S 12 SB 515/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SB 515/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

 

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht erstattungsfähig.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung als 60 festzustellen ist.

 

Durch Bescheid vom 27.03.2014 stellte die Stadt H. bei dem am 00.00.1989 geborenen Kläger wegen psychsiche Störung; schlafbezogene Atmungsstörung; Wirbelsäulensyndrom, Skoliose; Herzkreislaufstörung, Bluthochdruck einen GdB von 60 fest.

 

Am 09.10.2017 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf höhere Festsetzung des GdB. Mittlerweile leide er auch unter einer starken Kniearthrose.

 

Der Beklagte zog einen Bericht der I. Klinik vom 10.10.2017 über die Knieverletzung des Klägers bei.

 

Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieses Berichts lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 08.11.2017 ab.

 

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zu dessen Begründung führte er im Wesentlichen aus, seine Kniebehinderung sei unzureichend gewürdigt worden. Ferner habe der Beklagte bislang seine Adipositas Behinderung in keiner Weise bei der Feststellung des GdB berücksichtigt, obwohl diese Behinderung offensichtlich sei. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 18.12.2014, C-354/13, konstatiert, dass eine Adipositas eine Krankheit und Behinderung sei. Sein Körpergewicht sei seit der letzten Gewichtsreduktion sukzessive wieder auf 127 kg gestiegen. Der Kläger legte Dokumente zur Einordnung der Adipositas als Krankheit und zu deren Ursachen und Risiken vor.

 

Der Beklagte holte in der Folgezeit Berichte über die Behandlung des Klägers wegen seiner Kniebeschwerden im Klinikum P. und im Klinikum J. ein.

 

Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Befunde wies die Bezirksregierung N. den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom  28.06.2018 zurück.

 

Der Kläger hat am 11.07.2018 Klage erhoben. Ihm stehe ein höherer Grad der Behinderung von mindestens 70 zu. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, er habe am 10.03.2018 einen Unfall erlitten. Er sei dabei von einem „Bollerwagen“, auf dem sich etwa 240 kg Blumenerde befanden, überrollt worden. Dabei habe er sich eine Knieverletzung und eine Prellung des linken Unterschenkels zugezogen. Der Beklagte habe die sich aus dieser Verletzung verbleibenden Beeinträchtigungen nicht genügend berücksichtigt. Ferner leide er unter einer erheblichen Adipositas, die seine Kniebehinderung negativ beeinflusse, die aber auch ansonsten zu Einschränkungen in seiner Teilhabe führe. Diese Behinderung habe der Beklagte außer Acht gelassen.

 

Das Gericht hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. E. eingeholt. Dieser stellte nach Untersuchung des Klägers am 08.05.2019 folgende Beeinträchtigungen fest: Wirbelsäulensyndrom bei Skoliose mit einem Einzel-GdB von 10; Chondropathia patellae beiseits mit einem Einzel-GdB von 10. Die Adipositas löse keinen Einzel-GdB aus. Funktionelle Auswirkungen am Stütz- und Bewegungsapparat seien noch nicht festzustellen. Das Gericht hatte im Übrigen für die psychische Behinderung des Klägers den Einzel-GdB von 50, für das Schlafapnoe-Syndrom den Einzel-GdB von 20 und für die Herzkreislaufstörung und den Bluthochdruck den Einzel-GdB von 10 vorgegeben.

 

Der Kläger trat dem eingeholten Sachverständigengutachten entgegen. Der Sachverständige habe seine Beschwerden schön gefärbt. Er nehme wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden und der Beschwerden in den Knien etwa 4 bis 5 Mal pro Woche Schmerzmittel ein. Er könne seine Knie nicht mehr als 10 Minuten schmerzfrei belasten. Es sei nicht richtig, dass er keine Bewegungseinschränkungen habe. Auch habe der Sachverständige sich in keiner Weise mit den Ursachen der Adipositas auseinandergesetzt. Der Sachverständige ignoriere ebenso wie der Beklagte das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der die Adipositas als Behinderung werte. Seine beiden Kniegelenke seien geschädigt. Deshalb sei ihm ein GdB von 20 für das Knieleiden und ein Gesamt-GdB von 70 zuzusprechen.

 

Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E. eingeholt. Dieser blieb bei seiner Einschätzung und begründete dies.

 

Der Kläger wies in der Folgezeit darauf hin, dass er mittlerweile 135 kg bei einer Körpergröße von 175 cm wiege. 

 

 

Der Kläger beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 08.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2018 abzuändern und bei ihm einen Gesamt-GdB von 70 festzustellen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf das Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens. 

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.

 

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 60.

 

Gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, vorliegend der Bescheid vom 09.07.2013, abzuändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist nach Teil A  Ziffer 7 der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) u.a. dann wesentlich, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdB wenigstens 10 beträgt. Eine wesentliche Änderung ist ferner u.a. dann gegeben, wenn die entscheidenden Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen erfüllt werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Kammer folgt nach eigener Überprüfung uneingeschränkt dem eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. E. und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Begründung Bezug. Danach bestehen zwar Behinderungen des Klägers an der Wirbelsäule und an den unteren Extremitäten. Diese sind allerdings leichtgradig ausgeprägt und nehmen schon deshalb keinen Einfluss auf den Gesamt-GdB des Klägers.

 

Soweit der Kläger meint, seine Adipositas sei als zusätzliche Behinderung zu berücksichtigen, geht er fehl. Nach der Versorgungsmedizin-Verordnung, Anlage B 15.3, bedingt die Adipositas allein keinen GdB. Vielmehr ist ausschließlich zu prüfen, welche funktionellen Auswirkungen die Adipositas mit sich bringt, und ob diese als Behinderung zu werten sind. Die Adipositas des Klägers hat sich bisher, wie Dr. E. feststellte, nur in geringem Maße auf den Stütz- und Bewegungsapparat des Klägers ausgewirkt. Sie führt damit noch zu keiner für den Gesamt-GdB erheblichen Behinderung. Im Übrigen hat auch der Europäische Gerichtshof in der vom dem Kläger zitierten Entscheidung nichts Anderes vorgegeben. Auch nach dieser Entscheidung kommt es ausschließlich darauf an, welche Folge- und Begleitschäden die Adipositas auslöst.

 

Schließlich ist für die Bewertung von Behinderungen auf eine finale Betrachtungsweise abzustellen. Es kommt ausschließlich darauf an, welche funktionellen Einschränkungen eine Behinderung mit sich bringt, nicht jedoch darauf, aus welchen Gründen diese Behinderung entstanden ist. Deshalb ist es für die Bewertung der Behinderungen des Klägers unerheblich, ob seine Adipositas erblich bedingt ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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