L 10 R 3159/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 517/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3159/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Scheitern mehrere gerichtlich angeordnete Gutachten mit ambulanter Untersuchung an der Weigerung des Klägers, die Untersuchungstermine wahrzunehmen und vereitelt dieser eine Untersuchung im Rahmen eines Hausbesuchs, ist das Gericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes mangels aktueller aussagekräftiger Befunde nicht verpflichtet, ein (weiteres) Gutachten nach Aktenlage einzuholen.
2. Lassen sich auf der Grundlage der möglichen Ermittlungen die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen, geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 31.08.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Der 1963 geborene Kläger absolvierte - seinen eigenen Angaben nach - eine Mechanikerlehre, machte eine Ausbildung zum Fahrlehrer und war u.a. als Mechaniker/Maschinenarbeiter, Lagerist, Beschäftigter im Transportwesen bzw. in der Gastronomie sowie als Pflegehelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt übte er bis Februar 2017 eine selbstständige Tätigkeit als Verkäufer aus (s. hierzu u.a. Bl. 13 f. SG-Akte). Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 28.06.2024 (S. 192 ff. Senatsakte) - auf den der Senat vollumfänglich Bezug nimmt - steht der Kläger seither durchgehend im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und hat in der Zeit vom 19.09.2021 bis 24.03.2024 Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer nicht erwerbsmäßigen Pflegetätigkeit zurückgelegt.

Vom 28.09. bis 19.10.2017 befand sich der Kläger in stationärer medizinischer Rehabilitation in der R1 Klinik in R2, aus der er - aufgrund der aktivierten Varusgonarthrose rechts mehr als links - ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts mit einem unter dreistündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Diagnosen: somatoforme Schmerzstörung, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom
[rezidivierend], aktivierte Varusgonarthrose rechts, Lendenwirbelsäulen[LWS]-Syndrom bei Lumbalskoliose mit Fehlhaltung, Polyarthralgien bei Hypermobilität inkl. Handgelenk links).

Am 30.01.2018 stellte der Kläger (erneut) einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 14.03.2018 mangels Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen ablehnte. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger mit Gesundheitseinschränkungen u.a. auf orthopädischem (Gonarthrose, Wirbelsäulenbeschwerden) und psychiatrischem (emotional instabile Persönlichkeitsstörung - Borderline-/Bipolar-Typus -, Burn-out-Erschöpfung, Depressionen, Ängste) Fachgebiet.

Die Beklagte holte daraufhin Gutachten bei H1 (Untersuchungstag: 25.06.2018) und S1 (Untersuchungstag: 31.07.2018) ein. Als Gesundheitsstörungen beschrieb H1 - im Vordergrund stehende - Kniebeschwerden und sah u.a. Hinweise auf eine länger dauernde Anpassungsstörung (Differentialdiagnose [DD]: Dysthymie) ohne mittelgradige oder schwergradige depressive Symptomatik im Untersuchungszeitpunkt. Er wies zudem auf Aggravationstendenzen des Klägers hin. H1 schätzte die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (wechselnde Körperhaltung, ohne Nachtschicht und ohne erhebliche geistige/psychische Belastbarkeit) - auf mindestens sechs Stunden täglich ein und ging von einer erhaltenen Wegefähigkeit des Klägers aus (der Kläger war zur Begutachtung mit dem Zug angereist). S1 diagnostizierte eine massiv ausgeprägte Varusgonarthrose beidseits, eine chronische Lumboischialgie ohne radikuläre Symptomatik, einen Zustand nach [Z.n.] Bandscheibeninfektion 2013 - konservativ therapiert, kein Rezidiv - und eine Psoriasis mit geringen Effloreszenzen retroauriklär ohne Gelenkbeteiligung und schätzte die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und zeitweise im Gehen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, keine Arbeiten im Knien, im Hocken, auf Leitern oder Gerüsten) - ebenfalls auf arbeitstäglich mindestens sechs Stunden ein. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit sah auch S1 nicht (der Kläger war mit dem Bus angereist).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 07.02.2019 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er leide an multiplen orthopädischen Einschränkungen, insbesondere einer ausgeprägten rheumatoiden Arthritis, sodass er weder erwerbs-, noch wegefähig sei. Er hat weitere Befundberichte vorgelegt (Bl. 73 ff. SG-Akte) und vorgetragen, sich hinsichtlich seiner orthopädischen Beschwerden in laufender fachärztlicher Behandlung zu befinden. Es sei auch eine psychotherapeutische Behandlung angedacht.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung (schriftlicher) sachverständiger Zeugenauskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte. B1 hat ausgeführt (Auskunft Bl. 25 f. SG-Akte, Diagnosen u.a.: algogenes Psychosyndrom, Bandscheibenschaden, Beckentiefstand links, Beckenverwringung, chronische Lumboischialgie, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren), der Kläger habe sich einmalig am 24.09.2018 vorgestellt, jedoch die ihm empfohlene multimodale Therapie abgelehnt. Eine Aussage zur Leistungsfähigkeit des Klägers hat sie nicht zu treffen vermocht. S2 hat die Auffassung vertreten (Auskunft Bl. 32 SG-Akte, Diagnosen u.a.: Halswirbelsäulen
[HWS]-Brustwirbelsäulen[BWS]- LWS-Syndrom, Arthralgien, Polymyagia Rheumatika, myofasziales Schmerzsyndrom), der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden verrichten. V1 hat mitgeteilt (Auskunft Bl. 47 SG-Akte, Diagnosen: massive Gonarthrose bds. [medial betont], LWS-Skoliose [40° nach Kopp], rheumatoide Arthritis), es sei zu einer deutlichen Verschlechterung der Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke gekommen und der Kläger könne nicht mehr mindestens sechs Stunden leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. W1 hat zusammengefasst bekundet (Auskunft Bl. 53 f. SG-Akte), den Kläger letztmals im September 2016 gesehen und u.a. eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) des Erwachsenenalters mit Neigung zu Tic-Störungen diagnostiziert zu haben. Eine Aussage über seine aktuelle Leistungsfähigkeit könne er nicht treffen.

Nach Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme L1 vom 15.08.2019 (Bl. 68 SG-Akte), der eine Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet empfohlen hatte, hat das SG von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei S3 eingeholt (Untersuchungstag: 18.09.2019). Der Sachverständige hat eine Synovitis bei Varusgonarthrose beider Knie, eine Psoriasis-Arthropathie und degenerative Veränderungen der HWS, BWS und LWS diagnostiziert und die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, keine Zwangshaltungen in häufig gebückter Haltung oder Überkopfarbeiten, kein überwiegendes Stehen oder statische Haltearbeiten) - auf arbeitstäglich mindestens sechs Stunden eingeschätzt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat der Sachverständige ebenso wenig zu erkennen vermocht wie das Erfordernis betriebsunüblicher Arbeitsbedingungen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.08.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es - in erster Linie gestützt auf das Sachverständigengutachten S3 sowie auf die Gutachten der H1 und S1 - ausgeführt, der Kläger könne trotz der bestehenden Beschwerden auf orthopädischem (Varusgonarthrose im Bereich beider Knie und Wirbelsäulenbeschwerden) als auch auf psychiatrischem (länger dauernde Anpassungsstörung sowie Dysthymie) Fachgebiet noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder in statischer Körperhaltung; keine Überkopfarbeiten; Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, jedoch auch mit sporadischem Wechsel von Gehen und Stehen) arbeitstäglich mindestens sechs Stunden ausüben. Auch sei der Kläger - entsprechend der Ausführungen S3 - noch wegefähig und es läge auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) komme schon aufgrund des Geburtsjahres des Klägers nicht in Betracht.
Gegen den - seinen damaligen Prozessbevollmächtigten am 09.09.2021 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.10.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat die Klägerseite ausgeführt, dass das SG den medizinischen Sachverhalt im Hinblick auf die beim Kläger vorliegenden psychiatrischen Erkrankungen nicht vollständig aufgeklärt und daher fehlerhaft bewertet habe. Angesichts der seitens der Rehaklinik verlautbarten Leistungseinschätzung hätte das SG von Amts wegen ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Das Gutachten H1 könne die Leistungseinschätzung der Ärzte der Rehaklinik nicht entkräften, da dieser „im Lager“ der Beklagten stehe und daher keine objektive Bewertung abgegeben habe. Der Kläger sei vielmehr bereits in der Vergangenheit wegen seiner psychiatrischen Beschwerden behandelt worden, weshalb das SG auch die ihn auf psychiatrischem Fachgebiet behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen hätte befragen müssen.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 31.08.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab 01.01.2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.

Der Senat hat (schriftlich) die sachverständige Zeugenauskunft des den Kläger behandelnden H2 vom 20.12.2022 eingeholt (S. 34 ff. Senatsakte). Dieser hat - zum Teil bereits aktenkundige - Befundberichte vorgelegt und u.a. mitgeteilt, beim Kläger bestünden aufgrund seiner psychischen Erkrankung (Diagnose am 20.01.2017: Angst und depressive Störung, gemischt
[F41.2]) sowie erheblicher sozialer Probleme dauerhaft seelische Beeinträchtigungen. Er leide zudem an einem schwerwiegend chronischen Schmerzsyndrom mit massiven Einschränkungen der Lebensqualität. Aus psychischer Sicht sei der Kläger nicht arbeitsfähig; die zeitliche „Leistungseinschränkung“ (gemeint: Leistungsfähigkeit) betrage maximal zwei bis drei Stunden. Aufgrund der schwerwiegenden Wirbelsäulenerkrankung solle jedoch zur Beurteilung ein Orthopäde sowie ein Schmerztherapeut miteinbezogen werden. Der Kläger sei seit dem 15.03.2019 durchgehend arbeitsunfähig.

Nach Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme L1 vom 10.03.2023 (S. 82 Senatsakte) hat der Senat von Amts wegen Universitätsklinikums H3 S4 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Nachdem der Kläger den für den 25.07.2023 anberaumten Untersuchungstermin mit der Begründung, dass er zu krank und arbeitsunfähig sei und auch in Zukunft nicht gesund werde, abgesagt und auch gegenüber dem Senat - trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten und die mangelnde Aussagekraft einer Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich des Begutachtungstermins - unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung H4 vom 02.06.2023 (S. 99 Senatsakte, keine Diagnoseangabe) verlautbart hat (S. 98 Senatsakte), dass er den Termin (weiterhin) nicht wahrnehmen werde, hat der Senat den Gutachtensauftrag aufgehoben.

Der Senat hat sodann von Amts wegen (für den Kläger auch ortsnäheren) S5 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Auch den seitens S5 für den 15.01.2024 anberaumten Untersuchungstermin hat der Kläger unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung H2 vom 11.12.2023 (S. 123 Senatsakte, wiederum ohne Diagnoseangabe) abgesagt. Nachdem S5 sodann auf die Anordnung des Senats, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen, mitgeteilt hat, aufgrund fehlender zeitlicher und personeller Kapazitäten derzeit keine Gutachten (mehr) erstellen zu können, hat ihn der Senat von dem Gutachtensauftrag entbunden und B2 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage betraut. B2 hat in seinem Gutachten vom 27.04.2024 - nach Auswertung der Akten - eine rezidivierende depressive Störung, eine somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, ein degeneratives HWS-/BWS-/LWS-Syndrom, einen Verdacht auf (V.a.) Cannabismissbrauch, einen V.a. Benzodiazepinmissbrauch (DD: Abhängigkeit) sowie ein anamnestisch bekanntes Borderline-Syndrom diagnostiziert und die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen, ohne Zwangshaltungen im Sinne von Überkopfarbeiten, Arbeiten in Armvorhalte oder längerem Bücken wie auch von knienden Tätigkeiten; Tätigkeiten ohne Nachtschicht, Akkord, sonstigem Zeittakt oder hohe Anforderungen an die Konzentration und das Umstellungs- und Anpassungsvermögen) für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit mindestens sechs Stunden arbeitstäglich eingeschätzt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat auch B2 nicht gesehen.

Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, dass sich sein Gesundheitszustand mittlerweile weiter verschlechtert habe und seine Mobilität nunmehr massiv eingeschränkt sei. Er hat ein Pflegegutachten einer Pflegefachkraft des Medizinischen Dienstes B3 (MDK) vom 26.04.2024 vorgelegt (S. 154 ff. Senatsakte), dem sich namentlich entnehmen lässt, dass der Kläger seit April 2024 auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen und dass ab dem 01.12.2023 von einem Pflegegrad 2 auszugehen sei. Mit Bescheid des Landratsamtes O1 vom 17.12.2024 ist dem Kläger seit dem 11.06.2024 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt und das Vorliegen des Merkzeichens „B“ (zuvor bereits Merkzeichen „G“) festgestellt worden.

Der Senat hat daraufhin V1 befragt, der mitgeteilt hat (Auskunft vom 04.06.2024, S. 180 Senatsakte), dass der Gesundheitszustand des Klägers seit dem 10.02.2022 im Wesentlichen „gleich schlecht geblieben“ sei; wegen der von ihm vorgelegten Unterlagen, namentlich Auszug aus seiner Patientenkartei, wird auf S. 181 ff. Senatsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme F1 vom 09.07.2024 (S. 200 Senatsakte) vorgelegt, der darauf hingewiesen hat, dass eine quantitative Leistungsminderung des Klägers auch weiterhin nicht schlüssig begründet werden könne.

Auf Befragung des Senats hat der Kläger mitgeteilt, dass er noch bis Ende November 2023 - mit Hilfe seiner Tochter - seine geschiedene Ehefrau gepflegt habe. Die Barmer Pflegekasse hat bekundet (S. 217 Senatsakte), der Kläger habe sich am 25.03.2024 dort persönlich vorgestellt, selbst einen Pflegeantrag (in eigener Sache) gestellt und mitgeteilt, dass er nicht mehr pflegen werde, woraufhin die Zahlung von Beiträgen für den Kläger als nicht erwerbsmäßige Pflegeperson zum 24.03.2024 beendet worden sei.

Der Senat hat weitere (radiologische) Befundberichte beigezogen (S. 222 ff. Senatsakte) und - nach Mitteilung des Klägers, der Rollstuhl sei ihm von seinem Neurologen verordnet worden - S6 mit einer Begutachtung des Klägers im häuslichen Umfeld beauftragt. S6 hat daraufhin mitgeteilt, keine gutachterlichen Untersuchungen im häuslichen Bereich mehr durchzuführen und darauf hingewiesen, dass er nach eingehender Durchsicht der Aktenlage die Schwerpunkte des klägerischen Beschwerdebilds auf orthopädischen Fachgebiet sehe. Der Senat hat S6 daraufhin von dem Gutachtensauftrag entbunden und D1 mit einer Begutachtung des Klägers im häuslichen Umfeld beauftragt. Der Senat hat den anwaltlich vertretenen Kläger zudem abermals auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen (s. Verfügung S. 250 Senatsakte).

Nachdem es zwischen D1 und dem Kläger zunächst zu Missverständnissen bei der Terminvereinbarung gekommen war, und der Kläger daraufhin erneut seine ablehnende Haltung gegenüber einer Begutachtung kundgetan hat (S. 256 ff. Senatsakte), was den Senat abermals dazu veranlasst hat, ihn auf seine Mitwirkungspflichten hinzuweisen (s. Verfügung S. 265 Senatsakte), hat D1 den Kläger schließlich am 25.01.2025 - gemeinsam mit einer Mitarbeiterin, die während der Untersuchung die entsprechenden Ergebnisse notieren sollte - in seiner Wohnung aufgesucht und versucht, den Kläger körperlich zu untersuchen. Mangels Mitwirkung des Klägers - so D1 mit weiteren Ausführungen - ist ihm dies nicht gelungen (Aussagen des Klägers u.a.: „Sie langen mich nicht an“, „I han denkt, do kommt was gscheits“), weshalb der Sachverständige schließlich die Begutachtung abgebrochen hat (s. im Einzelnen Bericht D1 vom 26.01.2025, S. 276 ff. Senatsakte).

Die Beteiligten haben sich im Anschluss mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2018 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2019, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger auf dessen Antrag von Januar 2018 eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.


Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für den vorliegend geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI zutreffend dargelegt und in erster Linie gestützt auf das von Amts wegen eingeholte Sachverständigengutachten S3 sowie die Gutachten der H1 und S1 (beide im Wege des Urkundsbeweises verwertbar) mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen bis zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht erfüllt hat, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage gewesen ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder in statischer Körperhaltung; keine Überkopfarbeiten; Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen; zu ergänzen um die B2 genannten weiteren, rein qualitativen Einschränkungen: Tätigkeiten ohne Nachtschicht, Akkord, sonstigem Zeittakt oder hohe Anforderungen an die Konzentration und das Umstellungs- und Anpassungsvermögen) arbeitstäglich mindestens sechs Stunden auszuüben, mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorgelegen hat und die qualitativen Einschränkungen auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung - auch nicht in Form von Wegeunfähigkeit - bedingt haben. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger mit dem eingelegten Rechtsmittel zunächst bemängelt hat, das SG habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, da es kein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt habe, hat der Senat - insbesondere auch auf die Auskunft H2 hin - gerade versucht, insoweit weitere Erkenntnisse durch die Einholung sowohl eines orthopädisch-schmerzmedizinischen Sachverständigengutachtens - inklusive psychologischer Evaluation - bei S4 als auch eines nervenärztlichen Gutachtens bei S5 - jeweils nach ambulanter Untersuchung - zu erlangen. Beide Versuche sind jedoch daran gescheitert, dass der Kläger die anberaumten Untersuchungstermine unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (aus denen sich nicht einmal eine Diagnose, geschweige denn eine Reise- bzw. Begutachtungsunfähigkeit ergibt) abgesagt und kundgetan hat, auch weitere Untersuchungstermine nicht wahrzunehmen. Somit gibt es - auch weiterhin - keine aufgrund Untersuchung des Klägers gutachterlich erhobenen objektiv-klinischen Befunde auf nervenärztlichem/schmerzmedizinischem Fachgebiet, die Rückschlüsse auf eine entsprechende Minderung seiner quantitativen Leistungsfähigkeit zuließen.

Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich auch dem von B2 erstellten Gutachten nach Aktenlage nicht entnehmen. B2 hat für den Senat nachvollziehbar nervenärztlich herausgearbeitet, dass sich aus den in den Akten dokumentierten objektivierbaren Befunden lediglich weitere qualitative Einschränkungen (
Tätigkeiten ohne Nachtschicht, Akkord, sonstigem Zeittakt oder hohe Anforderungen an die Konzentration und das Umstellungs- und Anpassungsvermögen) ableiten lassen, jedoch gerade keine quantitative Leistungsminderung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Hieran ändert auch die Auskunft H2 nichts - worauf übereinstimmend B2 und F1, dessen sozialmedizinische Stellungnahme vom 09.07.2024 als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar ist, hingewiesen haben -, in der er zwar behauptet hat, der Kläger sei aufgrund seiner psychischen Erkrankung mit schwerem chronischen Schmerzsyndrom sowie erheblicher sozialer Probleme massiv belastet, seit 15.03.2019 dauerhaft arbeitsunfähig und lediglich maximal zwei bis drei Stunden täglich erwerbsfähig. Denn der von ihm mitgeteilte psychische Befund („Pat. auf niedrigem Niveau stabil, Schlaf ausreichend, kein Hinweis auf formale oder inhaltliche Denkstörung, kein Hinweis auf Suizidalität, kein Hinweis auf produktive Symptomatik“) datiert nicht nur aus April und Mai 2019 - dass H2 auch zu einem späteren Zeitpunkt psychische Befunde erhoben hat, ist nicht ersichtlich -, sondern ist mit seiner Leistungseinschätzung auch nicht vereinbar; ohnehin ist eine besondere fachärztlich-psychiatrische Kompetenz bei H2 nicht erkennbar.

Ausgehend davon vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger von psychiatrisch-schmerzmedizinischer Seite Gesundheitsstörungen vorliegen, die eine zeitliche Leistungsminderung für leichte Tätigkeiten unter Beachtung der oben festgestellten qualitativen Einschränkungen begründen könnten. Eine weitere Sachaufklärung in Form einer ärztlich-sachverständigen Begutachtung nach ambulanter Untersuchung, gerade im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vom Kläger behauptete Verschlimmerung seines Gesundheitszustands, hat der Kläger ohne Not vereitelt, was zu seinen Lasten geht.

Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast, zu dessen Gunsten ein Tatbestandsmerkmal im Prozess wirkt. Folglich trägt der Kläger auch die objektive Beweis- bzw. Darlegungs- und Feststellungslast für das Vorliegen der von ihm geltend gemachten Erwerbsminderung respektive entsprechender Anknüpfungstatsachen. Der Grundsatz der objektiven Beweislast greift dann ein, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht weiter aufklären kann (Bundessozialgericht - BSG - 11.12.2019, B 13 R 164/18 B, in juris Rn. 6; Senatsurteile vom 23.03.2023, L 10 R 997/22, in juris Rn. 26 m.w.N. und vom 16.05.2024, L 10 R 130/24, in juris Rn. 30; LSG Baden-Württemberg 18.02.2014, L 11 R 4850/12, in juris Rn. 23, auch zum Nachfolgenden; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 118 Rn.6). Der Kläger ist vorliegend ohne nachvollziehbaren Grund - insbesondere erschließt sich nicht, dass eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeit einer ärztlich-gutachterlichen Untersuchung entgegenstehen sollte - seiner ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungslast (§ 103 Satz 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG) nicht nachgekommen, da er sich weder von S4 noch von S5 hat untersuchen lassen und hat somit die Folgen dieser Verletzung seiner Mitwirkungslast zu tragen. Hierauf ist der Kläger auch mehrmals vom Senat ausdrücklich hingewiesen worden. Die Mitwirkungslast des Klägers ist durch die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nach Untersuchung auch nicht überspannt worden. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Grundsätzen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt a.a.O., § 103 Rn. 14a) des § 65 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) besteht eine Mitwirkungspflicht des Versicherten nur dann nicht, wenn ihm ihre Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden bzw. wenn bei Untersuchungen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht ersichtlich. Er hat hierzu auch keinerlei konkrete, nachvollziehbare Gesichtspunkte vorgetragen. Allein der Umstand, dass ihn sein behandelnder Neurologe als arbeitsunfähig eingeschätzt hat, führt - wie schon dargelegt - nicht dazu, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, sich einer ärztlich-gutachterlichen Untersuchung zu unterziehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger sowohl im Juli 2023 (anberaumte Untersuchung durch S4) als auch im Januar 2024 (anberaumte Untersuchung durch S5) noch seine geschiedene Ehefrau gepflegt hat und für diese Pflegeleistung zu seinen Gunsten seitens der Pflegekasse Pflichtbeiträge entrichtet worden sind. Weshalb er in Ansehung dessen aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sein sollte, bei den Gutachtern zur ärztlichen Untersuchung zu erscheinen, erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise.

Soweit der Kläger während des Berufungsverfahrens eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands - namentlich in Bezug auf seine Gehfähigkeit - geltend gemacht hat, so ist der Senat ebenfalls nicht davon überzeugt, dass - im Nachgang zur erstinstanzlichen Entscheidung (s.o.) - die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs oder gar unter drei Stunden gesunken ist bzw. zwischenzeitlich eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung - insbesondere auch nicht in Form von Wegeunfähigkeit - eingetreten ist.

Zwar hat der Kläger das Pflegegutachten des MDK vom 26.04.2024 vorgelegt, dem sich entnehmen lässt, dass er im Rahmen der Pflegebegutachtung eine Allgemeinzustandsverschlechterung mit verschlechterter Mobilität seit Januar 2024 geltend gemacht habe und seit April 2024 auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sei. Indes handelt es sich hierbei lediglich um eigenanamnestische Angaben des Klägers, die vom Pflegegutachter - hierbei handelt es sich um eine Pflegefachkraft und nicht um einen Arzt - nach rudimentärer Prüfung des Gangbildes („Das Gangbild ist unsicher und verlangsamt und schlurfend. Das Fortbewegen im Wohnbereich gelingt selbstständig/mit Hilfsmittel. Das Fortbewegen außerhalb des Wohnbereichs gelingt mit sichernder Begleitung. Das Treppensteigen gelingt durch Stützen einer anderen Person.“) - wobei schon unklar bleibt, inwieweit dieser Befund tatsächlich objektiv seitens des Pflegegutachters erhoben worden ist und nicht lediglich die subjektiven Angaben des Klägers wiedergibt - unkritisch zugrunde gelegt worden sind, sodass sich hieraus keine fundierten Rückschlüsse auf die Erwerbs- oder Wegefähigkeit des Klägers ziehen lassen. Gleiches gilt für die vom Senat beigezogenen (weiteren) radiologischen Befundberichte. Diesen lässt sich zwar entnehmen, dass und welche konkreten Gesundheitsstörungen im Bereich der Knie und der Wirbelsäule beim Kläger vorliegen. Welche konkreten funktionellen Einschränkungen damit verbunden sind, ergibt sich aus diesen radiologischen Berichten jedoch nicht.
Im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es jedoch nicht entscheidend auf eine bestimmte Diagnosestellung, die Art oder Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch überdauernde Gesundheitsstörungen (BSG 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rn. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen, sodass auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht maßgeblich sind (BSG a.a.O.). Derartige Funktionsstörungen anhand objektiv-klinischer Befunde, die geeignet wären, eine rentenrechtlich relevante zeitliche Leistungseinschränkung zu begründen, ergeben sich aus diesen radiologischen Berichten jedoch nicht.

Auch lässt sich aus der Auskunft des behandelnden V1 keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers seit April 2024 ableiten. Dieser hat dem Senat auf dessen Anfrage vielmehr mitgeteilt, dass er den Kläger auch im Jahr 2024 behandelt habe (konkret am 28.02., 12.03. und 08.04.) und der Gesundheitszustand des Klägers seit seiner Auskunft vom 10.02.2022 gegenüber dem SG im Wesentlichen gleich („schlecht“) geblieben ist. Dass der Kläger zwischenzeitlich einen Rollstuhl benötigt, hat V1 nicht einmal auch nur erwähnt und eine manifeste neurologische Erkrankung, die eine medizinische Indikation für einen Rollstuhl begründen könnte, ist - worauf S6 nach Aktenstudium hingewiesen hat - nicht erkennbar, zumal der anwaltlich vertretene Kläger auch nicht einmal mitgeteilt hat, auf Grund welcher neurologischen Erkrankung ihm H2 einen Rollstuhl verordnet haben soll; eine entsprechende Verordnung hat er ebenfalls nicht vorgelegt.


Zur Abklärung, welche konkreten Funktionsstörungen beim Kläger auf der Grundlage der behaupteten zwischenzeitlichen Verschlimmerung vorliegen und ob und inwieweit sich die Einschränkungen beim Kläger dahingehend verschlechtert haben, dass zwischenzeitlich eine zeitliche Leistungsminderung eingetreten bzw. der Kläger wegeunfähig geworden ist, hat sich der Senat in Ansehung all dessen veranlasst gesehen, ein aktuelles ärztliches Sachverständigengutachten bei D1 einzuholen und den im Pflegegutachten beschriebenen Mobilitätseinschränkungen des Klägers dahingehend (vorsorglich) Rechnung getragen, als er den Sachverständigen mit einer Begutachtung des Klägers im häuslichen Umfeld betraut hat. Doch auch diese Begutachtung hat der Kläger ohne Not vereitelt, indem er an der körperlichen Untersuchung durch den Sachverständigen ohne nachvollziehbare Gründe nicht mitgewirkt hat, sodass der Sachverständige die (Funktions-)Untersuchung mangels Mitwirkung des Klägers hat abbrechen müssen; der Senat nimmt insoweit auf die entsprechenden, anschaulichen und gut nachvollziehbaren Ausführungen des D1 in seinem Bericht vom 26.01.2025 Bezug, dem die Klägerseite nichts entgegengehalten hat.

Mithin liegen dem Senat auch insoweit keine aktuellen ärztlich-klinischen (Funktions-)Befunde vor, die auf eine Verschlechterung des (orthopädischen) Gesundheitszustands des Klägers dahingehend, dass zwischenzeitlich eine quantitative Leistungsminderung und/oder Wegeunfähigkeit eingetreten sein könnte, schließen lassen. Die Verletzung der klägerischen Mitwirkungslast geht zu seinen Lasten, nachdem er eine weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts (abermals) vereitelt hat (s. hierzu bereits oben).

Da der Kläger trotz mehrmaliger ausdrücklicher Hinweise auf die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten sämtliche vom Senat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts beauftragten Begutachtungen vereitelt hat, ist der Senat auch nicht gehalten gewesen, weitere Begutachtungen zu veranlassen (s. hierzu LSG Baden-Württemberg 18.02.2014, L 11 R 4850/12, in juris Rn. 22). Insbesondere ist der Senat auch nicht gehalten gewesen, ein orthopädisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage einzuholen, da zur Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Mobilitätsverschlechterung gerade eine körperliche Untersuchung erforderlich ist (LSG Baden-Württemberg 18.03.2021, L 6 SB 3279/19, in juris Rn. 65; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 118 Rn. 11b).

Ausgehend von dem feststellbaren (medizinischen) Sachverhalt hält der Senat ein auf unter sechs Stunden eingeschränktes Leistungsvermögen des Klägers somit für nicht überzeugend begründbar, sondern geht unter Zugrundelegung der bereits vom SG benannten und von B2 ergänzten qualitativen Einschränkungen (
s.o.) davon aus, dass der Kläger jedenfalls noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich mindestens sechs Stunden ausüben kann. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 SGB VI) und hat somit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung. 

Ebenfalls auf der Grundlage des feststellbaren (medizinischen Sachverhalts sieht der Senat auch keine - durch objektiv-klinische Befunde belegte - Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung vorliegt, die die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde (vgl. BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in juris, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG a.a.O. m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, in juris). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein (BSG a.a.O.). Diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (vgl. zuletzt BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, in juris). Derartige Tätigkeiten kann der Kläger entsprechend der obigen Darlegungen auch mit den bei ihm bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen noch ausüben, weshalb es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedarf; abweichende Feststellungen hat der Kläger - wie ebenfalls bereits dargelegt - vereitelt, indem er sich der angeordneten Begutachtungen entzogen hat.

Entsprechendes - keine Feststellbarkeit - gilt hinsichtlich einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung in Gestalt einer Einschränkung der Wegefähigkeit (vgl. dazu nur BSG 12.12.2011, B 13 R 79/11 R, in juris, Rn. 20 m.w.N.), da entsprechende objektiv-klinische ärztliche Befunde mangels Mitwirkung des Klägers gerade nicht haben erhoben werden können. Im Übrigen - dies nur am Rande - würde allein der Umstand einer Rollstuhlpflichtigkeit für sich gesehen noch keine sozialrechtliche Wegeunfähigkeit begründen, da im Rahmen der Beurteilung gerade zur Verfügung stehende Mobilitätshilfsmittel zur Erreichung einer Arbeitsstelle zu berücksichtigen sind.

Schließlich ist auch der Umstand, dass die Pflegefachkraft des MDK den Pflegegrad 2 empfohlen hat - unabhängig von der Aussagekraft des Pflegegutachtens (s.o.) - nicht geeignet, eine Erwerbsminderung i.S.d. Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen, denn dies sagt für sich gesehen nichts über eine berufliche Einsetzbarkeit aus (s. dazu nur Senatsurteil vom 18.04.2024, L 10 R 1319/23, in juris, Rn. 55 m.w.N.).


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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