§ 2 Abs. 2 PKHFV, § 73a SGG, § 127 ZPO
PKH-Antrag bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB 2, Sozialgerichtliches Verfahren - Prozesskostenhilfe - Beschwerderecht der Staatskasse –
1. Die Beschwerde der Staatskasse nach Maßgabe des § 127 Abs. 3 S. 2 ZPO kann nicht gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Grunde nach, sondern nur darauf gerichtet werden, der Antragsteller sei unzutreffend nicht an den Kosten der Verfahrensführung durch Zahlung von Raten oder einer Einmalzahlung beteiligt worden.
2. Bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe sieht § 2 Abs. 2 PKHFV eine vereinfachte Erklärung nur für Personen vor, die nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch laufende Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 PKHFV zugunsten von Antragstellern, die Leistungen nach dem SGB II beziehen und darüber einen Bewilligungsbescheid vorlegen, scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus.
3. Ein Bescheid über Leistungen nach dem SGB II gibt nicht in vergleichbarer Weise wie ein Bescheid über Leistungen nach dem SGB XII Aufschluss über die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe, da das Recht der Prozesskostenhilfe an das SGB XII anknüpft und die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II und nach dem SGB XII voneinander abweichen können (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. September 2022 – 11 ME 284/22).
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 13. September 2024 geändert und der Kläger verpflichtet, eine monatliche Rate in Höhe von 100,00 € zu zahlen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist sowohl statthaft als auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (vgl. § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] i. V. m. §§ 572 Abs. 2 und 4, 127 Abs. 3 der Zivilprozessordnung [ZPO]).
Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine derartige andere Bestimmung ist für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Kammervorsitzenden der Sozialgerichte geregelt. So findet gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO die Beschwerde (nur) der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Danach ist aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 13. September 2024 ohne Festsetzung von Zahlungen die Beschwerde statthaft. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann die Beschwerde ferner nur darauf gestützt werden, dass der oder die Beteiligte nach seinen/ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Auch dies ist vorliegend erfüllt, denn die Staatskasse als Beschwerdeführer macht geltend, dass Raten zu leisten sind. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 73a Abs. 8 SGG ausgeschlossen, weil vorliegend nicht der Urkundsbeamte, sondern der Kammervorsitzende entschieden hat.
Die Beschwerde ist durch den Beschwerdeführer, die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse, auch fristgerecht am 22. November 2024 beim Sozialgericht Nordhausen eingelegt worden. Die Frist hierzu beträgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 3, 6 ZPO einen Monat ab Kenntnisnahme durch die Bezirksrevisorin (erfolgte am 15. November 2024). Es liegt auch keine Unstatthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO wegen Ablaufs von drei Monaten seit Erlass des Bewilligungsbeschlusses vor. Die erforderliche Abhilfeentscheidung durch das Sozialgericht liegt vor.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des jeweiligen Gerichts. Das gilt auch im Beschwerdeverfahren. Veränderungen der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse seit Antragstellung sind zu berücksichtigen. Hier hat der Kläger bereits nicht glaubhaft gemacht, dass zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorlagen, noch, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt der Fall ist. Trotz mehrfacher Aufforderungen des Senats und trotz des Vorbringens des Beschwerdeführers hat der anwaltlich vertretene Kläger gerade nicht glaubhaft gemacht, dass er über kein einsetzbares Vermögen verfügt. Die von ihm vorgelegte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist unvollständig. Insbesondere mangelt es an Angaben (einschließlich der entsprechenden Belege) zu den Abschnitten F und G. Der Kläger durfte auf diesbezügliche Angaben und ggf. Belege auch nicht verzichten. Zwar gestattet § 2 Abs. 2 der Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) eine vereinfachte Erklärung ohne Ausfüllung der Abschnitte E bis J des amtlichen Formulars, wenn der Beteiligte laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bezieht und den aktuellen Bewilligungsbescheid des Sozialamts dem Antrag beifügt. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger lediglich einen Bescheid des Jobcenters über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorgelegt hat. Ein solcher Bescheid ermöglicht nicht in vergleichbarer Weise wie ein Bescheid nach dem SGB XII eine Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat eine Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zur Beurteilung der Frage, wann der Einsatz und die Verwertung des Vermögens zumutbar sind, verweist § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf § 90 SGB XII. Diese Vorschrift ordnet aber einen weitergehenden Vermögenseinsatz an als die für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II geltenden Regelungen in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II. Grund für die restriktivere Ausgestaltung des Vermögensschutzes als in § 12 SGB II ist, dass dem SGB II - jedenfalls normativ typisierend - die Vorstellung zugrundeliegt, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte lediglich vorübergehend im SGB II-Leistungsbezug stehen (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, 1. Ergänzungslieferung 2025, § 12 SGB II, Rn. 82). Dies hat zur Folge, dass trotz des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II Vermögen vorhanden sein kann, das im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzen ist. Daher scheidet auch eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 PKHFV zugunsten von Antragstellern, die Leistungen nach dem SGB II beziehen und darüber - wie der Kläger - einen Bewilligungsbescheid vorlegen, mangels vergleichbarer Interessenlage aus (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. September 2022 – 11 ME 284/22 –, juris).
Ohne die Mitwirkung des Klägers kann der Senat dies nicht weiter aufklären, weil die maßgeblichen Umstände in seiner Sphäre liegen. Schon die auf Grund der fehlenden Mitwirkung verbleibenden Zweifel müssen daher dazu führen, dass die Beschwerde Erfolg hat. Der angefochtene Beschluss vom 13. September 2024 war insoweit abzuändern, als eine Ratenzahlung in Höhe von 100,00 € monatlich anzuordnen war. Da die Beschwerde der Staatskasse nach Maßgabe des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht gegen die Bewilligung von PKH dem Grunde nach, sondern nur darauf gerichtet sein kann, der Kläger sei unzutreffend nicht an den Kosten des Verfahrens durch Raten oder Zahlung eines Einmalbetrages beteiligt worden, besteht für den Senat keine Möglichkeit, eine wegen fehlender Bedürftigkeit oder wegen Vorlage vollständiger Unterlagen von Anfang an fehlerhafte Entscheidung über die Bewilligung von PKH aufzuheben (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Januar 2015, 1 WF 46/15, zitiert nach juris). Zulässig und geboten ist allerdings, angemessene Raten zum Ausgleich der unzutreffenden PKH-Bewilligung ohne Zahlungsbestimmung mit dem Ziel vollständiger Selbstbeteiligung an den Kosten erster Instanz festzusetzen. Den monatlichen Ratenbetrag schätzt der Senat auf 100,00 €. Der Beginn der Ratenzahlung ist durch das Sozialgericht festzusetzen. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aufgehoben werden soll, wenn die Partei mit einer Rate mehr als drei Monate im Rückstand ist, zu deren Zahlung sie zuvor durch eine ordnungsgemäße Zahlungsaufforderung aufgefordert wurde. Sollte der Kläger in Zukunft eine vollständige Erklärung vorlegen, die eine Ratenzahlung entfallen lässt, bleibt es ihm unbenommen einen Antrag nach § 120 a ZPO auf Abänderung beim Sozialgericht zu stellen.
Kosten sind gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.