Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 2023, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 4. August 2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2018 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum 1. November 2018 bis 27. Februar 2019 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
G r ü n d e :
I
1
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1.11.2018 bis 27.2.2019.
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Der Kläger befand sich vom 5.10.2015 bis 26.11.2016 und vom 20.3.2017 bis 16.3.2018 in Haft. Vom 5.4.2018 bis 30.10.2018 war er zur stationären therapeutischen Behandlung in der S Klinik F und ab 28.2.2019 erneut inhaftiert.
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Die Justizvollzugsanstalt A (JVA) bescheinigte dem Kläger die Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und eine Versicherungspflicht in dem Zeitraum 1.11.2016 bis 31.10.2018 für insgesamt 321 Tage. Für die Zeiträume vom 11.4.2017 bis 12.4.2017, vom 8.8.2017 bis 11.8.2017, vom 18.10.2017 bis 23.10.2017 und vom 13.1.2018 bis 19.1.2018 sei der Kläger arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Am 26.5.2017, 16.6.2017, 14.8.2017, 30.10.2017, vom 27.12.2017 bis 29.12.2017 und am 25.1.2018 habe Betriebsruhe bestanden. Am 13.7.2017, 1.8.2017, 2.8.2017, 13.10.2017, 16.10.2017, 22.12.2017, 11.1.2018, 1.3.2018 und 2.3.2018 sei der Kläger zudem ohne Arbeit gewesen.
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Der Kläger meldete sich am 29.10.2018 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 31.10.2018; Widerspruchsbescheid vom 19.11.2018). Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.
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Das SG hat die auf Gewährung von Alg gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4.8.2021). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom 16.2.2023). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, Versicherungspflicht des Klägers nach § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III habe nur an den 321 von der JVA bescheinigten Tagen bestanden. Denn es seien nur die Tage zu berücksichtigen, an denen der Kläger tatsächlich gearbeitet und für die er entsprechenden Lohn erhalten habe, einschließlich der arbeitsfreien Sonnabende, Sonn- und gesetzlichen Feiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeitsabschnitts lägen. Ein Arbeitsabschnitt werde nur durch wochenend- bzw feiertagsbedingte Arbeitsruhe nicht unterbrochen. Werde hingegen an einem Tag beispielsweise aufgrund von Krankheit, Betriebsruhe oder aus sonstigen Gründen keine Arbeit verrichtet und folge diesem arbeitsfreien Tag ein Wochenende bzw ein Feiertag, liege eine Unterbrechung des Arbeitsabschnitts vor. Gleiches gelte, wenn dem arbeitsfreien Tag ein Wochenende bzw ein Feiertag vorausgehe. In der Konsequenz seien dann weder die arbeitsfreien Tage noch die diesen vor- oder nachgehenden Wochenenden bzw Feiertage versicherungspflichtig.
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Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 2023, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 4. August 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab dem 1. November 2018 bis zum 27. Februar 2019 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II
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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Entscheidungen des SG und des LSG sind ebenso wie die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Der Kläger hat Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1.11.2018 bis 27.2.2019.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid der Beklagten vom 31.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2018, mit dem sie die Bewilligung von Alg ab dem 1.11.2018 abgelehnt hat. Zeitlich begrenzt ist der Streitzeitraum bis 27.2.2019.
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2. Gegen die ablehnenden Entscheidungen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG), gerichtet auf deren Aufhebung und die Zahlung von Alg dem Grunde nach (§ 130 SGG).
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3. Die Klage ist begründet. Die Beklagte hat den Anspruch auf Alg ab 1.11.2018 zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.
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a) Er hat sich am 29.10.2018 arbeitslos gemeldet (§ 137 Abs 1 Nr 2 und § 141 SGB III in der ab 1.4.2012 gültigen Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854) und war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG nach der Entlassung aus der Klinik am 30.10.2018 bis zu seiner erneuten Inhaftierung am 28.2.2019 arbeitslos (§ 137 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 138 Abs 1 SGB III).
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b) Der Kläger hat auch die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 142 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des Gesetzes vom 20.12.2011). In der Rahmenfrist stand er mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre (§ 143 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 20.12.2011) und begann mit dem Tag vor Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Sie reichte damit vom 31.10.2016 bis 30.10.2018.
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c) Als Gefangener, der für seine Tätigkeit in der JVA Arbeitsentgelt erhielt, war der Kläger nicht als Beschäftigter (§ 25 SGB III; vgl nur BSG vom 31.10.1967 - 3 RK 84/65 - BSGE 27, 197 = SozR Nr 54 zu § 165 RVO, juris RdNr 10 ff; anders bei sog Freigängern BSG vom 16.10.1990 - 11 RAr 3/90 - BSGE 67, 269 ff = SozR 34100 § 103 Nr 2), sondern aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig (§ 26 Abs 1 Nr 4 SGB III in der ab 1.8.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung <Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz> vom 18.7.2016, BGBl I 1710). Danach sind versicherungspflichtig Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 des Strafvollzugsgesetzes) erhalten oder Ausbildungsbeihilfe nur wegen des Vorrangs von Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung nach diesem Buch nicht erhalten; das Versicherungsverhältnis gilt während arbeitsfreier Sonnabende, Sonntage und gesetzlicher Feiertage als fortbestehend, wenn diese Tage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes liegen. Der Kläger war Gefangener im Sinne der Norm, denn er war im Vollzug von Freiheitsstrafen untergebracht (§ 26 Abs 1 Nr 4 Satz 2 SGB III).
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d) Das Versicherungsverhältnis des Klägers bestand in der Rahmenfrist in jeweils zusammenhängenden Arbeitsabschnitten vom 31.10. bis 26.11.2016 (27 Tage) und durchgehend vom 20.3.2017 bis 16.3.2018 (weitere 362 Tage) und damit für mehr als 12 Monate (vgl § 339 Satz 2 SGB III). Damit hat der Kläger die Rahmenfrist erfüllt.
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Der Begriff des "zusammenhängenden Arbeits- und Ausbildungsabschnittes" ist nicht legaldefiniert; auch aus der Begründung des Gesetzes vom 18.7.2016 (BT-Drucks 18/8042 S 22), mit dem ua in § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III der 2. Halbsatz eingefügt worden ist, ergeben sich keine Anhaltspunkte, von welchem Begriffsverständnis der Gesetzgeber ausgegangen ist. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Beschäftigung von Gefangenen während des Vollzugs der Strafhaft in der Vollzugsanstalt, die insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu Arbeit und der Dauer ihrer Ausübung Besonderheiten unterliegt, ist zur Konkretisierung des Begriffs des "zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes" auf die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes über die Zuweisung von Arbeit abzustellen.
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Die Arbeitsbeziehung zwischen Gefangenem und Arbeitsbetrieb der JVA ist öffentlich-rechtlicher Natur. Arbeitsverträge werden nicht abgeschlossen (vgl BSG vom 31.10.1967 - 3 RK 84/65 - BSGE 27, 197 = SozR Nr 54 zu § 165 RVO, juris RdNr 10 ff; BAG vom 3.10.1978 - 6 ABR 46/76 - juris RdNr 14; BVerwG vom 14.8.2013 - 6 P 8.12 - BVerwGE 147, 305, juris RdNr 13; anders bei sog Freigängern BSG vom 16.10.1990 - 11 RAr 3/90 - BSGE 67, 269 ff = SozR 34100 § 103 Nr 2). Nach § 37 Abs 2 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (<StVollzG>; in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung - <AFRG> vom 24.3.1997, BGBl I 594) soll vielmehr die Vollzugsbehörde dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen. Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden (Abs 3). Kann einem arbeitsfähigen Gefangenen keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder die Teilnahme an Maßnahmen nach Abs 3 zugewiesen werden, wird ihm eine angemessene Beschäftigung zugeteilt (Abs 4). Ist ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, soll er arbeitstherapeutisch beschäftigt werden (Abs 5). Vergleichbar § 37 Abs 2 StVollzG regelt auch Art 39 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG) die Zuweisung in Arbeit (zur Befugnis des Senats, Landesrecht selbst festzustellen, vgl nur BSG vom 24.3.2009 - B 8/9b SO 17/07 R - BSGE 103, 34 = SozR 45910 § 108 Nr 1 mwN; BSG vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 44200 § 23 Nr 15 RdNr 14). Mit der Zuweisung einer Arbeit korrespondiert eine Arbeitspflicht (§ 41 StVollzG). Die Zuweisung stellt damit das Pendant zum Arbeitsvertrag im abhängigen Beschäftigungsverhältnis dar (vgl zum Weisungsrecht in Eigen- und Unternehmerbetrieben sowie im unechten Freigang hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der von den Gefangenen zu leistenden Arbeit BVerwG vom 14.8.2013 - 6 P 8.12 - BVerwGE 147, 305, juris RdNr 13 ff). Deshalb liegt iS des § 26 Abs 1 Nr 4 Halbsatz 2 SGB III ein zusammenhängender Arbeitsabschnitt vor, solange eine Zuweisung zu einer bestimmten Tätigkeit Wirksamkeit entfaltet. Ein zusammenhängender Arbeitsabschnitt endet damit bei unbefristeter Zuweisung mit ihrem Widerruf, der Entlassung aus der Haft oder der Verlegung in eine andere Haftanstalt bzw Ablösung (vgl hierzu BVerfG vom 3.5.2012 - 2 BvR 2355/10 ua - juris RdNr 22; Walther/Allgayer in BeckOK StrafvollzugsG Bund, 26. Edition, Stand 1.2.2020, § 37 RdNr 13 mwN; vgl auch Art 44 BayStVollzG) sowie bei befristeter Zuweisung spätestens mit Fristablauf. Dies hat zur Folge, dass die Versicherungspflicht eines Gefangenen an allen Wochenenden und Feiertagen während eines Zuweisungszeitraums als fortbestehend gilt, gleichgültig, ob zwischen einem Feiertag und einem Wochenende ein sogenannter Brückentag (ein dienstfreier Werktag) liegt oder ob unmittelbar vor oder nach einem Wochenende oder Feiertag aus anderen Gründen nicht gearbeitet worden ist, beispielsweise wegen Krankheit, Betriebsruhe oder wegen mangelnder Auftragslage.
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Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die JVA dem Kläger für die Zeiträume vom 6.6. bis zum 26.11.2016 und vom 20.3.2017 bis zum 16.3.2018 Arbeit des Betriebs "S" zugewiesen hat. Beide Zeiträume stellen daher jeweils einen zusammenhängenden Arbeitsabschnitt iS des § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III dar. Durch die Berücksichtigung aller Wochenenden und aller Feiertage im Zeitraum der jeweiligen Zuweisung ergeben sich zusätzlich zu den durch Beklagte und LSG zutreffend berücksichtigten 321 Tagen weitere 35 Tage (1.11.2016, 26.11.2016, 25.5.2017, 27.5.2017, 28.5.2017, 15.6.2017, 17.6.2017, 18.6.2017, 12.8.2017, 13.8.2017, 15.8.2017, 30.9.2017, 1.10.2017, 3.10.2017, 14.10.2017, 15.10.2017, 21.10.2017, 22.10.2017, 28.10.2017, 29.10.2017, 31.10.2017, 1.11.2017, 23.12.2017, 24.12.2017, 25.12.2017, 26.12.2017, 30.12.2017, 31.12.2017, 1.1.2018, 13.1.2018, 14.1.2018, 20.1.2018, 21.1.2018, 3.3.2018, 4.3.2018), mithin insgesamt 356 Tage der Versicherungspflicht des Klägers innerhalb der Rahmenfrist.
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e) Zur Ermittlung der Anwartschaftszeit sind nach § 26 Abs 1 Nr 4 Halbsatz 1 SGB III iVm § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV (idF der Neubekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710) als Zeiten der Versicherungspflicht innerhalb eines zusammenhängenden Arbeitsabschnitts zudem andere als die in Halbsatz 2 der Norm genannten arbeitsfreien Tage (Sonnabende, Sonntage und gesetzlichen Feiertage) einer Beschäftigung zu berücksichtigen, wenn sie jeweils einen Monat nicht überschreiten. Ein Unterschied zu einem Beschäftigungsverhältnis außerhalb einer JVA ist im Hinblick auf als versicherungspflichtig anzusehende Zeiten ohne Anspruch auf Entgelt insoweit nicht vorhanden. Dies ergibt sich aus Wortlaut (hierzu aa), Entstehungsgeschichte (hierzu bb), Systematik (hierzu cc) sowie Sinn und Zweck der Regelungen (hierzu dd).
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aa) Bereits der Wortlaut des § 26 Abs 1 Nr 4 Halbsatz 1 SGB III legt dieses Begriffsverständnis nahe. Die Formulierung "Gefangene, die Arbeitsentgelt … erhalten …" stellt nur auf den Bezug von Entgelt ab. Eine Beschränkung der Versicherungspflicht auf einzelne Tage, für die tatsächlich Entgelt gezahlt wird, folgt daraus nicht (so bereits Senatsurteil vom 12.9.2017 - B 11 AL 18/16 R - juris RdNr 16).
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bb) Auch die Entstehungsgeschichte der Normen spricht für ein an den Regelungen für Beschäftigte außerhalb des Vollzugs der Strafhaft orientiertes Verständnis. Mit dem StVollzG, mit dem der Gesetzgeber zudem bedeutsame Änderungen des Arbeitsförderungsrechts vorgenommen hat (dazu sogleich), verfolgte er, orientiert am Grundsatz der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde, das Ziel, schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegen zu wirken, das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich anzugleichen und den Vollzug darauf auszurichten, dem Gefangenen zu helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (BT-Drucks 7/918 S 46 zu § 3 StVollzG). Diese Ziele sollten auch durch Arbeit und Beschäftigung von Gefangenen während der Haft möglichst weitgehend verwirklicht werden (BTDrucks 7/918 S 63). Die Arbeitsbedingungen im Vollzug sollten sich deshalb von den Arbeitsverhältnissen außerhalb der Anstalt nicht weiter als notwendig unterscheiden und so ausgestaltet sein, dass die Arbeit schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenwirken könne. Zur Umsetzung dieser Ziele wurde beispielsweise eine Ausfallentschädigung eingeführt (§ 42 StVollzG), die Gefangenen soziale Sicherheit vermitteln sollte, wie sie in freien Arbeitsverhältnissen durch die gesetzliche Kranken- und Arbeitslosenversicherung erreicht wird (vgl BT-Drucks 7/918 S 69). Einer völligen Angleichung der Gefangenenarbeit an das Arbeitsleben außerhalb der Anstalt standen nach Auffassung des Entwurfsgebers jedoch die Bedingungen des Freiheitsentzugs entgegen. Nur sie führten dazu, dass die Regelungen des StVollzG hinter den Verhältnissen des freien Arbeitsmarktes zurückblieben. So wurden insbesondere die Unterkunft und die kostenfreie Ernährung bei der Höhe des Arbeitslohns berücksichtigt (§ 40 StVollzG idF des Entwurfs) und kein Anspruch auf eine tarifmäßige Entlohnung normiert, sondern nur ein Mindestentgelt orientiert am sog Ortslohn (vgl zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Vergütung der Arbeit von Strafgefangenen in Bayern und NRW BVerfG vom 20.6.2023 - 2 BvR 166/16 - 2 BvR 1683/17 - BGBl I Nr 181).
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Das Bemühen der Angleichung der Bedingungen von Arbeit im Strafvollzug und einer Beschäftigung auf dem freien Arbeitsmarkt wurde zugleich durch Änderungen einiger Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) unterstrichen, die zeitgleich mit den Änderungen des StVollzG in Kraft traten (vgl § 194 StVollzG), zB des § 107 Satz 1 AFG (Gleichstellung mit Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung hinsichtlich der Erfüllung der Anwartschaftszeit für Alg), des § 168 und des § 170 AFG (Gleichstellung hinsichtlich Beginn und Ende der Versicherungspflicht; vgl BT-Drucks 7/918 S 105 f noch zu der ursprünglich als Art 176 vorgesehenen Änderung), und die zur Umsetzung der genannten Ziele für erforderlich erachtet wurden. In § 168 AFG wurde Abs 3a eingeführt, wonach beitragspflichtig auch Gefangene sind, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 StVollzG) erhalten, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften beitragspflichtig oder nach § 169 Nr 2, 3 oder 4 beitragsfrei sind. Nach § 168 Abs 3a Satz 2 AFG galten Gefangene als Arbeitnehmer im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts, das für die Vollzugsanstalt zuständige Land als Arbeitgeber. Eingeführt wurde zudem § 107 Satz 1 Nr 6 AFG. Damit wurden Zeiten, in denen der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war, den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt. Anders als zB in § 1 Abs 2 der zum 1.1.1977 in Kraft getretenen Verordnung über den Einzug der während der Freiheitsentziehung zu entrichtenden Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (Gefangenen-Beitragsverordnung) vom 14.3.1977 (BGBl I 448) stellte auch der Wortlaut des § 107 Abs 1 Nr 6 AFG ("Zeiten, in denen der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war") - wie § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III - nicht auf "Tage (…) für die beitragspflichtige Gefangene (…) Arbeitsentgelt erhalten haben" ab, sondern allein auf die Beitragspflicht. Daraus folgte, dass mit Inkrafttreten des StVollzG zum 1.1.1977 die Anwartschaftszeit nach § 104 Abs 1 Satz 1 AFG (idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes <HStruktG-AFG> vom 18.12.1975, BGBl I 3113, AFG aF, in Kraft ab 1.1.1976) auch durch Zeiten erfüllt werden konnte, in denen Gefangene in Haft beitragspflichtig waren. Zugleich regelte § 104 Abs 1 Satz 2 AFG aF, der durch das StVollzG unverändert geblieben ist, dass Zeiten, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung nur dann unterbrechen, wenn sie jeweils drei Wochen überschreiten. Ziel dieser Regelung war es, den Verwaltungsaufwand bei den Arbeitgebern, die bis dahin jede kurzfristige Unterbrechung melden mussten, zu vermindern und das Verfahren bei den Arbeitsämtern zu vereinfachen (BT-Drucks 7/4127 S 52).
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§ 104 Abs 1 Satz 2 AFG aF galt mit Einführung der Gleichstellungsregelungen für die Arbeit Gefangener zum 1.1.1977 auch für diese. Weder § 107 Abs 1 Nr 6 AFG noch § 104 AFG aF oder eine andere Vorschrift im Vierten Abschnitt, Erster Unterabschnitt (= §§ 100 bis 133) AFG aF normierten eine Rückausnahme von § 104 Abs 1 Satz 2 AFG aF für die Gefangenenarbeit (so im Ergebnis für die übrigen Fallgruppen des § 107 Abs 1 AFG auch Bundesanstalt für Arbeit in ihrer Durchführungsanweisung vom 12.12.1975 zur Anwendung der neuen "Unterbrechungsregelung" des § 104 Abs 1 Satz 2 AFG auf die gleichgestellten Zeiten iS des § 107 AFG, vgl Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit 1976 Nr 13 S 272 f; aA dann aber - ohne erkennbare Begründung - für die unter § 107 Abs 1 Nr 6 normierten Gefangenen Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit 1977 Nr 2 S 18 f; Aufgabe BSG vom 7.11.1990 - 9b/7 RAr 112/89).
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Nach 1977 hat der Gesetzgeber mehrfach Änderungen der Regelungen zur Beitrags- und später zur Versicherungspflicht Gefangener im AFG vorgenommen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass § 104 Abs 1 Satz 2 AFG aF auf Gefangene keine Anwendung (mehr) finden sollte (vgl zu der Rechtsentwicklung von § 104 Abs 1 Satz 2 AFG über § 104 Abs 1 Satz 3 AFG und § 24 Abs 3 Nr 2 Satz 1 SGB III zu § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV ausführlich BSG vom 3.11.2021 - B 11 AL 8/20 R - BSGE 133, 8491 = SozR 42400 § 7 Nr 57, RdNr 21 f; zu den Gesetzesbegründungen vgl BT-Drucks 8/2613 S 16, BT-Drucks 8/2624 S 27 und 34, BT-Drucks 10/335, S 83). Nichts anderes gilt im Hinblick auf das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung (<AFRG> vom 24.3.1997, BGBl I 594), mit dem das Arbeitsförderungsrecht zum 1.1.1998 in das Sozialgesetzbuch eingeordnet worden ist. Das Versicherungspflichtverhältnis wurde für das Arbeitsförderungsrecht in § 24 SGB III normiert, die Versicherungspflicht Beschäftigter in § 25 SGB III und die der sonstigen Versicherungspflichtigen in § 26 SGB III. Die Gleichstellung der Arbeit Gefangener mit Beschäftigten hat der Gesetzgeber dabei beibehalten (BT-Drucks 13/4941 S 157 "Sachverhalte, die nicht auf einer Beschäftigung beruhen, werden - soweit dies für geboten erachtet wird - den Sachverhalten, die auf Beschäftigungen beruhen, kraft Gesetzes gleichgestellt …"). § 24 Abs 3 SGB III lautete in der damaligen Fassung: "Das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte besteht fort […] 2. für Zeiten eines Beschäftigungsverhältnisses, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, längstens für einen Monat". Nach der Gesetzesbegründung sollte damit eine inhaltliche Änderung nicht erfolgen: "Die Regelung in Nummer 2, nach der Unterbrechungen der Entgeltzahlung von bis zu einem Monat den Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung nicht beeinträchtigen, übernimmt die bisher in § 104 Abs 1 Satz 3 AFG enthaltene leistungsrechtliche Sonderregelung" (BT-Drucks 13/4941 S 157 f). Die Versicherungspflicht für Gefangene war in § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III geregelt. Auch aus den Gesetzgebungsmaterialien zu dieser Norm wird deutlich, dass eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war ("Nummern 3 und 4 entsprechen dem geltenden Recht, § 168 Abs. 2 Satz 4 und 3 AFG", BT-Drucks 13/4941 S 157 f). Durch Art 3 Nr 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (<RRG 1999 > vom 16.12.1997, BGBl I 2998) hat der Gesetzgeber schließlich die Regelung zum Fortbestehen des Versicherungspflichtverhältnisses in § 24 Abs 3 SGB III in § 7 Abs 3 SGB IV überführt (dazu ausführlich bereits BSG vom 3.11.2021 - B 11 AL 8/20 R - BSGE 133, 84, 91 = SozR 42400 § 7 Nr 57, RdNr 21 f, 23) und eine Regelung geschaffen, die einheitlich für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung das Fortbestehen der Versicherungspflicht regelt, wenn für einen begrenzten Zeitraum der Anspruch auf Arbeitsentgelt entfallen ist, ohne dass eine Entgeltersatzleistung bezogen wird (BT-Drucks 13/8011 S 67 zu Art 3 Nr 2 und 4 Nr 1).
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Abweichendes ergibt sich schließlich nicht aus der Normierung des 2. Halbsatzes in § 26 Abs 1 Nr 4 Satz 1 SGB III mit Wirkung zum 1.8.2016 durch das Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz (<AWStG> vom 18.7.2016, BGBl I 1710). Hintergrund der Gesetzesänderung war, dass die Beklagte - entgegen ihrer vorherigen Praxis - arbeitsfreie Sonnabende, Sonntage und gesetzliche Feiertage nicht mehr als Versicherungszeit anerkannte (vgl Geschäftsanweisung zu § 26, Stand März 2015, 26.3.2 Beispiel 2; hierzu ausführlich auch Schäfersküpper/Bließen, NZS 2017, 327, 328). Die Gesetzesbegründung verhält sich zu Unterbrechungszeiten iS des § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV nicht, sondern führt lediglich aus, die Neuregelung "gewährleiste" die Berücksichtigung von arbeitsfreien Sonnabenden, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen für die Erfüllung der Anwartschaftszeit (BT-Drucks 18/8042, S 22; Senatsurteil vom 12.9.2017 - B 11 AL 18/16 R juris RdNr 22).
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cc) Auch systematisch ist die Berücksichtigung anderer arbeitsfreier Tage als Wochenend- und Feiertage in (entsprechender) Anwendung des § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV nicht auf Arbeitsbedingungen begrenzt, die nur bei sog "freien Beschäftigungsverhältnissen" vorliegen, also auf Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Vollzugs der Strafhaft (so aber noch BSG vom 7.11.1990 - 9b/7 RAr 112/89 - juris RdNr 15). Sie führt nicht zur Besserstellung der Arbeit von Strafgefangenen in der Haft im Verhältnis zu Arbeitnehmern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Vielmehr wird damit nur die vom Gesetzgeber des StVollzG angestrebte weitgehende Gleichstellung von Gefangenenarbeit mit der Beschäftigung von Arbeitnehmern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwirklicht. Denn das Versicherungsverhältnis besteht an arbeitsfreien Tagen wegen mangelnder Auftragslage oder Krankheit auch bei Beschäftigten außerhalb des Vollzugs der Strafhaft fort. Dass Gefangene, anders als Beschäftigte außerhalb des Strafvollzugs (vgl § 611 BGB, § 611a BGB; § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz < EFZG>) Arbeitsentgelt nur für die Tage erhalten, an denen sie eine zugewiesene Arbeit ausüben (§ 43 Abs 1 Satz 1 StVollzG) und auch nur für diese Tage Beiträge abgeführt werden (§ 1 der Verordnung über den Einzug der während der Freiheitsentziehung zu entrichtenden Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit bzw § 1 der Verordnung über die Pauschalberechnung der Beiträge zur Arbeitsförderung für Gefangene <Gefangenen-Beitragsverordnung> vom 5.1.1977 bzw vom 3.3.1998), ist für die rechtliche Bewertung ohne Belang. Denn entscheidend in der Arbeitslosenversicherung (als Formalversicherung) und damit daraus abzuleitender Ansprüche ist im Regelfall nicht die Beitragszahlung (anders § 28a SGB III), sondern der Umstand, ob Versicherungspflicht besteht (BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 8/83 - juris; BSG vom 22.8.1984 - 7 RAr 12/83 - juris). Insoweit gilt für Gefangene nichts anderes als für jeden anderen Arbeitnehmer.
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dd) Das Fortbestehen der Versicherungspflicht Gefangener auch in (zeitlich begrenzten) Zeiträumen ohne Beschäftigung entspricht letztlich auch Sinn und Zweck der Gleichstellungsregelung des § 107 Abs 1 Nr 6 AFG sowie des § 26 Abs 1 Nr 4 SGB III. Mit § 107 Abs 1 Nr 6 AFG und dem heutigen § 26 Abs 1 Nr 4 Halbsatz 1 SGB III iVm § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV soll gewährleistet werden, dass Zeiten, in denen der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig (oder wegen Vollendung des 63. Lebensjahres beitragsfrei) war bzw ist, der Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen und damit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen (BT-Drucks 7/918 S 105). Das zudem angestrebte Gesetzesziel der Verwaltungsvereinfachung hat gleichermaßen Bedeutung für den Justizvollzug. Unterliegen auch längere Zeitabschnitte ohne tatsächliche Beschäftigung (während eines zusammenhängenden Arbeitsabschnitts) der Versicherungspflicht, enthebt die Regelung die Justizvollzugsverwaltung davon - vergleichbar einem Arbeitgeber -, einzelne Tage der NichtBeschäftigung zu melden.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.