L 2 AS 511/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 AS 949/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 511/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Auskunftspflicht des Vermieters nach § 60 Abs 1, Abs 2 Satz 1 1. Fall SGB II gegenüber dem Leistungsträger über Betriebsguthaben seiner Mieter, die im SGB II Leistungsbezug stehen oder solche Leistungen beantragt haben, erstreckt sich nur auf die Auskunftserteilung selbst. Sie umfasst nicht die Vorlage von Beweisunterlagen. Keinesfalls kann die vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnung inklusive aller Anlagen, die auch Daten über das Verbrauchsverhalten der Leistungsbezieher, die Anzahl der Nutzer usw. ausweist, herausverlangt werden.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 30. Juli 2021 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2020 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Vermieterin gegenüber dem Beklagten verpflichtet ist, Auskünfte über ein Mietverhältnis eines Leistungsbeziehers zu erteilen.

Die Klägerin ist eine eingetragene Wohnungsgenossenschaft, die Wohnungen an Genossenschaftsmitglieder „vermietet“. Bei dem Beklagten bezogen Herr M. G. und Frau N. O. mit Kindern (künftig: Leistungsbezieher) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende) einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) von dem Beklagten. Die Bedarfsgemeinschaft G./O. wohnte in einer Wohnung der Klägerin in der G. 15 in M. Hierfür waren eine „Grundmiete“ in Höhe von 400 €, sowie Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 94,90 € sowie Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 123,34 € monatlich zu entrichten. Auf Wunsch der Leistungsbezieher zahlte der Beklagte die Wohnkosten (618,24 €) direkt an die Klägerin (z. B. vorläufiger Änderungsbescheid vom 11. März 2020).

Mit Schreiben vom 12. Februar 2020 und 11. März 2020 forderte der Beklagte die Leistungsbezieher unter anderem auf, die vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnungen 2018 und 2019 (nach Erhalt) inklusive aller Anlagen bis zum 25. März 2020 vorzulegen. Dabei wies er auf die Mitwirkungspflicht der Leistungsbezieher nach §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) hin. Die Leistungsbezieher legten innerhalb der gesetzten Frist andere Unterlagen vor, nicht aber auch die geforderten Betriebskostenabrechnungen.

Zunächst bat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2020 um Einreichung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 der Leistungsbezieher (Auskunftsersuchen). Diese Auskünfte würden benötigt, da die oben genannte Person (Herr G.) seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. Die Klägerin wandte sich gegen dieses Schreiben und die darin enthaltene Aufforderung erfolglos mit einem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2020 – der Widerspruch sei unzulässig, weil es sich nicht um einen Verwaltungsakt handele).

Der Beklagte erließ am 12. Mai 2020 ein an die Klägerin als Vermieterin gerichtetes förmliches Auskunftsverlangen und stützte dieses auf § 60 Abs. 2 SGB II. Es sei bis zum 27. Mai 2020 für den Mieter M. G., G. 15 in M., die „vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 inklusive aller Anlagen“ vorzulegen. Er ordnete die sofortige Vollziehung der bezeichneten Pflicht an. Zur Feststellung und abschließenden Prüfung der Leistungsberechtigung der Mieter sei die Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2018 erforderlich. Die Klägerin sei Eigentümerin bzw. Verwalterin des Wohnraumes, welcher an die oben genannte Person vermietet worden sei und verwahre damit die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen des Leistungsberechtigten. Gem. § 60 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 6d SGB II habe derjenige, der für SGB II-Leistungsbezieher Guthaben führe oder Vermögensgegenstände verwahre, dem Beklagten auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruhe darauf, dass das öffentliche Interesse an der Auskunft und das Interesse des Leistungsberechtigten auf Feststellung des SGB II-Anspruchs dem Interesse des Auskunftspflichtigen an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs grundsätzlich vorgingen. Gegen diesen Bescheid könne die Klägerin Widerspruch einlegen. Zugleich wies der Beklagte die Klägerin auf die mögliche Einleitung eines Bußgeldverfahrens nach § 63 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 SGB II hin.

Hiergegen legte die Klägerin am 18. Mai 2020 Widerspruch ein. Der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig, weil sie für ihre Mieter – gleichgültig ob diese nun Leistungen nach dem SGB II bezögen oder nicht – keine Guthaben führe und keine Vermögensgegenstände verwahre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2020 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Leistungsbezieher seien bereits mehrmals erfolglos aufgefordert worden, eine Kopie der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 vorzulegen. Die monatlichen Mietzahlungen für die Leistungsbezieher würden der Klägerin direkt überwiesen werden. Hierzu führe die Klägerin ein Mietkonto. Sie sei verpflichtet, über die geleisteten Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten jährlich abzurechnen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin bereits eine ordnungsgemäße Abrechnung für das Jahr 2018 erstellt habe. Ein etwaiger Guthabensbetrag werde auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin einen Guthabensbetrag auf dem Mieterkonto führe oder geführt habe. Folglich sei sie auch verpflichtet, gem. § 60 Abs. 2 SGB II hierüber entsprechende Auskunft zu erteilen. Die zuvor geäußerten datenschutzrechtlichen Bedenken seien unerheblich, da nur Daten aus der Betriebskostenabrechnung betroffen seien und er als Leistungsträger im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung ohnehin Datenschutzregelungen unterliege. Er habe sich mehrfach zuvor erfolglos an die Mieter (Leistungsbezieher) gewandt. Die Klägerin sei die einzig Greifbare, die über die anspruchsbegründenden Informationen verfüge. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Leistungen der Grundsicherung um Mittel handele, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert würden, überwiege das öffentliche Interesse an der Auskunft gegenüber den Interessen des Auskunftspflichtigen. Steuerfinanzierte Transferleistungen dienten nicht dazu, den Leistungsbeziehern besser zu stellen als denjenigen, der ohne SGB II seinen Lebensunterhalt bestreite.

Am 28. Mai 2020 übersandten die Leistungsbezieher die komplette Betriebskostenabrechnung der Klägerin vom 5. Juni 2019 für das Jahr 2018 nebst Anschreiben an den Beklagten. Die Abrechnung endete mit einem Guthaben (380,40 €) für die Leistungsbezieher. Weiter heißt es in dem Schreiben an die Mieter wörtlich: „Das sich aus der Betriebskostenabrechnung ergebende Guthaben in Höhe von 380,40 € verrechnen Sie bitte mit der Miete gemäß Übersicht und Fälligkeit.“ Am 2. Juni 2020 fragte eine Mitarbeiterin des Beklagten telefonisch bei Herrn G. nach, ob er das sich hieraus ergebende Guthaben schon erhalten habe. Dieser teilte mit, dass er das Geld nicht erhalten habe und ihm mitgeteilt worden sei, dass das Amt das Geld bekomme bzw. dieses verrechnet werde. Herr G. teilte – ausweislich des Gesprächsvermerks vom 2. Juni 2020 – weiter mit, dass sich der Beklagte an die Vermieterin wenden könne, hier dürften auch die entsprechenden Nachweise eingeholt werden. In einem Telefonat der Mitarbeiterin des Beklagten mit einer Mitarbeiterin der Klägerin teilte letztere mit, dass das Guthaben nicht ausgezahlt worden sei, sondern mit einer Mietänderung verrechnet werde. Da eine Mietabtretung vorliege, hätte der Beklagte im Übrigen vorrangigen Anspruch auf das Guthaben.

Am 5. Juni 2020 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) H. gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2020 erhoben. Bei der Auskunftspflicht nach § 60 SGB II habe der Beklagte den Grundsatz der Subsidiarität zu beachten. Der Beklagte habe einfache und wirksame Sanktionsmöglichkeiten, die Leistungsbezieher anzuhalten, zeitnah und vollständig über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Der Umstand, dass die Klägerin für sämtliche Mieter „Mietkonten“ eingerichtet habe, sei nicht gleichbedeutend damit, dass sie für die Mieter Guthaben führe oder Vermögensgegenstände aufbewahre. Die erteilte Auskunft des Mieters betreffe nicht das Auskunftsverlangen gegen sie selbst, welches bis zur Rücknahme des Verwaltungsaktes fortbestehe.

Der Beklagte hat nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 und der ergänzenden Auskunft der Mitarbeiterin der Klägerin mitgeteilt, dass es für die Klage der Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis mehr gebe. Im parallel von der Klägerin geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem SG (S 24 AS 975/20 ER) habe der Mieter die abgeforderte Betriebskostenabrechnung vorgelegt, daneben habe die Klägerin über die Auszahlung des Guthabens Auskunft erteilt. Durch die Erteilung der Auskunft durch die Mitarbeiterin der Klägerin habe sich das Auskunftsverlangen erledigt. Eine Rechtswirkung gehe von dem Auskunftsverlangen nicht mehr aus, weshalb der Bescheid nicht zurückgenommen werden müsse. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liege nicht vor, da die Auskunftspflicht kraft Gesetzes bestehe und die Notwendigkeit eines Auskunftsverlangens sich aus der Sachlage im Einzelfall ergebe.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Verwaltungsakt ihr gegenüber habe sich noch nicht erledigt. Sie habe die geforderte Handlung nicht vorgenommen. Die Auskunftspflicht bestehe nicht, weil der Beklagte sein Auskunftsverlangen nicht nach pflichtgemäßen Ermessen ausgeübt habe. Er hätte die datenschutzrechtlichen Belange beachten müssen. Hierbei gehe es nicht nur um die Tatsache, dass bestimmte Mieter Sozialleistungen bezögen. Die Mieter hätten auch ein schützenswertes Interesse daran, dass ihre Vermieter Dritten nicht ohne Einwilligung Auskünfte erteilten, aus denen Rückschlüsse auf ein konkretes Nutzungsverhalten gezogen werden könne, beispielsweise von wie vielen Personen eine Wohnung genutzt werde. Vermieter seien keine Hilfsorgane der Sozialleistungsträger. Aus der Sicht der Klägerin bestehe jedenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Denn solche Auskünfte würden fortlaufend von ihr gefordert, womit ein erheblicher Verwaltungsaufwand einhergehe. Zudem fielen Betriebskostenabrechnungen jährlich an und es sei mit weiteren Abforderungen zu rechnen, wenn die Leistungsbezieher ihrer Auskunftspflicht nicht rechtzeitig nachkämen.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft aber unbegründet. Der Beklagte durfte – gestützt auf § 60 Abs. 2 SGB II – Auskunft von der Klägerin verlangen. Auch auf die Kontenführung bzw. Guthabensverwaltung von Mieterkonten beziehe sich die Ermächtigungsgrundlage. Der Inhalt des Auskunftsverlangens erstrecke sich auf Tatsachen, die die Klägerin ohnehin offenbaren müsse, weil sie verpflichtet sei, gegenüber ihren Mietern eine Abrechnung zu erstellen. Die Mieter wiederum seien verpflichtet, die Abrechnung, jedenfalls wenn ein Guthaben zu verzeichnen sei, dem Beklagten vorzulegen. Der Durchgriff sei in einem Fall, in dem alle wissen, dass der Beklagte letztlich „die Miete zahle“, unbedenklich. Der Beklagte habe auch die Gründe für die Entscheidung hinreichend nachvollziehbar dargelegt.

Gegen die ihren Prozessbevollmächtigten am 20. August 2021 zugestellte Entscheidung haben diese für die Klägerin am 13. September 2021 Berufung eingelegt. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass sie als Vermieterin für ihre Mieter Konten bzw. Guthaben verwalte und deshalb nach § 60 Abs. 2 SGB II auskunftspflichtig sei. Die Hauptleistungspflicht des Vermieters einer Wohnung bestehe in der Überlassung der Mietsache und ihrer Erhaltung in einem vertragsgemäßen Zustand. Vereinbare der Vermieter mit seinem Mieter, dass dieser die Betriebskosten zu tragen und hierauf Vorauszahlungen zu leisten habe, so müsse er darüber jährlich abrechnen (§ 556 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Die Abrechnung ende mit einer Nachforderung oder einem Rückzahlungsanspruch des Mieters. Dieses werde umgangssprachlich als Betriebskostenguthaben bezeichnet. Dies führe jedoch nicht dazu, dass der Vermieter über längere Zeit hinweg für seine Mieter ein Guthaben verwalte. Anders als bei Kreditinstituten oder Versicherungsgesellschaften stünden dem Mieter keine Auszahlungsansprüche zu, über die er (ohne bzw. gegen den Willen des Vermieters) jederzeit frei disponieren könne.

Vorliegend habe der Beklagte schon nicht ernsthaft genug versucht, die benötigten Informationen von den Leistungsbeziehern zu bekommen. So seien die Schreiben nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen. Da die Leistungsbezieher zuvor schon Unterlagen vorgelegt hätten, sei von einer grundsätzlichen Auskunftsbereitschaft derselben auszugehen. Die Mieter hätten die Unterlagen auch vorlegen können. Die Vorlage der vollständigen Abrechnungsunterlagen betreffe auch nicht nur Sozialdaten, die sie als Vermieterin ohnehin habe offenbaren müssen. Denn die Offenbarungspflicht bestehe ausschließlich gegenüber dem Mieter, nicht gegenüber dem Beklagten. Ergänzend verweist die Klägerin darauf, dass sich ihre Auskunftspflicht auf die vollständige Betriebskostenabrechnung beziehe, weshalb die mündliche Auskunft über die unterbliebene Auszahlung des Guthabens diese Pflicht nicht erfüllt haben könne. Das Telefonat am 4. Juni 2020 habe nicht der einvernehmlichen Beilegung des Streits, sondern der Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen gedient.

In Bezug auf das Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei auszuführen, dass der Beklagte systematisch solche Auskunftsansprüche für sich reklamiere, ohne alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Information von seinen Leistungsempfängern zu erhalten. Ausschlaggebend für den Beklagten seien „Lästigkeitserwägungen“, weil die Anfrage bei Großvermietern schneller zu Ergebnissen führe. Es könne nicht ihre Aufgabe sein, den Beklagten Verwaltungsaufwand abzunehmen, indem sie ihn regelmäßig und unentgeltlich mit Informationen über ihre Mieter versorge.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2021 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2020 aufzuheben, hilfsweise, die Rechtswidrigkeit der vorgenannten Bescheide festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für überzeugend. Die Anspruchsgrundlage des § 60 Abs. 2 SGB II sei nicht auf die Durchführung von Vermögensangelegenheiten und Verwahrung von Vermögensgegenständen beschränkt. Das Führen von Guthaben sei weit zu fassen. Es umfasse auch einen festgestellten und auszahlbaren Anspruch im Rahmen einer Schlussabrechnung, bei dem die Vorauszahlungen in das Eigentum des Vermieters übergegangen seien. Die Regelung nach § 60 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB II finde bereits dann Anwendung, wenn eine Leistungsverpflichtung des Dritten nach den objektiv zu betrachtenden Gegebenheiten möglich erscheine und das Auskunftsverlangen aufgrund der Ungewissheit einer Zahlungsverpflichtung der Sachverhaltsaufklärung zur Prüfung der Höhe zustehender Ansprüche nach dem SGB II diene.

Der Beklagte verweist weiter darauf, dass er vor dem bußgeldbewehrten Auskunftsverlangen zunächst als milderes Mittel ein einfaches Auskunftsersuchen gestellt habe. Über die Tatsache der Betriebskostenabrechnung hätte auch kein anderer (außer dem Mieter) Auskunft erteilen können.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt und regen an, die Revision zuzulassen, weil über die Auskunftspflicht des Vermieters noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliege.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).

Gegenstand des Verfahrens sind der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 30. Juli 2021 und der Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2020.

A Die Berufung der Klägerin ist statthaft. Die Berufung ist nach § 143 SGG nicht zulassungsbedürftig, weil sie unter keinen Zulassungsbeschränkungstatbestand nach § 144 Abs. 1 SGG fällt. Denn sie ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft. Die Klägerin wendete sich nicht gegen einen Verwaltungsakt, der auf eine Geld- Dienst- oder Sachleistung gerichtet ist. Dem Auskunftsersuchen in Form der Verpflichtung zur Übersendung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 gegen den Vermieter kann ein bezifferbarer Wert nicht zugeordnet werden. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Einer Beiladung der Leistungsbezieher bedurfte es nicht, weil im Auskunftsrechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem Vermieter keine Entscheidung getroffen wird, die auch gegenüber den Leistungsbeziehern nur einheitlich ergehen könnte.

B Die Berufung ist in ihrem Hilfsantrag begründet. Die auf Aufhebung des Auskunftsbescheides vom 12. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides gerichtete Klage ist unzulässig, die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hingegen begründet.

I. Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen das Auskunftsverlangen mit Bescheid vom 12. Mai 2020 ist unzulässig. Die isolierte Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG ist unzulässig, weil es an einem wirksamen Verwaltungsakt als Anfechtungsgegenstand fehlt. Der Beklagte hat zwar den Auskunftsanspruch durch Verwaltungsakt geltend gemacht, wozu er auch berechtigt war. Der Regelung des § 60 SGB II ist die Befugnis des Trägers zu entnehmen, einen Auskunftsanspruch nach Abs. 1 bis 4 durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 38/13 R – juris Rn. 35). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich der angefochtene Bescheid gem. § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) aber auf sonstige Art und Weise erledigt, weshalb er nicht mehr mit rechtgestaltender Wirkung durch das Gericht aufgehoben werden kann. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt ein, wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris). Das den Verwaltungsakt erledigende Ereignis besteht darin, dass die von der Klägerin geforderte Auskunft in Form der Übersendung der Unterlage „Vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 inklusive aller Anlagen“ durch die Leistungsbezieher erbracht wurde, indem sie die Unterlagen an den Beklagten gesandt haben. Damit lag die allein geforderte Unterlage dem Beklagten aus anderen Gründen vor und er hat die Anforderung der Unterlage von der Klägerin für erledigt erklärt. Es handelte sich nicht um eine spezifische Auskunft durch die Klägerin, die nur die Klägerin geben konnte, sondern um die Vorlage einer von der Klägerin verfassten Unterlage, die auch den Leistungsbeziehern vorlag. Aus diesem Grund wurde der durch das Auskunftsverlangen verfolgte Zweck auf andere Art erreicht.

II. Nach der Erledigung des gegenständlichen Bescheides ist nur noch die hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG statthaft.

1. Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zur Auskunftspflicht ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit i. S. des § 131 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz SGG. Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung setzt jedenfalls voraus, das die angestrebte Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin zu verbessern. Die Möglichkeit bei einem berechtigten Interesse die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes feststellen zu lassen, entspricht dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2022 – B 8 SO 3/20 R – juris Rn. 17). Das Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein und kommt grundsätzlich in Betracht bei Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse, bei Vorliegen eines Rehabilitierungsinteresses oder wenn Wiederholungsgefahr besteht (BSG in ständiger Rechtsprechung, statt anderer: Urteil vom 14. Dezember 2021 – B 14 AS 77/20 R – juris Rn. 16). Für die Wiederholungsgefahr ist eine mit einiger Wahrscheinlichkeit bestehende konkrete Gefahr ausreichend, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juli 2021 – B 6 KA 15/20 R – juris). Eine solche Gefahr ist vorliegend gegeben. Es besteht die konkrete Gefahr, dass der Beklagte auch in nachfolgenden Jahren des Leistungsbezugs dieser Leistungsbezieher erneut die Betriebskosten- und Heizkostenabrechnung bei der Klägerin anfordern wird, wenn die Leistungsberechtigten sie nicht schnell genug vorlegen. Zudem handelt es sich um eine Verwaltungspraxis bei dem Beklagten, die auch zu mehreren weiteren Klageverfahren geführt hat (durch Anfragen für Ruhensbeschlüsse und Aktenanforderungen sind jedenfalls die Verfahren S 23 AS 1341/21 und S 14 AS 397/24 beim SG H. hier bekannt) und nach Darstellung der Klägerin auch bei anderen Leistungsbeziehern von dem Beklagten nicht selten praktiziert wird. Dadurch falle ein signifikanter Verwaltungsaufwand bei der Klägerin in der Bearbeitung der Anfragen an. Insofern besteht ein von dem Einzelfall der Anforderung einer bestimmten Betriebskostenabrechnung (2018) unabhängig bestehender Streitpunkt über die Auskunftspflicht zwischen der Klägerin und dem Beklagten.

2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, weil der Verwaltungsakt vom 12. Mai 2020 über das Bestehen einer Auskunftspflicht rechtwidrig war. Die geforderte Auskunft, gerichtet auf die Vorlage der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018, war nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt.

In Betracht kommt eine Auskunftsverpflichtung nach § 60 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 1. Fall SGB II. Nach Abs. 1 hat wer jemandem, der Leistungen nach dem SGB II beantragt hat oder bezieht, Leistungen erbringt, die geeignet sind, diese Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, dem Beklagten hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist. § 60 Abs. 2 Satz 1 1. Fall SGB II erstreckt die Auskunftsverpflichtung auf Leistungsverpflichtungen gegenüber dem Leistungsberechtigten, auch wenn aufgrund der Verpflichtung Zahlungen noch nicht geflossen sind. Besteht eine solche Auskunftspflicht des Dritten, geht diese dem Datenschutz des Leistungsberechtigten grundsätzlich vor. Ein Einverständnis des Leistungsberechtigten zur Einholung von Auskünften ist nicht erforderlich, da es um die Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen geht und auch Leistungsmissbrauch verhindert werden soll (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, 3. Ergl. 2024, § 60 Rn. 4a). Der Einzelne muss Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch ein überwiegendes Allgemeininteresse gerechtfertigt sind. Die Überprüfung von Sozialleistungen stellt einen solchen bedeutsamen Gemeinwohlbelang dar. Der Eingriff ist nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und bei der Ermessensausübung nur dann gerechtfertigt, wenn er erforderlich ist. Dies betrifft allein die reine Auskunftsverpflichtung nach § 60 SGB II.

Daneben besteht die die Möglichkeit des Leistungsträgers, im Rahmen der Ermittlung des Sachverhalts Fragen an die Klägerin zu stellen (§ 21 SGB X). Insoweit sind Datenschutzbelange zu beachten und es handelt sich um ein nicht durch Verwaltungsakt durchsetzbares Ersuchen der Behörde.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist hingegen die Ermächtigungsgrundlage in § 60 Abs. 2 Satz 1 2. Fall SGB II nicht einschlägig, wenn es auch hierauf (s. unten 2. c) nicht ankommt. Danach hat auch derjenige Auskunft zu erteilen, der für den Leistungsberechtigten Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt. Dieser Auskunftsanspruch wurde den Leistungsträgern zur Prüfung der Voraussetzungen des § 12 SGB II über das zu berücksichtigende Vermögen eingeräumt (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, 1. Ergl. 2025, § 60 Rn. 33 [Stand Dezember 2023]). Zur Recht verweist die Klägerin darauf, dass sie keine Vermögensgegenstände der Mieter verwaltet, sondern nach Ablauf einer jährlichen Abrechnungsperiode ein Abrechnungsanspruch mit ggf. daraus resultierenden Anspruch auf Auskehr der zu viel gezahlten Vorauszahlungen der Mieter (Guthaben) besteht. Dieses Guthaben wiederum stellt sich als potentielles Einkommen der Mieter dar und fällt wie dargestellt unter die anderen Ermächtigungstatbestände.

a) Im Ergebnis liegt kein Verstoß gegen die Anhörungspflicht vor Erlass des belastenden Bescheides vor. Die Klägerin, gegen die der Auskunftsverwaltungsakt gerichtet war, ist Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X), in welchem in ihre Rechte eingriffen wird. Sie muss ordnungsgemäß vor Erlass des Verwaltungsaktes angehört werden (§ 24 SGB X). Eine solche Anhörung hat nicht stattgefunden; die Klägerin hatte aber ausreichend Gelegenheit erhalten, sich im Widerspruchsverfahren zu den aus Sicht des Beklagten erheblichen Tatsachen zu äußern. Damit ist die erforderliche Anhörung nachgeholt worden und der Verfahrensmangel gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.

b) Grundsätzlich ist der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 1. Fall SGB II eröffnet. Der Rückgewähranspruch von Vorauszahlungen des SGB II-Beziehers als Mieter gegen den Vermieter (Anspruch auf Auszahlung des Betriebs- und Heizkostenguthabens) im Ergebnis der jährlichen Abrechnung über die Vorauszahlungen (§ 556 Abs. 2 und 3 BGB) kann eine solche Leistungsverpflichtung bzw. bei Erfüllung Leistungserbringung sein. Denn nach § 22 Abs. 3 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Es ist dabei ausreichend, dass ein Anspruch der Leistungsbezieher gegen die Klägerin möglicherweise besteht. Ein solcher muss nicht schon feststehen, da die Auskunft bei Ungewissheit eines Einkommenszuflusses bzw. eines Anspruchs zur Sachverhaltsaufklärung gerade beitragen soll.

c) Der Beklagte hat mit seiner geforderten Auskunft jedoch die Grenzen dieser Auskunftsverpflichtung des Vermieters überschritten.

aa) Schon der Gesetzgeber hat den Umfang der Auskunftsverpflichtung im Rahmen der Überprüfung der Leistungsberechtigung eingeschränkt. Anders als die Auskunftspflicht für Arbeitgeber (§ 57 SGB II), die sich auf alle Tatsachen bezieht „die für die Entscheidung über einen Anspruch auf Leistungen nach diesem Buch erheblich sein können“ bezieht sich die Auskunftspflicht des Dritten i. S. des § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 1. Alt. SGB II sachbezogen nur auf die Erbringung von Leistungen bzw. die Verpflichtung zu Leistungen selbst. Dies wird deutlich durch die Formulierung „Leistungen erbringt“ bzw. „zu Leistungen verpflichtet ist“ „hat (…) hierüber“ Auskunft zu erteilen.

bb) Darüber hinaus bezieht sich die hier relevante Ermächtigung allein auf die Auskunftserteilung selbst. Nur diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung hat der Gesetzgeber geregelt. Die Auskunftspflicht umfasst nicht automatisch auch die Vorlage von Beweisunterlagen (Belegen). Das BSG hat zum Umfang der vom Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu leistenden Auskünfte zu § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II ausgeführt, dass gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt, nach dem insoweit klaren Wortlaut nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden könne. Während nach § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II, der auf § 1605 Abs. 1 BGB verweist, für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung die Vorlage von Belegen über die Höhe der Einkünfte gefordert werden könne (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 87/09 R – juris Rn. 19). Auch der Senat hat zu § 60 Abs. 4 Satz 1 SGB II bereits entschieden, dass diese Norm nicht zur Abforderung von Unterlagen (Belege über die Höhe der Einkünfte), sondern nur zur Einholung von Auskünften ermächtigt (Urteil vom 27. März 2014 – L 2 AS 877/12 – juris Rn. 37 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat für eine Ermächtigung im BSHG, Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, ausgeführt, dass dies nicht die Vorlage von Unterlagen mitumfasse, hierfür bedürfe es einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigung (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 – 5 C 43/90 – juris Rn. 15). So haben die Gerichte in alten Fassungen des § 116 Abs. 1 BSHG (gültig bis zum 30. Juni 1990) zur Auskunftspflicht des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Träger der Sozialhilfe betont, dass der Auskunftsanspruch die Vorlagen von Belegen nicht umfasste (BGH, Urteil vom 5. März 1986 – IVb ZR 25/85 – juris Rn. 13). Hierfür ist erst durch das Art. 24 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28. Juni 1990 ab dem 1. Juli 1990 ein eigenständiger Satz 2 „Die Pflicht zur Auskunft umfasst die Verpflichtung, auf Verlangen des Trägers der Sozialhilfe Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen“ angefügt worden. Auch für andere Auskunftsansprüche ist eine Ermächtigung für die Anforderung von Belegen gesetzlich gesondert verankert (z. B. § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB „Auf Anforderung sind Belege vorzulegen“). Eine solche Ermächtigung zur Verpflichtung zur Vorlage von Belegen/Beweisurkunden fehlt sowohl in § 60 Abs. 1 als auch in § 60 Abs. 2 Satz 1 1. Fall SGB II (sie würde im Übrigen auch für die nach der Ansicht des Beklagten einschlägige Ermächtigung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 2. Fall SGB II fehlen). Die weitergehende Ermächtigung in § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II bezieht sich nur auf die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung. Auch soweit sich § 60 Abs. 1–4 SGB II an § 315 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) anlehnen (Blüggel in: Luik/Harich, SGB II, 6. Aufl. 2024, § 60 Rn. 6), ergibt sich hieraus kein Anhaltspunkt darauf, dass die Auskunftspflicht nicht nur die Einholung von Auskünften, sondern auch zur Vorlage von Belegen (Beweisurkunden) verpflichtet. Auch hier können nur Belege verlangt werden, wenn sich die Auskunft auf Unterhaltsverpflichtungen bezieht (vgl. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, 2. Ergl. 2025, § 315 Rn. 24).

Eine solche enge Interpretation des Wortlautes „Auskunft zu erteilen“, wie sie auch das BSG anwendet, ist angesichts des Umstandes, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt ist (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und durch die Mittel der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden kann, sachgerecht.

cc) Aber unabhängig von der allgemeinen Frage, ob die Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft Beweisurkunden für die abgefragten Tatsachen mitumfasst, war die Abforderung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung hier rechtswidrig. Denn die von dem Beklagten angeforderten Unterlagen gehen weit über den Beleg der zulässiger Weise zu erfragenden Tatsachen hinaus. Die geforderte Beweisurkunde betrifft jedenfalls auch Belege zu nicht mehr zulässigen Auskunftsverlangen. Denn der Beklagte forderte die „Vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 inklusive aller Anlagen“. In Bezug auf das mögliche Betriebs- und Heizkostenguthaben besteht – wie dargestellt eine Auskunftspflicht des Vermieters gegenüber dem Leistungsträger. Für weitergehende Informationen, wie z. B. Daten über das Verbrauchsverhalten der Leistungsberechtigten, die Angabe der Höhe der Abschläge, die Anzahl der Nutzer usw., bietet hingegen § 60 SGB II keine Auskunftsverpflichtung, auch wenn die Informationen sich im Rahmen der Aufgaben des Leistungsträgers bewegen. Die vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnung enthält aber diese weitergehenden Informationen. Eine solche Abrechnung vorzulegen gehört zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Leistungsempfängers. Nach §§ 60, 66 SGB I kann ggf. versucht werden, die Vorlage durch Leistungsversagung zu erzwingen. Die Nichtvorlage der Unterlagen kann auch Anlass dafür bieten, dem Leistungsempfänger Leistungen nur vorläufig zu bewilligen und im Rahmen der endgültigen Festsetzung kann bei fehlender Mitwirkung unter Umständen eine Nullfestsetzung erfolgen (§ 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II). Diese umfassende Vorlageobliegenheit betrifft jedoch nur das Verhältnis Leistungsempfänger zu Leistungsträger. Der Beklagte hat dies umgangen, indem er nach einer erfolglosen Aufforderung der Leistungsempfänger, die gleichen umfassenden Unterlagen bei der Klägerin als Vermieterin abgefordert hat. Dies war rechtswidrig. Da der Beklagte auch nicht einerseits zulässiger Weise die Auskunft über das Betriebskostenguthaben verlangt hat und daneben noch den Beleg hierüber, sondern ausschließlich die vollständige Abrechnung, muss auch nicht eine mögliche Teilrechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens geprüft werden. Grundsätzlich ist z.B. bei einem einheitlichen Fragenkatalog, in dem einige Fragen rechtswidrig sind, ein einheitlicher Verwaltungsakt zu sehen, bei dem eine Teilrechtswidrigkeit regelmäßig ausscheidet (vgl. Senatsentscheidung vom 21. Juni 2021 – L 2 AS 462/19 – juris Rn. 20 f.). Ob eine Teilbarkeit zwischen einem zulässigen Auskunftsverlangen und der daneben bestehenden unzulässigen Aufforderung, diese Tatsache zu belegen, besteht (wofür viel spricht), muss hier nicht entschieden werden.

Zusammenfassend ist auszuführen, dass in Bezug auf die Auskunftspflicht des Vermieters sich das Auskunftsersuchen des Leistungsträgers nach § 60 SGB II allein darauf beziehen kann, ob es nach der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2018 ein Guthaben gab (und ob dieses die Heizung oder die Betriebskosten betraf) und ggf. ob dieses ausgezahlt wurde, bzw. was damit passiert ist. Weitergehende Fragen und Anforderungen können im Rahmen der Ermittlung des Sachverhaltes (Offizialmaxime) zwar gestellt werden, aber nicht im Rahmen einer als Verwaltungsakt durchsetzbaren und bußgeldbewehrten Auskunftspflicht nach § 60 SGB II.

C Es handelt sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren gem. § 197a SGG. Die Kostenfreiheit nach § 183 SGG greift für die Beteiligten nicht, sie gehören nicht zu dem privilegierten Personenkreis. Die Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der Kosten ergibt sich aus § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei ist der Beklagte von Gerichtskosten befreit (§ 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Da die Klägerin mit ihrem Anfechtungsantrag unterlegen war und nur mit ihrem Hilfsantrag obsiegt hat, waren die Kosten hälftig aufzuteilen.

D Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG, wie von den Beteiligten gewünscht, bestehen nicht. Zum Umfang einer isolierten Pflicht zu Erteilung einer Auskunft in § 60 SGB II hat das BSG bereits entschieden (s. o.). Besondere noch zu klärende grundsätzliche Fragestellungen im Verhältnis Vermieter zu Grundsicherungsträger stellen sich nicht.

E Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei wegen fehlender Anhaltspunkte für eine Bestimmung des konkreten Wertes des Auskunftsverlangens für die Vorlage einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung dieser Wert mit dem Auffangstreitwert von 5.000 € festzusetzen ist. Hierzu haben die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt.

F Der in diesem Urteil enthaltene Streitwertbeschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden.

Rechtskraft
Aus
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