L 6 U 736/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1109/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 736/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung weiterer Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines von der Beklagten anerkannten Unfallereignisses vom 18. September 2017, bei dem sie ihr Büro wegen der Rauchentwicklung aufgrund eines Brandes im Kamin einer angrenzenden Kaffeerösterei verlassen musste.

Sie ist 1963 geboren und hat drei Geschwister. Nach dem Realschulabschluss hat sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen und in diesem Beruf bis 2002 bei der Sparkasse K1 gearbeitet. Von 2002 bis 2004 war sie im Sekretariat einer Privatschule in der Schweiz tätig und ab 2005 als Immobilienberaterin/Immobilienmaklerin bei verschiedenen Firmen in K1, zuletzt bei der H1 Immobilien. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Derzeit bezieht sie befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Sie ist kinderlos und bewohnt alleine eine 2-Zimmer-Wohnung zur Miete (vgl. Anamnese S1).

Am 19. September 2017 stellte sich die Klägerin bei dem Durchgangsarzt S2 vor und gab an, dass es am Vortag bei der Arbeit einen Brand im Gebäude gegeben habe. Sie habe sich selbst aus dem Gebäude gerettet, nachdem sie von den Kollegen „vergessen“ und auch von der Feuerwehr nicht gerettet worden sei. Die Rauchmelder hätten offensichtlich nicht angeschlagen. Es habe wohl eine Rauchgasexposition von circa einer Minute bestanden, als sie vom Büro über den Hinterhof geflohen sei. Die Überweisung sei vom Lungenfacharzt zur Erstellung des Durchgangsarztberichtes erfolgt.

Die Nackenmuskulatur sei merklich verspannt, die Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) deutlich eingeschränkt. Von Seiten der Lunge sei bei vorbestehendem Asthma keine komplett freie Atmung möglich gewesen.

Aus dem Aktenvermerk vom 25. September 2017 ergab sich, dass die Klägerin zum Unfallereignis telefonisch schilderte, dass sich ihr Büro im 1. Obergeschoss der H2 Bank befinde. Sie habe zum Unfallzeitpunkt mit einer Kundin telefoniert, als sie auf dem Flur vor dem Büro plötzlich ein Funkgerät gehört habe. Als sie nach einiger Zeit die Türe geöffnet habe, sei der Flur voller Rauch gewesen sei. Sie habe nur noch durch das interne Treppenhaus durch die Schalterhalle der Bank ins Freie gelangen können, wo bereits die Kollegen von der Bank gestanden hätten. Diese hätten zugeben müssen, dass man sie – die Klägerin – vergessen habe. Auch die Feuerwehr sei der Meinung gewesen, dass niemand mehr im Gebäude gewesen sei. Weshalb die vielen Brandmelder nicht ausgelöst hätten, könne sich die Klägerin nicht erklären.

Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde K2 führte im Befundbericht vom 18. September 2017 aus, dass eine Vorstellung beim Durchgangsarzt noch veranlasst werde. Die Klägerin gebe an, dass es nach einer Rauchgasexposition von etwa einer Minute zu einer Enge in der Brust und einer leichten Atemnot gekommen sei. Im Verlauf des Nachmittags habe die Atemnot zugenommen, mit mehr Schleimbildung ohne Hustenverstärkung. Kurz vor dem Brand sei Spiriva eingenommen worden.

Bei guten Allgemein- und Ernährungszustand hätten normal stehende Lungengrenzen sowie ein gut atemverschieblicher sonarer Klopfschall bestanden. Das Atemgeräusch sei vesiculär ohne Nebengeräusche, das Herz auskultatorisch unauffällig gewesen. In der Bodyplethysmographie bestünden normale statische und dynamische Parameter im Sinne einer normalen Lungenfunktion. Das Röntgen des Thorax zeige einen altersentsprechenden Normalbefund.

A1 berichtete über eine notfallmäßige Vorstellung der Klägerin am 18. September 2017. In der H2 Bank in K1 sei ein Brand ausgebrochen, bei dem sie im Büro von der Feuerwehr vergessen worden sei. Sie sei nach circa 10 Minuten allein rausgekommen und habe unter Schock gestanden. Es bestehe ein Asthma bronchiale und eine Dyspnoe. Eine ärztliche Versorgung habe nicht stattgefunden.

Psychopathologisch sei die Klägerin wach, allseits orientiert und ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen gewesen. Es seien Angstzustände und Panikattacken beschrieben worden, sie sei mit der Schocksituation überfordert.

Im Zwischenbericht des S2 (Nachuntersuchung vom 11. Oktober 2017) wurde dargelegt, dass es der Klägerin langsam wieder bessergehe, sie wolle ab nächster Woche wieder arbeiten. Es hätten Schmerzen im vorderen Thoraxbereich bestanden, eine vermehre Schleimsekretion sei angegeben worden. Asthma-Spray werde in erhöhter Dosierung angewandt.

Die H3 gab auf Nachfrage der Beklagten an, dass sich die Klägerin am 19. September 2017 in der Praxis vorgestellt und angegeben habe, dass es an ihrem Arbeitsplatz am Vortag gebrannt habe. Sie habe von dem Ereignis zunächst nichts mitbekommen und sei sowohl von den Mitarbeitern als auch von der Feuerwehr vergessen worden. Sie habe schließlich selbstständig das Gebäude verlassen können. Durch den Rauch im Gebäude habe sich ihr Asthma bronchiale verschlechtert, sie habe vermehrt Luftnot gehabt und sich in lungenfachärztliche Behandlung begeben müssen.

Die Klägerin sei sehr aufgeregt gewesen, habe und unter Angst wie Panik gelitten und ein Beruhigungsmedikament benötigt. Sie habe von Erbrechen und Durchfall sowie über Schlafstörungen berichtet. Die erstbehandelnde Ärztin arbeite nicht mehr in der Praxis, laut deren Aufzeichnungen sei die Klägerin wie unter Schock, sehr angespannt und aufgeregt, insbesondere sehr betroffen davon gewesen, vergessen worden zu sein. Es bestehe eine akute Belastungsreaktion, als Vorerkrankungen seien Angst und depressive Störung gemischt bekannt.

Die Klägerin habe sich in den sieben durchgeführten Gesprächen etwas stabilisieren können. Sie sei jedoch immer wieder leicht zu verunsichern, unter anderem wegen des weiter bestehenden Rauchgeruchs in der Bank sowie durch Anhörungen. Es bestünden ein Händetremor und eine deutliche innere Anspannung.

Die Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft K1 bei. Aus diesen ergab sich der Vermerk des Polizeihauptkommissars (PHK) D1 über die Ortsbesichtigung vom 26. Oktober 2017. Die Klägerin habe ihm das Büro gezeigt und angegeben, während eines Telefonats Funkgespräche wahrgenommen zu haben. Sie habe das Telefongespräch beendet, das Büro verlassen und die Treppe im Gang wenige Meter nach der Bürotür nach unten genommen. Anschließend sei sie durch den Notausgang in die Feuergasse hinter dem Anwesen gegangen. Die Klägerin sei bei der Sachverhaltsschilderung mehrfach in Tränen ausgebrochen, da sie sich bei dem Brand in ernsthafter Todesgefahr gesehen habe, objektiv habe zu keiner Zeit eine ernsthafte Gefahr bestanden.

In der Geschädigtenvernehmung vom 10. November 2017 gab die Klägerin an, dass sie an dem Tag während eines Telefonats mit einer Kundin gehört habe, dass sich jemand über ein Funkgerät unterhalten habe. Sie habe sich nicht mehr auf das Telefongespräch konzentrieren können, dieses beendet und sei raus auf den Flur, um nachzusehen.

Die linke Seite des Gangs sei voller Rauch gewesen. Sie sei schnell wieder zurück ins Büro, habe einfach den Hörer aufgelegt, ihre Sachen genommen, aber einige Sachen vergessen. Sie sei dann kurz links herum, wo der Rauch gewesen sei, da sie gedacht habe, ihre Kollegen müssten da sein. Sie habe zum Ausgang gewollt, sei aber nicht mehr rausgekommen, weil alles voller Rauch gewesen sei. Sie habe nichts mehr gesehen und auch keine Luft mehr bekommen. Durch den internen Treppenabgang sei sie zum Hinterausgang raus. Dann habe sie erstmal ihr Asthma-Spray genommen. Auf der Vorderseite des Gebäudes hätten bereits zwei große Feuerwehrfahrzeuge gestanden. Die Kollegen hätten ihr draußen gesagt, dass sie sie vergessen hätten, weil sie selber so in Panik gewesen seien.

Sie habe die Kollegen gefragt, wie sie den Brand bemerkt hätten. Diese hätten ihr berichtet, dass der Metzger von gegenüber sie informiert habe, dass Rauch aus dem Dach komme. Die Kollegen hätten gefragt, ob sie einen Arzt rufen sollten, aber sie – die Klägerin – habe nur noch weggewollt. Von der Feuerwehr habe sich keiner für sie interessiert. Sie sei dann selber zum Lungenfacharzt gefahren, der ihr Medikamente gegeben habe. Am nächsten Tag sei sie beim Unfallarzt und bei der Therapeutin gewesen, weil sie gemerkt habe, dass sie nicht mehr aufhören könne zu heulen. Sie sei Immobilienmaklerin bei der Firma H1 und dort festangestellt.

Die Feuerwehr sei nicht mit einem Megaphon durchs Haus gelaufen, es sei keine Aufforderung erfolgt, dass man das Gebäude verlassen solle. Die Rückseite des Gebäudes sei nicht gesichert, in der Feuergasse sei niemand gewesen. Wenn sie auf der Toilette gewesen wäre, hätte sie nicht mehr rauskommen können.

Ihr sei draußen noch eingefallen, dass sie vergessen habe, den Heizlüfter auszuschalten. Sie habe deshalb abends extra noch bei der Feuerwehr angerufen.

Auf Nachfrage gab die Klägerin an, nicht mehr genau sagen zu können, mit welcher Kundin sie telefoniert habe. Sie habe die Kundin zwei Tage später nochmal angerufen und sich entschuldigt, dass sie einfach aufgelegt habe.

Sie habe nicht von dem Funkgerät-Gespräch darauf geschlossen, dass es brenne. Dass habe sie nicht gewusst, sie habe nur ein ungutes Gefühl gehabt. Es sei schon öfter vorgekommen, dass die Kollegen Kunden alleine über die Gänge hätten laufen lassen.

Einen Strafantrag gegen die Kollegen aus der Bank wolle sie auf keinen Fall stellen. Die hätten so unter Schock gestanden, hätten selber ihre Schlüssel und Mäntel vergessen.

M1 gab in seiner Beschuldigten-Vernehmung an, dass er seit einigen Monaten im Nebenjob bei der Kaffeerösterei arbeite. Er habe gegen 12.30 Uhr eine Charge Kaffeebohnen geröstet. Er habe die Abgasklappe aus der korrekten Mittelstellung in die Absperrstellung gebracht und beim Zurückstellung offensichtlich das Rad über die „Normalstellung“ hinaus gedreht. Dass sich die Heizluftklappe ganz geöffnet habe, sei ihm erst aufgefallen, als es bei den Rohren von der Maschine zum Schornstein eine Rauchentwicklung gegeben habe. Das Gas sei abgestellt und die Flammen aus den Rohren mit einem Feuerlöscher gelöscht worden. Anschließend sei die Feuerwehr gekommen. Er vermute, dass es einen Kaminbrand gegeben habe.

Der Einsatzleiter der Feuerwehr, W1, gab an, dass er nach der Mitteilung, dass alle Mitarbeiter draußen seien, die Begehung der Bank selbst durchgeführt habe. Für die Inaugenscheinnahme der Bankräume habe er zu diesem Zeitpunkt keinen Atemschutz benötigt.

Die Erstbewertung des Sachverständigen R1 zum Brandschaden legte dar, dass es nach einer Fehlbedienung der Kaffeeröstmaschine zu einem Brand in einem Verbindungsstück und einem gemauerten Schornstein gekommen sei. Der Brand habe auf die aus Holzweichfaserplatten bestehende Gebäudefuge übergegriffen und sich ausgebreitet.
Durch die oberhalb des Verbindungsstücks eingeführte Abluft des Kühlsiebs habe ein unerheblicher Eintrag von Brandlast in Form von Rückständen aus dem Röstprozess stattgefunden. Dieser habe sich unter anderem auf dem darunter verlaufenden Verbindungsstück und an der gemauerten Schornsteinwand abgelagert. Durch die Fehlbedienung der Röstmaschine sei es zum Brand außerhalb des Edelstahlschornsteins gekommen. Durch den vom Schornstein aus gesehenen, nach der Gebäudetrennfuge verschlossenen, ehemaligen Anschluss der alten Röstmaschine habe der Brandübertrag zu der aus brennbaren Holzweichfaserplatten bestehenden Gebäudetrennfuge stattgefunden. Das alte, einwandige Verbindungsstück hätte im Bereich der brennbaren Gebäudetrennfuge in einem Abstand von mindestens 20 cm mit einem Schutzrohr aus nichtbrennbaren Baustoffen versehen werden müssen. Hierdurch wäre der Brandübertrag auf das brennbare Material der Gebäudetrennfuge vermieden worden.

Ausweislich des Telefonvermerks vom 5. Februar 2019 teilte die Kläger mit, dass sie seit November 2018 wieder arbeitsunfähig sei. Als in der Nähe das Krankenhaus gebrannt habe und die Hubschrauber über das Haus geflogen seien, habe sie ein Schockerlebnis wie bei ihrem Arbeitsunfall gehabt. Die H4 habe ihr eine stationäre Behandlung empfohlen, diese wolle sie nun in Anspruch nehmen.

H4 gab im Verlaufsbericht Psychotherapeutenverfahren vom 15. Februar 2019 als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung an. Unfallunabhängig bestehe ein Asthma bronchiale.

Die Beklagte holte das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse (B1) ein.

Im Entlassungsbericht der P1 Klinik S3 über die stationäre Behandlung vom 17. April bis 29. Mai 2019 wurden als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, ein Asthma bronchiale und eine sonstige nicht näher bezeichnete Hypothyreose angegeben.

Die Klägerin habe angegeben, im September 2017 an ihrem Arbeitsplatz in ein Brandgeschehen verwickelt gewesen zu sein. In der Bankfiliale sei durch ein unterliegendes Geschäft ein Schwelbrand ausgelöst worden, sie sei durch ein Kundentelefonat abgelenkt gewesen. Sie habe es zwar geschafft, rechtzeitig die Büroräume zu verlassen, habe aber auf der Straße feststellen müssen, von ihren Kollegen vergessen worden zu sein. Sie sei für längere Zeit arbeitsunfähig gewesen, habe sich schrittweise wieder an die Arbeit annähern wollen.

Sie registriere jedoch Spätfolgen, könne nachts nicht schlafen und habe eine „Mordswut“ auf die Kollegen und die Feuerwehr. Außerdem bemerke sie Ängste, die eigene Wohnung könne brennen. Trotz Inanspruchnahme einer ambulanten Psychotherapie bestehe die Symptomatik fort.
Psychopathologisch sei die Klägerin bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten sicher orientiert. Im Gesprächsverhalten sei sie bemüht, offen und den Blickkontakt haltend. Gedächtnis und Konzentration würden subjektiv als beeinträchtigt erlebt. Im formalen Denken sei sie geordnet, es fänden sich keine Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen. Affektiv wirke die Klägerin äußerlich auf eine intakte Fassade bedacht, darunter verzweifelt, ängstlich und niedergeschlagen. Im Antrieb sei sie nach eigenem Bekunden deutlich vermindert. Psychomotorisch wirke sie vordergründig ruhig, dahinter aber angespannt und erregt. In der Persönlichkeitsstruktur seien dezent histrionische Anteile wahrnehmbar.

Die Klägerin habe sich rasch in die therapeutische Gemeinschaft integriert, habe soziale Kontakte knüpfen und Erfahrungen mit Annahme und Ablehnung durch die Mitpatienten machen können. Dabei habe sie die psychodynamischen Zusammenhänge zwischen den belastenden Lebensereignissen, ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihren Symptomen erarbeiten können. Sie sei der Behandlung gegenüber sehr offen gewesen. Es sei ihr gelungen, das therapeutische Angebot in seiner Sinnhaftigkeit für ihre Person zu erschließen und partielle Fortschritte hinsichtlich ihrer Entspannungsfähigkeit zu erreichen. Gleichwohl bestehe die Notwendigkeit, die posttraumatische Symptomatik zum geeigneten Zeitpunkt einer gesonderten Traumabehandlung zuzuführen. Die bestehende ambulante Psychotherapie sei aber zum Transfer des bislang Erreichten in den Alltag und zur Wahrung der Stabilität unter Stressbedingungen sicherlich sinnvoll. Die Entlassung sei in psychisch stabilem Zustand nach Hause erfolgt.

M2 erstattete aufgrund ambulanter Behandlung vom 2. Juli 2019 einen Erstbericht Psychotherapeutenverfahren. Die Klägerin habe angegeben, zur Mittagszeit im Büro beim Kopieren gewesen zu sein und einen Feuerwehreinsatz gehört zu haben. Sie habe nach den Kollegen gerufen, aber niemanden mehr angetroffen. Als sie den Rauch gesehen habe, habe sie die Flucht über die Feuertür ergriffen und sei in den Hof gerannt. Es sei zu Ereignissen wie den Brand im Klinikum K1 gekommen, die sie getriggert hätten.

Die Klägerin beschreibe Schlaflosigkeit, Angst- und Panikzustände, wenn sie ein Martinshorn höre. Sie könne sich nicht konzentrieren, ziehe sich sozial sehr zurück. Sie könne die Bank nicht mehr betreten, habe ein Magen- und Darmproblem im Zusammenhang mit der psychischen Anspannung. Frühere Beschwerden auf psychischem Fachgebiet seien nicht bekannt.

Sie zeige sich freundlich zugewandt und aufgeschlossen, sei allseits orientiert und die Stimmung gedrückt. Der Antrieb sei vermindert, es komme zu Symptomen des Wiedererlebens in Form von Gedankenkreisen um den Vorfall. Es bestehe der Verdacht auf eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt. Damit liege eine Indikation für weitere probatorische Sitzungen zur Diagnose und Anamneseerhebung vor.

Im Verlaufsbericht aufgrund ambulanter Untersuchung vom 5. August 2019 gab S2 an, dass sich die Klägerin wegen einer akuten posttraumatischen Belastungsstörung nach Hausbrand 2017 vorgestellt habe. Sie sei seitdem durchgehend in psychiatrischer Behandlung gewesen, habe zwischenzeitlich wieder gearbeitet. Zu einer erneuten Auslösung sei es durch einen Brand in K1 gekommen, die Beschwerden seien aber nie vollständig weg gewesen. Als Diagnosen wurden eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, ein Verspannungssyndrom der Schulter-Nackenmuskulatur, eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und eine akute Rauchgas-Inhalation bei Hausbrand benannt.

Im Befundbericht des K2 vom 15. Juni 2018 wurden weiterhin bestehende Beschwerden von der Lunge her mit unspezifischer Hyperreagibilität beschrieben. Die HNO-Diagnostik sei regelrecht gewesen.

Im weiteren Befundbericht vom 21. Januar 2019 wurde angegeben, dass nach der letzten Vorstellung am 11. Juni 2018 weiter Psychotherapie durchgeführt worden sei. Die Klägerin sei stark belastet durch den Brand am Arbeitsplatz. In der Bodyplethysmographie zeigten sich weiter normale statische und dynamische Parameter im Sinne einer regelrechten Lungenfunktion.

M2 legte im Folgebericht mit Weiterbehandlungsantrag vom 12. August 2019 dar, dass die Klägerin freundlich zugewandt und aufgeschlossen sowie allseits orientiert sei. Die Stimmung zeige sich gedrückt, der Antrieb vermindert. Es bestünden Symptome des Wiedererlebens in Form von Gedankenkreisen und Grübeln darüber, warum sie beim Brand vergessen worden sei, sowie eine vegetative Übererregtheit. Anhand der durchgeführten Testverfahren sei die Diagnose einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt zu stellen, die Testergebnisse zusammen mit den beschriebenen Beschwerden ergäben einen Behandlungsbedarf.

Es sollten 25 Sitzungen im wöchentlichen Rhythmus durchgeführt werden, um den Aufbau und die Konsolidierung des Selbstwertgefühls sowie des Selbstbewusstseins zu erreichen. Weiterhin gehe es um die Behandlung der Trauma-Symptome des Wiedererlebens und der Vermeidung, ebenso um die Bewältigung der depressiven Symptome und der bestehenden Ängsten vor möglichen Gefährdungen im Alltag.

M3 führte beratungsärztlich aus, dass vom zeitlichen Ablauf formal die Kriterien einer Anpassungsstörung gerade noch erfüllt seien. Nach Aktenlage liege eine rezidivierende depressive Störung mit Erstmanifestation 2002 vor. Im Rahmen der Behandlung der Depression sei eine Psychotherapie ob des Erlebens angesichts des Ereignisses 2017 vorgeschlagen worden, um die Beschwerden in den hochbelasteten biographischen Kontext einzuordnen. Nach Aktenstudium gehe es im Wesentlichen darum, dass die Klägerin vermeintlich erlebt habe, bei einem Brand „vergessen“ worden zu sein. Im Wesentlichen scheine ein Kränkungserleben mit gestörter Anpassung vorzuliegen. Hinzuweisen sei darauf, dass die stationäre Behandlung überwiegend aufgrund anderer psychischer Störungen erfolgt sei. Dieser Sachverhalt sei nach der ICD-10 am ehesten als „Z-Diagnose“ zu verschlüsseln. Angesichts der ausgeprägten Komorbidität solle der Behandlung der Auswirkung des „Unfalls“ ausreichend Zeit eingeräumt werden.

H4 teilte in einem weiteren Befundbericht als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, mit. Diese bestehe seit Jahren, daneben ein Asthma bronchiale. Es seien regelmäßige stützende Gespräche erfolgt, die nur zu einer zeitweisen Stabilisierung geführt hätten.

Nach Gutachterauswahl holte die Beklagte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des L1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 25. September 2019 ein. Diesem gegenüber hat die Klägerin zum Unfallereignis angegeben, dass sie an dem Tag etwas früher eine Mittagspause bis circa 13.45 Uhr eingelegt habe. Danach habe sie das Büro für sich alleine gehabt. Sie habe gerade mit einer Kundin telefoniert, als sie das Gefühl gehabt habe, dass jemand im Flur ein Funkgerät bediene. Sie habe ihr Zimmer verlassen, sei die Treppen hoch gegangen und habe gesehen, dass alles voller Rauch gewesen sei. Sie habe nach ihren Kollegen gerufen, aber es sei niemand mehr da gewesen. Sie sei dann ins Erdgeschoss hinunter und habe gedacht, dass sie vielleicht von dort ins Freie komme. Vor dem Gebäude hätten ein Feuerwehrauto und die anderen Kollegen gestanden. Sie habe realisiert, dass man sie einfach vergessen habe, was sie sehr verletzt habe. Circa 100 Schaulustige seien vor dem Gebäude gewesen und hätten fotografiert, die Feuerwehr habe sich nicht um sie gekümmert. Sie sei sofort mit dem Auto zu ihrem Lungenfacharzt gefahren, der aber keine Rauchvergiftung festgestellt habe.

Es sei über eine Fülle von Beschwerden unmittelbar nach dem Unfall berichtet worden. Die Klägerin gebe an, dass sie dauernd schlecht geschlafen und einen übersäuerten Magen gehabt habe. Ohne Schlafmedikamente habe sie nicht mehr schlafen können, man habe ihr nach dem Unfall Tavor gegeben. Nach dem Unfall sei sie sehr schreckhaft gewesen und habe bei Kleinigkeiten gezittert. Manchmal habe sie das Gefühl gehabt, dass jemand hinter ihr hergehe. Sie habe Ängste und Panikattacken. Wenn sie ein Martinshorn gehört habe, habe sich die Situation verschlechtert. Sie habe große Ängste verspürt, wieder in das Gebäude hinein zu gehen, habe dies letztlich später dann aber doch geschafft.

Anhaltende Schlafprobleme sowie Probleme beim Einschlafen seien berichtet worden, die Klägerin gebe an, entweder antriebslos oder nervös zu sein. Seit November 2018 würden Psychopharmaka eingenommen, seit dieser Zeit sei sie immer müde und habe eine erhöhte Kontrollneigung. Manchmal fühle sie sich sehr traurig und sei vermehrt vergesslich. Sie habe immer noch Rücken- und Nackenschmerzen. Einmal in der Woche gehe sie zur Physiotherapie. Es bestünden Atemnot und Ohnmachtsgefühle, sie habe eine „Mordswut“ auf die Feuerwehr und auf die Kollegen.

Befragt zum Tagesablauf sei eine stationäre Behandlung vom 17. April bis 29. Mai 2019 in einer Psychosomatischen Klinik beschrieben worden. Vor dieser Zeit sei es ganz schlimm gewesen, sie sei nur im Bett gewesen und habe Arzttermine nur per Taxi wahrnehmen können. Die Familie habe für sie eingekauft und die Hausarbeit erledigt. Überwiegend habe sie ferngesehen, alles andere habe sie vermehrt angestrengt. Derzeit stehe sie zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr auf, schlafe manchmal bis zu 11 Stunden. Den Haushalt schaffe sie, allerdings nur mit Pausen. Ein- bis zweimal in der Woche gehe sie zum Sport bzw. zum Fitness. Sie nehme an einem Yoga-Kurs teil. Zum Mittagessen hole sie sich etwas aus der Stadt oder mache sich eine Kleinigkeit selber. Reisen seien ihr noch zu anstrengend. Wenn Dinge auf sie zukämen, mit denen sie keine Erfahrung habe, werde sie unruhig und fange an zu heulen. Ihre früheren Hobbies könne sie nicht mehr wahrnehmen.

Bis November 2018 habe sie in Vollzeit gearbeitet, diese Vollzeittätigkeit psychisch aber nicht länger durchgehalten. Wenn sie mehr als sechs Stunden gearbeitet habe, habe sie angefangen zu zittern. Nach dem Unfall 2017 sei sie vier Wochen lang krank gewesen. Im November 2018 habe sie bei einer Meditation gehört, dass Feuerwehrautos sowie Hubschrauber vorbeigefahren bzw. vorbeigeflogen seien. Dies habe ihre Meditation unterbrochen. Sie habe gedacht, wenn die gleichen Feuerwehrleute wie bei ihr selbst im Einsatz seien, dann sterbe jemand. Sie habe mitbekommen, dass damals ein Brand in der Klinik in K1 ausgebrochen sei mit einem Toten. Dies habe sie sehr verunsichert und dadurch habe sich ihre psychische Situation sehr verschlechtert. Sie sei arbeitsunfähig geworden und habe psychotherapeutische Behandlung bekommen.

In der Untersuchungssituation sei die Klägerin bewusstseinsklar bei regelrechter Konzentration und Aufmerksamkeit gewesen, dabei orientiert und in sämtlichen Dimensionen unauffällig. Der Antrieb wirke leicht reduziert, geklagt werde über innere Unruhe. Die Sprechweise sei ausgeglichen, der Blickkontakt habe gut gehalten werden können. Bei Besprechung des Unfallereignisses sei die Klägerin den Tränen nahe gewesen und habe tief durchgeatmet. Es habe sich eine deutliche Erregung gezeigt, die Kontrolle und Steuerung sei regelrecht gewesen. Die Denkabläufe seien nicht verlangsamt oder ambivalent, die Denkinhalte auf multiple Ängste zentriert. Über spontane Flashback-Erlebnisse oder spontane Intrusionen sei nicht berichtet worden, ebenso würden keine Albträume, die motivisch mit dem Unfall zusammenhingen, berichtet. Geklagt werde über eine Fülle von körperlichen Beschwerden sowie Angstzustände und depressive Erlebnisweisen. Die mnestischen Funktionen seien regelrecht, die Gestimmtheit und die Affektivität leicht bedrückt, depressiv wie pessimistisch. Die Empfindung und die Wahrnehmung sei auf Körperbeschwerden zentriert, das Ich-Erleben unauffällig. Es sei von einer sensiblen und zur depressiven Symptomatik neigenden Gesamtpersönlichkeit auszugehen.
Diagnostisch bestehe eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte depressive Symptomatik sowie eine Angst und Depression gemischt, derzeit leichte Ausprägung. Weiter zeigten sich Teilelemente einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die kompletten Kriterien einer PTBS hätten früher nicht vorgelegen und auch derzeit nicht. Es handele sich um ein minimal ausgeprägtes Partialsyndrom.

Bereits vor dem Unfall habe zweifelsfrei eine manifeste psychische Vorerkrankung vorgelegen. Der Aktenlage sei eine rezidivierende depressive Verstimmung bzw. eine Störung mit Angst und Depression zu entnehmen. Bereits vor dem Trauma habe sie sich in regelmäßiger Psychotherapie befunden, allerdings in niedriger Frequenz. Es sei vor dem Trauma schon eine antidepressive Medikation eingenommen worden, die Erstmanifestation der depressiven Störung sei 2002 aufgetreten. Die Ausprägung sei, soweit retrospektiv feststellbar, leicht bis mittelschwer gewesen. Es habe keine klinische stumme Schadensanlage bestanden, sondern eine manifeste psychische Störung.

Das Hören eines Martinshornes oder eines Sanitätswagens gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko. Ansonsten seien nach dem Unfallereignis potentiell wirksame Einflüsse, die dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen seien, nicht erkennbar.

Das Erstereignis sei im Rahmen der Traumatisierung zwar in der Lage gewesen, eine PTBS auszulösen, jedoch habe eine solche nach dem Trauma nicht bestanden. Wesentliche Kardinalsymptome wie Intrusionen und Wiedererleben fehlten. Vorübergehend habe eine akute Belastungsstörung bestanden, die dann nach circa vier Wochen wieder abgeklungen sei, sodass die Klägerin ihre Tätigkeit wieder habe aufnehmen können. Bis zur nächsten Verschlechterung 2018 sei die Situation gut kompensiert gewesen. Die Befunde der behandelnden Psychotherapeutin über ein posttraumatisches Belastungssyndrom könnten nicht nachvollzogen werden, da die Symptomatik nur vorübergehend ausgeprägt gewesen sei. Im Vordergrund habe auch vier Wochen nach dem Trauma und danach die Grunderkrankung einer rezidivierenden depressiven Störung, Angst und Depression gemischt, bestanden. Nur Teilelemente einer PTBS seien gesichert gewesen. Eine PTBS werde im Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung 2019 dementsprechend nicht erwähnt.

Durch das Unfallereignis sei für etwa vier Wochen eine posttraumatische akute Belastungsreaktion ausgelöst worden, weiter eine phobische Situation beim Hören eines Martinshorns bzw. eines Sanitätswagens. Hierbei handele es sich um ein Teilelement einer PTBS, das derzeit im Vergleich zu den anderen Grunderkrankungen weit im Hintergrund stehe. Die rezidivierende depressive Störung sowie die Störung mit Angst und Depression gemischt seien unfallunabhängig und durch das Unfallereignis nicht verschlechtert oder mitverursacht worden.

Unfallunabhängige Faktoren spielten jetzt die Hauptrolle in der Gesamtproblematik und in der Erkrankung der Klägerin. Die rezidivierende depressive Störung mit derzeit leichter depressiver Episode sowie die Störung mit Angst und Depression gemischt sei in der Regel anlagebedingt und unfallunabhängig. Diese beiden Erkrankungen seien im Verlauf die wesentliche Ursache der Symptomatik. Die Teilelemente einer PTBS seien gering ausgeprägt, aber unfallabhängig. Eine wesentliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bzw. der allgemeinen Gesundheit werde hierdurch nicht begründet. Der Klägerin sei vier Wochen nach dem Unfall eine berufliche Tätigkeit im gleichen Arbeitsgebiet für knapp ein Jahr möglich gewesen, was die Schwere der phobischen Teilstörung relativiere. Aufgrund der Unfallfolgen bestehe nur eine geringe Behandlungsbedürftigkeit, sodass noch 10 psychotherapeutische Sitzungen empfohlen würden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei auf 10 vom Hundert (v. H.) einzuschätzen. Durch die Psychotherapie lasse sich die MdE bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall wahrscheinlich auf unter 10 v. H. absenken. Im Laufe der Zeit klängen die Teilelemente einer PTBS in der Regel ab, dies sei der am meisten beobachtete Verlauf.

Soweit die Klägerin eine Re-Traumatisierung für eine Verschlechterung der unfallbedingten Symptomatik durch das Hören eines Martinshornes geltend mache, lasse sich eine solche im Sinne einer PTBS nicht nachweisen, zumal schon eine klassische PTBS nicht erwiesen sei. Es wäre auch gutachterlich nicht nachvollziehbar, weshalb bei einer zunächst gebesserten PTBS bei einem Gelegenheitsanlass (Martinshorn, Krankenwagen) wieder eine massive Verschlechterung der PTBS aufgetreten sein solle. In der Regel zeigten PTBS eine im Zeitbereich abfallende und sich bessernde Symptomatik. Die nunmehr vorliegende phobische Reaktion sei nicht so stark, dass der Klägerin eine Tätigkeit in ihrem beruflichen Umfeld nicht zuzumuten sei. Auch während des stationären Aufenthaltes 2019 sei ein Zusammenhang zwischen der gestellten Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung und dem Brandtrauma nicht festgestellt worden. Die dort beschriebenen Symptome entsprächen nicht denen einer PTBS, sondern denen einer Depression.

Im Verlaufsbericht Psychotherapeutenverfahren vom 7. November 2019 gab M2 an, dass sich die Klägerin derzeit in einer unsicheren Lebenssituation befinde. Hierbei gehe es um die Veränderung des Selbstbildes dahingehend, dass eine Daseinsberechtigung auch ohne Arbeit bestehe und eine Lebensgestaltung ohne Arbeit insbesondere im Krankenstand wichtig sei. Sport und bestehende Interessen zeigten als tagesstrukturierende Elemente eine positive Wirkung auf den Genesungsprozess. Die Klägerin lerne, dass sie ihrer Krankheit nicht passiv ausgeliefert sei, sondern aktiv auf den Heilungsverlauf einwirken könne. Als Diagnose wurde weiter eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt genannt.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 18. September 2017 als Versicherungsfall an. Ansprüche auf Verletztengeld, Verletztenrente und weitere psychotherapeutische Behandlungen bestünden nicht. Als Unfallfolgen wurden Teilelemente einer posttraumatischen Belastungsreaktion im Sinne einer ängstlichen phobischen Reaktion auf das Geräusch des Martinshorns und Rauch als Teilsymptome einer PTBS bei fehlendem Vollbild eine PTBS mit vorübergehender Behandlungsbedürftigkeit bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung sowie die folgenlos ausgeheilte Inhalation von Rauchgas anerkannt. Keine Unfallfolge sei die rezidivierende depressive Störung sowie die Angst und Depression gemischt.

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte nach weiterer Gutachterauswahl das psychiatrische Gutachten des N1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 12. Februar 2020 ein. Diesem gegenüber gab die Klägerin an, dass sie nach dem Ereignis zunächst für vier Wochen krankgeschrieben worden sei. Es sei ihr ständig übel gewesen und sie habe oft erbrochen. Es habe sich Durchfall entwickelt und es seien häufig Panikzustände mit Herzrasen aufgetreten. Die Angst, dass möglicherweise alle ihre Unterlagen am Arbeitsplatz vernichtet worden seien, habe sie verfolgt. Das Bankgebäude habe sie nicht mehr betreten können. Auf Gerüche, die entfernt an den Brandgeruch erinnerten, habe sie immer wieder panisch reagiert. Das Autofahren habe sie seit dem Brandereignis weitgehend aufgegeben. Sie fahre nur noch im Stadtgebiet K1, allerdings habe sie einmalig eine weitere Strecke zurückgelegt, nach S3 in die Klinik. Nach vier Wochen habe sie wieder versucht zu arbeiten. Dies sei sehr mühsam gewesen, mehr als fünf bis sechs Stunden habe sie nicht durchgehalten. Sie habe bei der Arbeit viel geweint. Wenn sie draußen das Martinshorn der Feuerwehr gehört habe, sei sie hinausgegangen und der Feuerwehr hinterhergelaufen.

Eine wesentliche Besserung sei bis heute nicht eingetreten. Zur aktuellen Beschwerdesituation habe die Klägerin einen (aktenkundigen) ausführlichen Bericht überreicht und betont, für dessen Erstellung drei Wochen benötigt zu haben.

Vom Unfallzeitpunkt bis heute sei ihr alles zu viel und zu laut. Sie sei dünnhäutig und müsse ständig weinen, sei nicht mehr belastbar. Menschen machten sie seit dem Unfall nervös und sie fühle sich in Gesellschaft von Menschen nicht mehr wohl. Sie habe mindestens einmal wöchentlich Panikattacken, in solchen Momenten wisse sie nicht, wie sie wieder aus dieser Situation herauskommen solle. Seit dem Unfall leide sie an Übelkeit und vermehrten Magen-Darm-Problemen. Vor allem in Stresssituationen komme ein Ohrenrauschen hinzu. Es bestünden massive Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit, sie wisse oft nicht mehr, wo sie ihr Auto geparkt habe oder was sie habe einkaufen wollen. Wenn sie mit dem Auto unterwegs sei, verfahre sie sich immer wieder.

Sie leide unter anhaltenden Rücken- und Gelenkschmerzen, bei Verschlechterung des Asthmas auch unter zusätzlichen Schmerzen im Brust- und Rückenbereich. Sie sei entweder antriebslos, erschöpft und traurig oder nervös und nicht mehr zur Ruhe kommend. Seit dem Unfall habe sie mit finanziellen Problemen und mit einem sozialen Abstieg zu kämpfen. Sie reagiere extrem auf jede Erinnerung an das Brandgeschehen, leide unter diversen körperlichen und psychischen Symptomen bei jeder Art des Kontakts mit der Feuerwehr oder mit Bränden. Wenn die Situation ganz schlimm für sie sei, habe sie ihren Darm nicht mehr unter Kontrolle und kote ein. Dies sei in den ersten vier Wochen nach dem Brandereignis ständig geschehen. Ohne Schlaftabletten könne sie nicht mehr schlafen. Das langjährig bestehende Asthma habe sich seit dem Unfall verschlechtert. Jede Art von Stress führe dazu, dass sie nach Luft ringe. Ihre Lunge sei ständig verschleimt. Allein das Verfassen des Berichtes und das damit verbundene Erinnern an die Brandsituation habe zur einer Verschlechterung des Asthmas geführt.

Zum Tagesablauf habe die Klägerin angegeben, derzeit nur vier bis fünf Stunden auf den Beinen zu sein. Danach verließen sie ihre Kräfte und sie müsse sich für den Rest des Tages hinlegen. Ihre Kraft reiche gerade für ihre Selbstversorgung sowie für die Wahrnehmung von Arzt- und Therapeutenterminen. An durchschnittlich zwei Tagen schaffe sie es überhaupt nicht aufzustehen. Sie verbarrikadiere sich dann zu Hause, verspüre eine totale Traurigkeit.

Ihre Freunde hätten sich weitgehend von ihr verabschiedet, zum Teil mit der Begründung, dass keine verlässlichen Vereinbarungen mehr möglich seien. Sie habe wenige enge Freunde, auch engen Kontakt zur Schwester und zum Bruder. Früher sei sie unternehmungslustig und vielseitig interessiert gewesen. Jetzt verlasse sie die Wohnung nur noch zu Arztterminen und zu Einkäufen. Nachmittags liege sie nur noch vor dem Fernseher, Lesen sei ihr zu anstrengend. Am Abend esse sie gegen 19 Uhr eine Kleinigkeit, wenn sie Durchfall habe, esse sie manchmal fast zwei Wochen lang fast gar nichts.

Zu Vorerkrankungen habe sie angegeben, 2004 einen Burnout erlitten zu haben. Sie habe damals in der Schweiz eine führende Position als Sekretariatsleiterin in der Zentrale einer großen Privatschule mit vielen Filialen innegehabt. Dabei habe sie mit zwei Frauen zusammenarbeiten müssen, die ihr das Leben schwergemacht hätten. Sie sei dann in einer auf Mobbing spezialisierten Klinik im Saarland behandelt worden, danach sei es ihr wieder gut gegangen. 2016 sei sie nach einer schweren Bronchitis stationär behandelt worden. Sie sei monatelang krank gewesen, in der Klinik habe man sie auf die psychosomatischen Aspekte des Asthma bronchiale aufmerksam gemacht, worauf sie sich in psychotherapeutische Behandlung begeben habe.

Bei der Untersuchung habe sich ein guter Allgemein- und Ernährungszustand gezeigt, das Gewicht betrage 60 kg bei 1,68 Meter Körpergröße. Herz und Lunge seien auskultatorisch ohne Befund. Psychisch habe ein gepflegtes Erscheinungsbild bestanden. Im Kontakt sei die Klägerin freundlich, zugewandt und ängstlich-verunsichert wirkend, dabei zu allen Qualitäten orientiert und bewusstseinsklar. Anamnestisch würden Einschränkungen des kognitiven Leistungsvermögens beschrieben. Bei der Anamneseerhebung sei auffällig gewesen, dass die Klägerin oft vom Thema abschweife, gestellte Fragen nicht beantworte und diese gleich wieder vergessen habe. Der Antrieb sei reduziert, ein allgemeiner Interessenverlust, eine vermehrte Erschöpfbarkeit und eine vegetative Übererregbarkeit mit Schlafstörungen würden beschrieben. Während der Untersuchung sei mehrfach ein Martinshorn von draußen zu hören gewesen, was dazu geführt habe, dass die Kläger panisch reagiert habe und ans Fenster geeilt sei.

Zu diagnostizieren seien eine schwere Anpassungsstörung, eine somatoforme autonome Funktionsstörung des Verdauungstraktes, eine generalisierte Angst- sowie eine Panikstörung.

Wesentliche Folge des Unfallereignisses sei eine Anpassungsstörung, also eine psychoreaktive Störung mit einer ausgeprägten depressiven Symptomatik, sowie eine Angstsymptomatik. Aus der Depression heraus erklärten sich die Leistungseinbußen seit dem Unfallzeitpunkt, welche schlussendlich dazu geführt hätten, dass die Klägerin ihre Berufstätigkeit völlig habe aufgeben müssen. Sie leide unter einer vermehrten Erregbarkeit mit schreckhaften Reaktionsweisen und innerer Unruhe. Im Rahmen der depressiven Entwicklung sei die Beeinträchtigung des kognitiven Leistungsvermögens zu sehen. Es bestünden psychosomatische gastrointestinale Beschwerden. In kritischen Situationen komme es zu Panikattacken, einschlägige Hinweisreize bewirkten eine krisenhafte Zuspitzung der psychischen Beschwerden. Viele dieser Beschwerden seien auch bei PTBS zu beobachten, allerdings seien die diagnostischen Kriterien hierfür nicht erfüllt. Hinweise auf intrusive Erlebnisweisen gebe es nicht.

Alle Diagnosen seien dem Unfallereignis zuzurechnen. Im Grunde genommen habe seit dem Unfall durchgehend Arbeitsunfähigkeit bestanden, die Klägerin habe ihr früheres berufliches Leistungsvermögen nicht wiedererlangt. Im November 2018 sei es dann ausgelöst durch den K1er Krankenhausbrand zur psychischen Dekompensation gekommen, sodass spätestens seit diesem Zeitpunkt unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestehe. Die MdE sei mit 30 v.H. zu bewerten. Eine stationäre Behandlung sei zu empfehlen, eine Besserung wäre möglich.

Zur Akte gelangte neben Unterlagen aus dem Schwerbehindertenverfahren der Befundbericht des K2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 3. Januar 2020. Danach hätten alle Werte der Lungenfunktionsdiagnostik innerhalb des Normalbereichs ohne Hinweise auf Obstruktion oder Restriktion gelegen. Hinweise auf eine signifikante Überblähung bestünden keine. Die Vorstellung sei bei angegebener Verschlechterung des Asthma bronchiale erfolgt. Lungenfunktionell finde sich ein Normalbefund, bei lediglich leichtgradiger Obstruktion der peripheren Atemwege.

M3 legte beratungsärztlich dar, dass zwei fundamental unterschiedliche Einschätzungen vorlägen. Nach Aktenlage sei die Klägerin am 18. September 2017 „während eines Brandes“ vergessen worden und habe sich selbst aus dem Gebäude gerettet. Eine akute Belastungsreaktion sei dokumentiert, ebenso die rasche Wiederaufnahme der Arbeit. Ein psychischer Vorschaden sei beschrieben, man gewinne den Eindruck einer sich über Leistung definierenden Primärpersönlichkeit mit biographischen Belastungen. Im Folgenden sei es zu einer psychischen Dekompensation gekommen, es hätten sich Zeichen einer generalisierten Angststörung, Panikstörung sowie einer somatoformen autonomen Störung des Verdauungstraktes laut aktuellem Gutachten ergeben, das Vorgutachten stelle eine depressive Episode fest.

Es liege ein belastendes Lebensereignis mit Erleben eines Brandes vor, bei dem die Klägerin „vergessen“ worden sei. Ein Erstschaden sei nachweisbar, ebenso eine Störung von Krankheitswert, eine solche sei aber schon vorbestehend gewesen. Der klinische Verlauf mit verzögerten Symptomen erscheine maßgeblich durch konkurrierende Faktoren wie belastende Lebensereignisse unterhalten. Die Beschwerden seien nur teilweise authentisch. Bei Prüfung der Kriterien nach den Begutachtungsleitlinien entspreche die Einschätzung im ersten Gutachten eindeutig mehr der wissenschaftlichen Literatur als im zweiten Gutachten. Es sei eine akute Belastungsreaktion als Unfallfolge anzuerkennen mit einer Arbeitsunfähigkeit von maximal vier Wochen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2020 zurück. Der Einschätzung des N1 sei nicht zu folgen, da dessen Schlussfolgerungen nicht den anerkannten wissenschaftlichen Grundlagen entsprächen. Das Unfallereignis habe zu einer akuten Belastungsreaktion geführt. Nach kurzer Zeit sei die berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen worden, die Tätigkeit sei weitergeführt worden und es sei eine ambulante psychotherapeutische Behandlung erfolgt. Bereits vor dem Ereignis habe eine regelmäßige psychotherapeutische Behandlung stattgefunden.

Das einmalige Ereignis sei nicht geeignet gewesen, zu einer anhaltenden Veränderung zu führen. Eine Anpassungsstörung halte im Regelfall nicht über sechs Monate an, das Vollbild einer PTBS habe nicht vorgelegen.

Am 25. Juni 2020 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben und den Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitation vom 15. Dezember 2020 bis 26. Januar 2021 in der Klinik A2 vorgelegt. Als Diagnosen sind eine PTBS, eine mittelgradige depressive Episode, ein Asthma bronchiale, Läsionen der Rotatorenmanschette, eine Bursitis im Schulterbereich sowie Myogelosen im Wirbelsäulenbereich benannt worden.

Das Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit als Immobilienmaklerin liege unter drei Stunden. Während des Klinikaufenthaltes habe eine Stabilisierung erreicht werden können, die zur Aufnahme führende Symptomatik sei in ihrer Ausprägung nahezu unverändert geblieben, die posttraumatische Symptomatik sei unter Belastung phasenweise verstärkt hervorgetreten. Um unter ambulanter, je nach Verlauf auch stationärer Psychotherapie, eine Besserung erzielen zu können, erfolge die Entlassung als arbeitsunfähig.

Im Verlauf sei psychoedukativ vorgegangen worden, um der Klägerin zu einem Verständnis und einer Einordnung ihrer aktuellen Symptomatik zu verhelfen. Zur eingehenden Diagnostik sei der PCL-5 (Selbsteinschätzungsinstrument zum Screening von PTBS) herangezogen worden. Am 21. Dezember 2020 habe ein Summenwert von 65 bei einem Cutt-Off-Wert von 38 für eine klinisch relevante PTBS-Symptomatik vorgelegen. Nachdem die Klägerin zuvor widersprüchliche Informationen zum Vorliegen einer PTBS erhalten habe, sei es ihr nun im ersten Schritt möglich gewesen, ihre Symptomatik zu begreifen. Beobachtungen im stationären Ablauf seien in das Störungsmodell integriert worden, um ein Verständnis und im nächsten Schritt eine Akzeptanz zu ermöglichen.

Die vorbestehende Medikation sei fortgeführt, eine ergänzende psychopharmakologische Therapie nicht eingeleitet worden. Die depressive Symptomatik habe sich leicht reduziert, es hätten weiterhin eine hohe Anspannung sowie Schwierigkeiten in der Emotionsregulierung bestanden.

Die Beklagte ist der Klage durch Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme des D2 entgegengetreten. Die Diagnosestellung der Rehabilitationsklinik sei nicht nachvollziehbar. Es würden keine diagnostischen und keine testpsychologischen Befunde, auf die sich die Diagnose stütze, benannt. Das Krankheitsbild einer PTBS sei schon von den Eingangskriterien nicht nachvollziehbar, da sich die geschilderte Psychopathologie erst nach sechs Monaten ausgebildet habe.

Zur Akte ist eine Stellungnahme der A4 Klinik 1 zu dem stationären Aufenthalt gelangt. Danach hätten sich durch sorgfältige Exploration und Beobachtungen im stationären Alltag ausreichende Hinweise für das Vorliegen einer PBTS-Symptomatik ergeben. Weitere diagnostische Mittel seien aufgrund der sehr deutlichen Ausprägung der Symptomatik nicht notwendig gewesen. In der psychotherapeutischen Praxis bleibe das diagnostische Interview das Mittel der Wahl. Aus den Schilderungen der Klägerin sei zu entnehmen, dass auch das E-Kriterium (Auftreten der Symptomatik binnen sechs Monaten) erfüllt sei.

Weiter hat das SG das nervenärztlich-psychosomatische Sachverständigengutachten des S1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 19. Januar 2022 erhoben. Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, unter massiven Konzentrationsstörungen zu leiden. Es falle ihr schwer, Entscheidungen zu treffen. Sie sei immer entweder angespannt oder total müde. Sie habe viele körperliche Probleme, vorwiegend mit Magen und Darm. Sie stehe an manchen Tagen überhaupt nicht auf, habe ihre Körperhygiene erheblich reduziert. Sie bade nur dreimal die Woche und wasche ihre Haare nur alle zwei Wochen. Wenn die Feuerwehr an ihrem Haus vorbeifahre, könne es sein, dass sie sich in die Hose mache.

Ihre Konzentration sei sehr schlecht, wenn sie ein Buch lese, könne sie sich das nicht merken. Ihre Merkfähigkeit sei sehr schlecht, dagegen sei das Gedächtnis für alles, was im Zusammenhang mit dem Unfall vorgefallen sei, leider ausgezeichnet. Im Gegensatz dazu wisse sie im Auto manchmal nicht, wo sie eigentlich hinfahren wolle. Aber für alles vor dem Unfall habe sie ein „super Gedächtnis“. Die Klägerin gebe an, dass sie „sauer auf das Thema“ sei, auf die Feuerwehr und die Unfallversicherung.

Am Unfalltag sei sie in der Mittagszeit im ersten Stock gewesen, dort seien circa acht Mitarbeiter. Sie sei über den Flur zum Kopieren gegangen und habe gedacht, dass die Kaffeerösterei noch mehr stinke als sonst. Sie sei zurück ins Büro gegangen, habe die Tür angelehnt und mit einer Kundin telefoniert. Sie habe gemeint, im Flur ein Funkgerät zu hören. Sie sei auf den Gang gegangen, habe um die Ecke geschaut und Rauch gesehen. Sie habe nach den Kollegen gerufen, was los sei. Es sei aber niemand da gewesen. Sie sei zurück ins Büro, ganz klar und fokussiert gewesen. Sie habe zu der Kundin gesagt, dass sie auflegen müsse, habe ihren Schlüssel und Mantel geschnappt und versucht, vorne rauszukommen. Dort habe sie aber nichts mehr gesehen, dann die Luft angehalten, sei am Büro vorbei durch das Treppenhaus nach unten. In der Schalterhalle sei auch alles voller Rauch gewesen, es habe aber noch einen weiteren Ausgang gegeben, aus dem sie dann raus sei.

Sie sei am Folgetag zu einer Therapeutin gegangen und für vier Wochen krankgeschrieben worden. Die Therapeutin habe ihr gesagt, dass sie wieder zur Arbeit müsse. Nach vier Wochen habe sie wieder angefangen zu arbeiten. Dies sei mehr schlecht als recht gegangen. Irgendwann habe jemand etwas aus Plastik auf der Herdplatte gelassen und sie habe sich schrecklich aufgeregt. Als ein Feuerwehrauto vorbeigefahren sei, sei sie hinterhergelaufen und habe wissen wollen, wo die hinfahren. In diesem Jahr habe sie zwar wieder gearbeitet, sei aber oft arbeitsunfähig gewesen und habe dadurch erhebliche Gehaltseinbußen gehabt. Plötzlich sei auch ihr Chef unzufrieden mit ihr gewesen. Vor dem Unfall habe eine sehr gute Leistungsfähigkeit bestanden.

Sie bewohne eine Zwei-Zimmer-Wohnung zur Miete. Da fühle sie sich wohl, ein Haustier habe sie nicht. Ihr Freundeskreis sei kleiner geworden, aber gut vorhanden. Sie habe gute Kontakte mit zwei Frauen vom Haus, die auch für sie einkaufen gingen. Außerdem habe sie ein gutes Verhältnis mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Der Kontakt zum Bruder sei abgebrochen. Hobbies könne sie keinen mehr nachgehen, sie habe Auto und Führerschein, fahre aber nur wenig, da sie schnell überfordert sei. Verreist sei sie zuletzt nach dem Unfall, da habe sie eine Ayurvedakur in Madeira gemacht, das sei aber sehr anstrengend gewesen und habe ihr nicht gutgetan.

Zum Tagesablauf habe die Klägerin angegeben, gegen 11 Uhr aufzustehen, manchmal auch gar nicht. Dann schaffe sie es nicht einmal ins Bad, bleibe im Schlafanzug, sei am liebsten im Bett und sehe fern. Sie habe keine Termine und keine Verantwortung. Sie habe einen Weg gefunden, halbwegs durch das Leben zu kommen und mache, was sie könne. Sie gehe zum Beispiel manchmal zum Mittagessen in ein Lokal, wo fast keine Leute seien. Sie achte sehr auf ihre Atmung, abends nehme sie nach 18 Uhr keine Anrufe mehr an. Sie liege da und sehe fern. Sie nehme ihre Schlaftabletten und Baldrian, nach zwei Stunden schlafe sie ein.

Die Klägerin sei vom äußeren Erscheinungsbild geschmackvoll gekleidet, dezent geschminkt gewesen. Die Kontaktaufnahme sei bereitwillig erfolgt, sehr ausdrucksbetont bei stark akzentuierter Beschwerdeschilderung. Sie sei wach, zu allen Qualitäten orientiert und ohne Hinweise auf qualitative oder quantitative Bewusstseinsveränderungen. Bei geschilderten ausgeprägten Konzentrationsstörungen sei die Konzentration auffallend wechselhaft. Zeitweilig habe ein Stocken bestanden, teilweise ein Abschweifen, stets habe sich eine Neigung zu Detailschilderungen gezeigt, die nicht als Konzentrationsstörungen imponiert hätten, sondern eher als persönlichkeitseigener Stil. Die Auffassung sei stets gut gewesen, während des Gesprächs habe sie nicht erschöpft gewirkt, sondern ausgesprochen emotional engagiert und sei in ihren Ausführungen nur durch Zwischenfragen zu unterbrechen gewesen.

Es bestehe ein sehr gut erhaltenes Altgedächtnis, Merkfähigkeitsstörungen zeigten sich für aktuelle Ereignisse. Bei der Erhebung der Biographie und der krankheitsbezogenen Ereignisse sei das Zeitgitter gut intakt, Lücken seien nicht aufgefallen. Erinnerungen seien ausgesprochen detailreich gewesen. Die Stimmung habe sich im Verlauf auffallend wechselnd gezeigt. Zu keinem Zeitpunkt habe sie tiefergehend depressiv verstimmt imponiert, bei der Symptomschilderung habe sie stark leidend gewirkt. Wenn das Gespräch auf die frühere berufliche Tätigkeit oder auf die wütenden Gefühle gegenüber der Feuerwehr und der Unfallversicherung gekommen sei, habe die Klägerin die erfolgreiche selbstbewusste „Professionelle“ erstaunlich überzeugend verkörpert. Dies geschehe mit fester Stimme, Entschlossenheit, klaren Sätzen und lebhafter Gestik, dabei in keiner Weise depressiv wirkend. Weinen oder Gereiztheit seien im Gesprächsverlauf nicht zu beobachten gewesen.

Auch die Psychomotorik habe im Gesprächsverlauf eindrucksvollen Schwankungen unterlegen. Insbesondere während der Symptomschilderungen habe die Klägerin oft mit Pause gesprochen, abgehackt und sich sehr auf ihre Atmung konzentriert. Als sie über die Zeit ihrer beruflichen Erfolge und ihren Kampf gegen das ihrer Meinung nach erlittene Unrecht berichtet habe, sei die Psychomotorik völlig verändert gewesen, mit ruhiger Atmung, klarer Stimme wie lebhaften untermalenden Bewegungen. Dabei seien Selbstsicherheit und Souveränität ausgestrahlt worden.

In der Untersuchungssituation habe ein hohes Mitteilungsbedürfnis bestanden. Bei der Schilderung ihrer Beschwerden seien extreme Erschöpfung und Antriebslosigkeit angegeben worden. Eine Erschöpfung sei berichtet worden, faktisch aber nicht zu beobachten. Gegen Ende des Gesprächs bei Schilderung der beruflichen Erfolge habe sie tatkräftig, entschlossen und energiereich gewirkt.

Der formale Gedankengang sei zeitweilig stockend und mit Neigung zum Abschweifen, an anderen Stellen ausgesprochen geordnet und zielgerichtet. Die spontane Produktivität des Denkens im Hinblick auf Gedankenentwicklung, Assoziationen und Entfaltung von Vorstellungen sei ausgemacht reichhaltig, die Flexibilität im Gesprächsverlauf sei gut gegeben. Pathologische Phänomene wie Gedankendrängen, Einengung oder Denkhemmung hätten sich nicht gefunden. Inhaltlich habe eine starke Fixierung auf die Themen der genannten Beschwerden und die Lebenseinschränkungen bestanden. Angegeben worden seien durch Triggerreize ausgelöste Angstgefühle, aber keine intrusiven Erinnerungen und keine Flash-Backs.

Soziale Aktivitäten mit erhaltenen Kontakten in der Familie und im Freundeskreis würden beschrieben, deutlich reduzierte Freizeitaktivitäten berichtet. Bei der körperlichen Untersuchung hätten sich Störungen des Gleichgewichts und der Koordination gezeigt, für die es keinen pathologisch neurologischen Befund gegeben habe.

Diagnostisch sei darauf hinzuweisen, dass zunächst nur die Diagnose einer Angst und depressiven Störung gemischt gestellt worden sei. In dem Bericht über ein Jahr nach dem Unfall sei von einer rezidivierenden depressiven Störung, nicht aber von Traumafolgestörungen die Rede. Im Entlassungsbericht 2019 werde wiederum die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode benannt und im Verlauf eine eingehende Auseinandersetzung mit depressiven und neurotischen Symptomen beschrieben. Das Unfallereignis werde zwar thematisiert und eine Therapie vorgeschlagen, indessen keine entsprechende Diagnose gestellt. M2 habe ebenfalls nur eine „Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt“ festgestellt. Die Diagnose einer PTBS tauche erstmals im Bericht der A4 Klinik 1, drei Jahre nach dem Unfall, auf.

Hinsichtlich der Diagnosekriterien der PTBS sei bereits das Eingangskriterium in Frage zu stellen. Die Klägerin habe plausibel und überzeugend während des Geschehens keine tiefe Verzweiflung, sondern besonnen-kaltblütiges und überlegtes Handeln geschildert. Der Entstehungsmechanismus der Störung sei gut bekannt. Es handele sich um Zustände eines hilflosen Ausgeliefertseins, in denen der angeborene Kampf- und Fluchtmechanismus nicht zum Einsatz käme. Dabei komme es zu einer Deregulation von Kreislaufmechanismen und psychischen Dissoziationszuständen. Zumindest sei feststellbar, dass ein solcher Zustand hilflosen Ausgeliefertseins bei der Klägerin nicht vorlegen habe. Sie sei in einem sehr aktiv bewältigenden Fluchtmodus gewesen. Verzweiflung, Wut und Angst hätten sich erst hinterher eingestellt. Ferner habe die Klägerin weder bei der aktuellen Untersuchung noch früher typische Symptome einer PTBS geschildert. Insbesondere sei zu keinem Zeitpunkt ein intrusives Wiedererleben angegeben worden.

Was die Klägerin eindrücklich und sehr differenziert geschildert habe, seien Ängste, die durch Erinnerungen an das Unfallereignis, aber auch jegliche Sinnesreize im Zusammenhang mit Feuer ausgelöst würden. Diese Ängste seien aber weder Flashbacks noch intrusive Erinnerungen, hier sei die psychopathologische Differenzierung wichtig.

Geschildert worden seien die klassischen und typischen Symptome einer Angststörung mit Panikattacken nebst einer spezifischen Phobie (Feuer). Zu widersprechen sei der diagnostische Einordnung als „Anpassungsstörung“ oder „Angst und depressive Reaktion, gemischt“. Derartige Anpassungsstörungen seien definitionsgemäß leichte psychische Störungen und dauerten in der Regel nicht länger als ein halbes Jahr, in Ausnahmefällen bis zu zwei Jahre, an. Schon aus rein zeitlichen Gründen seien die Diagnosen nicht mehr zutreffend, es handele sich aber auch um leichte psychische Störungen, wovon bei der Klägerin wegen der ganz offensichtlich anhaltenden und erheblichen Funktionsbeeinträchtigung nicht ausgegangen werden könne. Derartige Verläufe seien bei Angststörungen durchaus nicht selten. Eine Depression habe zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht vorgelegen. Depressive Zustände seien in der Vergangenheit wiederholt dokumentiert worden, sodass an der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung nicht zu zweifeln sei.

Die diagnostische Einordnung insbesondere des Schweregrades unterliege einigen Vorbehalten. Die Diagnose der meisten psychischen Störungen basiere im Wesentlichen auf der Bewertung von Schilderungen und Aussagen der Betroffenen über ihr eigenes Erleben und seien insofern nicht objektivierbar. Selbstschilderungen könnten von Interessen beeinflusst sei, was gleichermaßen für die Beantwortung von Fragebögen in testpsychologischen Untersuchungen gelte.

Das Ergebnis des von N1 eingesetzten Fragebogens SRSI mit 21 sogenannten Pseudobeschwerden sei ein Extremwert im auffälligen Bereich. Derart hohe Werte finde man auch in Begutachtungssituationen selten. Es müsse daher mindestens von einer nicht authentischen Beschwerdeschilderung ausgegangen werden. Allein deswegen müssten Zweifel bestehen, ob die von der Klägerin geschilderten Symptome in dieser Weise und dieser Ausprägung oder Häufigkeit tatsächlich vorhanden seien. Schon deshalb könne eine hinreichende Grundlage für eine Diagnosestellung vorliegend verneint werden.

Dennoch sei zur Kausalitätsbeurteilung darauf hinzuweisen, dass nahezu alle psychischen Störungen als multifaktoriell verursacht gölten. Wesentliche Ausnahmen seien die PTBS und die Anpassungsstörungen, weil diese als einzige die Ursache quasi implizierten. Aus diesem Grund seien diese Diagnosen bei der Beurteilung von Unfallfolgen naheliegender Weise begehrt und häufig Gegenstand des Streits. Beide Diagnosen seien hier nicht zutreffend.

Für Depressionen und Angststörungen gelte gleichermaßen, dass sie zu den häufigsten psychischen Störungen gehörten, nicht selten nach auslösenden, in ihrer Art aber oft recht unspezifischen Ereignissen, aufträten, aber auch ohne solche Auslöser. Sie seien in ihrem Verlauf schwankend und durch Rückfälle gekennzeichnet, die wiederum manchmal mit und manchmal ohne Auslöser auftreten würden.

Dass nach Unfällen Angststörungen gehäuft auftreten würden, sei statistisch gut belegt. Eine direkte oder ausschließliche Verursachung werde aber nie zu belegen sein. Dies gelte in noch höherem Maße, wenn bereits schon vorher psychische Auffälligkeiten bestanden hätten, wenngleich diese bei weitem nicht dieselbe Intensität gehabt hätten. Neben der sehr multifaktoriellen Verursachung bestehe noch das Missverhältnis zwischen der einwirkenden Schädigung und der Intensität sowie Dauer der psychischen Symptomatik, vor allem bei einer crescendoartigen Zunahme im Lauf der Jahre. Reaktive psychische Störungen pflegten in der Regel tendenziell abzuklingen, am häufigsten sogar auszuheilen.

Vorliegend bestehe ein zweigipfliger Verlauf mit einer deutlich ausgeprägten, auch gutachterlich unstrittigen Primärreaktion nach dem Unfallereignis, einem vorübergehenden Abklingen und dann wieder einem allmählichen crescendoartigen Zunehmen, aber mit etwas veränderter symptomatischer Akzentuierung. All diese Gesichtspunkte seien sehr typisch für die sogenannte Verschiebung der Wesensgrundlage. Ereignisse wie der Kampf um die Anerkennung von Unfallfolgen und die Wut auf Unfallbeteiligte etc. seien in den Vordergrund getreten. Für eine kausale Unfallfolge spreche nur das Argument, dass „vor dem Unfall alles gut gewesen sei“, die differenzierte Beleuchtung aller Umstände und die diagnostische Einordnung der vorliegenden psychischen Störungen sprächen aber ausnahmslos dagegen. Mit langen Einwendungen der Klägerin gegen diese Schlussfolgerungen sei natürlich zu rechnen.

Folgen des Unfalls lägen nicht mehr mit an hinreichender Sicherheit vor. Unfallunabhängig bestehe eine rezidivierende depressive Störung, die derzeit weitgehend remittiert sei, sowie eine Agoraphobie mit Panikattacken und eine spezifische Phobie vor Feuer. Ferner bestünden Hinweise auf ein Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren. Als Gesundheitserstschaden sei eine akute Belastungsreaktion aufgetreten.

Arbeitsunfähigkeit könne für vier Wochen angenommen werden, eine klare Abgrenzung hinsichtlich der Behandlungsbedürftigkeit sei nicht möglich. Für ein halbes Jahr nach dem Unfall könne die MdE mit 10 v.H. angesetzt werden, mehr sei nicht zu begründen. Behandlungsmaßnahmen seien derzeit unfallunabhängig erforderlich.

Mit dem Gutachten des L1 bestehe Übereinstimmung, dem des N1 könne nicht zugestimmt werden. Der Diagnose einer schweren Anpassungsstörung stehe schon der zeitliche Verlauf entgegen. Anpassungsstörungen seien definitionsgemäß leichtere psychische Störungen, eine solche schweren Ausmaßes stelle somit einen Widerspruch in sich dar. N1 habe im Übrigen in der Beschwerdevalidierung gravierende Auffälligkeiten festgestellt, diese aber bei der Gesamtbeurteilung nicht berücksichtig. Auch Überlegungen zum Crescendoverlauf der Beschwerden und dem Verhältnis zwischen einwirkender Ursache wie langanhaltenden Folgen fehlten. Die A4 Klinik 1 diagnostiziere zu Unrecht eine PTBS, eine Diagnosestellung allein aufgrund einer Selbstbewertung mit zu anderen Zwecken entwickelten diagnostischen Instrumenten sei nicht zulässig. Im gutachterlichen Kontext gehe es um eine kritische Würdigung. Klinisch sei das Ziel meistens, eine Arbeitsdiagnose zu finden, die ein zielgerichtetes Arbeiten zusammen mit dem Patienten ermögliche, was in vielen Fällen mit dem Konzept einer Traumafolgestörung gut gelinge, insofern erfolge häufig eine unkritische Verwendung der Diagnose in Kliniken und bei Psychotherapeuten.

Als Anlage hat er eine zwölfseitige Ausarbeitung der Klägerin zu den gerichtlichen Beweisfragen vorgelegt, die ihm im Rahmen der Begutachtung übergeben worden sind. Weiter sind Ausdrucke aus der elektronischen Lohnsteuerbescheinung für 2017 und 2018 wie ein Attest der M4 vom 10. Januar 2022 zur Akte gelangt, wonach sich die Klägerin seit 6. Juli 2021 mit der Diagnose einer PTBS in ihrer Behandlung befinde.

Das SG hat am 25. August 2022 eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt (vgl. Protokoll) und auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Klageverfahrens hingewiesen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2023 abgewiesen. Die Kammer habe sich nicht davon überzeugen können, dass die anhaltenden Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet rechtlich kausal durch den Arbeitsunfall vom 18. September 2017 verursacht worden seien. Auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten werde verwiesen, die dortigen Ausführungen seien durch das Sachverständigengutachten des S1 bestätigt worden. Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus gefolgerten Beurteilung zu zweifeln, bestehe keiner.

Am 7. März 2023 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das Sachverständigengutachten des S1 überzeuge nicht, da dieser im Gegensatz zu L1 keinerlei Gesundheitsstörungen mehr als wesentlich durch den Unfall verursacht ansehe. Es liege auf der Hand, dass mit L1 zumindest die Angst beim Ertönen eines Martinshorns oder bei Wahrnehmung von Rauch wesentlich dem Arbeitsunfall zuzuschreiben sei. Eine Begründung für die Auffassung, dass auch diese Symptome nicht (mehr) wesentlich durch den Unfall verursacht seien, liefere S1 nicht. Ebenso überzeuge nicht, dass S1 das Vorliegen einer PTBS bestreite.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Februar 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 30 vom Hundert, Behandlungskosten für die psychotherapeutische Behandlung im Rahmen der Heilbehandlung sowie Verletztengeld für die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nach dem 16. Oktober 2017, insbesondere für die erneute Arbeitsunfähigkeit ab November 2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat das Sachverständigengutachten der E1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 29. September 2023 erhoben.

Die Gutachterin hat ausgeführt, dass die Klägerin berichtet habe, nach dem Vorfall bis heute unter erheblichen psychischen Einschränkungen zu leiden. Sie sei circa vier Wochen arbeitsunfähig gewesen und habe dann mit eingeschränkter Arbeitszeit ihre Tätigkeit aufgenommen. Ab November 2018 sei die Symptomatik wieder verstärkt aufgetreten, nachdem es in der Nähe ihrer Wohnung in einem Krankenhaus gebrannt habe und dabei ein Mensch umgekommen sei. Das habe die Erinnerung an den Vorfall in der Bank reaktiviert. Die Symptomatik sei mit der Zeit immer schlimmer geworden, 2019 sei eine Rehabilitation erfolgt, die sie größtenteils privat bezahlt habe. Über die DRV sei sie sechs Wochen in I1 gewesen. Seit 2021 werde bei M4 eine Traumabehandlung durchgeführt, 90 Stunden seien bereits absolviert. Die Krankenkasse übernehme keine weiteren Kosten mehr. Im Befund der Behandlerin M5 vom 22. November 2018 für das Versorgungsamt werde ausgeführt, dass bereits seit Jahren rezidivierende depressive Phasen vorlägen, die Klägerin habe gelernt, damit umzugehen, sich zu stabilisieren und sei arbeitsfähig geblieben. Es habe immer wieder äußere Auslöser für erneute schwere Episoden gegeben, außerdem werde in der A2-Klinik 2020/2021 eine Rotatorenmanschettenläsion angeführt.

Am 18. September 2017 sei es auf dem Arbeitsplatz zu einem Brand gekommen, sie sei von den Kollegen und der Feuerwehr vergessen worden, habe den Brand eher zufällig bemerkt. Sie sei circa vier Wochen krankgeschrieben geworden, habe wegen der Verschlechterung ihres Asthmas den Lungenarzt aufgesucht. Die Therapeutin habe ihr geraten, möglichst schnell wieder an den Arbeitsplatz zu gehen, was ihr schwergefallen sei. Im Büro sei von dem Brand nichts zu sehen gewesen, es sei alles gereinigt und gestrichen worden. Mit dem Arbeiten sei es mehr schlecht als recht gegangen. Sie habe viele körperliche und psychische Symptome entwickelt, sodass der Umsatz eingebrochen sei und der Chef gefragt habe, was mit ihr los sei. Ab November 2018 sei sie nicht mehr in der Lage gewesen weiterzuarbeiten, nachdem in der Nähe ihrer Wohnung ein Krankenhaus gebrannt habe. Dies habe ihre Erinnerung an den Vorfall in der Bank massiv reaktiviert und die Symptome verschlechtert. Es sei immer schlimmer geworden, sie habe sich noch nicht einmal richtig alleine versorgen können. Sie sei in ständiger ambulanter und zweifacher stationärer Behandlung gewesen, ohne dass sie sich wieder richtig erholt habe. Sie sei rückwirkend erwerbsunfähig berentet worden.

Die Klägerin gebe an, bis heute unter Alpträumen zu leiden, in denen sie immer wieder die Situation in der Bank mit dem vielen Rauch vor sich sehe, dass sie verfolgt oder angegriffen werde oder sogar, dass Leute sie umbringen wollten. Der Appetit sei oft mäßig, ihr sei bei Stress häufiger übel, sie habe bei Stress auch immer wieder erbrechen müssen. In Stresssituationen komme es häufig zu Durchfällen.

An dem Tag sei sie in ihrem Büro gewesen, welches sich in der Bank befunden habe. Nebenan habe es hinter der Mauer eine Bäckerei gegeben. Sie habe ein Telefonat geführt, als sie außerhalb des Büros jemand an einem Walkie-Talkie habe sprechen hören, was sie irritiert habe. Sie sei zur Tür gegangen um nachzusehen, was los sei und habe in den Fluren eine Rauchentwicklung wahrgenommen. Sie habe nach den anderen Mitarbeitern gerufen, aber keine Antwort bekommen. Sie habe das Telefongespräch beendet, ihre Handtasche und Haustürschlüssel geschnappt und versucht, das Gebäude zu verlassen. Dabei habe sie die ersten zwei Versuche wegen der starken Rauchentwicklung aufgeben müssen. Sie habe bereits Probleme wegen ihres Asthma bekommen. Letztlich habe sie einen Personaleingang hinter dem Gebäude genutzt. Vor dem Haus hätten die Feuerwehr und viele Leute gestanden. Keiner habe sich um sie gekümmert. Sie sei dann zum Lungenfacharzt gegangen.

Seit dieser Zeit habe sie riesige Probleme mit dem Thema Brand, Feuerwehr wie mit Gerüchen nach Rauch, könne sich überhaupt nicht mehr davon distanzieren und beruhigen. Sie habe sich sehr darüber geärgert und aufgeregt, dass die Feuerwehr gelogen habe, behauptet habe, alles kontrolliert zu haben. Sie habe eine Anzeige gegen die Feuerwehr und die Kaffeerösterei gemacht, weil der Brand fahrlässig entstanden sei. Die Feuerwehr habe sie wegen der unterlassenen Hilfeleistung verklagt. Der Feuerwehrmann habe aus ihrer Sicht gelogen und behauptet, er habe alle gerettet und sei durch die ganze Bank gegangen, in ihr Büro sei er aber eben nicht gekommen. Es wäre auch rausgekommen, dass nirgendwo Feuermelder gewesen seien.

Danach habe sie gedacht, dass sie hätte tot oder verbrannt habe sein können, weil sie einfach vergessen worden sei. Sie habe das Ganze als sehr ungerecht erlebt, sich eine finanzielle Absicherung und vor allem gewünscht, dass es nie wieder passiere, dass jemand durch die Feuerwehr vergessen werde. Sie habe später erfahren, dass es einer anderen Mieterin im Haus ähnlich gegangen sei.

Danach sei sie immer sensibel gewesen, wenn sie irgendwo eine Sirene gehört habe. Am liebsten wolle sie ihr ganzes Leben rundum versichern, einfach eine Garantie bekommen, dass ihr nie wieder etwas passieren könne. Sie könne das Thema Brand überhaupt nicht mehr loslassen, der anschließende Streit mit der Unfallversicherung habe das Ganze noch weiter aufrechterhalten, da sie schlicht mit dem Thema nie ganz habe abschließen können. Sie habe es einfach nicht verstanden, dass man ihr nicht glauben wolle, dass man nicht begreife, dass es ihr seitdem schlecht gehe und sich alles verändert habe.

Sie habe von Beginn an unter Alpträumen gelitten, die auch heute noch aufträten. Sie träume davon, wie sie in dem Rauch in der Bank stehe und es brenne. Weiter träume sie, dass Leute sie verfolgten oder sie töten wollten. Solche Alpträume kämen mindestens einmal pro Woche vor, sie könne deshalb überhaupt nur mit Schlaftabletten schlafen.

Sie habe bei jeder Erinnerung an eine Brandsituation, wenn sie Rauch sehe oder rieche, Panik bekommen und das Gefühl gehabt, sterben zu müssen. Sie habe deshalb immer weniger arbeiten können, oft maximal fünf bis sechs Stunden täglich, habe viel weniger Abschlüsse gemacht. Ihr Umsatz sei eingebrochen, ihr Chef sei ihr „aufs Dach“ gestiegen und habe gefragt, was mit ihr los sei. Bis November 2018 habe sie versucht, auf diese Art zu arbeiten. Dies sei aber völlig zu Lasten ihres Freizeitverhaltens gegangen. Sie habe nichts mehr gemacht, immer mehr Kontakte abgebrochen und sei nach der Arbeit eigentlich nur noch zu Hause gewesen.

Im November 2018 habe sie dann zu Hause die Feuerwehr und einen Hubschrauber gehört. Sie habe erfahren, dass es einen Brand in einem Krankenhaus in der Nähe gegeben habe, wobei ein Mensch gestorben sei. Sie habe sofort gedacht, dass sie das hätte sein können. Ab da sei sie völlig am Ende gewesen. Sie habe das Haus nicht mehr alleine verlassen, die Familie oder die Nachbarn hätten für sie eingekauft. Zum Arzt sei sie nur noch mit dem Taxi gefahren. Sie habe sich nicht mehr zugetraut, weiter Auto zu fahren, weil sie sich nicht mehr habe konzentrieren können. Sie habe immer Angst gehabt, dass auch da etwas passiere und sie das alles nicht mehr schaffe. M6 habe ihr gesagt, dass sie spazieren gehen solle und in die Rehabilitation.

Sie sei dann 2019 ins Allgäu in die Rehabilitation. Eigentlich habe sie eine Traumatherapie bekommen sollen, aber es sei kein Therapeut da gewesen. Sie habe alles privat bezahlt, um schneller in die Klinik zu kommen. Nach den sechs Wochen in der Klinik habe sie wenigstens wieder alleine zum Einkaufen oder zum Arzt gehen können. Sie habe aber nicht mehr arbeiten können und sei berentet worden.

In der Klinik in I1 habe man ihr dann gesagt, dass sie an einer PTBS leide. Dort habe sie sich austauschen können und endlich gewusst, was mit ihr los sei. Man habe ihr gesagt, dass sie sich erstmal stabilisieren müsse und versuchen, im Alltag wieder zu recht zu kommen.

Sie sei dann bei M4 in die ambulante Traumatherapie gegangen. Diese würde stabilisierende Gespräche führen, empfehle, dass sie das Thema mit dem Unfall mal hinter sich lassen solle. Weil sie aber ständig mit dem Rechtsstreit konfrontiert werde, könne sie einfach nicht gesundwerden. Es sei ein Riesenproblem, dass sie diese Ungerechtigkeit nicht verzeihen könne. Dass man sie nicht geschützt habe, dass die Kollegen und die Feuerwehr sich nicht um sie gekümmert hätten, sondern sie einfach vergessen hätten. Dies mache sie immer noch wütend und ärgerlich. Auch, dass jetzt die Versicherung sie nicht unterstütze, obwohl es ihr so schlecht gehe.

Die Ängste hätten sich immer mehr ausgeweitet, sie sei immer dünnhäutiger und nervöser geworden. Sie könne es noch nicht einmal mehr ertragen, wenn jemand auf der Straße hinter ihr hergehe. Sie habe dann ein ungutes Gefühl, dass dort etwas sein könne, was sie nicht sehen und kontrollieren könne.

Sie sei sozial und finanziell völlig abgestürzt, habe ihre finanzielle Sicherheit und ihr altes Leben mit ihren früheren Kontakten verloren. Sie wünsche sich, wieder arbeiten gehen zu können.

Die Klägerin beschreibe sich als häufig erschöpft, energielos, leide unter Schulter-und Rückenbeschwerden, häufigen Kopfschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden, zuletzt immer wieder auch unter Schwindel bei Diagnose eines Lagerungsschwindels. Grob neurologisch orientiert ließen sich keine Hinweise auf eine hirnorganische Ursache der psychischen Symptomatik feststellen.

Sie sei altersentsprechend gekleidet und ausreichend gepflegt. Mimik und Gestik seien während des Gesprächs zurückgenommen, die Stimme ertöne leise, was sich aber bei Konfrontation mit dem Brandgeschehen, der jetzigen Gesamtsituation und den Schilderungen zur Symptomatik deutlich ändere. Es sei dann eine zunehmende körperliche Anstrengung, emotionale Beteiligung mit Weinen und Zittern der Hände feststellbar. Die Klägerin sei bemüht, nach außen eine leistungsfähige selbstsichere Fassade aufrecht zu erhalten und die sie belastende Symptomatik zu unterdrücken. Sie strenge sich an, alle Fragen zu beantworten, auch wenn ihr die Konfrontation mit dem Brandereignis deutlich schwerfalle. Ein demonstratives Verhalten sei nicht festzustellen.

Qualitative und quantitative Bewusstseinsstörungen bestünden nicht, die Orientierung sei erhalten, mnestische Einschränkungen zeigten sich keine. Die Auffassungsfähigkeit sei ungestört, im Laufe des Gesprächs bestehe durchgehend eine vermehrte Ablenkbarkeit, eine verminderte Konzentrationsfähigkeit bei Konfrontation mit dem Unfallgeschehen und den daraus resultierenden Folgen bei zunehmender Anspannung und Unruhe. Halluzinationen, Wahnwahrnehmungen und Sinnestäuschungen lägen keine vor.

Der formale Gedankengang sei ungestört, inhaltlich bestehe weder Wahn noch paranoides Erleben. Es sei aber insgesamt eine Veränderung der Einstellung festzustellen, mit dem überdauernden Gefühl nicht mehr sicher zu sein, ständig auf der Hut sein zu müssen, permanenter Angst, dass etwas Negatives passieren können. Zwangsgedanken und Handlungen würden nicht geschildert, wohl aber eine etwas penible Ordnungshaltung. Sie berichte, seit dem Unfallgeschehen mit dem Brand 2017 unter erheblichen Ängsten zu leiden. Es sei deshalb ein vermehrtes Vermeidungsverhalten eingetreten mit verstärktem Rückzug in ein sicheres Umfeld zu Hause, in Bezug auf soziale Aktivitäten und Kontakte. Sie vermute überall und schnell Gefahren für sich selbst und andere. Der Antrieb sei reduziert, die Intentionsbildung unauffällig. Die Stimmungslage sei sehr wechselhaft, teils längere über Tage oder Wochen anhaltende depressive Verstimmung mit Antriebsminderung, ständigem Grübeln, Insuffizienzerleben wie Appetitlosigkeit, dann wieder Tage mit starker Unruhe, Angespanntheit, Gefühlen von starker Unsicherheit und Angst. Der Affekt sei entsprechend labil, es komme teils zu ausgeprägten Weinzuständen, aber auch zu Gefühlen von Kontrollverlust und ausgeprägten Ängsten.

Ein Wahnerleben sei nicht zu eruieren. Es lägen einige Symptome einer PTBS seit dem Vorfall, insbesondere Alpträume, Triggerung durch Hinweisreize an mögliche Brände oder Gefahren, Vermeidung der Konfrontation mit solchen Reizen, sozialem Rückzug, Veränderung der Einstellung mit hohem Kontrollbedürfnis, Gefühl, nicht mehr sicher zu sein, dabei dann Stressreaktion mit vermehrter Anspannung, Unruhe, Ein- und Durchschlafstörungen bei Alpträumen, erhöhter Schreckhaftigkeit und dem Bedürfnis, sich ständig vor Gefahren abzusichern, vor. Außerdem komme es immer wieder zu depressiven Einbrüchen bei dem Erleben einer Veränderung ihres Leistungsvermögens mit Insuffizienzerleben, beruflichem Versagen und starkem Rückzugsverhalten, Selbstvorwürfen in wechselnder Ausprägung. Eine aktive Teilnahme am sozialen Leben sei deshalb nur noch sehr eingeschränkt möglich und auf die Familie wie einige wenige Kontakte beschränkt. Die Kritik- und Urteilsfähigkeit sei erhalten.

Die Diagnose einer PTBS könne nicht gestellt werden, da das Eingangskriterium nicht ausreichend erfüllt sei. Die vorliegende Symptomatik müsse daher in eine andere Reaktion auf eine schwere Belastung nach ICD-10 F 43.8 eingeordnet werden, da durchaus auf das Ereignis bezogen Symptome vorlägen. In der Hamilton-Depressionsskala werde mit 24 Punkten eine mittlere depressive Symptomatik deutlich, die im Verlauf mal leichter, mal schwerer ausgeprägt sei.

Es sei von einer Disposition für eine mögliche psychische Erkrankung auszugehen, eine Entwicklung von Krankheitswert sei erstmals 2003/2004 aufgetreten. Im Rahmen einer Mobbing-Situation sei eine stationäre Rehabilitationsbehandlung erfolgt. Bis 2016 fänden sich keine weiteren Behandlungen, zu diesem Zeitpunkt sei es dann zu einem längeren Krankheitsgeschehen gekommen. M6 habe in ihrem Befundbericht betont, dass es trotz der besseren Umgehensweise bei gewissen Auslösern wieder zu einem verstärkten Durchbruch der Symptomatik gekommen sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass es zwischen 2004 und 2016 immer wieder zu depressiven Ausbrüchen und Schwankungen gekommen sei, ohne dass eine stationäre Behandlung notwendig geworden wäre. Es könne sich nur um eine leichtere Störung gehandelt haben, da Arbeitsfähigkeit und Alltagstauglichkeit erhalten geblieben seien.

Die Situation am Arbeitsplatz sei mehrfach ähnlich dargestellt worden. Es sei offensichtlich zu einer starken Rauchentwicklung gekommen, somit habe die Möglichkeit einer Rauchgasvergiftung bestanden. Eine direkte Bedrohung durch eine Feuereinwirkung werde nicht genannt. Die Klägerin selbst beschreibe, in der Situation funktioniert und sich selbstständig einen Weg aus dem Gebäude gesucht zu haben. Vor dem Gebäude habe sie dann psychische Symptome aufgewiesen. Sehr kränkend und für sie nicht nachvollziehbar beschreibe sie, dass sowohl die Feuerwehr als auch die Kollegen sie im Gebäude vergessen hätten, keiner versucht habe sie zu retten.

Deshalb seien ihr die Gedanken gekommen, dass sie hätte tot sein können oder schwer verletzt und niemand hätte ihr geholfen. Aus diesem Grund habe sie eine Anzeige gegen den Brandverursacher und gegen die Feuerwehr erstattet, die aber ohne weitere Ergebnisse im Sand verlaufen sei. Die Klägerin sei der Meinung, dass sich die Feuerwehr falsch verhalten habe und so auch andere Menschen gefährdet werden könnten. Aufgeregt habe sie auch, dass Passanten fotografiert und gefilmt hätten, anstatt zu helfen. Somit habe sie sich in der Situation bedroht und hilflos ausgeliefert gefühlt. Feuerwehr und Kollegen hätten sich nicht so verhalten, wie es ihrem eigenen Verantwortungsbewusstsein entspreche.
Aus den Aktenunterlagen werde deutlich, dass die Klägerin zwar ihre Arbeit wieder aufgenommen habe, aber ein Einkommensverlust eingetreten sei. Sie beschreibe selbst, ihre Arbeitszeit auf fünf bis sechs Stunden reduziert zu haben.

Eine akute Belastungsreaktion nach dem Ereignis könne als gesichert angesehen werden. Dies sei immer eine zeitlich befristete Störung, die sich dann entweder völlig bessere oder die Symptomatik in eine andere psychische Folgestörung übergehe. Dabei sei dieser Übergang nicht nur auf die Diagnose einer möglichen PTBS beschränkt, sondern nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen könnten infolge ausgeprägter Belastungen auch andere psychische Störungen mit einer deutlich höheren Prävalenz als in der üblichen Bevölkerung entstehen, dies gelte insbesondere für Angsterkrankungen, phobische Störungen und depressive Störungen.

Die Klägerin beschreibe im weiteren Verlauf eine schwankende, durchgehend bestehende Symptomatik. Sie beschreibe einerseits Symptome einer PTBS, andererseits typische phobische Symptome und Panikattacken, eine depressive Symptomatik auch mit somatischen Symptomen.

An posttraumatischen Symptomen würden in der Aktenlage und der jetzigen Untersuchung immer wieder eine Triggerung der Erlebnisse, Gefühle und Erinnerung an den Vorfall durch bestimmte Gerüche benannt, aber auch durch das typische laute Geräusch eines Feuerwehrautos, was zu erneuten ausgeprägten Gefühlen von Angst und Panik führe. Demnach sei die Symptomatik eindeutig als Wiedererinnerungserleben einzuordnen. In diesen Situationen komme es zum Ausbruch von Panikattacken mit körperlichen Symptomen wie Luftnot, Zittern, Herzrasen und der Angst umzufallen. Dies sei das körperliche Äquivalent dazu, zum Auftreten von Bildern werde nur berichtet, dass sich die Klägerin manchmal plötzlich wieder im Gebäude stehen sehe, von Rauch umgeben, was auch bei N1 angegeben worden sei. Sie beschreibe außerdem immer wieder auftretende Alpträume mit Inhalten zu dem Ereignis. Beispielsweise sehe sie sich in diesen Situationen wieder in den Fluren des Gebäudes umherirren, umgeben von massivem Rauch, fühle sich in der Situation bedroht. Inzwischen hätten sich die Träume auch auf andere Situationen ausgeweitet.

Eine starke Aktivierung der Symptomatik sei eingetreten, nachdem im November 2018 in der Nähe der Wohnung ein Krankenhausbrand entstanden sei, die vorher bereits bestehenden Ängste seien dadurch massiv reaktiviert worden. Ab diesem Zeitpunkt sei dann keine wesentliche Besserung mehr eingetreten, sodass die Klägerin nicht mehr arbeitsfähig geworden und eine Berentung erfolgt sei.

Im Rahmen der Reaktivierung trete nun auch eine Ausbreitung der Ängste auf, sodass diese nunmehr auch auf Menschenmengen bezogen würden. Durch die damit verbundenen Stressreaktionen seien von Beginn an auch Magen- und Darmbeschwerden mit Durchfällen und Übelkeit aufgetreten.

Die Behandlung in S3 sei teils privat finanziert worden. In der Einrichtung habe eine Traumabehandlung stattfinden sollen, es sei aber kein Therapeut verfügbar gewesen. Es werde zwar lediglich eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert, am Ende aber eine traumatherapeutische Behandlung empfohlen, ohne dass die Diagnose einer PTBS gestellt werde. Die benannte depressive Symptomatik sei von der Klägerin von Beginn an bei den Voruntersuchungen beschrieben worden.

Die Annahme des L1, dass vor dem Unfall eine Behandlung wegen Depressionen und Burnout bestanden habe, sei nicht korrekt. Es habe keine psychotherapeutisch beantragte Therapie stattgefunden, sondern lediglich psychiatrische Gespräche im Abstand von vier Wochen, also mit niedriger Frequenz, und eine antidepressive medikamentöse Behandlung. Die Klägerin habe nicht Vollzeit gearbeitet, sondern ihre Arbeitszeit reduziert. Das Vorliegen von Flash-Backs, Intrusionen und Alpträumen werde verneint, nur eine Triggerung durch das Martinshorn bestehe als einziges Symptom. Deshalb werde nur eine leichte depressive Störung und eine leichte Angst und Depression gemischt diagnostiziert, wobei die Diagnosen nicht gleichzeitig gestellt werden könnten.

Als Teil der PTBS bestehe nur der Reiz des Martinshorns, als manifesten Vorschaden benenne L1 eine rezidivierende depressive Störung wie eine Angst und Depression gemischt, die auch behandlungsbedürftig gewesen seien. Das Eingangskriterium für eine mögliche Entwicklung einer Traumafolgestörung sehe er als erfüllt, es habe auch befristet eine akute Belastungsreaktion bestanden, die dann abgeklungen sei. Im Vordergrund stünde die rezidivierende depressive Störung, aus seiner Sicht sei eine Angst und phobische Störung gemischt im Sinne einer Anpassungsstörung in der Regel anlagebedingt und unfallunabhängig. Diese Angabe sei nicht korrekt, da nach der ICD-10 gerade die Anpassungsstörungen häufig nach belastenden Ereignissen aufträten. Diese könnten zwar auf Personen treffen, die bei vorliegender Persönlichkeitsakzentuierung leichter ansprechbar seien, die Ursache bleibe aber die Belastung. Nicht korrekt sei auch die Annahme, dass die Klägerin bereits ein Jahr gearbeitet habe. Die Stunden- und Einkommensreduktion blieben dabei unberücksichtigt.

Unmittelbar nach der Begutachtung folge ein Befundbericht der M2, die eine deutlich stärkere Symptomatik benenne. Ein solch krasser Unterschied in der Beurteilung der Symptomatik in einem so kurzen Abstand sei nicht nachvollziehbar. Da M2 die Klägerin bereits vor der Begutachtung behandelt habe und deshalb den Verlauf sehr gut verfolgen könne, sei davon auszugehen, dass L1 die Symptomatik nicht ausreichend erhoben und gewürdigt habe. M2 diagnostiziere ebenfalls keine PTBS, sondern eine Diagnose nach ausgeprägten Lebensbelastungen und nicht nach einem traumatischen Ereignis.

Im Gutachten des N1 würden dann die Symptomatik, der Verlauf sowie die Ursachen als Auslöser anders beurteilt. Er beschreibe die Akutsymptomatik direkt nach dem Unfall und die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Circa vier Monate nach der vorherigen Begutachtung werde die Symptomatik umfangreicher und ausgeprägter dargestellt. Auch würden viele Trigger benannt, die zu Panikattacken führten. Er stelle den sozialen Rückzug, die tageweise bestehende Erschöpfung und Antriebslosigkeit dar. Die ängstliche Symptomatik diagnostiziere er als schwere Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung des Verdauungstraktes, generalisierte Angst- und Panikstörung. All diese Störungsbilder sehe er als verursacht durch den Brand an. Die Diagnose einer PBTS bestätige er nicht, da keine ausreichenden Intrusionen bestünden. Es hätten zwar als Vorschaden depressive Phasen bestanden, die Klägerin sei aber arbeitsfähig gewesen und habe gelernt, damit umzugehen.

Erstmals werde in der A4 Klinik 1 eine PTBS und eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Während des Klinikaufenthaltes seien Schreckhaftigkeiten und Triggerungen auch wahrgenommen worden. Außerdem werde die Primärpersönlichkeit mit hohem Verantwortungsgefühl, Problemen, Grenzen einzuhalten und sich übernehmen benannt. M3 führe in seiner Stellungnahme dazu einige Dinge an, die eigentliche Folge der psychischen Störung nach dem Unfall seien, ohne dies voneinander zu trennen. Er führe an, dass die Diagnose einer PTBS nicht begründet sei, da schon vorher Depression bestanden hätten und es ungewöhnlich sei, wenn die Symptomatik im Verlauf zunehme. Zutreffend sei, dass in der Klinik das Eingangskriterium der PTBS nicht geprüft worden sei. Wenn M3 aber wiederum autobiographische Belastungen aufführe, vermische er diese wieder mit Folgen und nicht Ursachen der psychischen Störungen.

S1 sehe das Eingangskriterium der PTBS als zweifelhaft an, da während des Vorfalls keine tiefe Verzweiflung vorgelegen habe. Der Sachverständige beschreibe zwar eine Ausweitung der Ängste, hinterfrage aber nicht, warum sich diese so ausgeweitet hätten. Es handele sich jeweils um Situationen, in denen die Klägerin den Überblick verliere, also die Situation nicht mehr eindeutig kontrollieren könne, ein hohes Kontrollbedürfnis durch die Angst vor neuen Bränden bestehe, aber jetzt eine veränderte Einstellung vorliege, sodass jetzt auch in diesen Situationen mit Angst reagiert werde. Es sei nicht nur eine spezifische Phobie um das Thema Feuer vorhanden, sondern um das ganze Thema Brand.

Es sei wissenschaftlich belegt, dass die Anpassungsstörung in der Regel auf zwei Jahre begrenzt sei, aber darüber hinausgehende Symptomatiken bestehen bleiben könnten. Dass bei der Anpassungsstörung keine schwere Störung vorliegen dürfe, folge aus der Definition nicht. In der Bewertung der MdE-Tabellen sei eine eigene Bemessung für ein stark ausgeprägtes Störungsbild der Anpassungsstörung vorgesehen. Nicht zutreffend sei nach der Definition, dass eine Anpassungsstörung multifaktoriell bedingt sei. Weiter beklage S1, dass ein Missverhältnis zwischen dem traumatisierenden Ereignis und der Dauer der Symptomatik mit ansteigendem Verlauf vorliege. In der Regel werde davon ausgegangen, dass besonders schwere traumatische Ereignisse eine Zunahme oder auch eine dauerhafte Symptomatik auslösen könnten. Leichtere traumatische Ereignisse oder schwere Belastungen, insbesondere, wenn diese einmalig stattfänden, seien erfahrungsgemäß schneller kompensierbar und zeigten in der Regel einen absteigenden Verlauf über die Zeit, weshalb S1 eine Verschiebung der Wesensgrundlage annehme. S1 diskutiere nicht, inwiefern eine Verschiebung der Wesensgrundlage vorliege oder ob der Streit mit den Versicherungen oder der vorliegende Ärger in Bezug auf die Feuerwehr und die Kollegen nicht als aufrechterhaltende Faktoren angesehen werden müssten, die eine Bewältigung der Symptomatik verhinderten. Nicht berücksichtigt worden sei auch, dass die Symptomatik im Verlauf wechselhaft sei, auch deren Ansteigen aber durchaus in Einklang mit dem Störungsbild stehen könne. Die Entstehung und der Verlauf der Symptomatik seien nur von der Ursache, dem Ereignis abhängig, es handele sich um Prozessstörungen, deren Verlauf von mehreren Faktoren abhängig sei.

Im vorliegenden Fall habe schon eine Vorpersönlichkeit mit ungünstigen Voraussetzungen vorgelegen, die Klägerin habe wenig Unterstützung bekommen, habe sich selbst um Therapien kümmern müssen, mit der Zeit sei die Arbeit weggefallen, sodass ungünstige Faktoren vorgelegen hätten, die den Verlauf beeinflussten, die Ursache bleibe aber das Ereignis selbst.

Der mögliche Zusammenhang zwischen den agoraphobischen Störungen und den damit verbundenen Panikattacken im Zusammenhang mit dem Brand werde ebenfalls nicht diskutiert. S1 stelle die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung remittiert, obwohl er in seiner Begutachtung selbst schildere, dass er für diesen Krankheitsbefund im Vorfeld vor dem Unfall keine ausreichenden Belege und Hinweise sehe. Er habe die Symptomatik auch als zu schwer für eine Anpassungsstörung klassifiziert. Eine rein spezifische Phobie vor Feuer zu diagnostizieren sei ebenfalls nicht ausreichend.

In der ergänzenden Stellungnahme benenne die A4 Klinik 1 nicht, inwieweit das Eingangskriterium überhaupt erfüllt sei, M4 gebe die Diagnose ebenfalls an, ohne eine ausreichende Begründung oder Befundbeschreibungen abzugeben.

In der jetzigen Begutachtung seien eine depressive Symptomatik einerseits, andererseits posttraumatische Symptome und eine damit verbundene phobische Symptomatik, Panikattacken und somatische Syndrome festgestellt worden. Eine PTBS sei nicht zu diagnostizieren, weil das Eingangskriterium nicht erfüllt sei. Nach dem Polizeibericht habe für die Klägerin keine wirkliche Lebensbedrohung oder Verletzungsgefahr bestanden, sie habe weder eine Rauchgasvergiftung erlitten, noch sei sie in irgendeiner Form körperlich verletzt worden. Sie sei einem Feuer nicht direkt ausgesetzt gewesen und habe sich aus der Situation allein befreien können. Subjektiv habe sie das Ereignis als Gefahr empfunden, insbesondere durch den Umstand, dass man sie im Büro vergessen habe. Deshalb müssten die Symptome in eine andere Diagnose eingeordnet werden. Es habe eine akute Belastungsreaktion bestanden, die nach der Definition nicht länger als vier Wochen andauere, danach müsse sie anders bestimmt werden.

In der jetzigen Untersuchung seien die Ängste noch einmal genau eruiert worden und auch deren Verlauf und deren Inhalte nach den Aktenunterlagen. Bei den Ängsten handele es sich von Beginn an um Ängste um das Thema Brand, sodass ein deutlicher inhaltlicher und zeitlicher Bezug zu dem Unfallereignis bestehe. Da diese Reaktionen aber in unmittelbarem Zusammenhang zu dem Unfall stünden und vor dem Unfall nicht bestanden hätten, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verursachung der Symptomatik in dem Unfall von 2017 zu sehen.

Da ein eindeutiger Bezug der Ängste zum Brand bestehe, sollten diese nicht als spezifische Phobie unabhängig vom Brand eingeordnet werden, sondern müssten im Rahmen des B-Kriteriums als mögliche Traumafolgestörung gesehen werden. Dies werde auch von den Behandlern in der Klinik bzw. ambulant so beschrieben. Außerdem würden Alpträumen mit Inhalten dazu benannt.

Im weiteren Verlauf seien deutliche Veränderungen in den Einstellungen und Bewertungen festzustellen, mit dem Gefühl, dass die Welt völlig unsicher sei, ständig wieder etwas passieren könne, insbesondere auf Brände ausgerichtet. Dadurch bestehe ein sehr starkes Kontrollbedürfnis, solche Situationen und Brände zu verhindern, indem ständig das Umfeld auf mögliche Gerüche oder Zeichen kontrolliert werde. Dies führe sogar dazu, dass die Klägerin nachts aufstehe, um mögliche Brandursachen auszuschließen.

Da eine Anpassungsstörung zeitlich befristet sei, die Ängste sehr stark ausgeprägt seien, zu erheblichem Vermeiden und Rückzugsverhalten und hohem Kontrollverlust geführt hätten, sei die Bezeichnung einer vom Unfall unabhängigen speziellen Phobie oder Agoraphobie mit Panikstörung auch im Sinne einer Anpassungsstörung, mit Angst und Depressionen gemischt, nicht ausreichend. Wenn das Eingangskriterium einer PTBS nicht erfüllt sei, könne eine andere Reaktion auf eine schwere Belastung befundet werden. Diese Diagnose sei zu wählen, ein Zeitkriterium sei insoweit nicht erforderlich.

Sie stimme S1 zu, dass in der Regel nach einmaligen kurzen Ereignissen die Symptomatik innerhalb einiger Monate abklinge. Wenn dies nicht der Fall sei, müssten mögliche Gründe dafür geprüft werden. Die nach dem Unfall durch die psychische Symptomatik und die eingeschränkte Belastungsfähigkeit eingetretene Leistungsinsuffizienz, die sich durch Reduzierung der Arbeitsstunden und finanziellen Einnahmen bemerkbar gemacht habe, habe dazu geführt, dass die bisherige Bestätigung und der Leistungswille nicht hätten aufrechterhalten werden können, war wiederum zu einer Auslösung und Verschlechterung einer depressiven Symptomatik geführt habe. Da diese Neigung zur Überforderung und bei äußerer Belastungen depressiv zu reagieren aber im Vorfeld des Unfalls bereits bestanden habe, hätte diese Verschlechterung der Symptomatik auch durch andere Ereignisse ausgelöst werden können. Deshalb könne in diesem Punkt der Unfall nicht als Ursache für die Verschlechterung der depressiven Symptomatik angesehen werden. Wohl aber habe diese Auslösung der zusätzlichen Verschlimmerung der depressiven Symptomatik das gesamte Kompensationsvermögen der Klägerin zusätzlich eingeschränkt, sodass sie im weiteren Verlauf nicht in der Lage gewesen sei, die entwickelte posttraumatische Symptomatik bzw. die Ängste, Phobien und Panikattacken und ihre veränderten Einstellungen zu korrigieren, sich diese mit der Zeit sogar ausweiteten. So hätten die depressiven Symptome und die benannten Angst- und traumatischen Symptome nebeneinander gestanden, sich gegenseitig beeinflusst und dazu geführt, dass sich die Symptomatik im Verlauf nicht verbessert, sondern verschlechtert habe, da keine umfangreiche und ausreichende Behandlung aller Symptome und Störungsbilder stattgefunden habe. Es sei längere Zeit auch klinisch nur ein Schwerpunkt auf die Behandlung der depressiven Symptome gelegt worden, sodass sich die Angstsymptome weiter chronifiziert hätten. Zusätzlich habe eine Belastung durch die stattgefundenen Streitereien und Prozesse um mögliche Entschädigungsansprüche mit der Feuerwehr, den Versicherungen und dem weiterhin nicht verarbeiteten Gefühl, von den Kollegen und der Feuerwehr schutzlos zurückgelassen worden zu sein, mit ständig unterdrückten Ärgergefühlen, was zur Aufrechterhaltung der Symptomatik zusätzlich beigetragen, diese aber nicht ausgelöst habe. Eine Verschiebung der Wesensgrundlage liege deshalb nicht vor, die benannten äußeren Belastungen hätten die Symptomatik aufrecht erhalten, eine Bewältigung verhindert, die entsprechenden Symptome seien aber bereits im Vorfeld vorhanden.

Nach den Tabellen werde für ein stark ausgeprägtes Störungsbild im Sinne einer Anpassungsstörung, im vorliegenden Fall eine andere Reaktion auf eine schwere Belastung, mit erheblichen agoraphobischen und spezifischen phobischen Symptomen, verbunden mit Vermeidungsverhalten und stärkeren Einschränkungen und Beeinträchtigungen in der Leistungsfähigkeit, durch die Stressreaktion darauf auch somatoforme Symptome wie Magen- und Darmbeschwerden eine MdE von 30 v. H. vorgesehen. Für die nicht schädigungsbedingte depressive Episode mit mindestens mittelgradiger Symptomatik werde eine MdE unfallunabhängig von ebenfalls 30 v. H. begründet.

Bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Episode, derzeit mittelgradig, vor. Insoweit gebe es keinen wesentlichen Unterschied zur ICD-11. Außerdem bestehe eine Reaktion auf eine schwere Belastung nach ICD-10 F43.8. Diese umfasse auch die mehrfach benannte phobische Symptomatik, spezielle phobische Symptomatik, die Panikattacken aufgrund der damit verbundenen Stressreaktion, die somatischen Symptome wie Magen- und Darmbeschwerden sowie Übelkeit und Durchfälle.

Vor dem streitigen Ereignis habe eine Disposition für eine psychische Erkrankung bestanden, wie sie von der Therapeutin M5 beschrieben und von der Klägerin selbst bestätigt worden sei. Eine Angststörung oder andere Reaktion auf eine schwere Belastung habe vor dem Ereignis nicht vorgelegen, die depressive Störung sei zu diesem Zeitpunkt weitgehend kompensiert gewesen.

Die rezidivierende depressive Störung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das Unfallereignis nicht verursacht, sei im Vorfeld auch immer wieder im Kontext mit anderen Lebensbelastungen aufgetreten, sodass das erneute Aufkeimen nicht ursächlich rein auf den Unfallvorgang zurückgeführt werden könne. Die andere Reaktion auf eine schwere Belastung zeige sowohl inhaltlich als auch in der Entwicklung zeitlich einen deutlichen Zusammenhang zu dem Ereignis vom 18. September 2017. Vor dem Ereignis seien keinerlei ähnliche Symptome feststellbar gewesen, es hätten sich auch keinerlei Hinweise auf eine Neigung zu phobischen Symptomen gezeigt. Die Art der Reizauslösung, die damit verbundene Assoziationskette zum Unfallereignis, das bestehende Kontrollbedürfnis wiesen jeweils einen Bezug zum Unfallereignis auf. Dass im Verlauf eine gewisse Ausweitung auf andere nicht kontrollierbare Situationen eintrete, sei bei solchen Störungsentwicklungen häufig, auch dass bereits eine Erwartungsangst im Verlauf eintrete, dass wiederum eine Angstattacke oder Panikattacke entstehen könne, sodass die Personen immer wieder verunsichert würden und ihr Kontrollbedürfnis weiter steige, sie immer mehr Konfrontationen vermieden.

Die Ausprägung und Zunahme der Symptomatik sei erklärbar, weil bei entsprechender Vorschädigung und zusätzlich depressiver Symptomatik das Kompensationsvermögen bereits beeinträchtigt sei und deshalb eine Bewältigung des Ereignisses und der damit verknüpften Ängste im Verlauf nicht habe erfolgen können. Die Ängste hätten von Anbeginn des Unfalls an bestanden, seien nicht erst mit den dann entsprechenden Streitereien um die Entschädigung entstanden. Auch habe die Klägerin über einen sehr langen Zeitraum versucht, ihre Arbeitsfähigkeit aufrecht zu erhalten, was ihr letztlich nur mit erheblichem Kraftaufwand für eine gewisse Zeit gelungen sei, aber zu erheblichen Einschränkungen im sozialen Bereich geführt habe. Dabei sei ebenfalls im Verlauf eine Übersteigerung der Kompensationsfähigkeit zustande gekommen, sodass letztlich beim Einbruch nach der Reaktivierung 2018 dann die Ängste wiederum zugenommen hätten. Ein entsprechender Krankheitsvorteil sei nicht sichtbar, da die Klägerin nach den Klinikberichten immer sehr motiviert gewesen sei, eine Gesundung herbeizuführen, ständig nach entsprechenden Therapien suche, diese zum Teil selbst finanziere und ihre Arbeitsfähigkeit unbedingt wieder habe herstellen wollen, da sie darüber einen Großteil ihres Lebensinhaltes gesehen habe.

Aufgrund der Unfallfolgen habe Arbeitsunfähigkeit einmal direkt nach dem Unfallereignis bestanden, danach eine Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit über ein Jahr bis zu dem Vorfall im November 2018. Die erste Arbeitsunfähigkeit sei dann 2018 bestätigt worden, die Einbußen finanzieller Art ergäben sich aus den Gehaltsabrechnungen. Die Arbeitsunfähigkeit sei aber nur teilweise auf die Unfallfolgen zurückzuführen, ein anderer Teil bestehe aufgrund der rezidivierenden unfallunabhängigen depressiven Entwicklungen.

Beide Störungsbilder führten dazu, dass rückwirkend eine volle Arbeitsunfähigkeit durch die Rentenstelle bescheinigt worden sei, die aber nicht allein nur aufgrund der unfallabhängigen andauernden Reaktion auf eine schwere Belastung bestehe. Deshalb sei die MdE hierfür mit 30 v. H. anzusetzen, die für die unfallunabhängige Einschränkung ebenfalls mit 30 v. H..

Ergänzend hat sie weitere von der Klägerin übergebene Unterlagen vorgelegt, darunter die Behandlungsdokumentation der A4 Klinik 1.

Die Beklagte ist dem Sachverständigengutachten entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die Diagnose einer sonstigen Reaktion auf schwere Belastung unspezifisch sei und es in der ICD-10 keine Hinweise gebe, bei welchen konkreten Sachverhalten diese zu vergeben sei. Es handele sich um eine Hilfsdiagnose, wenn die Voraussetzungen der übrigen Diagnosen nicht erfüllt seien. Im Übrigen führe die ICD-11 die sonstige Reaktion auf schwere Belastung nicht mehr auf, sondern die Anpassungsstörung werde als vollwertige Diagnose geführt. Eine Anpassungsstörung sei weiterhin eine zeitlich begrenzte Störung, eine anhaltende Anpassungsstörung setze ein anhaltendes kritisches Lebensereignis voraus. Die Voraussetzungen einer anhaltenden Anpassungsstörung seien aber auch deshalb nicht erfüllt, weil das Unfallereignis nachweislich zu keiner körperlichen Schädigungsfolge geführt habe, die als Ursache für eine über einen so langen Zeitraum anhaltende Anpassungsstörung in Betracht kommen könne.

Kennzeichnend für eine unfallbedingte psychische Gesundheitsstörung sei ein Verlauf mit zunächst deutlichen Beschwerden zeitnah zum Unfallereignis, die im weiteren Verlauf zurückgingen und sich im Regelfall nach entsprechender Behandlung vollständig zurückbildeten. Bei der Klägerin liege ein gegensätzlicher Verlauf vor, die Arbeitsunfähigkeit ab 23. November 2018 sei wegen einer rezidivierenden depressiven Störung und damit einer unfallunabhängigen Erkrankung bescheinigt worden.

Letztlich habe die Klägerin bei den vorangegangenen Untersuchungen spontane Flash-Backs und motivische Alpträume verneint, während sie nunmehr – sechs Jahre nach dem Ereignis – solche angebe, zumal die Schilderungen mit dem Unfallereignis nicht in Übereinstimmung zu bringen seien.

Die Klägerin hat eine von ihr veranlasste Stellungnahme der Sachverständigen E1 vom 17. April 2024 vorgelegt. Diese hat dargelegt, dass die Diagnose einer anderen Reaktion auf schwere Belastung gestellt worden, nachdem eine PTBS nicht zu diagnostizieren gewesen sei. Die Diagnose sei in der ICD-11 weiter enthalten (6B4Y). Zum regelhaften Verlauf von unfallbedingten Gesundheitsstörungen habe sie bereits ausreichend Stellung genommen. In den Krankschreibungen seien fehlerhaft offensichtlich nicht alle Diagnosen benannt worden. Zu den Ausführungen von S1 habe sie ebenfalls bereits ausführlich Stellung genommen. N1 weise nach einem Testergebnis auf die Frage einer nicht authentischen Beschwerdeschilderung hin, ordne aber alle festgestellten Gesundheitsstörungen als unfallbedingt ein. Bei ihrer Untersuchung habe lediglich eine gewisse Verdeutlichung festgestellt werden können, aber keine Anzeichen für Simulation. Auf die Ausführungen des N1 gehe die Beklagte nicht ein, weil dieser zu einer anderen Beurteilung komme als L1 und S1. Die Ausführungen der Beklagten seien nicht geeignet, die bisherige Beurteilung zu revidieren.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 9. Februar 2023, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung von Verletztengeld, Verletztenrente und Heilbehandlung unter Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 28. Mai 2020 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 4. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte die Unfallfolgen zutreffend festgestellt und einen weiteren Leistungsanspruch der Klägerin abgelehnt. Das Sachverständigengutachten E1 überzeugt aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht und führt deshalb zu keiner anderen Beurteilung. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (§§ 8, 9 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R –, juris, Rz. 12).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der jeweilige Versicherungsfall eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.

Die unfallversicherungsrechtliche Zurechnung setzt erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele („conditio sine qua non“). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der „Conditio-Formel“ eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht („ex post“) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie auch zur MdE reichen, derentwegen das SGB VII mit der Rente ein Leistungsrecht vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Erstschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfall-versicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungs-rechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstat-bestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R –, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 – B 2 U 9/07 R –, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 43, Rz. 17).

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196 <203> und vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R –, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 – L 6 U 50/15 –, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 – L 6 U 4796/13 –, juris, Rz. 37), wobei von einem normativ-funktionalen Krankheitsbegriff auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R –, juris, Rz. 22 m. w. N.), die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr 3, Rz. 17 m. w. N.).


Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 4. Dezember 2019 – für den Senat bindend (§ 77 SGG) – das Ereignis vom 18. September 2017, das Verlassen des Bürogebäudes wegen der Verrauchung, als Arbeitsunfall und Teilelemente einer PTBS im Sinne einer ängstlichen phobischen Reaktion auf das Geräusch des Martinshorns und Rauch als Teilsymptome einer PTBS bei fehlendem Vollbild einer PTBS mit vorübergehender Behandlungsbedürftigkeit bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung sowie eine folgenlos ausgeheilte Inhalation von Rauchgas als Unfallfolge anerkannt. Als Unfallfolge abgelehnt worden ist eine rezidivierende depressive Störung sowie eine Angst und Depression gemischt.

Die Beklagte hat damit zur Überzeugung des Senats die Unfallfolgen zutreffend festgestellt und die Gewährung einer Verletztenrente mangels rentenberechtigender MdE abgelehnt. Anhaltspunkte für einen Stützrententatbestand (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) sind weder geltend gemacht, noch sonst ersichtlich.

Der Sachverständige S1 hat auch für den erkennenden Senat überzeugend dargelegt, dass bereits nicht erwiesen ist, dass es sich um authentische Schilderungen der Klägerin zu ihren Beschwerden handelt. Er verweist hierzu auf die Ergebnisse der Testverfahren bei dem Gutachten des N1, die er als hoch auffällig und selbst für eine Gutachtensituation als ungewöhnlich beschreibt. In Rechnung zu stellen ist dabei insbesondere, dass die Klägerin gegenüber S1 durchaus das Bestehen sozialer Kontakte eingeräumt und M2 in ihrem Verlaufsbericht dargelegt hat, dass Sport und bestehende Interessen als tagesstrukturierende Elemente eine positive Wirkung auf den Genesungsprozess zeigten, was ebenfalls gegen die behauptete Inaktivität spricht. Die Sachverständige E1 hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme im Übrigen auch einräumen müssen, dass sich bei ihrer Untersuchung Anhaltspunkte für Verdeutlichungen ergeben haben, was sich nicht dadurch relativieren lässt, dass sie die Grenze für eine Simulation als nicht überschritten bezeichnet.

Dies wird durch die klinischen Befunde des S1 untermauert. Er hat aufgezeigt, dass die Konzentration bei geklagten Konzentrationsstörungen auffallend wechselhaft gewesen ist, die zu objektivieren Einschränkungen aber als persönlichkeitseigener Stil und nicht als eigentliche Konzentrationsstörungen zu werten sind. Die Auffassung war gut, eine Erschöpfung während des Gesprächs nicht festzustellen. Ebenso hat er eine wechselhafte Psychomotorik befundet, die sich darin äußerte, dass die Klägerin themenbezogen durchaus in der Lage war, sich mit fester Stimme, Entschlossenheit, klaren Sätzen und lebhafter Gestik zu äußern. Weder Weinen noch Gereiztheit im Gesprächsverlauf waren zu beobachten. Die Angaben zu extremer Erschöpfung und Antriebslosigkeit konnten während der Untersuchung ebenfalls nicht objektiviert werden. Schwankungen zeigten sich themenbezogen auch im formalen Gedankengang. S1 hat somit deutliche Diskrepanzen zwischen dem Beschwerdevorbringen und dem tatsächlichen Befund gesichert. Solche zeigten sich auch bei den demonstrierten Gleichgewichtsstörungen, für die eine neurologische Ursache nicht erkennbar gewesen ist.

Zum Verlauf nach dem Unfallereignis hat L1, dessen Gutachten im Verwaltungsverfahren der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), überzeugend herausgearbeitet, dass bei beschriebener Verschlechterung ab November 2018 nur Diagnosen im Zusammenhang mit der depressiven Störung beschrieben worden sind, die – so der Gutachter – vorbestehend war. Insbesondere hat er hinsichtlich der stationären Behandlung in S3 2019 nicht nur auf die gestellten Diagnosen – die keinen Traumabezug aufweisen – verwiesen, sondern aus fachlicher Sicht ausgewertet, dass die dokumentierten Befunde denen einer Depression entsprechen und nicht als Traumafolge zu werten sind.

Die überzeugende Schlussfolgerung des L1, dass unfallunabhängige Faktoren in der Gesamtproblematik im Vordergrund stehen und die Unfallfolgen für die Bemessung der MdE deshalb nicht ins Gewicht fallen, sind von S1 schlüssig damit untermauert worden, dass er auf eine Verschiebung der Wesensgrundlage hingewiesen und damit die rechtliche Wesentlichkeit des Unfallereignisses für die gesundheitlichen Einschränkungen verneint hat. Er hat ausführlich beschrieben, dass Angststörungen nach Unfällen gehäuft auftreten, ohne dass eine direkte oder ausschließliche Verursachung zu belegen ist. Weiter zeigt er auf, dass dies in höherem Maße bei vorbestehenden psychischen Auffälligkeiten, wie sie sich bei der Klägerin finden, gilt und neben dem Missverhältnis zwischen der einwirkenden Schädigung und der Intensität sowie der Dauer der psychischen Symptomatik auch ein crescendoartiger Verlauf gegen einen Zusammenhang spricht. Reaktive psychische Störungen pflegen nämlich, so S4 weiter, in der Regel tendenziell abzuklingen, am häufigsten sogar auszuheilen.

Bei der Klägerin verweist der Sachverständige indessen darauf, dass nach einer unstrittigen Primärreaktion ein vorübergehendes Abklingen festzustellen war und es dann zu einer crescendoartigen Zunahme mit veränderter symptomatischer Akzentuierung gekommen ist, was er als deutliches Zeichen für eine Verschiebung der Wesensgrundlage wertet. Eine MdE von wenigstens 10
  v. H. über die 26. Woche nach dem Unfallereignis hinaus sieht der Sachverständige nicht, eine solche ist von L1 ebenfalls nicht angenommen worden.

Dies wird gestützt von den Darlegungen des L1, dass die von der Klägerin aufgrund ihrer eigenen medizinischen Beurteilung – für die ihr die Sachkunde fehlt – angenommene „Re-Traumatisierung“, mit Zunahme einer posttraumatischen Symptomatik aus einem Gelegenheitsanlass heraus, aus fachlicher Sicht unplausibel ist.

Die Schlussfolgerungen des N1 überzeugen indessen nicht. S1 hat nachvollziehbar dargelegt, dass dieser die von ihm erhobenen Befunde nicht kritisch gewürdigt hat (zu diesen vgl. oben) und deshalb schon von nicht erwiesenen Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist, sodass seine Beurteilung auf keiner tragfähigen Grundlage basiert. M3 hat beratungsärztlich damit zu Recht ausgeführt, dass die Beschwerden nur teilweise als authentisch betrachtet werden können, zumal N1 den klinischen Verlauf mit verzögerten Symptomen nicht beachtet hat.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Klägerin der nachhaltigen Auffassung ist, unter einer unfallbedingten PTBS zu leiden. Auch zur Überzeugung des Senats, wie aller gehörten Gutachter und Sachverständiger, liegt eine solche nicht vor.

Die Beurteilung der Frage, ob eine PTBS vorliegt, hat sich nach der Rechtsprechung des BSG und dem folgend des Senats (vgl. Senatsurteile vom 27. August 2015 – L 6 VS 4569/14 –, juris, Rz. 34 und vom 23. Juni 2016 – L 6 VH 4633/14 –, juris, Rz. 58 ff.) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der ICD-10 und der DSM-5 zu orientieren. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr. 3).

Beide Diagnosesysteme setzen ein sogenanntes Eingangskriterium voraus, also ob das vorgegebene Ereignis nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand geeignet ist, eine PTBS hervorzurufen, ferner syndromale Kriterien wie Vermeidungsverhalten (vgl. dazu Widder, Die neuen Diagnosekriterien nach DSM-5 und ICD-11 bei der Begutachtung psychischer Schädigungsfolgen, MedSach 2020, S. 102, 103 f.).

Nach ICD-10 F43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis zu sechs Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.

Das neue ab 1. Januar 2022 in Kraft getretene, aber in Deutschland noch nicht zur vertragsärztlichen Behandlung freigegebene Diagnosesystem ICD-11 hat die PTBS bei inhaltlich unveränderter Beschreibung insofern konkreter gefasst, als das Traumakriterium nun extrem bedrohlicher oder entsetzlicher Art sein muss. Das Symptommuster umfasst das Wiedererleben in der Gegenwart (Ereignisse werden sinnlich als noch einmal im Hier und Jetzt geschehend erfahren) durch Albträume, die Vermeidung (Erinnerungsanlässe, die wahrscheinlich zu einem Wiedererleben der traumatischen Ereignisse führen) und die Überregung (erhöhte Wachsamkeit oder gesteigerte Schreckreaktion durch die subjektive Wahrnehmung einer anhaltenden Bedrohung). Somit sind unspezifische Symptome wie Schlafstörungen etc. nicht mehr typische Symptome einer PTBS. Die Verursachung erheblicher Beeinträchtigungen wird in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen gefordert (ICD-11 6B40).

Nach DSM-5 gelten folgende Grundsätze: Das Hauptmerkmal der PTBS ist die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis besteht in erster Linie in dem direkten persönlichen Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit auch sexueller Art zu tun hat (Kriterium A1). Daneben wird aber auch der Augenzeuge, weiter das indirekte erfahren, dass ein naher Verwandter oder ein Freund einem traumatischen Ereignis ausgesetzt war oder die Konfrontation mit Details von traumatischen Ereignissen (z. B. als Ersthelfer, Polizist), eventuell auch als Konfrontation durch elektronische Medien für ausreichend erachtet (Kriterium A2 bis 4). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss ein Wiedererleben sein (Kriterium B1), dass sich entweder/und in wiederkehrenden Erinnerungen, traumatischen Albträumen, dissoziativen Reaktionen (z. B. Flashbacks), intensivem oder langanhaltendem Stress wie markante physiologischen Reaktionen äußert. Charakteristische Symptome (Kriterium C1) sind die andauernde Vermeidung von traumaassoziierten Reizen, Gedanken oder Gefühle, aber auch externer Art (z. B. Menschen, Orte, Unterhaltungen, Tätigkeiten, Objekte oder Situationen). Daneben besteht eine negative Veränderung von Gedanken und Stimmung (Kriterium D1 bis 7). Der Betroffene ist entweder/und unfähig, sich an wichtige Merkmale des traumatischen Erlebnisses zu erinnern (dissoziative Amnesie) leidet an Schuld-, Scham-, Angst-und Wutgefühlen, vermindertem Interesse an wichtigen Tätigkeiten, dem Gefühl, anderen fremd zu sein, wie der Unfähigkeit, positive Emotionen zu empfinden. Weiter muss eine Veränderung des Erregungsniveaus und der Reaktivität (Hyperarousal) vorliegen (Kriterium E1 bis 6). Das Störungsbild, das nicht Folge von Medikamenten, Substanzeinnahme oder anderen Krankheiten sein darf (Ausschlusskriterium G), muss länger als einen Monat anhalten (Kriterium F) und die Störung muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (Kriterium G).

Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird unterschieden zwischen der akuten PTBS (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen PTBS (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der PTBS mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer PTBS beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.

Die nach den beiden Klassifikationssystemen notwendigen Kriterien bzw. dafür erforderlichen Unterkriterien müssen im Vollbeweis feststehen, um die Diagnose einer PTBS stellen zu können. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen (Kriterien B bis D, ggfs. E und F) bezieht sich diese Anforderung auf den aktuellen Gesundheitszustand des Geschädigten.

Insbesondere, wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht bereits unmittelbar nach dem Ende der Traumatisierung auftreten oder seitdem ununterbrochen bestehen, es also an Brückensymptomen fehlt, muss die Zusammenhangfrage besonders sorgfältig geprüft werden und ist nur anhand eindeutiger objektiver Befunde zu bejahen, was sich auch aus Anforderungen der früheren Anhaltspunkte (AHP) ergibt. Die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang ist erst dann zu stellen, wenn die Diagnose positiv feststeht (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Dezember 2010 – B 9 VH 3/09 B –, Rz. 14, juris; Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B –, Rz. 16, juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Sachverständige S1 überzeugend herausgearbeitet, dass das Eingangskriterium bei der Klägerin nicht erfüllt ist. Der Entstehungsmechanismus der Erkrankung ist, so der Sachverständige, durch einen Zustand eines hilflosen Ausgeliefertseins gekennzeichnet, in dem die angeborenen Kampf- und Fluchtmechanismen nicht zum Einsatz kommen können. Dies führt zu einer Deregulation von Kreislaufmechanismus und psychischen Dissoziationszuständen. Ein Zustand des hilflosen Ausgeliefertseins hat S1 in Anbetracht des tatsächlichen Geschehensablaufs schlüssig verneint, da die Klägerin in einem sehr aktiv bewältigenden Fluchtmodus, also keinesfalls der Situation ausgeliefert war. Sie selbst hat dem Sachverständigen nämlich beschrieben, dass sie, nachdem sie den Rauch entdeckt hatte, klar und fokussiert gewesen ist. Das wird rein tatsächlich eindrucksvoll dadurch dokumentiert, dass sie in der Lage war, noch ihre Sachen zusammenzupacken, erst danach das Gebäude über den verbleibenden Fluchtweg verlassen hat. Sie hat also keinesfalls panisch, sondern planvoll agiert. Dies korrespondiert mit der Feststellung in der Ermittlungsakte, dass für die Klägerin objektiv zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestanden hat.

Weiter hat S1 aus medizinischer Sicht dargelegt, dass weder aktuell noch früher typische Symptome einer PTBS geschildert wurden. Deutlich herausgestellt hat er dabei zum zeitlichen Verlauf nochmals, dass sich erst nach dem Verlassen des Gebäudes pathologische Befunde bei der Klägerin gezeigt haben, die folgerichtig im Sinne einer akuten Belastungsreaktion gewertet worden sind. Die medizinischen Voraussetzungen für eine PTBS sind von L1 und N1 ebenfalls mangels beschriebener Symptomatik verneint worden.

Die diagnostischen Ausführungen der Rehabilitationsklinik A2  ehen daher fehl. Bereits M3 hat beratungsärztlich zu Recht bemängelt, dass es am Eingangskriterium fehlt und weder diagnostische Befunde noch testpsychologische Befunde mitgeteilt werden, die die Diagnose stützen. Die von der Klägerin veranlasste ergänzende Stellungnahme der Klinik führt zu keiner anderen Beurteilung, da auf das entscheidende Eingangskriterium nicht eingegangen, sondern stattdessen postuliert wird, dass das diagnostische Interview das Mittel der Wahl bleibe und aufgrund ausreichender Hinweise keine weitere Diagnostik notwendig gewesen sei. Die ergänzenden Ausführungen tragen somit nichts zur Plausibilisierung der Diagnose bei, sondern belegen lediglich, dass die Klinik der – irrigen – Auffassung ist, sich allein auf subjektive Angaben der Klägerin stützen zu können, ohne das Eingangskriterium anhand objektivierter Tatsachen bewerten zu müssen. Dass die Angaben hinterfragt oder auf ihre Authentizität geprüft worden wären – wozu nach den Darlegungen des S1 Veranlassung bestand (vgl. oben) – lässt sich ebenfalls nicht erkennen. Zwar mag es, wie S1 darlegt, dem therapeutischen Prozess dienlich sein, die Behandlung anhand einer Arbeitsdiagnose durchzuführen, die ein zielgerichtetes Arbeiten mit dem Patienten ermöglicht, jedoch ist dies mit Sinn und Zweck der Klassifikation von Krankheiten nach einem Diagnosesystem in keiner Weise vereinbar.

Eine PTBS hat zuletzt die Sachverständige E1 nicht bestätigen können und sich damit den Vorgutachten angeschlossen. Dass die Diagnosestellung der A4 Klinik 1 schon deshalb verfehlt ist, weil eine Auseinandersetzung mit dem strittigen Ereignis gänzlich unterbleibt, hat sie – korrespondierend zu den Vorgutachten – ebenfalls bestätigt.

Im Übrigen vermochte das Sachverständigengutachten E1 nicht zu überzeugen, sodass sich der Senat diesem nicht anschließt. Die Sachverständige differenziert bereits nicht zwischen der Wiedergabe der Aktenlage, den medizinischen Anknüpfungsbefunden, den subjektiven Schilderungen der Klägerin und den von ihr selbst erhobenen Befunden.

Mit den tragenden Ausführungen des Sachverständigen S1, dass von einem authentischen Beschwerdevorbringen der Klägerin nicht ausgegangen werden kann, was er sowohl mit dem Ergebnis der Testverfahren bei dem Gutachter N1 und mit seinem fachkundig erhobenen klinischen Befund begründet (vgl. oben), setzt sich die Sachverständige nicht auseinander. Stattdessen werden sämtliche Beschwerdeangaben unkritisch übernommen, allein hieraus medizinische Schlussfolgerungen gezogen und damit die tatsächlichen medizinischen Befundunterlagen in Frage gestellt, was nicht überzeugen kann. Dass sie selbst Hinweise für Verdeutlichungen erhoben hat, wie sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme einräumt, würdigt sie nicht, sondern meint den Ergebnissen deshalb keine Bedeutung beimessen zu müssen, weil die Grenze zur Simulation nicht überschritten sei (vgl. bereits oben). Es wird somit deutlich, dass die Sachverständige sich nicht, wie S1, von den Darlegungen der Klägerin – insbesondere ihrer eigenen Beantwortung der an S1 gerichteten Beweisfragen – hat hinreichend abgrenzen können, sondern ihre Beurteilung vielmehr ausschließlich hierauf stützt.

Dass die Angaben der Klägerin kritisch zu hinterfragen gewesen wären, wird daran deutlich, dass sie gegenüber der Sachverständigen behauptet hat, Angst gehabt zu haben, weiter Auto zu fahren, aus Angst, dass etwas passiere. Die Tatsache, dass die Klägerin indessen dem Gutachter N1 davon berichtet hat, dass die letzte längere Strecke, die sie gefahren ist, die Fahrt in die Klinik S3 gewesen sei, würdigt die Sachverständige nicht, verkennt also die tatsächlichen Gegebenheiten und zieht demzufolge die falschen Schlüsse. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Symptomatik einerseits so ausgeprägt gewesen sein soll, dass das Autofahren nicht mehr möglich gewesen ist, aber gerade die Fahrt zur stationären psychiatrischen Behandlung erfolgreich mit dem Auto zurückgelegt wird. Entsprechendes gilt dafür, dass die Klägerin mehrfach behauptet hat, ihr Auto oft nicht mehr zu finden, nicht mehr zu wissen, weshalb sie die Fahrt habe unternehmen wollen oder sich zu verfahren. Dieses Vorbringen lässt sich mit der behaupteten faktischen Unmöglichkeit der Nutzung des Autos nicht vereinbaren.

Mit dem Umstand, dass die Klägerin mehrfach auf eine Verschlechterung des Asthmas verweist, eine solche aber lungenfachärztlich nicht bestätigt wurde, setzt sich die Sachverständige ebenfalls nicht auseinander. Bereits dem Befundbericht des K2 vom Unfalltag ist nämlich in aller Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich lungenfunktionell sogar ein Normalbefund zeigte, der sich in den nachfolgenden Untersuchungen bestätigt hat. Entsprechendes gilt dafür, dass es bei angegebenen schwerwiegenden Magen-Darm-Problemen nicht nachvollziehbar ist, dass mehrfach, zuletzt durch S1 ein unauffälliger Kräfte- und Ernährungszustand befundet worden ist. Dass die Klägerin über bis zu zwei Wochen faktisch nichts esse, wie sie der Sachverständigen berichtet hat, ist vor diesem Hintergrund schlicht unplausibel. Gleiches gilt für die Behauptung der Vernachlässigung der Körperpflege, sie wird im Gegenteil als sehr gepflegt geschildert. Angesicht der gezeigten Konzentrationsfähigkeit bei der mehrstündigen Exploration ist auch die Behauptung von regelmäßigen Schlafproblemen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, all das hätte von der Sachverständigen kritisch hinterfragt werden müssen.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Schilderungen der Klägerin zu dem Verhalten der Feuerwehr mit den polizeilichen Ermittlungsergebnissen nicht korrelieren. So ist den Angaben des Feuerwehrmannes, der die Büroräume kontrolliert hat, zu entnehmen, dass er das Gebäude ohne Atemschutz betreten konnte, sodass eine Verrauchung der Gänge – die die Klägerin beschreibt – zu dem Zeitpunkt der Kontrolle nicht plausibel ist. Die Ermittlungen sind somit nicht im Sand verlaufen, wie die Klägerin behauptet, sondern ein strafrechtliches relevantes Fehlverhalten des Feuerwehrmannes war schlicht nicht zu beweisen. Abgesehen davon bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin überhaupt einen Feuerwehrmann auf den Gängen im Gebäude gesehen hat, weil ihre Tür entweder geschlossen oder angelehnt war – insoweit differieren die Angaben – und sie nur das Geräusch eines Funk-Gesprächs vernommen haben will, während sie aber selbst telefoniert hat. Dass sie das Funkgespräch eines Feuerwehrmannes mitbekommen hat, stellt letztlich nur eine Mutmaßung von ihr dar.

Mit den eingehenden Ausführungen des L1 zu dem Entlassungsbericht der Klinik S3 setzt sich die Sachverständige E1 nicht auseinander. Dieser hat sich nämlich (vgl. oben) nicht nur mit den Diagnosen befasst, sondern aus medizinischer Sicht überzeugend dargelegt, weshalb die beschriebene Symptomatik einer Depression entspricht und eben nicht mit einem Trauma in Verbindung steht. Hierauf hat S1, wie zuvor schon der Beratungsarzt M3, ebenfalls hingewiesen. Dies meint die Sachverständige E1 zu Unrecht deshalb übergehen zu können, weil die Klägerin eine andere Symptomatik beschreibe, die in der Untersuchung nochmals eruiert worden sei. Faktisch wird damit die medizinische Beurteilung der Klinik durch die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin ersetzt und deren medizinische Sichtweise – für die ihr die Sachkunde fehlt – von der Sachverständigen E1 als medizinischer Anknüpfungspunkt gewählt, was nicht überzeugen kann. Dass die Klinik die Vorgeschichte durchaus gewürdigt hat, folgt aus der Behandlungsempfehlung, ändert aber nichts an den dokumentierten medizinischen Befunden, wie sie L1 ausgewertet hat.

Dass es seit der Untersuchung bei L1 zu einer deutlichen Ausweitung der Symptomschilderung durch die Klägerin gekommen ist, würdigt die Sachverständige E1 ebenfalls nicht, sondern legt diese unkritisch ihrer Beurteilung zu Grunde. Weitergehend mutmaßt sie, dass L1 einen unzureichenden ärztlichen Befund erhoben hat, nur weil M2 kurz darauf einen schwerwiegenderen Befund angegeben habe. Unabhängig davon ob Dipl.-Psych. überhaupt ärztliche Diagnosen stellen können, räumt die Sachverständige E1 selbst ein, dass aus den Berichten von M2 keine traumabezogenen Diagnosen folgen, was den Schlussfolgerungen des L1 somit nicht entgegensteht. Dass diese in ihrem Erstbericht vermerkt hat, dass keine psychischen Vorerkrankungen bekannt seien, ihre Einschätzungen also erkennbar auf einer unzureichenden Kenntnis der Vorbefunde beruhen, übergeht die Sachverständige E1 vollständig. Dass und warum den Bewertungen des N1 nicht zu folgen ist, ist oben bereits dargelegt worden. Mit den Einwendungen des S1 gegen das Gutachten setzt sich die Sachverständige E1, auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme, ebenfalls nicht auseinander. Anders als die Sachverständige glauben machen will, übergeht die Beklagte das Gutachten des N1 nicht, sondern dessen umfangreiche Auswertung hat ergeben, weshalb diesem nicht gefolgt werden konnte. Zu einer Wiederholung der entsprechenden Darlegungen bestand keine Veranlassung.

Die Sachverständige geht weiter fehl in der Annahme, die nicht objektivierten medizinischen Befunde mit dem Hinweis übergehen zu können, dass von den Behandlern ein falscher Behandlungsschwerpunkt gesetzt worden sei. Selbst wenn dies zutreffend wäre, änderte es nichts an der fehlenden Objektivierung der medizinischen Befunde, derer es aber bedarf, um daraus forensische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Entsprechendes gilt dafür, dass sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme mutmaßt, in den Krankschreibungen könnten fehlerhaft nicht alle Diagnose benannt worden sein. Wenn sie weiter meint, es sei deshalb zu einer Chronifizierung der nunmehr von der Klägerin geschilderten Beschwerden gekommen, sind diese Darlegungen rein spekulativ.

Der Hinweis des Gutachters L1, dass die Klägerin die Tätigkeit wieder aufgenommen und gut ein Jahr gearbeitet hat, steht erkennbar im Zusammenhang mit der Ausprägung der posttraumatischen Symptomatik – insbesondere der möglichen Rückkehr in das Gebäude und damit Konfrontation mit dem Ereignis – und entspricht den Angaben der Klägerin. Dies wird in seiner Richtigkeit nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Sachverständige E1 glauben machen will, die Klägerin habe die Tätigkeit nicht wieder aufgenommen, weil sie über ein eingeschränktes Leistungsvermögen von nur noch sechs Stunden berichtet habe. Tatsächlich ist eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht bescheinigt worden, mithin fehlt es an entsprechenden medizinischen Feststellungen zu einer solchen. Eine teilweise Arbeitsunfähigkeit gibt es gerade nicht. Soweit die Klägerin gegenüber der Sachverständigen häufige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht hat, ergeben sich solche aus dem Vorerkrankungsverzeichnis, dass die Beklagte bereits eingeholt hatte und dass die Klägerin der Sachverständigen nochmal vorgelegt hat, bis November 2018 gerade nicht, was sie aber nicht würdigt.

Nach der bekannten Arbeitsunfähigkeit bis 16. Oktober 2017 sind weitere vom 3. bis 12. Januar 2018, 23. bis 24. April 2018 und 8. bis 16. November 2018 dokumentiert. Von einer häufigen Arbeitsunfähigkeit kann damit keine Rede sein. Im Übrigen sind die Krankschreibungen wegen einer akuten Infektion der oberen Atemwege, einer nichtinfektösen Gastroenteritis und sonstigen Enthesopathien erfolgt, also schon nicht aus psychischen Gründen. Dies dokumentiert also im Gegenteil die Arbeitsfähigkeit über einen längeren Zeitraum.

Soweit die Sachverständige E1 der Meinung zu sein scheint, den von L1 und S4 anhand der Aktenlage überzeugend herausgearbeiteten Crescendoverlauf deshalb übergehen zu können, weil sich ein solcher aus den Schilderungen der Klägerin nicht ergebe, stellt sie wiederum die subjektiven Angaben über die objektivierten Befunde und geht damit erneut von nicht erwiesenen Anknüpfungstatsachen aus. L1 und S1 haben nur auf die multifaktorielle Verursachung von Angst und Depressionen hingewiesen und darauf, dass diese häufig anlagebedingt sind. Dass Anpassungsstörungen im Zusammenhang mit einem konkreten Ereignis stehen, legt S1 selbst dar.

Dies gilt in gleicher Weise dafür, dass die Sachverständige E1 die Angaben der Klägerin, wonach der „anschließende Streit mit der Unfallversicherung“ das Ganze noch weiter aufrechterhalten habe, unkritisch übernimmt und nicht mit der Aktenlage abgeglichen hat. Aus dieser folgt nämlich, dass die Beklagte zwar unmittelbar nach dem Ereignis Ermittlungen durchgeführt hat, daran anschließend aber keine Anhaltspunkte für Streitigkeiten bestehen. D4 hat vielmehr am 11. Oktober 2017 die beabsichtigte Wiederaufnahme der Arbeit mitgeteilt. Tatsache ist weiter, dass die Ermittlungen erst wieder aufgenommen worden sind, als die Klägerin am 5. Februar 2019 (vgl. den Telefonvermerk) ihre erneute Arbeitsunfähigkeit seit November 2018 der Beklagten mitgeteilt hat. H4 hat in diesem Zusammenhang aber erneut nur über eine rezidivierende depressive Störung berichtet.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin gegenüber der Sachverständigen selbst angegeben hat, sich eine finanzielle Absicherung zu wünschen und den sozialen und finanziellen Abstieg beklagt hat, sodass es nach ihren eigenen Erhebungen nicht nachvollziehbar ist, wenn sie behauptet, ein Krankheitsvorteil sei nicht ersichtlich.

Abgesehen davon, dass Ausführungen der Sachverständigen E1 in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugen, verkennt sie den rechtlichen Prüfungsmaßstab der gesetzlichen Unfallversicherung. Wie oben dargelegt, bedarf es einer zweistufigen Prüfung der Kausalität und es reicht gerade nicht aus, dass das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden kann, sondern dieses muss daneben die rechtlich wesentliche Ursache sein und bleiben. Diesen Maßstab verkennt die Sachverständige, indem sie die zweite Stufe der Kausalitätsprüfung übergeht und stattdessen immer wieder auf das Unfallereignis rekurriert. Demgegenüber hat S1 den rechtlichen Prüfungsmaßstab erkannt und auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung die rechtliche Wesentlichkeit untersucht und überzeugend eine Verschiebung der Wesensgrundlage herausgearbeitet (vgl. oben). Wenn die Sachverständige E1 dem letztlich allein mit dem Hinweis entgegentritt, dass das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden könne, setzt sie sich mit der zweiten Prüfungsstufe gerade nicht auseinander und verweist unzutreffend auf die erste, sodass sie letztlich zu einer monokausalen Betrachtungsweise gelangt, was den Vorgaben der gesetzlichen Unfallversicherung nicht entspricht. Dass sie darüber hinaus von nicht erwiesenen Anknüpfungstatsachen ausgeht, ist oben bereits dargelegt worden. Diese bezieht sie zusätzlich in ihre Kausalitätsprüfung mit ein, was ebenfalls nicht überzeugt.

Wenn sich die Sachverständige E1 mehrfach darauf stützt, dass die Klägerin rückwirkend berentet worden sei, verkennt sie, dass es in der Rentenversicherung keiner kausalen, sondern einer finalen Prüfung bedarf. Es kommt also nur auf das eingeschränkte zeitliche Leistungsvermögen an, nicht aber auf die Ursache dieser Einschränkungen. Abgesehen davon übersieht sie, dass sie selbst dargelegt hat, weshalb die diagnostischen Schlussfolgerungen der Rehabilitationsklinik unzutreffend sind, sodass auch deren Leistungseinschätzung zu hinterfragen wäre.

Vor dem Hintergrund der Verkennung der rechtlichen Prüfungsmaßstäbe kann die Auseinandersetzung der Sachverständigen E1 mit den Vorgutachten nicht überzeugen, sodass diese nicht geeignet ist, diese inhaltlich in Frage zu stellen. Ausgehend von ihrem monokausalen Verständnis greift die Sachverständige nur einzelne Aspekte aus den Vorgutachten heraus, die sie ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs und des jeweils argumentativen Gedankengangs des Sachverständigen in Zweifel ziehen möchte.

So hat S1 (vgl. bereits oben) keineswegs die Bedeutung des Unfallereignisses angezweifelt, sondern auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung dessen (fortbestehende) rechtliche Wesentlichkeit verneint. Auch verkennt sie, dass der Sachverständige in keiner Weise die Vorerkrankungen in Frage gestellt hat, sondern die Aktenlage ausgewertet, die Vorbefunde gewürdigt und lediglich darauf hingewiesen hat, dass er in seiner aktuellen Untersuchung keine depressive Symptomatik feststellen konnte. S1 ist somit seiner Aufgabe als Sachverständiger gerecht geworden, die Aktenlage und die Vorbefunde aus fachlicher Sicht zu bewerten und die so gewonnenen Erkenntnisse in Bezug zu den eigenen Untersuchungsergebnissen zu setzen.

Ebenso trifft es nicht zu, wenn die Sachverständige E1 behauptet, M3 verwechsele in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen Folgen und Ursachen der psychischen Störungen. Vielmehr sind auch dessen Ausführungen an der zweistufigen Kausalitätsprüfung ausgerichtet und entsprechen den rechtlichen Maßstäben.

Nachdem dem Sachverständigengutachten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen somit nicht gefolgt werden kann, kommt es auf ihre diagnostische Einordnung ebenso wenig an, wie auf ihre rechtliche Beurteilung der MdE. Es kann deshalb dahinstehen, ob die von ihr gewählte Diagnose in der ICD-11 noch enthalten ist oder nicht, da die Sachverständige von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgeht. Die Einschätzung der MdE kann aber auch deshalb nicht überzeugen, weil das Ausmaß der Beeinträchtigungen der Klägerin nicht verifiziert worden ist und aus der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung keine Rückschlüsse auf die MdE gezogen werden können.

Die Beklagte hat daher zu Recht einen Anspruch auf Verletztenrente verneint.

Aus Vorstehendem folgt gleichzeitig, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztengeld nach §§ 44 ff. SGB VII hat, da eine weitergehende unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht bestanden hat. Diese ist vielmehr durch unfallabhängige Erkrankungen bedingt gewesen, wie sich zum einen aus den dokumentierten Befunden sowie aus den überzeugenden Ausführungen des L1 ergibt, dass die verbliebenen Unfallfolgen einer beruflichen Tätigkeit nicht entgegenstehen. Diesen hat sich S1 ausdrücklich angeschlossen.

Ebenso besteht kein weitergehender Anspruch auf Heilbehandlung (vgl. §§ 26 ff. SGB VII). Es kann daher dahinstehen, dass der Anspruch auf Heilbehandlung als Sachleistungsanspruch ausgestaltet und deshalb einem Grundurteil (vgl. § 130 SGG) nicht zugänglich ist. Einen Kostenerstattungsanspruch hat die Klägerin nicht geltend gemacht, abgesehen davon, dass die Behandlungskosten nach dem eigenen Bekunden der Klägerin wohl überwiegend durch die Krankenkasse getragen worden sind. Inwieweit entsprechende Anträge bei der Beklagten überhaupt gestellt worden sind bzw. für diese ein unfallbedingter Behandlungsbedarf erkennbar geworden ist, was überhaupt erst einen Kostenerstattungsanspruch auslösen vermag, kann somit dahinstehen.

Weiterer Ermittlungsbedarf hat nicht bestanden. Der Sachverhalt ist durch die durchgeführten Ermittlungen vollständig aufgeklärt. Einer ergänzenden Befragung der Sachverständigen E1 bedurfte es nicht, den entsprechenden Antrag der Klägerin hat der Senat abgelehnt. Die aufgeworfenen Fragen sind von der Sachverständigen bereits beantwortet worden, die von der Beklagten erhobenen Einwände sind eine Wiedergabe der Darlegungen des Sachverständigen S1, mit denen sich die Sachverständige E1 bereits auseinandergesetzt hat. Entsprechendes gilt für ihre diagnostischen Überlegungen, insoweit hat sie die Abweichungen ebenfalls bereits begründet. Inwieweit dies inhaltlich überzeugen kann, ist eine Frage der Beweiswürdigung durch den Senat. Letztlich hat sie ihre Einschätzung zur Höhe der MdE bereits begründet und diese Frage damit auch beantwortet. Hierauf kommt es aber deshalb nicht entscheidungserheblich an, weil es sich bei der Einschätzung der MdE um eine rechtliche und nicht um eine medizinische Frage handelt, die dem Senat obliegt. Vorstehendes hat sich durch die von der Klägerin selbst veranlasste ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen bestätigt, die darin in erster Linie bekundet hat, zu den aufgeworfenen Fragen bereits ausführlich Stellung genommen zu haben.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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