Praxis erfolge, dass die Tätigkeit in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt werde, dass die Beigeladene im Rahmen der Tätigkeit die Infrastruktur der Praxis der Klägerin nutze und dass kein unternehmerisches Risiko bestehe, da weder Arbeitskraft noch Kapital in erheblichem Umfang mit ungewisser Aussicht auf Erfolg eingesetzt werden würden. Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass die Beigeladene eine feste Raummiete an die Klägerin zahle, dass die Behandlung der Patienten eigenverantwortlich erfolge, dass die Beigeladene Termine selbst absage und nach eigenen Angaben auch eigene Betriebsmittel einsetze. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen. In dem zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Krankenversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), weil sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Tatbestände ergäben, die die Versicherungspflicht ausschlössen oder Versicherungsfreiheit begründeten bzw. weil keine Befreiung von der Versicherungspflicht bestehe. Die Versicherungspflicht beginne daher mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 01.04.2019.

Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte am 05.08.2019 Widerspruch ein. Entgegen der Auffassung der Beklagten dürfe die Nutzung der Räume eines Praxisinhabers durch einen freien Mitarbeiter nicht als Merkmal einer abhängigen Beschäftigung herangezogen werden. Die Klägerin habe keinerlei Weisungsrecht gegenüber der Beigeladenen. Es liege auch keine betriebliche Eingliederung vor. Die Beigeladene trage ein unternehmerisches Risiko, da sie umsatzbezogen honoriert werde, im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zahlreiche Ausgaben zu tätigen habe, das Risiko regelmäßiger Umsatzausfälle wegen kurzfristiger Absagen von Patienten oder mangelndem Patientenaufkommen selbst tragen müsse, von ihrem erwirtschafteten Umsatz einen erheblichen Prozentsatz an die Klägerin als Nutzungsentgelt abgebe und monatlich eine feste Raummiete zahle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Physiotherapeuten, die ihre Leistungen in einer fremden, zur Leistungserbringung nach § 124 SGB V zugelassenen Praxis erbrächten, seien in der Regel abhängig beschäftigt. Nur die Klägerin trete nach außen hin als verantwortlicher Praxisbetreiber auf und rechne mit der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse ab. Die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung sei durch die zwingenden Vorgaben des Leistungserbringerrechts definiert, das der Klägerin als der zugelassenen Leistungserbringerin die Verantwortung für die von ihr abgerechneten Leistungen zuweise. Dementsprechend komme ihr auch eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zu, und die Beigeladene sei dadurch in ihre vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert. Die Beigeladene verfüge auch über keine eigenen Betriebsräume, weshalb Absprachen mit der Klägerin erforderlich seien. Die pauschale Abgeltung der benannten Kostenbeteiligung in Höhe von 35% der Behandlungsvergütung stelle kein unternehmerisches Risiko dar, da sie nur fällig werde, wenn die Beigeladene auch tatsächlich tätig geworden sei. Das vereinbarte monatliche Nutzungsentgelt in Höhe von 100,00 Euro sei auch nicht mit dem erheblichen Unternehmerrisiko für die Anschaffung und den Unterhalt von Betriebsräumen und Arbeitsmitteln zu vergleichen. Das unternehmerische Risiko liege im Wesentlichen allein bei der Klägerin, da sie die Unterhaltskosten der Praxis auch zu tragen habe, unabhängig davon, ob die Klägerin für sie tätig werde oder nicht. Arbeitsmittel wie Massageliegen, Handtücher, Bestuhlung für die Wartezeit oder Ähnliches würden von der Klägerin zur Verfügung gestellt und die Nutzung müsse abgesprochen werden. Die Dauer und Art der Behandlung sei nicht vom Leistungsanbieter frei zu bestimmen, sondern ergebe sich aus den ärztlichen Verordnungen für die Patienten. Die Beigeladene sei weder selbst „Mitgesellschafterin des Unternehmens des Auftraggebers" noch sei sie am Umsatz beteiligt, sondern erhalte die Vergütung, die sich prozentual nach den abgerechneten Rezepten richte und deren Abrechnung ausschließlich über den Auftraggeber erfolge.

Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 30.12.2019 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) unter Wiederholung, Ergänzung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren erhoben. Er hat insbesondere auf die Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 19.04.2016 (L 11 R 3476/15 sowie L 11 R 2824/15), vom 22.03.2017 (L 2 R 4239/16), vom 19.07.2018 (L 7 R 1319/17) sowie vom 29.01.2019 (L 13 BA 34/18 und L 13 R 3627/17) sowie auf das Urteil des BSG vom 04.09.2018 (B 12 KR 11/17 R) hingewiesen. Danach komme dem Leistungserbringerrecht der GKV bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage keine übergeordnete Wirkung zu. Insbesondere könne einem Zulassungserfordernis nicht per se eine determinierende Wirkung in Bezug auf die Frage des Vorliegens von Beschäftigung entnommen werden, weil die Regelungen unmittelbar ausschließlich das Verhältnis zwischen Krankenkasse und zugelassenem Leistungserbringer beträfen. Die Annahme der Beklagten, dass in einer fremden, zur Leistungserbringung zugelassenen Praxis tätige nichtärztliche Leistungserbringer in der Regel abhängig beschäftigt seien, halte damit rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ob Aufgaben/Arbeiten selbstständig oder abhängig erfüllt würden, hänge davon ab, ob die Gestaltung der gegenseitigen Beziehung noch einen für eine selbstständige Tätigkeit der betreffenden Art typischen und nach der Eigenart des Betriebs möglichen Freiraum lasse. Entscheidend sei daher, inwieweit tatsächliche Einschränkungen bei der Inanspruchnahme von Räumen, Geräten und Personal aufgrund von Weisungen bestünden. Solche Einschränkungen gebe es vorliegend nicht. Die Beigeladene habe freien Zugang zu den Praxisräumen. Hinsichtlich der Nutzung der Behandlungsräume gebe es keinerlei Abstimmungsbedarf, da ausreichend Räume vorhanden seien. Die Beigeladene vereinbare die Termine mit den Patienten selbst. Sie erhalte keine inhaltlichen Weisungen bezüglich der Wahl der Therapie oder der Behandlung selbst. Auch dürfe sie noch für andere Arbeitgeber tätig sein. Bei Krankheit oder sonstiger Verhinderung müsse sie sich selbst um eine Vertretung kümmern oder den Termin absagen. Sie nutze ein eigenes Terminbuch, eigene Visitenkarten und Briefbögen sowie eine eigene Patientenkartei, trage keine Praxiskleidung und arbeite nicht mit anderen Mitarbeitern der Praxis zusammen. Auch müsse sie keine Vertretung übernehmen, habe keine Berichts- oder Dokumentationspflichten und sei nicht verpflichtet, interne oder externe Fortbildungstermine wahrzunehmen. Die Terminierung der Patienten erfolge ausschließlich durch die Beigeladene über deren private Handy- oder stationäre Nummer oder auch durch Rückruf. Die Beigeladene sei daher nicht weisungsabhängig, nicht in den Praxisbetrieb der Klägerin eingegliedert und trage ein unternehmerisches Risiko. Sie erhalte ein Honorar, welches deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsnehmers liege. Sie sei somit selbstständig i.S.v. § 7 SGB IV.

Das SG hat mit Beschluss vom 25.02.2020 D1 zum Verfahren nach § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.

Nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte seine Zulassung mit Wirkung zum 15.03.2022 zurückgegeben hatte, hat das SG ihn mit Beschluss vom 03.05.2022 als Bevollmächtigten im Verfahren zurückgewiesen.

Das SG hat die Beigeladene sowie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2023 persönlich angehört. Die Beigeladene hat bezüglich der Frage der Abrechnung angegeben, dass sie die Rezepte von den Kassenpatienten bekommen habe. Sie habe dann den Eigenanteil verlangt und eine Rechnung an die Klägerin gestellt. Mit den Privatpatienten habe sie direkt abgerechnet. Die Klägerin habe 35 % des Umsatzes der Kassenpatienten, die die Beigeladene in den Räumen behandele und 25 % des Umsatzes von Kassenpatienten, die die Beigeladene zu Hause behandele, erhalten.

Das SG hat mit Urteil vom 26.04.2023 den Bescheid vom 09.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass für die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin bei der Klägerin seit dem 01.04.2019 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Auch Physiotherapeuten, die nicht zur Leistungserbringung im System der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen seien, könnten ihre Leistungen im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erbringen. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolge nämlich nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsfelder. Deshalb sei es durchaus möglich, dass ein und derselbe Beruf, je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis, entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde. Maßgeblich seien stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. Angesichts dessen messe das SG dem Umstand, dass die von der Klägerin erbrachten physiotherapeutischen Leistungen durch sie nicht abrechnungsfähig seien und nur durch die Klägerin als zugelassener Leistungserbringerin gegenüber den Krankenkassen geltend gemacht werden könnten, eine nur untergeordnete Bedeutung bei. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche der Umstand, dass die Beigeladene ihre Behandlungstermine in zeitlicher Hinsicht frei bestimmen könne, eigene Patientinnen und Patienten habe, im Falle ihrer Verhinderung, sei es durch Krankheit oder Urlaub, selbst für einen Ersatztermin sorgen müsse und bei Hausbesuchen auf ihre eigene portable Liege sowie ggf. weitere eigene Behandlungswerkzeuge zurückgreife. Die Behandlungen der Beigeladenen erfolgten sowohl in den Räumen der Klägerin als auch im Rahmen von Hausbesuchen. Die Beigeladene sei auch nicht in die Organisationsstruktur der Klägerin eingegliedert, was als maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung anzusehen wäre. Dies zeige sich insbesondere dadurch, dass sie nicht an Öffnungszeiten oder Ähnliches gebunden sei, sondern z.B. auch an Wochenenden Kurse abhalten könne und Online-Kurse gebe. Eine Weisungsgebundenheit sei nicht festzustellen, denn die Behandlungsweise ergebe sich vorliegend zum einen aus der ärztlichen Verordnung, der jeweiligen Therapieform als auch der Tatsache, dass die Beigeladene eigene Patientinnen und Patienten behandele. Gegen eine selbständige Tätigkeit spreche, dass die Beigeladene kein unternehmerisches Risiko, das ein typisches Indiz für Selbständigkeit sei, trage. Die Beigeladene trage kein relevantes Verlustrisiko, da sie für erbrachte Leistungen mit Kassenpatientinnen und Patienten der Klägerin 65% des von dieser mit den Kassen abgerechneten Betrags in Rechnung stellen könne und erhalte. Auch dürfte das Insolvenzrisiko der Privatpatientinnen und Patienten, gegenüber denen die Beigeladene direkt abrechne, gering sein, da diese in der Regel ärztliche Verordnungen für die Behandlungen hätten und somit eine Kostenerstattung gesichert sein dürfte. Das Risiko, nicht wie gewünscht arbeiten zu können, weil Behandlungsmöglichkeiten anderweitig vergeben wurden, stelle kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer treffe, der nur Zeitverträge bekomme oder auf Abruf arbeite und nach Stunden bezahlt werde oder unständig Beschäftigter sei. Es müsse deshalb ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgehe, kein Entgelt zu erzielen. Als laufende monatliche Zahlungsverpflichtung habe die Beigeladene der Klägerin monatlich 100,00 Euro für die Nutzung der Praxisräume zu zahlen, was angesichts der beispielhaft vorgelegten Rechnungen an die Klägerin in Höhe von 987,50 Euro und 854,64 Euro einen relativ geringen Betrag darstelle. Auch die Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs bedinge kein unternehmerisches Risiko. Die Beigeladene beschäftige selbst keine Arbeitnehmer und verfüge bis auf eine portable Behandlungsliege, die sie bei Hausbesuchen mit sich führe, nicht über wesentliche Betriebsmittel. Es sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit sei, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten. Aufgrund der von der Beigeladenen als Behandlungsform durchgeführten Feldenkraismethode seien jedoch keine besonderen Geräte erforderlich, da hauptsächlich der Körper bei der Behandlung zum Einsatz komme. Es würden daher im Rahmen einer Gesamtabwägung die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwiegen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 18.08.2023 zugestellte Urteil am 31.08.2023 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die Beklagte hat zur Berufungsbegründung auf ihr bisheriges Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren verwiesen. Ergänzend hat die Beklagte ausgeführt, dass das SG die vom BSG in der jüngeren Rechtsprechung vorgenommene Schärfung des Kriteriums der betrieblichen Eingliederung (z.B. BSG, Urteil vom 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R –, juris) unberücksichtigt gelassen habe.
Demnach sprächen regulatorische Rahmenbedingungen zur Erbringung vereinbarter Leistungen und zur Qualitätssicherung für eine Eingliederung in die Organisations- und Weisungsstruktur eines Arbeitgebers. Die Eingliederung in die regulatorischen Rahmenbedingungen sei bei der Gesamtabwägung der Indizien mit besonderem Gewicht zu würdigen. Nach dem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.03.2023 (L 2 BA 39/22) spreche eine vom abrechnenden therapeutischen Unternehmen übernommene Gesamtverantwortung für die fach- und vertragsgerechte Leistungserbringung indiziell für eine funktionsgerecht dienende Einbindung der herangezogenen Therapeuten in den Arbeitsprozess und damit für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (RdNr. 72 ff a.a.O.). Die Abrechnung der von der Beigeladenen vorgenommenen Behandlungen sei über das Abrechnungssystem der Praxis der Klägerin erfolgt. Damit sei die Klägerin die Heilmittelerbringerin im Sinne des Krankenversicherungsrechts und haftbar für die Behandlungen, die die Beigeladene erbracht habe. Die Beigeladene sei also in die regulatorischen Rahmenbedingungen des Betriebes der Klägerin eingebunden. Das SG habe diesem Umstand in seiner Gesamtabwägung keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung vom 19.10.2021 komme der Eingliederung in die regulatorischen Rahmenbedingungen bei der Gesamtabwägung der Indizien jedoch ein besonderes Gewicht zu. Sei wie hier in dem anhängigen Rechtsstreit eine betriebliche Eingliederung festzustellen, bestehe eine Indizwirkung für eine selbständige Tätigkeit nur dann, wenn bei der Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibe, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichne (BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 R 16/19 R –, juris; BSG, Urteil vom 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R –, juris; BSG, Urteil vom 28.06.2022 – B 12 R 3/20 R –, juris). Das SG habe in dem anhängigen Rechtsstreit in seinem Urteil zutreffend festgestellt, dass für die Beigeladene kein unternehmerisches Risiko bestanden habe. Nach Auffassung der Beklagten bestehe nach der neueren Rechtsprechung des BSG keine Indizwirkung für eine selbständige Tätigkeit, denn bei der Verrichtung der Tätigkeit verbleibe keine Weisungsfreiheit, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichne. Nach alldem überwögen aus Sicht der Beklagten bei der Gesamtabwägung die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Unter Beachtung der jüngeren BSG-Rechtsprechung und der Rechtsprechung durch das LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.03.2023 (L 2 BA 39/22) sei die Beigeladene in ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sollte der Senat diese Sichtweise nicht teilen, werde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache um Revisionszulassung gebeten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.04.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hat zur Berufungserwiderung auf ihr Vorbringen im Klageverfahren sowie die Begründung im Urteil vom 26.04.2023 verwiesen. Ergänzend hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte das Urteil des BSG vom 19.10.2021 (B 12 R 17/19 R) im vorliegenden Fall willkürlich und fehlerhaft heranziehe.
Die Beigeladene habe ihre Arbeitsleistung nicht auch nur ansatzweise nach Maßgabe der Therapieplanung und im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit der Klägerin bzw. den anderen Mitarbeitern erbringen müssen. Sie sei gerade nicht über einen Dienstplan in die Arbeitsabläufe der Praxis der Berufungsbeklagten in "funktionsgerecht dienender Teilhabe" eingegliedert gewesen – es habe nämlich unstreitig einen solchen „Dienstplan" gar nicht gegeben. Die Beigeladene sei auch nicht "Teil einer Kette" von Therapiepersonen gewesen. Insbesondere habe sie sich auch mit niemandem in der Praxis zu was auch immer abgestimmt. Sie habe unstreitig nichts in einem Dokumentationssystem der Klägerin vermerkt. Selbstverständlich habe es auch keinerlei Verpflichtung zur Nutzung eines solchen Dokumentationssystems gegeben. Anders, als das im von der Beklagten zitierten Urteil der Fall sei, gebe es in der Praxis der Klägerin keine verantwortliche Therapiefachkraft für Therapieleistungen für jeden Patienten, die deshalb auch nicht zumindest in den Grundzügen selbst und für die Beigeladene festlege, wie die Durchführungen der Behandlungen der Beigeladenen auszusehen hätten und die Umsetzung durch die Beigeladene angemessen kontrolliere. Auch das Urteil des BSG vom 28.06.2022 (B 12 R 3/20) könne auf die vorliegende Fallkonstellation nicht angewendet werden, da im Unterschied zur im Fall des BSG zu beurteilenden Lehrtätigkeit die Beigeladene vorliegend weder eine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung gehabt habe, noch auf bestimmte Behandlungszeiten bzw. Räume festgelegt gewesen sei. Auch könne der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 21.07.2023 (L 2 BA 39/22) nicht gefolgt werden, wonach die Tatsache, dass der nach § 124 SGB V zugelassene Praxisinhaber nach dem von ihm zu unterzeichnenden Rahmenvertrag mit den gesetzlichen Kostenträgern die kassenrechtliche Verantwortung für alles trage, was in der Praxis passiere und die kassenrechtliche Abrechnung tätige, ein Indiz dafür sein solle, dass jeder therapeutische Mitarbeiter der Praxis abhängig beschäftigt sei. Dies stehe gegen das von der Beklagten negierte Urteil des BSG vom 24.03.2016 (B 12 KR 20/14 R), wonach aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zulassung von Heilmittelerbringern gerade nicht der Schluss auf das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung gezogen werden dürfe/könne. Der Regelung des Leistungserbringerrecht in § 124 SGB V fehle eine über das Leistungs- und Leistungserbringerrecht der GKV hinausgehende übergeordnete Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdende Person (Behandler). § 124 SGB V könne nach der Rechtsprechung des BSG deshalb gerade keine determinierende Wirkung in Bezug auf die auch im vorliegenden Verfahren zu entscheidende Frage des (Nicht)Vorliegens von Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV entnommen werden. Die Beigeladene unterliege in ihrer Tätigkeit auch im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung einem unternehmerischen Risiko — und selbstverständlich sei sie auch in ihrer Tätigkeit in jeder Hinsicht frei von Weisungen der Klägerin.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.10.2023 vorgetragen, dass die Behauptungen, es gebe keine verantwortliche Fachkraft und keine Dokumentationspflichten bzw. dass die Regelungen des Leistungserbringungsrechts nur im Verhältnis zwischen Krankenkasse und zugelassenem Leistungserbringer gelten würden, nicht überzeugten. Die regulatorischen Rahmenbedingungen würden selbstverständlich auch für die vom verantwortlichen Auftraggeber eingesetzten Mitarbeiter gelten. Das BSG habe mit Urteil vom 19.10.2021 (B 12 R 17/19 R) auch explizit festgestellt, dass insbesondere die Erstkontakte des Auftraggebers und das Vergütungsmodell für eine Eingliederung sprechen würden. Das aktuelle Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen setze diese Rechtsprechung konsequent um. Ein Widerspruch zum BSG-Urteil vom 24.03.2016 (B 12 KR 20/14 R) bestehe nicht. Dort sei lediglich festgestellt worden, dass das Leistungserbringungsrecht keine determinierende Wirkung habe und nicht zwingend zur Annahme einer Beschäftigung führe. Erwogen worden sei eine vertragliche Einbeziehung der abstrakten bzw. konkreten Abrechenbarkeit und ein daraus resultierendes Weisungsrecht. Auf ein explizites Weisungsrecht komme es nach der fortentwickelten BSG-Rechtsprechung zur Bedeutung der Eingliederung ohnehin nicht mehr an.
Zutreffend habe die Klägerin ausgeführt, dass eine Gesamtabwägung erforderlich sei. Diese führe allerdings wegen der im Wesentlichen von der Auftraggeberin organisierten Tätigkeit wie im BSG-Urteil vom 24.03.2016 zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung.

Die Agentur für Arbeit sowie die zuständige Kranken- und Pflegeversicherung, die D2 BKK, haben auf Anfrage der Berichterstatterin vom 28.11.2023 mitgeteilt, dass sie keinen Antrag auf Beiladung nach § 75 Abs. 2b Satz 1 SGG stellen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 09.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 (§ 95 SGG), mit denen die Beklagte zum einen gegenüber der Klägerin und zum anderen gegenüber der Beigeladenen entschied, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin in der Praxis der Klägerin seit dem 01.04.2019 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausübt und dabei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene in ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin für die Klägerin im Zeitraum ab dem 01.04.2019 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV in der hier noch anzuwendenden, bis 31.03.2022 geltenden Fassung des Art. 160 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes vom 29.03.2017 (BGBl. I, S. 626) ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Versicherungspflicht. Das Vorliegen einer Beschäftigung i.S. von § 7 Abs. 1 SGB IV ist, neben der Entgeltlichkeit, lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und damit nur ein Element der mit unmittelbaren Rechtsfolgen verbundenen Feststellung von Versicherungspflicht. Demzufolge sind weder die Deutsche Rentenversicherung B2 als „Clearingstelle“ noch die Gerichte befugt, im Rahmen von § 7a SGB IV isoliert das Vorliegen von Beschäftigung (oder Selbständigkeit) festzustellen (BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 KR 27/19 R – juris, Rdnr. 12 m.w.N.). Die zum 01.04.2022 in Kraft getretene Neufassung des § 7a SGB IV findet auf das vorliegende Verfahren, in dem die angefochtenen Bescheide vor dem 01.04.2022 erlassen wurden, noch keine Anwendung (vgl. zum Geltungszeitraumprinzip zuletzt BSG, Urteil vom 14.12.2021 – B 14 AS 21/20 R – juris, Rdnr. 11 m.w.N.).

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV i.d.F. vom 29.03.2017 (s.o.) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6). Die Beklagte war für die von der Beigeladenen und der Klägerin beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15.01.2019 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war. Entsprechende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Etwas Gegenteiliges wird von den Beteiligten auch nicht behauptet.

Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch) und in der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 30.04.2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rdnr. 23 –, BSG, Urteil vom 30.03.2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rdnr. 15 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rdnr. 15 f.; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rdnr. 23 ff. – jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rdnr. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 01.12.1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 04.06.1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 10.08.2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rdnr. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nämlich abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit erbracht wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R –, juris Rdnr. 25 ff. m.w.N.).

Die Tätigkeit als Physiotherapeut gehört zu den persönlich geprägten Gesundheitsleistungen, die sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R –, juris Rdnr. 25 ff.). Im Kernbereich der medizinischen Tätigkeit arbeiten
Physiotherapeuten weisungsfrei. Da die Zulassung zur Erbringung von Vertragsleistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen hohe Mindestanforderungen nicht nur an die berufliche Qualifikation, sondern auch an die notwendige Raum- und Sachausstattung voraussetzt, ist eine freie Berufsausübung durch "Einmietung“ in eine bestehende Praxis nicht selten gewünscht und gewollt (vgl. LSG B3, Urteil vom 30.03.2023 – L 1 BA 67/20 –, juris Rdnr. 32 ff.).

Die Annahme von Beschäftigung kann nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 25) nicht ohne Weiteres darauf gestützt werden, dass die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen durch "zwingende" Vorgaben des Leistungserbringerrechts der GKV definiert bzw. determiniert sei; es kann nicht angenommen werden, dass der Klägerin hierdurch auch eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zugekommen und die Beigeladene deshalb in die von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation notwendig eingegliedert gewesen sei. Das Zulassungserfordernis für Heilmittelerbringer der gesetzlichen Krankenversicherung bedingt somit nicht, dass die für diese tätigen Personen sozialversicherungsrechtlich stets den Status als Beschäftigte innehaben. Maßgebend für die Beurteilung, ob Beschäftigung iS von § 7 Abs. 1 S 1 SGB IV oder Selbstständigkeit vorliegt, sind jedoch daher stets die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 30).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beigeladene bei ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin in der Praxis der Klägerin ab dem 01.04.2019 nicht abhängig beschäftigt.

Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind die im Folgenden dargestellten Umstände, die der Senat aufgrund des Gesamtinhalts des Verfahrens, insbesondere den Regelungen des Nutzungsvertrages vom 14.01.2019 sowie den Angaben der Klägerin und der Beigeladenen im Rahmen des Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahrens feststellt.

Die Klägerin verfügt über eine Zulassung zur Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten mit physiotherapeutischen Leistungen. Sie betreibt eine Praxis für Physiotherapie im Parterre eines Hauses, welches ihrem Mann gehört. In den Praxisräumen gibt es vier Zimmer sowie ein Bewegungsbad im Untergeschoss. Die Räume werden neben der Klägerin und der Beigeladenen auch noch von einer Pilateslehrerin für zwei Stunden pro Woche sowie einer Physiotherapeutin für circa fünf Stunden pro Woche genutzt. Die Klägerin ist selbst zwischen einer und vier Stunden täglich in der Praxis. Die Beigeladene ist ca. 10 Stunden wöchentlich bzw. ein bis eineinhalb Tage in der Praxis und macht im Übrigen 15 bis 20 Stunden in der Woche Hausbesuche. Zusätzlich bietet sie noch Feldenkraisgruppen online von zu Hause aus oder am Wochenende in der Praxis an. Die Koordinierung der Raumbelegung erfolgt über einen Onlinekalender. Die Räume der Praxis sind selbst wenn die Klägerin, die Beigeladene sowie die Pilateslehrerin und Physiotherapeutin anwesend sind, nicht überbelegt. Die Klägerin beschäftigt keine Rezeptionsangestellten. Die Beigeladene hat einen Schlüssel zur Praxis und die Räumlichkeiten sind jederzeit zugänglich. Sie verfügt nicht über eine Kassenzulassung. Die Patientengewinnung erfolgt für die Beigeladene über Gruppen, welche sie betreut, oder Bekannte bzw. durch Mund zu Mund-Propaganda. Auch hat sie eigene Visitenkarten bei ihrem Hausarzt deponiert. Die Beigeladene führt ein eigenes Terminbuch und eine eigene Patientenkartei. Die Rezepte bekommt sie von ihren Kassenpatienten. Sie verlangt dann den Eigenanteil und stellt eine Rechnung an die Klägerin, da nur diese gegenüber den Krankenkassen abrechnen kann. Die Privatpatienten rechnet die Beigeladene dagegen direkt ab.

Rechtliche Grundlage der Tätigkeit der Beigeladenen ist der mit der Klägerin geschlossene Nutzungsvertrag. Danach erhält die Klägerin 35 % des Umsatzes der in den Räumen behandelten Kassenpatienten und 25 % des Umsatzes von zu Hause behandelten Kassenpatienten von der Beigeladenen (vgl. § 4 Nutzungsvertrag). Die Beigeladene ist berechtigt, die Praxisausstattung zu nutzen (vgl. § 3 Nutzungsvertrag). Sie entrichtet nach § 2 Nutzungsvertrag für die Miete der Praxisräume einen Betrag von 100 Euro im Monat inklusive Nebenkosten (Heizung, Strom, Wasser, Reinigung). Nach § 6 Nutzungsvertrag betreiben die Klägerin und die Beigeladene ihre physiotherapeutische Tätigkeit jeweils in eigener Verantwortung selbstständig. Weitere Vereinbarungen über die Tätigkeit der Beigeladenen enthält der Nutzungsvertrag nicht.

Unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls, wie sie sich aus den vorstehenden tatsächlichen Feststellungen ergeben, liegt keine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen bei der Klägerin vor.

Aus den Regelungen des Nutzungsvertrages geht eindeutig hervor, dass die Vertragspartner von einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen ausgegangen sind. Dafür spricht neben Präambel, in der als Zweck des Vertrages die Dokumentation der inhaltlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit zwischen den Parteien genannt wird, der Vertragsgegenstand der Gestattung der Nutzung der Praxisräume und Einrichtungen, die Übernahme des Abrechnungsverkehrs durch die Klägerin (§§ 2 und 3 Nutzungsvertrag), die Verpflichtung der Beigeladenen zur selbstständigen Absicherung und Regelung der Haftung (§ 6 Nutzungsvertrag) sowie das Fehlen von typischen Arbeitnehmerrechten wie bezahlter Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Entscheidend für den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Tätigkeit ist aber nicht eine zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung. Auch eine von den Beteiligten ausdrücklich gewollte Selbständigkeit muss vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn die Versicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welcher gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteile des BSG vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R – juris Rdnr 17 und vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R – juris Rdnr. 17). Die gelebte Praxis geht formellen Vereinbarungen grundsätzlich vor (BSG, Urteil vom 07.06.2019 – B 12 R 6/18 –, juris Rdnr. 23).

Hier allerdings kann sich der Senat ebenso wie das SG nicht die Überzeugung bilden, dass das gelebte Vertragsverhältnis den abstrakten Vertragsregelungen nicht entsprochen hat. Dies folgt aus den Angaben der Beteiligten im Verwaltungsverfahren und vor Gericht sowie aus den Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG:

Die Beigeladene unterlag in ihrer Tätigkeit keinem Weisungsrecht der Klägerin, wie es für die Verfügungsgewalt eines Arbeitgebers im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses typisch ist. Ein solches Weisungsrecht bestand weder in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitsleistung, den Arbeitsort noch die Lage der Arbeitszeit. Dabei beschränkte sich die Weisungsfreiheit nicht nur auf die Ausführung der Behandlungen im engeren Sinne, wo das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art, wobei man heute von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen würde, aufs Stärkste eingeschränkt sein kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 12/18 R – juris, Rdnr. 29 – zur Pflegefachkraft). Vielmehr umfasste sie die gesamte Organisation und Durchführung der Tätigkeit der Beigeladenen. Die Beigeladene war insbesondere nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden, nicht zur Anwesenheit verpflichtet und konnte mit den Patienten eigene Terminvereinbarungen treffen. Eine Mindest- oder Höchstarbeitszeit wurde weder vertraglich vereinbart noch tatsächlich eingehalten. Die Klägerin hatte bis auf die vertraglich vereinbarte Einräumung des Nutzungsrechtes an den Räumlichkeiten und der Praxisausstattung keine weiteren Einwirkungsmöglichkeiten bezüglich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit der Beigeladenen. Diese besaß einen Schlüssel zu den Praxisräumen und konnte diese jederzeit und auch am Wochenende ohne vorherige Absprache nutzen. Da ausreichend Räume auch für die anderen Nutzer vorhanden waren, war auch der Eintrag in einen Raumbelegungsplan nicht erforderlich. Die Klägerin hatte auch keinen Zugriff auf den Kalender der Beigeladenen. Diese terminierte und organisierte ihre therapeutische Arbeit von der Terminvergabe bis zur Therapiedurchführung komplett eigenständig. Die Klägerin hat auch nach den Angaben der Beigeladenen und der Klägerin im Schreiben vom 16.02.2019 sowie in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem SG am 26.04.2023 ihre Patienten nicht durch Vermittlung der Klägerin, sondern selbst durch ihre weitere Arbeit als Feldenkraislehrerin und durch Werbung durch Visitenkarten bei ihrem Hausarzt und Mund zu Mund-Propaganda gewonnen. Eine Weiterreichung bzw. Vermittlung von Patienten durch die Klägerin an die Beigeladene erfolgte nicht. Die Fallkonstellation unterscheidet sich somit wesentlich von der Fallkonstellation, in dem ein zugelassener Leistungserbringer Patienten, welche er nicht selbst oder auch nicht mit angestellten Mitarbeitern behandeln kann, weiterreicht (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023 – L 2 BA 39/22 –, juris; LSG N2, Urteil vom 14.12.2022 – L 8 BA 159/19 –, juris; LSG M2, Urteil vom 13.10.2021 – L 4 R 230/17 –, juris). Die Beigeladene behandelte im Abrechnungsverhältnis mit der Klägerin keine Patienten, die ihr von dieser angetragen wurden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R – juris, Rdnr. 23 ff.), sondern selbst akquirierte Kassenpatienten. Die Patientengewinnung, die Terminvergabe und die Behandlung erfolgten bis auf die Nutzung der Räume der Klägerin sowie die Abrechnung der Kassenpatienten über die Klägerin unabhängig und getrennt von der Tätigkeit der Klägerin.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein fachliches Weisungsrecht auch nicht aus den Regelungen des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 124, 125 SGB V und der Tatsache, dass die Abrechnung der Kassenpatienten der Beigeladenen über die Klägerin verlief. Zwar sind nicht nur einzelvertragliche Weisungsrechte zu berücksichtigen. Vielmehr sind auch berufsrechtlich vorgegebene Weisungsrechte nicht vom Begriff der „Weisungen“ i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen. Denn bei der Gesamtabwägung sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben sind oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ liegen (BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 KR 27/19 R – juris, Rdnr. 15). Vorgaben des Leistungserbringerrechts sind bei der Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status anhand der tatsächlichen Verhältnisse grundsätzlich zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R - juris, Rdnr. 25 ff. zur stationären Pflegeeinrichtung, vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R – juris, Rdnr. 30 ff. zum Erziehungsbeistand nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch [SGB VIII], vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R – juris, Rdnr. 27 f. zu
Physiotherapeuten und Leistungen nach dem SGB V; vom 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R – juris, Rdnr. 18 ff. zur Familienhilfe nach dem SGB VIII). Vorliegend zwingen die maßgeblichen Regelungen der §§ 124 ff. SGB V nicht zur Annahme eines arbeitgebertypischen Weisungsrechts des Zulassungsinhabers. Vielmehr ist die Leistungserbringung auch durch einen freien Mitarbeiter des Zulassungsinhabers möglich. Nach § 124 Abs. 1 SGB V dürfen Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der physikalischen Therapie, der Sprachtherapie oder der Ergotherapie, an Versicherte der GKV nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Für die ab 1989 geltende Rechtslage hatte das BSG bereits entschieden, dass diese Bestimmungen sowie die weiteren Regelungen des Leistungserbringerrechts des SGB V (§§ 125 ff. SGB V) einer Heilmittelabgabe durch freie Mitarbeiter des zugelassenen Leistungserbringers nicht entgegenstehen (BSG, Urteil vom 29.11.1995 – 3 RK 33/94 – juris, Rdnr. 26 ff. sowie BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R – juris, Rdnr. 28).

Darüber hinaus betreffen diese Regelungen zunächst ausschließlich das Verhältnis zwischen Krankenkasse und (zugelassenem) Leistungserbringer. Der Regelung des Leistungserbringungsrechts in § 124 Abs. 1 SGB V fehlt demgegenüber eine über das Leistungs- und Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende „übergeordnete“ Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdenden Personen. Denn der Regelung kann keine determinierende Wirkung in Bezug auf die vorliegend zu entscheidende Frage des Vorliegens von Beschäftigung i.S. von § 7 Abs. 1 SGB IV entnommen werden (BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R – juris, Rdnr. 28; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rdnr. 56).

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 13.09.2023 hat diese Rechtsprechung des BSG durch das Urteil vom 19.10.2021 (BSG, Urteil vom 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R –, juris Rdnr. 24 ff.) keine Änderung erfahren. Das Urteil des BSG vom 19.10.2021 erging zur Tätigkeit einer ambulant tätigen Pflegekraft. Somit ist der Sachverhalt bereits von der ausgeübten Tätigkeit der Pflege eines Wachkomapatienten nicht mit der vorliegenden Tätigkeit einer
Physiotherapeutin vergleichbar. Das BSG nimmt in dieser Entscheidung insbesondere auf die Gesamtverantwortung nach § 71 SGB XI Bezug und misst daher der Eingliederung in die regulatorischen Rahmenbedingungen der ambulanten Pflege besondere Bedeutung zu. Mit dieser Konstellation ist jedoch die Erbringung von Physiotherapieleistungen nach den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der vorliegenden Konstellation der Miete eines Behandlungsraumes zur Behandlung von eigenständig akquirierten Patienten nicht vergleichbar. Zudem führt das BSG in dem Urteil vom 19.10.2021 (BSG, a.a.O. –, juris Rdnr. 34) zugleich aus, dass auch Umstände für eine selbstständige Tätigkeit sprechen könnten, daher eine solche zwar eher die Ausnahme, jedoch selbst bei einer ambulant tätigen Pflegekraft nicht von vorneherein ausgeschlossen sei. Auch das von der Beklagten des Weiteren angeführte Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen, (Urteil vom 17.03.2023 – L 2 BA 39/22 –, juris Rdnr. 72) spricht lediglich von einem Indiz für eine funktionsgerecht dienende Einbindung bei einem vom abrechnenden therapeutischen Unternehmen übernommene Gesamtverantwortung für die fach- und vertragsgerechte Leistungserbringung, enthält jedoch keine Abweichung von der Entscheidung des BSG vom 24.03.2016 (BSG, a.a.O. –, juris Rdnr. 27 ff.), wonach aus den Zulassungserfordernissen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht stets auf eine abhängige Beschäftigung der für diese tätigen Personen geschlossen werden kann. Insbesondere handelt es sich bei der Weiterreichung von Aufträgen in der Fallkonstellation des LSG Niedersachsen-Bremen nicht um einen mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbaren Sachverhalt. Somit ist bei einer Abrechnung der erbrachten Leistungen durch einen zugelassenen Leistungserbringer zwar eine Eingliederung in dessen Betrieb in diesem Teilbereich gegeben. Allein hieraus folgt jedoch nicht ohne Weiteres die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Ob eine solche vorliegt, ist weiterhin nach den konkreten Umständen der zu beurteilenden Tätigkeiten und einer Gesamtabwägung der maßgeblichen Kriterien zu prüfen. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das BSG somit seine Rechtsprechung im Urteil vom 24.03.2016 durch das Urteil vom 19.10.2021 nicht aufgegeben, sondern vielmehr für den speziellen Bereich der ambulanten Pflegeleistungen konkretisiert. Eine vollumfängliche Übertragbarkeit auf den Bereich der physiotherapeutischen Leistungen ohne konkrete Prüfung im Einzelfall folgt daher hieraus nicht (vgl. hierzu auch Kunz/Henssler/Nebeling/Beck, Praxis des Arbeitsrechts, § 16 Vertragstypen Rdnr. 1270 sowie 1272).

Als maßgebliches, eigenständig neben eine Weisungsgebundenheit der Tätigkeit tretendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R - juris, Rdnr. 28).

Die Beigeladene war vorliegend nur in einem Teilbereich ihrer Tätigkeit, nämlich nur hinsichtlich der Abrechnung der Behandlungen für gesetzlich versicherte Patienten, in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 20.05.2022 – L 4 BA 3707/20 sowie vom 16.07.2021 – L 4 BA 75/20 –, beide juris). Insoweit erfolgte die Abrechnung der von ihr durchgeführten Behandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen durch die Klägerin über deren Abrechnungssystem im Rahmen ihrer Zulassung als Leistungserbringer nach § 124 SGB V. Eine eigene Abrechnung wäre der Beigeladenen mangels eigener Zulassung nicht möglich gewesen. Die Beigeladene zog die gesetzlichen Zuzahlungen ein und leitete sie an den Kläger weiter. Die Privatpatienten rechnete die Beigeladene dagegen eigenständig ab. Die Klägerin erhielt nach § 4 des Nutzungsvertrages 35 % des Umsatzes, den die Beigeladene mit Kassenpatienten durch Behandlung in der Praxis, und 25 % des Umsatzes, den die Beigeladene mit Kassenpatienten bei Hausbesuchen erzielte. Durch den Umsatzanteil wurden nach den Angaben der Klägerin sowie der Beigeladenen in ihrer Stellungnahme vom 16.02.2019 die Abrechnungskosten sowie die laufenden Kosten neben der Miete der Beigeladenen abgegolten. Die Eingliederung der Beigeladenen in die Betriebsstruktur der Klägerin war somit nur auf die Abrechnungsbelange bei Kassenpatienten beschränkt. Jedoch trat die Beigeladene auch hierbei als selbstständig und nicht als Mitarbeiterin der Klägerin auf, da sie den Eigenanteil der Kassenpatienten selbst einzog und dann eine Rechnung an die Klägerin stellte. Die auf die Abrechnung beschränkte Eingliederung bezüglich eines Teils der Patienten reicht vorliegend nicht für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung aus, da sie wesentlich durch das Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 124, 125 SGB V bedingt ist und dies nach der Rechtsprechung des BSG für sich allein noch keine abhängige Beschäftigung indiziert (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R –, juris Rdnr. 25 ff.).

Die Beigeladene trat mit Ausnahme der Abrechnung auch den gesetzlich versicherten Patienten gegenüber als Selbstständige auf. Sie führte ein eigenes Terminbuch und verfügte über eigene Visitenkarten und trug keine Arbeitskleidung, welche sie als Mitarbeiterin der Klägerin erkennen ließ. Die Terminvereinbarung nahm sie mit allen Patienten eigenständig vor. Die Behandlungsangebote und der Erstkontakt an die Beigeladene erfolgten nicht über die Klägerin, sondern durch Akquise bei bekannten Ärzten, aus dem Bekanntenkreis oder ihrer Tätigkeit als
Feldenkraislehrerin (zur Bedeutung dieser Punkte vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R – juris, Rn. 20). Soweit sie Arbeitsmaterialien und die weitere Infrastruktur der Klägerin nutzte, erfolgte dies nicht aufgrund einer arbeitnehmertypischen Eingliederung in deren Betrieb, sondern aufgrund ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung und darüber hinaus, wie festgestellt, nicht unentgeltlich. Die Beigeladene konnte ihre Tätigkeit zeitlich frei gestalten, ohne dass sie in eine von der Klägerin vorgegebene Betriebsstruktur eingebunden war. Auch erfolgte keine gegenseitige Vertretung der Klägerin und der Beigeladenen im Krankheits- oder Urlaubsfall. Der Senat kann somit keine Eingliederung der Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin feststellen.

Die Beigeladene trägt bei ihrer Tätigkeit auch ein Unternehmerrisiko als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (BSG, Urteil vom 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R – juris, Rdnr. 13, 31; BSG, Beschluss vom 16.10.2010 – B 12 KR 100/09 B – juris, Rdnr. 10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2022 – L 4 BA 3707/20 –, juris Rdnr. 75). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R – juris). Die Beigeladene verfügt vorliegend über keine eigene Betriebsstätte und setzt auch keine kostenintensiveren Arbeitsmaterialien ein. Auch ihre Arbeitskraft setzte die Beigeladene nur teilweise mit der Gefahr eines Verlusts ein. Für tatsächlich erbrachte Behandlungen bei Kassenpatienten stand ihr der Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse zu. Nur bei Privatpatienten und Selbstzahlern trug sie die Gefahr eines Zahlungsausfalles beim Patienten. Allerdings trug sie monatliche Fixkosten in Höhe der Raummiete von 100 Euro, welche unabhängig von der geleisteten Therapie zu zahlen waren. Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei der Tätigkeit einer Physiotherapeutin um eine manuelle Tätigkeit handelt, welche wesentlich durch die Arbeit am Körper geprägt ist. Der Einsatz von Arbeitsmaterialien (Flossingbänder, Faszienrollen, Kinesiotape etc.) ist abhängig vom Therapieansatz und erfolgt in jedem Fall nur zusätzlich. Allerdings erhielt die Beigeladene kein festes Entgelt, mit dem auch Zeiten vergütet werden, in denen sie ihre Arbeitskraft vergeblich vorhält. Diesem Nachteil standen jedoch unternehmerische Freiheiten und Chancen gegenüber. So war sie in der Lage, ihre Behandlungstätigkeit in der Praxis auszudehnen, um ihre Verdienstmöglichkeiten zu steigern, sowie andere Tätigkeiten, wie die Feldenkraislehrtätigkeit, fortzuführen und eventuell auszubauen. Es war weder eine Patientenzahl garantiert noch waren die Therapieleistungen im Verhältnis zur Klägerin in zeitlicher Hinsicht noch hinsichtlich der Behandlungs- oder Patientenzahl begrenzt. Ein Behandlungsraum stand immer zur Verfügung und die Klägerin war jederzeit berechtigt, selbst akquirierte Patienten in der Praxis zu behandeln. Sie hat auch nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2023 die Patientenanzahl erhöht und daher die sich ihr bietenden Chancen genutzt. Vorliegend besteht daher ein Unternehmerrisiko, auch wenn dieses nicht erheblich ausgeprägt ist. Ein nur geringes Unternehmerrisiko im Sinne eines Verlustrisikos ist zwar nicht von richtungsweisender Bedeutung, wenn die fragliche Tätigkeit kapitalintensive Betriebsmittel nicht erfordert, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 R 3/12 R – juris, Rdnr. 25; Senatsurteil vom 17.11.2023 – L 8 BA 1926/22 –, juris Rdnr. 125). Allerdings handelt es sich bei der Tätigkeit eines
Physiotherapeuten nicht um eine solche Tätigkeit, da deren Ausübung im Allgemeinen die Unterhaltung von Räumlichkeiten sowie eine umfangreiche sächliche Ausstattung erfordert, um eine adäquate Behandlung der Patienten zu gewährleisten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.07.2021 – L 4 BA 75/20 – juris, Rdnr. 84). Das fehlende Unternehmerrisiko ist jedoch dann kein gewichtiger, gegen die Selbstständigkeit sprechender Anhaltspunkt, wenn in der Gesamtschau die weitgehende Weisungsfreiheit sowie die nicht in einem relevanten Maß, das heißt in einer die Tätigkeit prägenden Weise vorhandene Eingliederung in die Arbeitsorganisation, sondern die unternehmertypische Selbstorganisation der Leistungserbringung prägend und bestimmend für das Gesamtbild der Tätigkeit sind (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 22.05.2023 – L 9 BA 22/18 –, juris Rdnr. 89). Dies ist vorliegend der Fall, da die Beigeladene ihre Tätigkeit bis auf die Abrechnung und die Nutzung des Raumes vollständig unabhängig von der Tätigkeit der Klägerin durchführt.

In der Gesamtabwägung überwiegen daher die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Aspekte deutlich. Maßgeblich ist insbesondere die eigenständige Akquise und Therapiedurchführung und die lediglich auf den Teilbereich der Abrechnung von gesetzlich versicherten Patienten beschränkte Eingliederung in die Betriebsorganisation der Klägerin, ohne dass damit auch eine Überwachung, Kontrolle und zeitliche Planung der Behandlungen mit einhergegangen wäre. Da die Beigeladene aber auch Privatpatienten in der Praxis behandelte, ist weder eine Aufspaltung der zu beurteilenden Tätigkeit möglich, noch prägte die Eingliederung in einem Teilbereich die Gesamttätigkeit in einem solchen Maße, dass sie die Bedeutung der Freiheiten in der Ausübung verdrängen könnte. Letztlich zeigt sich im Gesamtbild eine weisungsfreie Ausübung mit freier Akquise von Patienten, in der die Beigeladene vorrangig nicht dem Betriebszweck der Klägerin diente, sondern sich über eine entgeltliche Verschaffung eines Behandlungsraumes die Abrechnungsmöglichkeiten der Klägerin zunutze machte, ohne hierdurch maßgeblich in ihrer Tätigkeit beschränkt zu werden (vgl. so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2022 – L 4 BA 3707/20 –, juris Rdnr. 77). Das Gesamtbild der Tätigkeit erlaubte es der Beigeladenen, die Anzahl der Therapien sowie die zeitliche und örtliche Durchführung selbstständig festzulegen und somit mit ihrer weiteren Tätigkeit als Feldenkreislehrerin in Einklang zu bringen. Das tatsächliche Bild der Tätigkeit entspricht somit dem in der Präambel des Nutzungsvertrages geäußerten Willen einer inhaltlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit. Da dieser Willen den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch die genannten Aspekte gestützt wird, konnte er mit indizieller Bedeutung in die Gesamtabwägung einfließen (BSG, Urteil vom 14.03.2018 – B 12 R 3/17 R – juris, Rdnr. 13 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt (§ 154 Abs. 3 VwGO); es entspricht daher der Billigkeit, ihre Kosten nicht der Beklagten aufzulegen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Der Rechtssache kommt daher keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) endgültig auf 5.000 € festgesetzt. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von 5.000,00 €, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.


 

Rechtskraft
Aus
Saved