Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 44 R 2015/17
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Verkündet am: 20.01.2023 |
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als Urkundsbeamtin |
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der Geschäftsstelle |
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
……
Kläger
gegen
……
Beklagte
hat die 44. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2023 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht ……., sowie den ehrenamtlichen Richter …… und die ehrenamtliche Richterin …… für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für die Zeit ab vom 15.12.2008 bis zum 30.06.2010.
Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und seit dem 06.10.1999 Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte NRW.
Zum 15.12.1999 nahm er eine Tätigkeit als „Rechtsanwalt“ für die …… AG in …… auf und beantragte, ihn von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Er reichte u. a. eine Freistellungserklärung seines Arbeitgebers ein, wonach Einverständnis mit der Ausübung einer rechtsanwaltlichen Tätigkeit bestehe.
Diesem Antrag entsprach die Rechtsvorgängerin der Beklagten (……) mit Bescheid vom 29.05.2000.
Mit Schreiben vom 04.03.2009 (Eingang bei der Beklagten: 09.03.2009) teilte der Kläger mit, dass er zum 15.12.2008 innerhalb der …… die Stelle gewechselt habe und nun als „Senior Experte“ im Bereich …… tätig sei.
Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen (Stellenausschreibung, Arbeitsvertrag) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihrer Auffassung nach für die ab 15.12.2008 ausgeübten Tätigkeit eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht zu erteilten sei. Nach der Stellenbeschreibung umfasse die konkrete Tätigkeit zwar Rechtsberatung und -vermittlung, nicht jedoch die Tätigkeitsfelder Rechtsentscheidung und -gestaltung. Allerdings sei nicht die Beklagte, sondern die Krankenversicherung des Klägers als Einzugsstelle zuständig.
Daraufhin wandte sich der Kläger an seine Krankenversicherung, die …… BKK. Zudem teilte er mit, dass er ab dem 01.07.2010 innerhalb der …… AG eine neue Stelle als Leiter des Bereichs …… antreten werde. Hinsichtlich dieser Tätigkeit stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22.11.2010 fest, dass „die mit Bescheid vom 29.05.2000 ab 15.12.1999 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht […] auch für die Beschäftigung bei der …… AG , …… ab 01.07.2010 gilt.“.
Mit Bescheid vom 17.10.2010 stellte die …… BKK fest, dass für den Kläger ab dem 15.12.2008 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch, dann Klage. In dem erstinstanzlichen Parallelverfahren S 34 KR 617/10 wurde die …… BKK verurteilt festzustellen, dass vom 15.12.2008 bis zum 01.07.2010 keine Versicherungs- und Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung bestand (Urteil vom 31.01.2014).
Das LSG NRW wies in dem Berufungsverfahren L 5 KR 145/14 darauf hin, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 SGB VI tätigkeitsbezogen erfolge. Daher sei für die Auffassung der (hiesigen) Beklagten, die Einzugsstelle habe zu prüfen, ob eine einmal erteilte Befreiung auch weitere Tätigkeiten erfasse, kein Raum. Daraufhin hob die …… BKK ihre Festlegung vom 17.05.2010 auf, der Kläger nahm die hiergegen gerichtet Klage zurück und die hiesige Beklagte (……) verpflichtet sich hinsichtlich des Zeitraums 15.12.2008 bis 01.07.2010 inhaltlich-sachlich über den Befreiungsantrag des Klägers zu entscheiden (siehe hierzu: Vergleichsvorschlag des LSG vom 29.06.2016).
Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 09.03.2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers, ihn für die Beschäftigung „Senior Experte ……“ bei der …… AG von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien, ab.
Hiergegen legte der Kläger am 16.03.2017 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.11.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. In seiner in dem Zeitraum vom 15.12.2008 bis zum 01.07.2010 für die …… ausgeübten Beschäftigung sei der Kläger nicht als Rechtsanwalt tätig gewesen. Diesbezüglich werde auf die Urteile des BSG vom 03.04.2014 verwiesen. Der Bescheid vom 29.05.2000 erfasse die streitbefangene Tätigkeit nicht, denn die hiermit ausgesprochene Befreiung bezog sich ausschließlich auf die damals ausgeübte Beschäftigung. Der Kläger könne auch keinen Vertrauensschutz geltend machen, denn seine Anzeige des Stellenwechsels lasse darauf schließen, dass ihm der auf die konkrete Beschäftigung bezogene Charakter der Befreiung bewusst gewesen sei.
Der Kläger verfolgt sein Begehren weiter. Er hat am 27.11.2017 vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte für die anschließende, ab dem 01.07.2010 für die …… ausgeübte Tätigkeit wieder eine Befreiung ausgesprochen habe, mit weiterem Bescheid der Beklagten sei er ab dem 01.02.2021 als „Syndikusanwalt“ von der Rentenversicherungspflicht befreit worden. Daher käme zumindest eine Befreiung aufgrund einer vorübergehenden Beschäftigung in Betracht.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.11.2017 zu verurteilen ihn hinsichtlich seiner vom 15.12.20108 bis zum 30.06.2010 ausgeübten Beschäftigung als „Senior Experte ……“ bei der …… AG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Gericht vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 09.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, hinsichtlich seiner vom 15.12.2008 bis zum 30.06.2010 ausgebübten Tätigkeit als „……“ bei der …… AG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit zu werden.
Der Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ist nicht erfüllt. Nach dieser Regelung werden von der Versicherungspflicht befreit: Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Zwar war der Kläger auch während der streitbefangen Beschäftigung Mitglied der Rechtsanwaltskammer und hat entsprechend Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte entrichtet. Er war jedoch nicht w e g e n dieser Tätigkeit als „Senior Experte……“ verkammertes Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Denn diese Tätigkeit kann dem Berufsfeld eines Rechtsanwalts nicht zugeordnet werden. Die Eingliederung in die durch den nichtanwaltlichen Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation widerspricht einer freien Berufsausübung als typischem Wesensmerkmal des anwaltlichen Berufsbildes. Insoweit folgt die Kammer dem Bundessozialgericht, welches unter Bezugnahme auf die einheitliche Rechtsprechung des BGH, BVerfG und EuGH ausführt (Urteil vom 03.04.2014 - B 5 RE 13/14 R -, Rn. 34- 41)):
„Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. […]
Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl. exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).
Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern: "Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, dass das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: 'Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben'."
Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt: "Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"
In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f: "Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muss als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, dass er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, dass bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muss. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "
Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt - nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten. […]
Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, d. h. von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.“
Eine Befreiung aus § 6 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB VI kommt ferner auch unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes nicht in Betracht. Soweit der Kläger geltend macht, er sei – wohl im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches – so zu stellen, als hätte die Beklagte ihn nicht zunächst an einen unzuständigen Träger (Krankenversicherung als Einzugsstelle) verwiesen, trägt seine Argumentation nicht. Denn auch unter Zugrundelegung dieser alternativen Geschehensabfolge hätte die Beklagte den Befreiungsantrag des Klägers abgelehnt. Unabhängig davon, ob dies zu dem damaligen Zeitpunkt der gängigen Verwaltungspraxis entsprach, teilte die Beklagte dem Kläger bereits auf sein Schreiben vom 04.03.2009 hin mit, dass sie von einer nicht befreiungsfähigen Tätigkeit ausging. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch die sogenannten „Syndikus-Entscheidungen“ des BSG (Urteile vom 03.04.2014 - B 5 RE 13/14 -, - B 5 RE 9/14 R - und - B 5 RE 3/14 R -) Tätigkeiten betrafen, die weit vor Abfassung dieser Entscheidungen ausgeübt worden waren. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht unbillig, dass auch die Tätigkeit des Klägers unter Berücksichtigung dieser „neueren Rechtsprechung“ des BSG aus dem Jahr 2014 gewürdigt wird.
Einen Befreiungsanspruch kann der Kläger des Weiteren weder aus dem Bescheid vom 22.11.2010 (betreffend die Befreiung für die ab dem 01.07.2010 ausgeübte Folgetätigkeit) noch aus Vormerkungsbescheid vom 06.07.2017 herleiten.
Ersterer dürfte im Widerspruch zu oben zitierter höchstgerichtlichen Rechtsprechung stehen und damit nach Auffassung der Kammer bereits rechtswidrig sein. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass die mit Bescheid vom 22.11.2010 ausgesprochene Erstreckung der Befreiung rechtmäßig ist, so bezieht sie sich doch ausdrücklich nur auf die ab dem 01.07.2010 ausgeübte Folgetätigkeit (Bereichsleiter ……). Eine Aufhebung, Änderung oder sonstige Begünstigung ergibt sich demnach im Hinblick auf die hier zu beurteilende, vom 15.12.2008 bis zum 30.06.2010 ausgeübte Tätigkeit als „Senior Experte ……“ nicht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.07.2003 - B 12 RA 6/01 R -).
Nicht anderes gilt im Ergebnis für den Vormerkungsbescheid vom 06.07.2017. Auch dieser ändert den streitbefangenen Bescheid vom 09.03.2017 nicht etwa ab, sondern dokumentiert lediglich die bis dahin im Versicherungskonto gespeicherten Daten. Denn nach der dem Vormerkungsbescheid zugrundeliegenden Norm des § 149 Abs. 5 S. 1 SGB VI „stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest.“. Eine inhaltliche Entscheidung darüber, ob und für welche Zeiträume ein Befreiungstatbestand gegeben ist, enthält diese bloße Feststellung gespeicherter Daten demnach nicht.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für eine Erstreckung der Befreiung gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI nicht vor. § 6 Abs. SGB VI sieht vor: „Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.“ An einer solchen zeitlichen Befristung im Voraus mangelt es hier. Eine diesbezügliche vertragliche Regelung wurde zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber nicht getroffen. Darüber hinaus kann schon nach den Angaben des Klägers nicht angenommen werden, dass die streitbefangene Tätigkeit ihrer Eigenart nach von vornherein zeitlich begrenzt ist. Zwar mag die hier zu beurteilende „Stabsarbeit“ in der Regel eher als „Karrieresprungbrett“ genutzt und nicht dauerhaft ausgeübt werden. Eine im Voraus feststehende zeitliche Begrenzung, die einer vertraglich vereinbarten Frist entsprechend konkret wäre, ergibt sich hieraus jedoch nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).