Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 15 KR 2462/23
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Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
In dem Rechtsstreit
Kläger
gegen
Beklagte
hat die 15. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf am 02.04.2024 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht Dr. ……, für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufnahme des Klägers in der Krankenversicherung ….. sowie die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung der Beklagten.
Der am XX.XX.1956 geborene Kläger ist seit 1983 in der privaten Krankenversicherung versichert. Er ist selbständig tätig und bezieht Altersrente.
Am 24.02.2023 beantragte er bei der Beklagten die Aufnahme in die Krankenversicherung der Beklagten.
Mit Bescheid vom 08.03.2023 lehnte die Beklagte mangels der erforderlichen Vorversicherungszeit eine Aufnahme des Klägers in die …… ab. Der Kläger sei nicht in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens mindestens 90 % der Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen. Weiter sei eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich, da ein Zugang aus der privaten Versicherung im Rahmen einer freiwilligen Versicherung ausgeschlossen sei.
In seinem Widerspruch vom 28.03.2023 wies der Kläger auf das verfassungsrechtlich verankerte Diskriminierungsverbot hin. Personen, die aus der Ukraine geflüchtet seien, dürften zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung beitreten, auch wenn sie nicht hilfebedürftig seien. Wenn er ukrainischer Herkunft wäre, würde ihm der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht, unabhängig von seiner Krankenversicherungs-Vorgeschichte. Er sei gegenüber ukrainischen Flüchtlingen deshalb benachteiligt, da er in der privaten Krankenversicherung "gefangen'' sei und u. a. keine beitragsfreie Familienversicherung beanspruchen könne, einen höheren Beitrag mit einem hohen monatlichen Selbstbehalt zahle und „ständigen gravierenden Beitragserhöhungen mit steigendem Alter“ ausgesetzt sei, für in Anspruch genommene Gesundheitsleistungen in Vorkasse treten müsse und wichtige Untersuchungen, wie beispielsweise kostenfreie Vorsorgeuntersuchen auf genetisch bedingte seltene Krankheiten, von der privaten Krankenversicherung nicht geleistet würden.
Mit Bescheid vom 15.05.2023 erläuterte die Beklagte die Rechtslage und hob den ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangenen Bescheid vom 08.03.2023 auf. Sie lehnte die Aufnahme des Klägers in die gesetzliche Krankenversicherung erneut ab, wogegen sich der erneute inhaltsgleiche Widerspruch des Klägers vom 23.05.2023 richtete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2023 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger gemäß § 6 Abs. 3a Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) versicherungsfrei sei, da er zum Zeitpunkt der Beantragung der Mitgliedschaft am 24.02.2023 bereits 66 Jahre alt gewesen sei und damit das 55. Lebensjahr vollendet habe und nicht in den letzten fünf Jahren gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Kraft Gesetzes sei keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung eingetreten. Die Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung der Rentner (……) nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sei nicht erfüllt, weshalb eine Pflichtversicherung über den Bezug der Altersrente ausscheide. Darüber hinaus sei die notwendige Vorversicherungszeit für den Beitritt zur freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V nicht erfüllt, da der Kläger seit dem Jahr 1983 privat krankenversichert sei. Somit besteht für den Kläger auch kein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit der Kläger ausführe gegenüber ukrainischen Flüchtlingen diskriminiert zu sein, gebiete das Gleichbehandlungsgebot nur die Gleichbehandlung von Gleichem. Die Situation des Klägers, der seit Jahren privat krankenversichert sei und im Alter gesetzlich krankenversichert werden möchte, sei mit derjenigen ukrainischer Flüchtlinge, die unter völlig anderen Voraussetzungen Zutritt zur gesetzlichen Krankenversicherung erhielten, nicht vergleichbar. Im Interesse der Solidargemeinschaft könne dem Antrag auf Mitgliedschaft nach Vollendung des 55. Lebensjahres nicht entsprochen werden.
Am 21.09.2023, eingegangen am 25.09.2023, hat der Kläger beim Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und sein Rechtsschutzziel auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung der Beklagten weiterverfolgt. Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft er sein Widerspruchsvorbringen. Das Grundgesetz würde gebieten, Bürger dieses Landes nicht schlechter zu stellen, als Zugereiste. Soweit die Beklagte das Interesse der Solidargemeinschaft hervorhebe, hätten auch ukrainische Flüchtlinge der Solidargemeinschaft nie zur Verfügung gestanden und auch keine Steuern in Deutschland gezahlt. Die Beklagte möge anhand anonymisierter Beispielsfälle darlegen, wie die Vorversicherungszeiten bei ukrainischen Flüchtlingen geprüft würden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 08.03.2023 und 15.05.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2023 zu verurteilen, den Kläger ab dem 24.02.2023 in ihre gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Für die Beklagte sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sich Personen gegenüber diskriminiert fühlt, welche aufgrund eines Krieges aus ihrem Heimatland flüchten müssen. Soweit der Kläger Nachteile aufzähle, die ihm aus der Versicherung in der privaten Krankenversicherung entstünde, erwähne er nicht, dass er sich seinerzeit selbst für die private Krankenversicherung entschieden habe. Er habe der Solidargemeinschaft jahrelang nicht zur Verfügung gestanden und keinen Beitrag zu dieser geleistet. Nun, da ihm die private Krankenversicherung im Alter zu hohe Kosten abverlange, möchte er im eigenen Interesse – und nicht im Interesse der Solidargemeinschaft – die gesetzliche Krankenversicherung in Anspruch nehmen. Dies sei ausdrücklich nicht im Sinne der Solidargemeinschaft. Darüber hinaus erfolge – entgegen der Auffassung des Klägers – auch bei der Neuaufnahme ukrainischer Flüchtlinge, welche das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, eine Prüfung der Vorversicherungszeit.
Mit Hinweis vom 08.01.2024 hat die Vorsitzende die Rücknahme der Klage angeregt und sodann mit Verfügung vom 28.02.2024 Gerichtsbescheid angekündigt, zugestellt dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 02.03.2024 (Bl. 46 der Gerichtsakte) und der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 29.02.2024 (Bl. 37 der Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Absatz 1 1. und 2. Var. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet.
Dies konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 105 Abs. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist. Die Beteiligten sind dazu schriftlich mit Verfügung vom 28.02.2024 angehört worden. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.03.2024 ihr diesbezügliches Einverständnis erklärt. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Bescheide der Beklagten vom 08.03.2023 und 15.05.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2023 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch weder auf Aufnahme in die gesetzliche …… noch in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung der Beklagten.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert gewesen sind. Diese Voraussetzung erfüllt der seit 1983 privat krankenversicherte Kläger offensichtlich nicht, wie die Beklagte zutreffend in den streitgegenständlichen Bescheiden ausgeführt hat.
Soweit der Kläger eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung gegenüber ukrainischen Flüchtlingen invoziert, erkennt die Kammer bereits keine Ungleichbehandlung, da – anders als der Kläger meint – auch bei ukrainischen Flüchtlingen die Vorversicherungszeiten geprüft werden und ihnen gerade kein Wahlrecht zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zusteht. Die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten ist überdies erschwert, da sie davon abhängt, dass die Zeiten - durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung - der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind (siehe etwa Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. April 2017 – L 16 KR 793/15 –, juris).
Zutreffend hat die Beklagte überdies darauf hingewiesen, dass das verfassungsrechtliche Gleichbehandlung nur die Ungleichbehandlung wesentlich Gleichen verbietet. Die Situation des Klägers, der sich zunächst bewusst gegen eine Versicherung in der gesetzlichen Versicherung entschieden hat und diese erst in Anspruch nehmen möchte, wenn er sich selbst davon Vorteile verspricht, ist eine andere als diejenige ukrainischer Flüchtlinge, die wegen des Territorialitätsprinzips zuvor noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt hätten, sich in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern oder privat.
Zutreffend hat die Beklagte weiter insbesondere in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13.09.2023 ausgeführt, dass der Kläger auch die notwendige Vorversicherungszeit für den Beitritt zur freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V nicht erfüllt, da er zuletzt seit dem Jahr 1983 privat krankenversichert war, weshalb für den Kläger auch kein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
Die unbegründete Klage war mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).