Der Schiedsspruch vom 19. Januar 2018 129-SSt. 1-17 und die Anlage 3 Teil 2 Ziffer 3 der Hilfstaxe in der Fassung des Schiedsspruches vom 19. Januar 2018 enthalten auch Preisvereinbarungen für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln, die außerhalb der Onkologie angewandt werden.
ENTWURF Sozialgericht Berlin |
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verkündet am
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
… Apotheke …
Inhaberin …,
- Klägerin -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte …
gegen
KKH Kaufmännische Krankenkasse,
Hauptverwaltung
Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover,
- Beklagte -
Proz.-Bev.:
GKV-Spitzenverband der Krankenkassen,
Reinhardtstr. 28,10117 Berlin,
hat die 56. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 16. Januar 2025 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie die ehrenamtliche Richterin Frau … und den ehrenamtlichen Richter Herrn … für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligung streiten über die Kürzung der Vergütung für Arzneimittel im Wege der sachlich rechnerischen Berichtigung für den Zeitraum 1. März 2018 bis 31. August 2019.
Die Klägerin ist eine niedergelassene Apothekerin, die Mitglied im D. (D.) ist.
Am 19. Januar 2018 erging der Schiedsspruch 129-SSt. 1-17, mit dem unter anderem Abschläge für die Wirkstoffe Infliximab, Rituximab, Ustekinumab und Vedolizumab geregelt wurden. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um humanisierte monoklonale Antikörper. Ustekinumab, Vedolizumab und Infliximab sind zur Behandlung für nicht onkologische Erkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, zum Teil auch für Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zugelassen. Rituximab ist zur Behandlung onkologischer Erkrankungen und von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zugelassen. Der Schiedsspruch lautet einleitend:
„[…] Folgendes beschlossen:
Die Hilfstaxe wird auf der Grundlage von § 129 Abs. 5c S. 2 SGB V i.V.m. S. 4 SGB V wie folgt geändert: […]“.
Wegen des weiteren Inhaltes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
In dem vom D. angestrengten Verfahren gegen diesen Schiedsspruch vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG BB) zum Aktenzeichen L 9 KR 43/18 KL wurde am 16. Oktober 2018 ein Vergleich geschlossen. Dieser lautete in Ziffer 1 und 3 wie folgt:
„Der Kläger [D.] und der Beigeladene [GKV Spitzenverband] schließen folgenden Vergleich:
1. Der Kläger und der Beigeladene stimmen darin überein, dass der Schiedsspruch des Beklagten vom 19. Januar 2018 in der Fassung vom 31. Januar 2018 mit Wirkung ab dem 1. Februar 2018 gilt.
[…]
3. Der Kläger nimmt die Klage zurück.“
Wegen des weiteren Inhaltes wird auf die Gerichtsakte verweisen.
Die Klägerin rechnete unter anderem gegenüber der Beklagten im Zeitraum 1. März 2018 bis 31. August 2019 Rezepturen für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln für die Wirkstoffe Infliximab, Rituximab, Ustekinumab und Vedolizumab ab.
Im Beanstandungsverfahren machte die Beklagte Absetzungen für Rezepturabrechnungen für den Zeitraum März 2018 bis August 2019 für parenterale Zubereitungen von Fertigarzneimitteln mit den genannten Wirkstoffen geltend und setzte die Beträge in Höhe der Klageforderungen ab.
Am 11. Juli 2019 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor, dass der Schiedsspruch vom 19. Januar 2018 nicht für den allein streitigen Einsatz der Wirkstoffe Infliximab, Rituximab, Ustekinumab und Vedolizumab im nicht-onkologischen Bereich gelte. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Schiedsspruches „Die Hilfstaxe wird auf der Grundlage von § 129 Abs. 5c S. 2 SGB V i.V.m. S. 4 SGB V wie folgt geändert“. Die Ermächtigung zur Entscheidung der Schiedsstelle gelte gemäß § 129 Abs. 5c S. 2 SGB V nur für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie. Daher könne sich der Schiedsspruch auch nur auf diese beziehen. Zwar unterscheide die Hilfstaxe nicht zwischen parenteralen Zubereitungen in der Onkologie und anderen, der Beschluss der Schiedsstelle finde jedoch auf die parenteralen Zubereitungen außerhalb der Onkologie keine Anwendung. Satz 2 des § 129 Abs. 5c SGB V enthalte eine Sondervorschrift für Zubereitungen in der Onkologie. Allein für diese seien die Preise neu zu vereinbaren gewesen und bei fehlender Einigung habe die Schiedsstelle nur für diese eine Entscheidung zu treffen gehabt. Für die parenteralen Zubereitungen außerhalb der Onkologie würden die allgemeinen Regeln gelten. Dies ergebe sich auch aus der Historie. Parenterale Zubereitungen von Fertigarzneimitteln seien in der Onkologie schon länger bekannt und würden erst aktuell auch für andere Indikationen eingesetzt. Der Gesetzgeber habe aber die §§ 291 Abs. 5c S. 2 bis 4 SGB V nicht erweitert. Auch der vor dem LSG BB geschlossene Vergleich beruhe auf der Grundlage des § 129 Abs. 5c S. 2 SGV und enthalte keine Anhaltspunkte für eine darüberhinausgehende Regelung. Der Inhalt des Prozesses sei der Klägerin nicht bekannt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Einsatz des jeweiligen Medikaments für den Apotheker anhand der Verordnung des ausstellenden Arztes erkennbar, da die Präparate nur durch Fachärzte im Rahmen ihrer fachärztlichen Zulassung verschrieben werden dürften. Außerdem würden einige der streitigen monoklonalen Antikörper nicht in der Onkologie zum Einsatz kommen. Auch in anderen Bereichen würde die Vergütung je nach Einsatz vereinbart, zum Beispiel beim Einsatz von Bevacuzimab zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration. Der Begriff der Fertigarzneimittel sei entgegen der Ansicht der Beklagten im Gesetz genannt und abgrenzbar. Die Neuregelung der Hilfstaxe ab 1. März 2020 sei irrelevant, da sie nicht den Zeitraum der streitigen Verordnungen betreffe. Soweit die Beklagte nunmehr auch die Abweichungen der Z-Datensätze vom geltend gemachten Gesamt-Brutto rüge, könne sie sich darauf nicht mehr berufen, da die Retaxationen ausdrücklich mit der Abweichung von der Hilfstaxe begründet worden seien. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf das Urteil des SG Nürnberg vom 11. August 2021, S 14 KR 209/20 verwiesen, zu dem beim Landessozialgericht München ein Vergleich geschlossen worden sei. Wegen des Inhaltes des Urteils wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Nachdem die Klägerin zunächst auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ankündigung eines noch nicht abgesetzten Betrages in Höhe von 237,22 Euro beantragt hat, beantragt sie nunmehr,
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die gemäß Anlage K7 bereits abgesetzten Beträge in Höhe von 27.590,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit über dem Basiszinssatz für die Belieferung von Verschreibungen mit dem Wirkstoff Infliximab für den Einsatz im nicht-onkologischen Bereich zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die gemäß Anlage K7 bereits abgesetzten Beträge in Höhe von 1.138,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit über dem Basiszinssatz für die Belieferung von Verschreibungen mit dem Wirkstoff Rituximab für den Einsatz im nicht-onkologischen Bereich zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die gemäß Anlage K7 bereits abgesetzten Beträge in Höhe von 710,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit über dem Basiszinssatz für die Belieferung von Verschreibungen mit dem Wirkstoff Ustekinumab für den Einsatz im nicht-onkologischen Bereich zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die gemäß Anlage K7 bereits abgesetzten Beträge in Höhe von 2.202,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit über dem Basiszinssatz für die Belieferung von Verschreibungen mit dem Wirkstoff Vedolizumab für den Einsatz im nicht-onkologischen Bereich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass die Hilfstaxe nicht zwischen parenteralen Zubereitungen von Fertigarzneimitteln in der Onkologie und gastroenterologischen Zubereitungen oder Zubereitungen außerhalb der Onkologie unterscheide. Daher seien auch die Abschläge der im Schiedsverfahren beschlossenen Hilfstaxe zu beachten. Die Regelungen der Hilfstaxe über die Preisbildung von Stoffen und Zubereitungen würden unabhängig davon gelten, für welche Erkrankung die Zubereitung Anwendung findet. Auch die Anlage 3 Teil 2 Nr. 2 der Hilfstaxe würde keine Differenzierungen nach der Indikation enthalten. Zwar seien nach § 129 Abs. 5c S. 2 und 3 SGB V für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie neue Vereinbarungen zu treffen. Diese müssten jedoch zwingend auch für die Zubereitungen außerhalb der Onkologie gelten, weil der Apotheker in der Regel den Einsatz nicht kenne. Der Grund für die gesetzlich geregelte Anpassung der Vereinbarungen für Zubereitungen in der Onkologie sei allein, dass für diese zuvor bestehende Rabattverträge zwischen Krankenkassen und einzelnen Apotheken zum 31. August 2017 nicht mehr gelten, die Rabatte jedoch bundesweit geregelt werden sollten. Wenn es bei den neuen Vereinbarungen allein um Zubereitungen in der Onkologie hätte gehen sollen, hätte dies explizit genannt werden müssen. Weder der Schiedsspruch noch der Wortlaut der Anlage 3 Teil 2 der Hilfstaxe enthalte eine Differenzierung nach Indikation. Dass auch der D. davon ausgegangen sei, dass die Abschläge indikationsabhängig gelten würden, ergebe sich auch daraus, dass diese zunächst im MG Verzeichnis genannt waren. Der Schiedsspruch sei aufgrund der Klagerücknahme im Verfahren vor dem LSG BB rechtskräftig geworden, für die hier streitigen Abschläge sei allein das Datum des Inkrafttretens auf den 1. Februar 2018 geändert worden. Der Streitgegenstand des Schiedsverfahrens sei von den Anträgen der Parteien abhängig, von beiden Parteien seien keine Änderungen der Struktur der Hilfstaxe vereinbart worden. Die Schiedsstelle sei nach § 129 Abs. 5c S. 1 und 3 SGB V auch zu Änderungen für alle parenteralen Zubereitungen von Fertigarzneimitteln befugt. Der Schiedsspruch ändere ausdrücklich die Hilfstaxe, die aufgrund ihrer gesamten Systematik für alle parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln gelte. Im Anhang 2 Gruppe F würden auch ausdrücklich Infliximab und Rituximab genannt. Im Verfahren vor dem LSG BB sei die Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle ebenfalls Gegenstand der Verhandlung gewesen. Weiter sei nicht klar, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Klägerin eine Vergütung begehre, wenn die Hilfstaxe nicht anwendbar sein sollte und die Fertigarzneimittel in der Onkologie seien nicht definiert. Ab 1. März 2020 gelte ohnehin eine neu vereinbarte Hilfstaxe. Die Abrechnungen für März 2018 seien bereits zu berichtigen, weil die Summen im Z-Datensatz von denen des tatsächlich abgerechneten Gesamt-Brutto abweichen. Denn im Z-Datensatz habe die Klägerin die Abschläge noch beachtet. Außerdem habe die Beklagte bei erneuter Prüfung erkannt, dass auch nicht abrechnungsfähige Hilfsmittel abgerechnet worden seien, so dass insgesamt 32.107,89 Euro abzusetzen gewesen wären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg, sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der durch die Beklagten abgesetzten Leistungen, da diese rechtmäßig abgesetzt wurden.
Rechtsgrundlage für die Vergütung der Klägerin ist § 3 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKVSpV) und dem D. i.V.m. § 4 Abs. 1 Arzneiversorgungsvertrag zwischen unter anderem der Klägerin und dem D. vom 1. April 2016 (AVV). Danach entsteh ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, wenn sie Arzneimittel aufgrund einer ordnungsmäßen Verordnung an bei der Beklagten versicherte Patienten abgibt.
Die Höhe der Vergütung für die hier streitigen parenteralen Zubereitungen von Fertigarzneimitteln ergibt sich aus den Vereinbarungen nach § 129 Abs. 5c SGB V. Dieser lautet in der hier gültigen Fassung vom 4. Mai 2017 in den Sätzen 1 bis 4:
„1Für Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln gelten die Preise, die zwischen der mit der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Grund von Vorschriften nach dem Arzneimittelgesetz vereinbart sind. 2Für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie haben die Vertragspartner nach Satz 1 die Höhe der Preise nach Satz 1 neu zu vereinbaren. 3Kommt eine Vereinbarung nach Satz 1 oder 2 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach Absatz 8.“
Entsprechend sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 8 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen von den Preisspannen und Preisen der Apotheken ausgenommen und nach § 5 Abs. 4 und 5 AMPreisV in Vereinbarungen über die Preisberechnung zwischen GKVSpV und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker zu regeln. Die im Preis- und Produktverzeichnis nach § 131 Abs. 4 SGB V von den pharmazeutischen Unternehmern gemeldeten Preise sind daher für diese Fertigarzneimittel nicht maßgeblich.
Nach diesen Vorschriften ist der Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen auf der Grundlage der §§ 4 und 4 AMPreisV (Hilfstaxe) zwischen GKV SpV und D. geschlossen worden. Dieser enthält die für die parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln Vereinbarungen in Anlage 3 Teil 2 Ziffer 3.
Diese lautet in der hier maßgeblichen Fassung:
„Anlage 3: Preisbildung für parenterale Lösungen
i. d. F. des rechtskräftigen Schiedsspruches vom 19.01.2018 (Stand 31.01.2018) – gültig mit Wirkung ab dem 01.02.2018 –
Anlage 3 Teil 2 Nr. 3 Abs. 1
„3. Der Abrechnungspreis für den Wirkstoff ist bei patentgeschützten Wirkstoffen und für Fertigarzneimittel, zu denen kein Fertigarzneimittel eines anderen pharmazeutischen Unternehmers mit dem gleichen Wirkstoff verfügbar ist oder nicht abgegeben werden darf, der günstigste Apothekeneinkaufspreis je mg, ml oder I. E. abzüglich eines Abschlags von 1,6 %.
Wird ein preisgünstigeres Importarzneimittel verwendet, ist dessen Preis Berechnungsbasis. Maßgeblich ist der Apothekeneinkaufspreis, der sich ausgehend vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (Listenpreis nach den Preis und Produktinformationen nach § 131 SGB V) nach der Arzneimittelpreisverordnung ergibt.
Für die in Anhang 2 aufgeführten Wirkstoffe gilt abweichend der dort genannte Abschlag.“
Der Anhang 2 „Abschläge für patentgeschützte Wirkstoffe und für Fertigarzneimittel, zu denen kein Fertigarzneimittel eines anderen pharmazeutischen Unternehmers mit dem gleichen Wirkstoff verfügbar ist oder nicht abgegeben werden darf, sowie für Biosimilars, Bioidenticals und ihre Referenzarzneimittel“ enthält unter anderem Abschläge für Infliximab in Höhe von 7,5 % und Rituximab in Höhe von 4,2 %.
Ab 1. März 2020 sind in der Hilfstaxe neue Abschläge vereinbart. Unter anderem ist der Auffangabschlag für patentgeschützte Wirkstoffe entfallen.
I.
Die sachlich-rechnerische Berichtigung der Beklagten entspricht den Vorgaben des § 17 AVV. Danach kann die Beklagte bei der Rechnungsprüfung festgestellte rechnerische und sachlich unrichtig abgesetzte Beträge innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats berichtigen, in dem die Lieferung erfolgte.
Die von der Beklagten erst im Klageverfahren genannten, aber nicht in einem gesonderten Antrag geltend gemachten, zusätzlichen Korrekturen wegen unkorrekt abgerechneter Hilfsmittel sind danach verfristet.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Beklagte für die Abrechnungen für März 2018 allein deshalb zur sachlich rechnerischen Berichtigung befugt gewesen wäre, weil die in den Z-Datensätzen genannten Beträge nicht mit den tatsächlich abgerechneten Gesamt-Bruttobeträgen übereinstimmten. Die Kammer ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall ein offensichtlicher Fehler vorlag, der durch die Beklagte selbst erkennbar und zu berichtigen war. Die Beklagte hat entsprechend die sachlich-rechnerische Berichtigung auf die nicht angesetzten Abschläge nach der Hilfstaxe gestützt.
Die sachlich-rechnerische Berichtigung war unabhängig davon rechtmäßig, weil die Klägerin auch für die hier streitigen parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimittel die nach der Hilfstaxe für den hier streitigen Zeitraum gültigen Abschläge absetzen musste und die Rechnungen daher insoweit unrichtig waren.
II.
Die Abschläge der Anlage 3 Teil 2 Nr. 3 Hilfstaxe in der hier gültigen Fassung vom 1. Februar 2018 gelten auch für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln, die außerhalb der Onkologie angewandt werden.
Entscheidend sind insoweit der Wortlaut der Hilfstaxe und des Schiedsspruches, die nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen sind. Daher musste das Verfahren des LSG BB nicht beigezogen werden.
Aus § 129 Abs. 5c S. 1 SGB V folgt, dass die Preisvereinbarungen für sämtliche parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zwischen den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker und dem GKV SpV zu treffen sind, nicht nur für solche in der Onkologie. Satz zwei der Vorschrift enthält insoweit für parenterale Zubereitungen in der Onkologie allein den Zusatz, dass diese neu zu vereinbaren sind, in Satz 4 der Vorschrift ist die Frist für die Neuregelung zum 31. August 2017 geregelt. § 129 Abs. 5c S. 2 SGB V enthält keine gesonderte Ermächtigung zur Preisvereinbarung, er regelt im Zusammenhang mit Satz 4 allein die Frist für die Neuvereinbarung eines bestimmten Teils der Preisvereinbarung. Dass in § 129 Abs. 5c S. 3 SGBV die Entscheidung durch eine Schiedsstelle für die Fälle vorgesehen ist, in denen „eine Vereinbarung nach Satz 1 und 2 ganz oder teilweise nicht zustande kommt“ ist missverständlich. Es handelt sich bei den Vereinbarungen nach Satz 1 und 2 nicht um grundsätzlich unterschiedliche Vereinbarungen. Jedenfalls ist die Schiedsstelle nach § 129 Abs. 5c S. 3 SGB V ermächtigt sowohl Entscheidungen über die Preise für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln allgemein als auch solche in der Onkologie zu treffen.
Die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 i.V.m. § 129 Abs. 5c S. 3 SGB V hat als vertragsgestaltender Verwaltungsakt normative Wirkung (Luthe in Hauck/Noftz SGB V § 129 Rn 90), sie ist in der Hilfstaxe entsprechend umzusetzen. Die Hilfstaxe ist eine vertragliche Vergütungsbestimmung, die dem Gestaltungsspielraum der Vertragspartner obliegt und gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 22. Februar 2023, B 3 KR 7/21 R Rn 17). Dem folgend ist die Vertragsgestaltungsfreiheit für die Schiedsstelle nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege einer freien Verhandlung erzielten Vereinbarung (BSG, Urteil vom 12. August 2021, B 3 KR 3/20 R Rn 39). Der Vergleich vor dem LSG BB zum Schiedsspruch vom 19. Januar 2018 129-SSt. 1-17 betraf bezüglich der hier streitigen Preisvereinbarungen für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln allein das Datum des Inkrafttretens, allein dieses wurde auf den 1. Februar 2018 festgelegt. Im Übrigen ist der Schiedsspruch durch die Klagerücknahme rechtskräftig und die Hilfstaxe entsprechend abgeändert worden.
Die Kompetenz der Schiedsstelle war vorliegend auch nicht auf die Entscheidung über die Preise für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie begrenzt. Aus der Begründung des Schiedsspruches auf Seite 7 ergibt sich, dass sowohl der Antrag des GKV SpV als auch des D. auf die Festsetzung der Anlage 3 Teil 2 der Hilfstaxe gerichtet waren, ohne dass eine Begrenzung auf Zubereitungen in der Onkologie getroffen worden wäre. Entsprechend benennt der Schiedsspruch und die daraus folgende Regelung der Hilfstaxe im Anhang 2 Gruppe F unter anderem ausdrücklich den Wirkstoff Infliximab, der nicht im onkologischen Bereich zur Anwendung kommt. Auch die Abschläge für den Wirkstoff Rituximab werden ausdrücklich geregelt. Dieser Wirkstoff kommt sowohl im onkologischen als auch in anderen Bereichen zur Anwendung. Die Indikation beziehungsweise Anwendung wird jedoch nicht genannt.
Eine Begrenzung auf Zubereitungen in der Onkologie ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch nicht – wie das SG Nürnberg annimmt - aus dem Einleitungssatz des Schiedsspruches vom 19. Januar 2018:
„[…] Folgendes beschlossen:
Die Hilfstaxe wird auf der Grundlage von § 129 Abs. 5c S. 2 SGB V i.V.m. S. 4 SGB V wie folgt geändert: […]“.
Denn der Bezug im Einleitungssatz der Entscheidung auf Satz 2 des § 129 Abs. 5c SGB V benennt allein den Anlass, aus dem die Schiedsstelle angerufen wurde. Die Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle ist nicht aufgrund dieses Anlasses begrenzt, sondern ergibt sich aus § 129 Abs. 5c S. 3 i.V.m. den Anträgen der am Schiedsverfahren beteiligten Vertragspartner. Dass danach die Kompetenz für eine Vereinbarung für die Preise sämtlicher parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln eröffnet war, ergibt sich aus den Anträgen im Schiedsverfahren und auch aus den ausdrücklichen Regelungen zu Abschlägen auf Wirkstoffe die nicht oder nur teilweise in der Onkologie zur Anwendung kommen. Entsprechend erfolgte die Umsetzung des Schiedsspruches auch in der Anlage 3 Teil 2 Nr. 3 der Hilfstaxe. Diese enthält keine Vereinbarung zur Unterscheidung nach der Indikation beziehungsweise Anwendung der geregelten Wirkstoffe.
Dafür, dass die Vertragspartner keine Begrenzung der Preisvereinbarungen auf Zubereitungen allein in der Onkologie wollten, spricht weiterhin, dass die Neuregelung der Hilfstaxe ab 1. März 2020 erneut keine entsprechende Begrenzung enthält.
Gegen eine Begrenzung der Vergütungsregelungen auf die Indikation spricht auch, dass die Nachprüfbarkeit allein aufgrund der Facharztbezeichnung des verordnenden Vertragsarztes nicht eindeutig gegeben ist. Nachdem für Berlin insoweit einschlägigen § 31 Abs. 4 Heilberufekammergesetz (BlnHKG) dürfen Ärztinnen und Ärzte, die eine Facharztbezeichnung führen, grundsätzlich nur in dem zugehörigen Gebiet tätig werden. Ärztinnen und Ärzte, die eine Schwerpunktbezeichnung führen, sollen im Wesentlichen in dem zugehörigen gebietsspezifischen Schwerpunkt oder Teilgebiet tätig werden. Onkologische Leistungen werden unter anderem durch Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie erbracht. Die Schwerpunktbezeichnung hindert diese Fachärzte schon nach dem Gesetz nicht zwingend daran, auch Behandlungen auf anderen Gebieten durchzuführen.
Der von der Klägerin benannte Off-Label-Use von Bevacizumab im augenärztlichen Facharztbereich unterscheidet sich wesentlich von der hier strittigen Vereinbarung. Denn dieser Off-Label-Use wird nach der übereinstimmenden Darlegung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung durch Krankenkassen ausdrücklich für die augenärztliche Behandlung vereinbart. In diesen Fällen liegt also tatsächlich eine ausdrückliche Vereinbarung nicht nur für den Wirkstoff, sondern auch für dessen Verwendung vor.
Entgegen der Ansicht der Klägerin mussten die §§ 129 Abs. 5c S. 2 bis 4 SGB V nicht an die erweiterte Einsetzbarkeit parenteraler Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln im nicht onkologischen Bereich angepasst werden, da diese Entwicklung bei der Neuregelung gerade Beachtung fand. Dass § 129 Abs. 5c S. 2 SGB V allein für die parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie eine Verpflichtung zur Neuregelung vorsah, ist mit der Historie vor Einführung des § 129 Abs. 5c S 2 SGB V mit dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) vom 4. Mai 2017 zu erklären. Aufgrund der mit Gesetz vom 1. Juli 2007 in § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V a.F. eingeführten Möglichkeit, Direktvereinbarungen zwischen einzelnen Apotheken und Krankenkassen über die Preise von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zu treffen, existierten entsprechende Rabattverträge. Diese so genannten Exklusiv- beziehungsweise Selektivverträge galten jedoch im Wesentlichen für Zubereitungen in der Onkologie. Das lag zum einen daran, dass parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zuerst in der Onkologie zur Anwendung kamen und erst nach und nach auch in anderen Bereichen eingesetzt wurden. Zum anderen galt die Ausnahme vom Rabattverbot des § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) zunächst nur für diese und wurde erst zum 23. Juli 2009 auf alle parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln erweitert. Um die in § 129 Abs. 5c SGB V eingeführte Möglichkeit, die Hilfstaxenregelungen bundesweit an die Preiskalkulation anzupassen, effizient zu gestalten, wurde durch das AMVSG vom 4. Mai 2017 mit Wirkung zum 13. Mai 2017 die Möglichkeit des Abschlusses von Direktverträgen gestrichen und die Wirkung der Verträge zum 31. August 2017 beendet, § 129 Abs. 5 S. 4 SGB V. Außerdem wurden in den §§ 129 Abs. 5c S. 2 bis 4 die Voraussetzungen geschaffen, die Hilfstaxenpreise gegebenenfalls per Schiedsstellenverfahren abzusenken. Davon wurde durch den Beschluss vom 19. Januar 2018 Gebrauch gemacht. Die insoweit vom Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung der Hilfstaxe umfasste Vereinbarungen für sämtliche parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln. Dies ergibt sich auch ausdrücklich aus § 129 abs. 5c S. 1 und 3 SGB V (vgl. dazu Penner, SGb 2020, 179-185; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018, B 3 KR 6/17 R Rn 44; BT-Drs 18/10208 S. 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.