L 9 BA 1815/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 BA 1125/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 BA 1815/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. April 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird endgültig auf 618.268,96 EUR festgesetzt.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 618.268,96 Euro für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.09.2017 streitig.

Die Klägerin ist ein in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführtes Sanitär- und Heizungsunternehmen, dessen Gegenstand ausweislich des Handelsregisterauszuges vom 19.09.2016 der Bau und die Wartung von luft- und wärmetechnischen Anlagen aller Art, insbesondere von Heizungsanlagen, Be- und Entlüftungen und offenen Kamin- und Kachelöfen ist. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind M1 K1 sowie dessen Söhne J1 und R1 K1.

Unternehmensgegenstand der Fa. K2 Industrieconsulting e.K. (nachfolgend: Fa. K2) war die Vermittlung von Monteuren aus Ungarn an deutsche Handwerksunterunternehmen. Zu den Leistungen der Fa. K2 gehörte u.a. die Buchhaltung für die Monteure, die Vorbereitung der für die deutschen Behörden benötigten Unterlagen, die Unterstützung bei der Kommunikation mit deutschen Unternehmen und die Wohnungssuche in Deutschland. Teilweise organisierte sie für die Monteure auch die für die Auftragsausführung benötigten Werkzeuge, die diese selbst bezahlten. Auch eröffnete sie für die Monteure Bankkonten, auf welche auch sie Zugriff hatte. Für diese Leistungen zahlten die Monteure 20% des von den deutschen Unternehmen erhaltenen Lohns an die Fa. K2.

Jedenfalls ab 01.01.2012 setzte die Klägerin auf ihren Baustellen über die Fa. K2 vermittelte ungarische Monteure ein. Für diese erhielt sie jeweils von der Fa. K2 Unterlagen zur Gewerbeanmeldung und eine steuerrechtliche Freistellungsbescheinigung. Ausweislich der zwischen der Klägerin und den Monteuren als „Werkvertrag“ bezeichneten Vereinbarungen waren Gegenstand der von den Monteuren zu erbringenden Leistungen „Verrohrungs- und Sanitärarbeiten“ bzw. teilweise „Schweißarbeiten“ (vgl. § 2 des jeweiligen Vertrages). Zudem enthielten die im Übrigen inhaltsgleichen Verträge u.a. folgende Regelungen:

§ 3 Ausführung
„(1) Der Auftragnehmer gestaltet seine Arbeitszeit für den Auftraggeber nach freiem, aber pflichtgemäßen Ermessen. Die Interessen des Auftraggebers werden angemessen neben dem verbleibenden Pflichtenkreis des Auftragnehmers gewahrt.
(2) Bei der Bemessung der Leistung gehen beide Vertragspartner (Auftraggeber und Auftragnehmer) gemeinsam davon aus, dass der Aufgabenkreis gleich bleibt. Bei zusätzlichen Aufgaben oder einer Reduzierung der Aufgaben sind die Vertragspartner verpflichtet, eine neue Abmachung zu treffen.

§ 4 Pflichten des Auftragnehmers
(1) Die Erbringung der Leistungen durch den Auftragnehmer muss nach den allgemein anerkannten Regeln unter Beachtung aller behördlichen und gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen zum Zeitpunkt der Leistungserbringung erfolgen. (…)

§ 5 Pflichten des Auftraggebers
(1) Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer auf Anforderung die bei ihm vorhandenen, für die Erbringung der Leistungen benötigten Unterlagen (Zeichnung, Projektplanung, Anweisungen) und soweit es vereinbart ist, die zur Durchführung der Leistung nötige Ausrüstung zur Verfügung. Der Auftragnehmer bringt sein eigenes Handwerkzeug mit. (…)

§ 6 Vergütung
(1) Der Auftragnehmer erhält für die Erbringung der unter § 2 beschriebenen Leistungen einen pauschalen Stundensatz in Höhe von 28,00 Euro zzgl. ges. MwSt für das Werk. Die Abrechnung erfolgt jeweils mit gesonderter Rechnung alle zwei Wochen. Bei Vorlage einer Freistellungsbescheinigung werden die Leistungen ohne Umsatzsteuer berechnet.
(2) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, selbst für die Versteuerung aller Zahlungen, die unter diesem Vertrag anfallen, Sorge zu tragen.

§ 7 Rechnungslegung und Zahlung
Die Rechnungsstellung erfolgt nach Abnahme der Leistung durch den Auftraggeber. Die Zahlung durch den Auftraggeber erfolgt spätestens 10 Tage nach Rechnungsstellung. (…)

§ 8 Gewährleistung
(1) Sofern die vom Auftragnehmer gelieferte Leistung mangelhaft ist, kann der Auftraggeber zunächst nur Nachbesserung verlangen.
(2) Soweit eine Nachbesserung nicht möglich oder kostenmäßig unverhältnismäßig ist, kann der Auftraggeber nur die Vergütung hinsichtlich des jeweilig mangelhaften Betrags mindern, weitergehende Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen. (…)

§ 10 Laufzeit, Kündigung
(1) Der Vertrag wird beginnend mit dem … geschlossen. Er endet mit Abnahme des Werkes, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf.

Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung bezahlte die Klägerin die ungarischen Monteure auf Stundenbasis, wobei diese ihre handschriftlichen Stundenaufzeichnungen durch den Obermonteur der Klägerin abzeichnen ließen. Auch setzten die Monteure bei ihrer Tätigkeit für die Klägerin im Wesentlichen ihr eigenes Werkzeug ein.

Im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Fa. K2 wegen Vorenthaltens bzw. Veruntreuens von Arbeitsentgelt ließ das Hauptzollamt A1 am 12.10.2017 die Geschäftsräume der Klägerin durchsuchen. Hierbei wurden der Geschäftsführer M1 K1 und der Obermonteur der Klägerin D1 angetroffen und als Zeugen vernommen. Der Geschäftsführer M1 K1 gab an, er habe im Vorfeld von der Fa. K2 die Stammblätter der Monteure mit Profil und Referenzen erhalten, so dass er habe entscheiden können, wen er für geeignet halte. Anschließend habe er den Subunternehmervertrag, den er direkt mit den Monteuren abgeschlossen habe und eine entsprechende Gewerbeanmeldung von der Fa. K2 erhalten. Er habe sich lediglich die Arbeitskraft der Monteure gekauft. Diese hätten ihr eigenes Werkzeug mitgebracht, nur Spezialwerkzeuge habe die Klägerin gestellt. Teilweise habe die Klägerin den Monteuren T-Shirts und Softshelljacken übergeben, damit sie als ausführende Personen der Klägerin kenntlich gewesen seien. Bei Krankheit hätten die Monteure den Obermonteur der Klägerin informiert. Der Obermonteur D1 gab an, er habe die Monteure auf der Baustelle angewiesen, was diese zu tun hätten. Auch habe er sie überwachen müssen. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurden zudem folgende weitere ungarische Monteure vernommen, die über die Vermittlung durch die Fa. K2 bei der Klägerin tätig waren: B1 K3 M2, K4 M3 und N1 V1.

In der Folge leitete das Hauptzollamt A1 ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein und holte eine gutachterliche Stellungnahme der Beklagten zum sozialversicherungsrechtlichen Status der von der Fa. K2 vermittelten und bei der Klägerin eingesetzten Monteure ein. In ihrer Stellungnahme vom 04.04.2018 gab die Beklagte an, die ungarischen Monteure seien als abhängig Beschäftigte zu qualifizieren. Die Werkverträge seien Scheinwerkverträge, nachdem sie recht allgemein gehalten seien, kein abgrenzbares Gewerk beinhaltet hätten und tatsächlich nicht gelebt worden seien. So sei die Bezahlung nach Stunden und nicht nach Fortschritt des Gewerks erfolgt. Die Arbeiten seien Hand in Hand mit anderen Gewerken und nicht voneinander abgegrenzt erfolgt. Auch sei die Planung der Gewerke nicht durch die ungarischen Monteure erfolgt. Zudem habe der Vorarbeiter der Klägerin die Arbeiten überwacht, auch seien große Maschinen von der Klägerin gestellt worden. Schließlich hätten die Monteure weder über einen eigenen Betriebssitz noch über eine eigene Betriebsstruktur verfügt.

In dem Abgabebericht des Hauptzollamts A1 vom 06.06.2018 an die Staatsanwaltschaft A1 führte dieses aus, die Klägerin habe die in dem Bericht namentlich aufgezählten, von der Fa. K2 vermittelten Monteure formal als Soloselbstständige eingesetzt. Tatsächlich seien die Monteure weisungsgebunden und in die Arbeitsabläufe der Klägerin eingegliedert gewesen und seien wie normale Arbeiter eingesetzt worden. Es habe sich ein Gesamtsozialversicherungsschaden i.H.v. 629.665,32 Euro ergeben. Die Geschäftsführer M1 und J1 K1 seien aufgrund dieses Sachverhalts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB) verdächtig. Zumindest der Geschäftsführer M1 K1 habe gewusst, dass die Monteure als „Soloselbstständige“ beauftragt gewesen seien und dass durch die Klägerin keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Dennoch habe er die Monteure wie Arbeitnehmer in seinem Unternehmen eingesetzt.

Nach Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft O1 stellte diese das Verfahren gegen Auflagen (Zahlung von Geldbeträgen) durch Beschluss vom 07.06.2019 ein.

Vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens führte die Beklagte sodann eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) i.V.m. § 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) im Unternehmen der Klägerin für den Prüfzeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.09.2017 durch. In diesem Zusammenhang trug die Klägerin mit Schreiben vom 06.12.2018 vor, die Monteure seien nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Sie hätten auf der Baustelle stets eine Aufgabe gehabt, die einen in sich geschlossenen Werkauftrag beinhaltet hätte. Im Rahmen ihrer konkret umrissenen Arbeit seien sie eigenständig gewesen und hätten mit anderen über die Fa. K2 vermittelten Monteuren zusammengearbeitet, nicht aber mit den angestellten Monteuren der Klägerin. Sie hätten ihre Arbeits- und Pausenzeiten vielfach anders gelegt als die angestellten Monteure und hätten auch nicht an Baustellenbesprechungen oder Betriebsveranstaltungen der Klägerin teilgenommen. Ebensowenig hätten ihnen der Fahrzeugpark, die Werkzeuge und die Hilfsmittel der Klägerin zur Verfügung gestanden. Aufgrund der Qualifikation der Monteure trete das Merkmal „Weisung“ in Bezug auf „Art und Weise“ der Auftragserledigung deutlich in den Hintergrund. Die Tätigkeit des Monteurs sei bis ins Detail vom Bauherrn, Architekten und Planungsbüro vorgegeben. Diese Vorgaben habe die Klägerin im Rahmen der Baustelleneinweisung und der Baustellenleitung lediglich überwacht und umgesetzt. Die Kontrolle der Arbeit der Monteure sei Ausfluss der Verantwortlichkeit der Klägerin gegenüber dem Bauherrn auch für ihre Subunternehmer. Die Dokumentation der Arbeit der Subunternehmer diene dem Nachweis, dass die Montagearbeiten korrekt und fachgerecht ausgeführt worden seien. Die Zwischenabnahme und Gegenzeichnung der Stundenzettel diene der Überprüfbarkeit der von der Fa. K2 im Auftrag der Monteure vorgelegten Abrechnungen. Der Ort der Auftragserledigung spiele für die Frage der Weisungsgebundenheit keine Rolle. Selbstverständlich seien die Arbeiten an dem vom Bauherrn vorgegebenen Ort zu erledigen. Von besonderer Bedeutung sei demgegenüber, dass die Monteure keinerlei Weisungen in Bezug auf Arbeitszeit und Urlaubszeit unterlegen hätten. Die Monteure hätten ihre Arbeitszeiten zwar den Arbeitszeiten der sonstigen auf der Baustelle tätigen Arbeitern angepasst, hätten aber aus eigenem Antrieb Überstunden absolvieren können. Auch hätten sie Urlaub nicht abgesprochen, sondern lediglich ohne Rücksicht auf die Belange des Auftraggebers bekanntgegeben. Die Klägerin habe keine Rechtsmacht zur Erteilung von Weisungen an die Monteure gehabt, die deshalb weisungsfrei tätig geworden seien. In Bezug auf die gutachterliche Stellungnahme der Beklagten vom 04.04.2018 falle auf, dass diese nahezu keine Angaben zu einem konkreten Auftraggeber und einer konkreten Baustelle enthalte. Dies widerspreche der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach jedes Vertragsverhältnis konkret darauf zu untersuchen sei, ob Merkmale abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit überwögen. Auch handele es sich nicht um Scheinwerkverträge. Vielmehr hätten beide Beteiligte tatsächlich die Unabhängigkeit einer Selbstständigkeit gewollt. Dies ergebe sich auch aus dem mit 28,00 Euro gezahlten Stundenlohn, der erheblich über dem Tariflohn von 13,00 Euro gelegen habe. Wenngleich dem Kriterium des „Unternehmerrisikos“ keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme, sprächen die konkreten Umstände für eine Selbststständigkeit, nachdem die Monteure ihre Werkzeuge und Maschinen selbstständig angeschafft und unterhalten hätten und der Einsatz von deren Arbeitskraft davon abhänge, ob das Werk ordnungsgemäß und fachgerecht abgenommen werde. Dem erhöhten Stundenlohn entsprächen höhere Gewinnchancen bei Fleiß und Zuverlässigkeit sowie höhere Flexibilität und Freiheit bei der Aushandlung von Vertragsbedingungen für das nächste Projekt. Auch gehe die Beklagte zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin es billigend in Kauf genommen habe, dass die ungarischen Monteure nur zum Schein als Selbststständige beschäftigt worden seien. Ferner hätte geprüft werden müssen, ob eine unständige Beschäftigung mit der Folge aus § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III vorliege.

Nach Durchführung der Schlussbesprechung am 24.01.2019 forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 30.01.2019 für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.09.2017 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 618.268,96 Euro einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 187.188,00 Euro. Zur Begründung führte die Beklagte unter Wiederholung ihrer gutachterlichen Einschätzung vom 04.04.2018 ergänzend aus, gegenüber der Fa. K2 hätten die ungarischen Monteure nicht in einem (Leih-)Arbeitsverhältnis gestanden, vielmehr habe es sich um eine reine Arbeitsvermittlung gehandelt. Das geschuldete Werk der einzelnen Monteure sei nicht voneinander abgrenzbar. Da die ungarischen Monteure als abhängig Beschäftigte zu qualifizieren seien, unterlägen sie der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der Gesamtwürdigung sei davon auszugehen, dass die Klägerin es billigend in Kauf genommen habe, dass die ungarischen Arbeiter nur zum Schein als selbstständige Unternehmer beschäftigt worden seien. Die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ebenso wie für die Umlage U2 und die Insolvenzgeldumlage würden für die in der Anlage genannten Personen nacherhoben. Auch seien Säumniszuschläge für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.11.2018 zu berechnen gewesen. Zudem gelte angesichts des bedingt vorsätzlichen Handelns die 30-jährige Verjährungsfrist.

Zur Begründung ihres hiergegen am 25.02.2019 erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag aus, die Erhebung der Säumniszuschläge sei rechtswidrig erfolgt, weil der Bescheid nicht erkennen lasse, aufgrund welcher tatsächlichen oder unterstellten Kenntnisse Vorsatz in Bezug auf die Nichtabführung von Beiträgen vorgeworfen werde, zumal ein Vorsatzvorwurf nur einer natürlichen Person und nicht einer GmbH gemacht werden könne. Dem zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab die Beklagte nach einer Teilzahlung in Höhe von 155.000,00 Euro statt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe zwar standardisierte Werkverträge geschlossen, welche allerdings allgemein gehalten gewesen seien und weder ein abgrenzbares Werk noch eine Fertigstellungsfrist beinhaltet hätten. Die Werkverträge seien nicht tatsächlich gelebt worden, sondern als Scheinwerkverträge zu qualifizieren. Die Bezahlung sei nicht nach dem Fortschritt des Gewerks, sondern nach den tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden erfolgt. Die Arbeiten seien nicht voneinander abgegrenzt, sondern Hand in Hand erfolgt. Auch seien die Übergänge fließend gewesen. Die Planung der Gewerke sei nicht durch die ungarischen Monteure, sondern durch die Klägerin erfolgt. Zudem hätten die Monteure keinen eigenen Betriebssitz gehabt und kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen, nachdem nennenswerte betriebliche Investitionen für die bei der Klägerin verrichteten Arbeiten nicht ersichtlich seien. Auch seien sie in die betrieblichen Abläufe eingebunden gewesen. Die Klägerin habe den Arbeitsort vorgegeben und das Personal eingeteilt. Zudem hätten die Monteure mit den Arbeitskräften der Klägerin zusammengearbeitet. Zwar habe nur ein abgeschwächtes Weisungsrecht bestanden, was aber an den klar umrissenen Aufgaben gelegen habe. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, dass das Merkmal „Weisung“ in Bezug auf „Art und Weise“ der Auftragserledigung deutlich in den Hintergrund trete, widerspreche dies der Aussage des Obermonteurs D1, der angegeben habe, er habe die Anweisungen an die ungarischen Monteure weitergegeben, die Arbeiter eingeteilt und auch kontrolliert. Die Monteure hätten nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Fa. K2 gestanden, die lediglich als Arbeitsvermittler tätig gewesen sei. Vielmehr hätten sie in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Der Widerspruchsausschuss sei der Überzeugung, dass die Klägerin es billigend in Kauf genommen habe, dass die ungarischen Monteure nur zum Schein als selbstständige Unternehmer beschäftigt worden seien und somit keine Sozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstellen entrichtet worden seien. Eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht habe nicht vorgelegen.

Deswegen hat die Klägerin am 10.10.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben (Az. S 4 BA 4044/19). Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe „Feststellungen“ getroffen, die nicht erkennen ließen, welches Auftragsverhältnis in concreto geprüft worden sei, also wessen Tätigkeit auf welcher Baustelle beurteilt worden sei. Vielmehr gehe die Beklagte pauschal davon aus, dass sämtliche Arbeitskräfte, welche von der Fa. K2 vermittelt worden seien, immer und ohne Ausnahme als abhängig beschäftigte Arbeitskräfte eingesetzt worden seien. Um welche Arbeitnehmer, welchen Betrieb und um welchen Auftrag bzw. welche Baustelle es sich gehandelt habe, sei für die Beklagte nicht von Bedeutung. Die gegen die Fa. K2 durchgeführten Ermittlungen beträfen die Klägerin nur am Rande, nachdem die ungarischen Monteure bei bundesweit ungefähr 130 Betrieben eingesetzt worden seien. Den subjektiven Tatbestand habe die Beklagte weder geprüft noch hergeleitet, sondern behaupte ihn lediglich. Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid in Bezug genommenen Vernehmungsniederschriften der Monteure T1, T1 junior und H1 fänden sich nicht in der Ermittlungsakte. Im Übrigen läge die Beweislast für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bei der Beklagten.

Das SG hat mit den Beteiligten am 13.08.2020 einen Erörterungstermin durchgeführt und den Geschäftsführer M1 K1 persönlich gehört. Im Nachgang zu dem Termin hat die Klägerin den am 16.10.2017 abgerufenen Internetauftritt der Fa. K2 zur Akte gereicht. Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 02.10.2020, der im Bundesanzeiger, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht worden ist, angeordnet, dass nur solche Personen zum Verfahren beigeladen werden, die dies bis zum 15.02.2021 beantragt haben. Zudem hat das SG mit weiterem Beschluss vom 02.10.2020 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nachdem bis zum Fristablauf kein Beiladungsantrag gestellt worden ist, hat das SG den Rechtsstreit unter dem Az. S 4 BA 1125/21 fortgeführt. Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22.04.2021 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 30.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2019 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Begründung trage die Bescheide nicht, weshalb diese rechtswidrig seien. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, von welchen Feststellungen sie ausgegangen sei, und für welche Tätigkeiten sie eine Sozialversicherungspflicht annehme. Sie habe in dem angefochtenen Bescheid lediglich auf die Verhältnisse des Herrn E1 T1, dessen namentlich nicht bezeichneten Sohn, des Herrn L1 H1 sowie des Herrn B1 M2 verwiesen. Aus der Bescheidbegründung sei dabei nicht ersichtlich, dass es um eine Vielzahl von (Fach-)Arbeitern gehe, die bei der Klägerin tätig gewesen seien. Dies ergebe sich erst aus den Berechnungsbögen. In der Bescheidbegründung würden die weiteren Arbeitskräfte lediglich pauschal als „ungarische Arbeiter“ oder „Betroffene“ bezeichnet. Es sei auch nicht ersichtlich, um welche konkreten Tätigkeiten es gehe, die die Arbeitskräfte für die Beklagte verrichtet hätten. Auf dieser Grundlage ließen sich keine Aussagen zu der vorzunehmenden Gesamtbewertung der Versicherungspflicht vornehmen. Ob die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbstständigen Tätigkeit überwögen, lasse sich nicht feststellen. Zu einer entsprechenden Gesamtbewertung aufgrund der ermittelten Tatsachen wäre die Beklagte aber verpflichtet gewesen. Die pauschale Behauptung einer Sozialversicherungspflicht ohne ausreichende Feststellungen verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Aufstellung einer Zweifelsregelung, die für eine Sozialversicherungspflicht spräche, wäre mit den grundrechtlichen Positionen der betroffenen Personen nicht zu vereinbaren. Sowohl für den Auftraggeber als auch den Dienstleistenden stelle die Feststellung von Sozialversicherungspflicht und der damit einhergehenden Beitragspflicht einen Eingriff jedenfalls in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit dar, der nur zu rechtfertigen sei, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfüllt seien. Daher müsse der abhängige Charakter der Tätigkeit und damit die Sozialversicherungspflicht positiv festgestellt werden können. Das Gericht sehe sich im Rahmen seiner Amtsermittlung auch nicht in der Pflicht, eigene Ermittlungen zur Sozialversicherungspflicht anzustellen. Dem Gericht würden die entsprechenden Nachforschungen nicht als möglich erscheinen, da es die Beklagte unterlassen habe, in dem angefochtenen Bescheid die konkreten Tätigkeiten zu bezeichnen, deren Sozialversicherungspflicht sie angenommen habe. Eine Beweisregelung in dem Sinne, dass alle auf einer Baustelle von Facharbeitern verrichteten Arbeiten als abhängige Beschäftigung zu kategorisieren seien und die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung mit dieser Prämisse vorzunehmen wäre, verbiete sich schon im Ansatz. Nachdem die Beitragsnachforderung rechtswidrig sei, seien auch keine Säumniszuschläge zu entrichten.

Gegen das ihr am 28.04.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.05.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, sie könne sich im Rahmen der Prüfung beim Arbeitgeber nach § 28p SGB IV allein auf die im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gewonnenen Ermittlungsergebnisse der Zollverwaltung stützen, ohne dass das Unterlassen eigener Ermittlungen zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe. Anhand der Ermittlungen der Zollverwaltung habe sich feststellen lassen, dass die ungarischen Monteure allesamt nicht über einen eigenen Betriebssitz oder eine eigene Betriebsstruktur verfügt hätten und somit auf den Betriebsapparat der Klägerin angewiesen gewesen seien. Auch sei kein besonderes Gewinn- oder Verlustrisiko erkennbar gewesen. Zudem hätten sie Anweisungen des Vorarbeiters der Klägerin erhalten, was bestätige, dass die Monteure den Weisungen des Bauleiters unterlegen hätten. Aus den Strafakten habe sich ergeben, dass die Klägerin die ungarischen Arbeitskräfte eingesetzt habe, um ihre eigenen personellen Engpässe zu überbrücken. Im Übrigen zeige der sichergestellte Mailverkehr zwischen der Klägerin und der Fa. K2, dass der Urlaub tatsächlich besprochen worden und nicht einfach von den ungarischen Monteuren genommen worden sei. Auch lasse sich dem Ermittlungsergebnis der Zollverwaltung entnehmen, dass die Werkverträge tatsächlich nicht gelebt worden seien, nachdem in diesen kein Gewerk bezeichnet worden sei, keine Fertigstellungsfrist angegeben worden sei, die Bezahlung nicht nach Werkfortschritt, sondern nach Stunden erfolgt sei und die Planung der Gewerke durch die Klägerin und nicht durch die ungarischen Monteure erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund könne sie der Auffassung des SG, sie habe keine Feststellung darüber getroffen, ob die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbstständigen Tätigkeit überwögen, nicht folgen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. April 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend führt sie zu ihrem bisherigen Vorbringen aus, die drei im Strafverfahren gegen die Klägerin eingebrachten Zeugenaussagen seien nicht geeignet, eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung tragfähig zu begründen. Die Beklagte habe nach eigenem Bekunden die Auftragsverhältnisse von 52 ungarischen Subunternehmern beurteilt, die verstreut auf einen Zeitraum von sechs Jahren Aufträge gegenüber der Klägerin abgerechnet hätten. Sie stütze ihre sozialversicherungsrechtliche Beurteilung dieser Auftragsverhältnisse auf drei Zeugenaussagen, welchen anlässlich der Vernehmung in Ermittlungsverfahren gegen eine andere Firma beiläufig getätigt worden seien, was ungenügend sei. Die Aussagen der Zeugen könnten zudem nicht auf die anderen 49 Handwerker und die um ein Vielfaches höhere Zahl von verschiedenen Auftragsverhältnissen übertragen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Strafakten des gegen die Geschäftsführer M1 und J1 K1 geführten Strafverfahrens 212 Js xxxxx/18.


Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist auch begründet.

Das SG hat das Verfahren der Massenbeiladung gem. § 75 Abs. 2a SGG, dessen Anwendungsbereich eröffnet war, nachdem mehr als 20 Personen beizuladen waren, ordnungsgemäß durchgeführt. Es hat die Beteiligten hierzu vorher angehört und hat in dem Beschluss vom 02.10.2020, mit welchem es entschieden hat, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies bis zum 15.02.2021 beantragen, die gesetzlich vorgesehene dreimonatige Mindestfrist beachtet und hat zugleich über die Frist belehrt. Zudem ist der Beschluss vom 02.10.2020 im Bundesanzeiger und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie der Süddeutschen Zeitung, zwei überregionalen Tageszeitungen, veröffentlicht worden. Nachdem bis Fristablauf keine Beiladung beantragt wurde und auch keine besonders betroffenen Personen i.S.d. § 75 Abs. 2a Satz 9 SGG ersichtlich sind, waren damit keine Beiladungen ohne Antrag vorzunehmen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des SG vom 22.04.2021 der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2019, mit welchem die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 618.268,96 Euro, einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 187.188,00 Euro für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.09.2017 nachgefordert hat. Ihr auf Aufhebung des Nachforderungsbescheides gerichtetes Begehren verfolgt die Klägerin statthafterweise im Wege der auch im Übrigen zulässigen Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 30.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern erlassen; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 SGB X nicht. Hierbei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht nur um eine Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten, sondern um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis der durchgeführten Prüfung anzugeben (BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R -, juris Rn. 33 f.). Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung. Die Regelung in § 28p SGB IV weist die Prüfung bei den Arbeitgebern exklusiv den Rentenversicherungsträgern zu (ausführlich zum Ganzen BSG, Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R -, juris Rn. 22; vgl. ferner zur Zuständigkeit betreffend die Umlage U2: BSG, Urteil vom 26.09.2017 - B 1 KR 31/16 R -, juris Rn. 11). Bemessungsgrundlage für den nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d Satz 1 SGB IV) ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <SGB V>); § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch <SGB XI>; § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI>; § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch <SGB III>). Desgleichen ist das Arbeitsentgelt Bemessungsgrundlage der Umlagebeiträge (Umlage U2) für die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen in Kleinbetrieben nach § 14 Mutterschutzgesetz i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Lohnfortzahlungsgesetz. Dabei gilt für die Feststellung der Höhe des Arbeitsentgeltes und damit auch der Beitragshöhe das Entstehungs- und nicht das Zuflussprinzip. Entscheidend für die Beitragshöhe ist demnach das geschuldete Arbeitsentgelt und nicht das tatsächlich ausgezahlte (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2014 - B 12 R 18/11 R -, juris Rn. 30 m.w.N.). Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu entrichten.

Der formellen Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides steht nicht entgegen, dass die Beklagte keine eigene Betriebsprüfung durchgeführt hat, sondern sich auf die Ergebnisse der durch das Hauptzollamt durchgeführten Prüfung gestützt hat. Das Gesetz schreibt in § 28p SGB IV keinen zwingenden Ort für die Durchführung der Betriebsprüfung vor. Die Behörde bestimmt gemäß §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Art und Umfang der Ermittlungen und nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Beweismittel. Erachtet sie die vom Hauptzollamt ermittelten Umstände als ausreichend - dessen Prüfung beruhte hier auf § 2 Abs. 1 SchwarzArbG, wonach die Behörden der Zollverwaltung unter anderem prüfen, ob sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebende Pflichten nach § 28a SGB IV erfüllt werden oder wurden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwarzArbG), die hierbei wiederum nach § 2 Abs. 4 Nr. 5 SchwarzArbG, wie auch vorliegend durch Erstellung einer versicherungsrechtlichen und Berechnung der Schadenshöhe von den Trägern der Rentenversicherung unterstützt werden -, kann sie sich hierauf beschränken und die Betriebsprüfung mit einem Prüfungsbescheid gemäß § 8 SGB X abschließen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2017 - L 10 R 592/17 -, juris Rn 20 ff. m.w.N.). Das Unterlassen einer eigenen Betriebsprüfung beim Arbeitgeber führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 13.03.2018 - L 11 R 609/17 -, juris Rn. 28 und vom 29.11.2022 - L 11 BA 1608/20 -, juris Rn. 45).

Die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung hat die Beklagte durch die am 24.01.2019 erfolgte Schlussbesprechung durchgeführt (vgl. Scheer, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021 (Stand: 19.02.2024), § 28p Rn. 227).

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG ist der Bescheid hinreichend bestimmt i.S.d. § 33 Abs. 1 SGB X. Im vorliegenden Kontext verlangt das Bestimmtheitsgebot, dass Gegenstand und Ergebnis der Betriebsprüfung in dem Verwaltungsakt genannt werden (BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R -, juris Rn. 34). Gegenstand der vorliegenden Betriebsprüfung war die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation der zwischen der Klägerin und den ungarischen Monteuren bestehenden Rechtsverhältnisse. Die hierbei im Ergebnis von der Beklagten vorgenommene Zuordnung zum Rechtsbegriff der abhängigen Beschäftigung erfordert im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz, dass sich im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände erschließt, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sie sich als Anknüpfungssachverhalt beziehen soll (BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R -, juris Rn. 12). Jedenfalls unter Berücksichtigung des den Beteiligten bekannten Ergebnisses der Ermittlungen der Zollverwaltung, auf die der angefochtene Bescheid ausdrücklich Bezug nimmt, erschließen sich die Anknüpfungstatsachen für die vorgenommene Zuordnung zum Rechtsbegriff der abhängigen Beschäftigung. In Bezug auf die der Zuordnung zugrundeliegenden Arbeitsleistungen enthält der gegenständliche Bescheid zwar nur die Angabe, dass die „ungarischen Arbeiter auf den Baustellen“ der Klägerin eingesetzt wurden bzw. aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich, dass es sich um Montagearbeiten gehandelt hat. Jedoch wird aus dem Abgabebericht des Hauptzollamts A1 an die Staatsanwaltschaft und den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin sichergestellten Werkverträgen deutlich, dass es sich bei den auf den Baustellen der Klägerin ausgeübten Montagearbeiten um Verrohrungs- und Sanitärarbeiten sowie teilweise um Schweißarbeiten gehandelt hat. Dass der Bescheid die betroffenen Monteure nicht namentlich erwähnt und auch nicht in Bezug auf jeden Monteur die konkrete Baustelle benennt, auf der dieser eingesetzt war, wobei sich letzteres auch nicht aus dem strafrechtlichen Ermittlungsergebnis ergibt, verletzt nicht die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Eine Individualisierung der betroffenen Monteure ergibt sich aus den Anlagen „Berechnung der Beiträge“ und „Nachweis der Beiträge“, in denen die Monteure, für die Beiträge nacherhoben werden, namentlich aufgeführt werden. Zugleich werden hier die auf sie jeweils entfallenden Teilbeträge für sich sowie getrennt nach den Versicherungszweigen und den zuständigen Einzugsstellen ausgewiesen. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid auf diese Anlagen ausdrücklich hingewiesen und unter „Zahlungsfrist“ zugleich die Zahlung der nachgeforderten Beiträge an die für den jeweiligen Beschäftigten zuständige Einzugsstelle verlangt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 04.09.2018 - B 12 R 4/17 R -, juris Rn. 11). Im Übrigen ist auch der Ort des Arbeitseinsatzes jedenfalls bestimmbar, nachdem sich aus der Anlage ergibt, welcher dort namentlich aufgeführte Monteur zu welchem Zeitpunkt für die Klägerin tätig geworden ist und feststeht, dass es sich um Baustellen der Klägerin gehandelt hat. Auch die weiteren Anknüpfungstatsachen, die für die Zuordnung der Rechtsverhältnisse zum Begriff der abhängigen Beschäftigung maßgeblich sind, wie die Vertragsgestaltung, die Kontrolle der Arbeitsausführung, Art und Höhe der Vergütung und die getätigten Investitionen der Monteure nennt der angegriffene Bescheid.

In der Sache ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die als Monteure eingesetzten, von der Fa. K2 vermittelten Personen als in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig Beschäftigte qualifiziert hat.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st.Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 01.02.2022 - B 12 KR 37/19 R -, juris Rn. 12 m.w.N.; BSG, Urteil vom 13.12.2022 - B 12 KR 16/20 R -, juris Rn. 14).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R -, juris Rn. 22 m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beklagte die in den Anlagen „Berechnung der Beiträge“ und „Nachweis der Beiträge“ zum Bescheid vom 30.01.2019, auf die der Senat Bezug nimmt, namentlich aufgeführten ungarischen Monteure zu Recht als abhängig Beschäftigte angesehen. Diese waren auf den Baustellen der Klägerin im Prüfzeitraum als Monteure tätig. In dieser Funktion hatten sie überwiegend die Aufgabe, Verrohrungs- und Sanitärarbeiten im Rahmen einer von der Klägerin übernommenen Sanierung von Wohnblocks, teilweise auch auf anderen Baustellen, auszuführen. Einige Monteure führten auch Schweißarbeiten aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben des Geschäftsführers M1 K1 im Rahmen des Erörterungstermins mit der Berichterstatterin am 24.10.2023, dem Abgabebericht des Hauptzollamts A1 an die Staatsanwaltschaft A1 vom 06.06.2018 sowie den sichergestellten „Werkverträgen“, wobei der Senat den Abgabebericht und die „Werkverträge“ im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Dies steht auch in Einklang mit den Angaben der ungarischen Monteure N1 V1 (Vernehmung vom 16.08.2018) und B1 K3 M2 (Vernehmung vom 17.07.2018), welche gegenüber der Zollverwaltung mitgeteilt haben, für die Klägerin Wasserrohre verlegt zu haben bzw. Sanitärarbeiten ausgeübt zu haben.

Aus der Vertragslage ergibt sich, dass die Tätigkeit der ungarischen Monteure formal als selbstständige gewollt war. Dies schließt der Senat insbesondere aus dem Umstand, dass die zwischen den Monteuren und der Klägerin geschlossene Vereinbarung als „Werkvertrag“ und nicht als „Arbeitsvertrag“ bezeichnet wurde, die Vergütung nach Rechnungsstellung vereinbart wurde, die Arbeitszeitgestaltung nach „freiem Ermessen“ vereinbart wurde und das Vertragsende für den Zeitpunkt der „Abnahme des Werkes“ bestimmt wurde.

Trotz dieser vertraglichen Vereinbarungen sind die im Prüfzeitraum bei der Klägerin tätig gewordenen ungarischen Monteure aufgrund der tatsächlich gelebten Verhältnisse als Beschäftigte zu qualifizieren. Sie unterlagen dem Weisungsrecht der Klägerin und waren auch in deren Betrieb eingegliedert.

Die Monteure unterlagen einem inhaltlichen Weisungsrecht der Klägerin, welches diese insbesondere durch ihren Obermonteur D1 hat ausüben lassen. Dieser hat die Monteure auf der Baustelle eingewiesen, ihnen Einsicht in die maßgeblichen Pläne gegeben und ihre Arbeiten kontrolliert. Dies entnimmt der Senat der im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Zeugenaussage des Obermonteurs D1, die dieser gegenüber der Zollverwaltung am 12.10.2017 gemacht hat und den Angaben des Geschäftsführers M1 K1, die dieser im Rahmen des Erörterungstermins vom 24.10.2023 getätigt hat. Beide haben übereinstimmend angegeben, dass der Obermonteur D1 die ungarischen Monteure angewiesen hat, was sie tun sollen. Der Geschäftsführer M1 K1 hat zudem ergänzt, dass der Obermonteur die Arbeiten kontrolliert hat. Soweit die Klägerin hierzu ausgeführt hat, dass es sich bei dieser „Einweisung“ durch den Obermonteur nicht um Weisungen im eigentlichen Sinn gehandelt hat, sondern nur um die Vermittlung der Vorgaben des Bauherrn, des Architekturbüros und des Planungsbüros, führt dies zur Überzeugung des Senats nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der dargestellten „Einweisungen“. Denn die Einhaltung dieser bauseits gemachten Vorgaben waren für die Klägerin als Vertragspartner der Bauherrschaft verbindlich. Um diesen geschuldeten Standard zu erfüllen, hat sie die Einhaltung dieser Vorgaben sowohl von den bei ihr festangestellten Monteuren als auch von den ungarischen Monteuren verlangt und durch die Einweisung durch den Obermonteur zum Gegenstand des Vertragsverhältnisses mit den Monteuren gemacht. Es war demnach nicht lediglich die Erstellung „eines“ Werkes geschuldet, sondern vielmehr die Einhaltung konkreter Vorgaben bei Werkerstellung. Damit unterschied sich die Arbeit der Monteure nicht von der Tätigkeit der bei der Klägerin festangestellten und damit weisungsabhängigen Beschäftigten. Ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung spricht der Umstand, dass die Klägerin das Arbeitsergebnis der ungarischen Monteure durch ihren Obermonteur hat kontrollieren lassen. Auch dies hat der Sicherstellung der Einhaltung der ihr bauseits gestellten Vorgaben gedient. Dass die Monteure selbstständig die die zu beachtenden Vorgaben enthaltenen Pläne lesen konnten und insoweit keiner weiteren Anleitung bedurften, steht einer Weisungsabhängigkeit nicht entgegen. Denn dass die Weisungsintensität geringer sein kann, je spezialisierter die Arbeitskräfte sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. In solchen Fällen verfeinert sich die Weisungsgebundenheit zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (BSG, Urteil vom 19.10 2021 - B 12 R 17/19 R -, juris Rn. 25). Dies war in Bezug auf die Monteure der Fall: Die Klägerin hat die Organisationsstruktur vorgegeben. Insbesondere hat sie ihre eigenen Monteure und die von der Fa. K2 vermittelten Monteure den jeweiligen Baustellen und dort den zu erledigenden einzelnen Aufgaben zugewiesen, mithin die Personaleinteilung übernommen, was der Senat den Angaben des Obermonteurs D1 und auch den im Rahmen der Durchsuchung vom 12.10.2017 sichergestellten Monteureinteilungslisten entnimmt. Auch hat die Klägerin den ungarischen Monteuren ebenso wie den bei ihr festangestellten Monteuren die für die Arbeitsausführung erforderlichen Materialien zur Verfügung gestellt. In dieser von der Klägerin vorgegebenen Organisationsstruktur haben die ungarischen Monteure die ihnen zugewiesenen Aufgaben ausgeführt und haben so dazu beigetragen, dass das von der Klägerin gegenüber der Bauherrschaft geschuldete Werk erstellt wurde.

Das Weisungsrecht bezog sich auch auf den Ort und die Zeit der Arbeitsleistung. Die ungarischen Monteure hatten die Arbeiten auf den ihnen von der Klägerin zugewiesenen Baustellen zu erbringen. Aus der Monteureinteilungsliste für die Kalenderwoche vom 21.08.2017 bis zum 25.08.2017 ist am Beispiel des Monteurs M3 zu erkennen, der in dieser Woche zunächst auf der Baustelle „G1.“, danach zwei Tage auf der Baustelle „A2“ und dann zwei Tage auf der Baustelle „R2“ eingesetzt wurde, dass die Klägerin die Weisungen hinsichtlich des Ortes der Arbeitsleistungen regelmäßig aktualisiert hat. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, der Arbeitsort sei für die zutreffende Beurteilung völlig irrelevant, da die Tätigkeit einer Fachkraft im Baugewerbe auf der Baustelle stattfinde, ist dies nicht zutreffend. Denn für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts maßgebend. Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ liegen. Ihnen ist zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (BSG, Urteil vom 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R -, juris Rn 25). Auch hinsichtlich der Arbeitszeit waren die ungarischen Monteure nicht völlig weisungsfrei. Zwar mussten sie sich nach den glaubhaften Angaben des Geschäftsführers M1 K1 nicht wie die festangestellten Arbeitnehmer der Klägerin zu Arbeitsbeginn zu einer bestimmten Uhrzeit auf dem Betriebsgelände der Klägerin einfinden, sondern sind direkt auf der Baustelle erschienen. Ihre Anwesenheitszeiten haben nach den Angaben des Obermonteurs D1 wöchentlich die Zeit von 07:00 Uhr bis 16:30 Uhr umfasst. Zwar mag dieser zeitliche Umfang Ausfluss der Entscheidungsfreiheit der Monteure gewesen sein und vorrangig an den üblichen Baustellenarbeitszeiten ausgerichtet gewesen sein. Darüber hinaus haben die ungarischen Monteure teilweise auch samstags gearbeitet, was nach den glaubhaften Angaben des Obermonteurs D1 seiner Erlaubnis bedurfte. Jedenfalls in Bezug auf diese Wochenendarbeitszeiten hat die Klägerin mithin vertreten durch den Obermonteur auch in zeitlicher Hinsicht von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Im Übrigen haben die ungarischen Monteure auch ihre Urlaubszeiten nicht absprachefrei genommen. Vielmehr haben insoweit Absprachen stattgefunden, was sich – worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – aus dem zwischen der Klägerin und der Fa. K2 sichergestellten Emailverkehr ergibt. Hier ließ der Monteur J2 L2 über die Fa. K2 bei der Klägerin anfragen, ob „sein Einsatz nach seinem Urlaub ab dem 09.08.2015 wie vereinbart beginnen wird.“ Hierauf antwortete die Klägerin: „Mit Herrn J3 L2 ist vereinbart, dass er vom 07.08.2015 - 17.08.2015 (erster - letzter Urlaubstag) im Urlaub ist, sein Einsatzort danach wieder die Baustelle in der A3 21-25 in F1 sein wird, gelegentlich wird er auch auf anderen Baustellen im Großraum F1 eingesetzt.“ Eine weitere Urlaubsabsprache erfolgte in Bezug auf den Monteur L3, der über die Fa. K2 mit Email vom 02.09.2015 bei der Klägerin anfragen ließ, ob es für sie in Ordnung sei, wenn er nach der Arbeit am 16.09. nach Ungarn fahren und sodann am 24.09. wieder arbeiten würde. Dies bestätigte die Klägerin mit Email vom 09.09.2015 mit den Worten: „Urlaub geht klar“. Dass Urlaub nicht absprachefrei genommen werden konnte, hat letztlich auch der Geschäftsführer M1 K1 in dem Erörterungstermin am 24.10.2023 bestätigt, indem er mitgeteilt hat, dass „wegen der zeitlichen Notwendigkeiten bei der Erstellung von Bauvorhaben über Urlaub gesprochen werden musste“. Selbst wenn die ungarischen Monteure bei ihrer Urlaubsplanung freier gewesen sein sollten, als die bei Klägerin fest angestellten Monteure, ergibt sich aus den in Bezug auf die Gestaltung der Urlaubszeit erfolgten Absprachen, dass diese in die Organisationstruktur der Klägerin eingegliedert waren, was auch dadurch belegt wird, dass deren Urlaubszeiten ebenso wie die der festangestellten Arbeitnehmer in den Monteurlisten vermerkt waren.

Die ungarischen Monteure waren auch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Zwar haben die Monteure ihre eigenen Werkzeuge eingesetzt, die – nach den glaubhaften Angaben der Geschäftsführer M1 und R1 K1 im Erörterungstermin vom 24.10.2023 – jedenfalls soweit es um den Einsatz von Schweißgeräten ging, den Wert von „Kleinwerkzeug“ überstiegen. Auch haben sie über gewisse eigene betriebliche Strukturen verfügt, indem sie sich für gewisse behördliche Angelegenheiten, Abrechnungsangelegenheiten, Steuerfragen, Abschluss von Versicherungen und Kontaktherstellung zu potentiellen Einsatzorten der Unterstützung der Fa. K2 bedienten und hierfür an diese eine Provision zahlten. Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung steht dies allerdings einer Eingliederung in den Betrieb der Klägerin nicht entgegen. Denn zur Überzeugung des Senats ergibt sich die Eingliederung vorliegend maßgeblich daraus, dass die ungarischen Monteure Bestandteil des arbeitsteiligen Prozesses zur Erstellung der von der Klägerin geschuldeten Werke waren. Sie übernahmen hierbei Aufgaben des Sanitärhandwerks, dem Kerngewerk der Klägerin. Die Klägerin setzte die Monteure zur Überbrückung personeller Engpässe ein. Dies entnimmt der Senat den Angaben des Geschäftsführers M1 K1, die dieser im Erörterungstermin am 24.10.2023 gemacht hat und dort angegeben hat, er habe ursprünglich kein Interesse an einer Vermittlung von Monteuren durch die Fa. K2 gehabt, da er keinen entsprechenden Bedarf hatte. Erst als die Klägerin ein hohes Auftragsvolumen gehabt habe, habe er Kontakt zu der Fa. K2 aufgenommen. Anlass für den Einsatz der ungarischen Monteure war demnach fehlendes Personal zur Auftragsbewältigung. Ausweislich der Monteureinteilungslisten, die keine Unterscheidung zwischen festangestellten Arbeitnehmern und den ungarischen Monteuren trafen, waren sie wie die festangestellten Mitarbeiter in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, die auch die Urlaubszeiten der Monteure berücksichtigte. Für eine Eingliederung in die betriebliche Organisation spricht zudem, dass die Klägerin den Monteuren die für die Arbeitstätigkeit erforderlichen Materialien zur Verfügung stellte. Diese Zugehörigkeit zu dem Betrieb der Klägerin war zudem teilweise bereits äußerlich erkennbar, da – wie der Geschäftsführer M1 K1 gegenüber dem Hauptzollamt L4 erklärt hat – die Monteure teilweise Kleidung der Klägerin trugen. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht der Umstand, dass die ungarischen Monteure nicht mit ihren festangestellten Beschäftigten zusammengearbeitet haben, sondern in eigenen Gruppen eingesetzt wurden, nicht gegen eine Eingliederung in ihren Betrieb. Vielmehr zeigt auch dies, dass eine Eingliederung stattgefunden hat. Denn die Klägerin hat die ungarischen Monteure entsprechend ihrer betrieblichen Belange in Gruppen eingeteilt und auf den jeweiligen Baustellen eingesetzt. Hiermit wurden sie Teil ihrer betrieblichen Organisationsstruktur.

Gegen eine Selbstständigkeit der Monteure spricht zudem der Umstand, dass sie kein nennenswertes Unternehmerrisiko trugen. Sie erhielten die für ihre Tätigkeit erforderlichen Materialien von der Klägerin gestellt und mussten diese nicht auf eigene Rechnung anschaffen. Eine Gefahr, dass sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten, ohne hierfür die vereinbarte finanzielle Gegenleistung zu erhalten, bestand grundsätzlich nicht. Auch in Fällen der Schlechtleistung waren sie nach den vertraglichen Vereinbarungen grundsätzlich nur zur Nachbesserung verpflichtet, ohne dass ihr Vergütungsanspruch entfallen sollte (vgl. § 9 Abs. 1 des Werkvertrags). Ausnahmsweise sah § 9 Abs. 2 des Werkvertrages für Situationen, in denen eine Nachbesserung nicht möglich oder kostenmäßig unverhältnismäßig war, ein Minderungsrecht der Klägerin vor. Hieraus folgt zwar, dass in Ausnahmefällen die Möglichkeit bestand, dass die Monteure nicht die vereinbarte Vergütung in voller Höhe erhielten bzw. im Einzelfall einen gewissen Teil der Vergütung nachträglich zurückzuzahlen hatten. Ein echtes Verlustrisiko, also die Gefahr, dass über den Einsatz der Arbeitskraft hinaus getätigte Investitionen nicht zu entsprechenden Gewinnen führten, folgt hieraus allerdings nicht. Ebensowenig hatten die Monteure echte unternehmerische Chancen. Vielmehr erhielten sie – bis auf die Ausnahmefälle des § 9 Abs. 2 des Werkvertrages – den vereinbarten Stundenlohn von 28,00 Euro. Überdies spricht eine solche Bezahlung auf Stundenbasis, die nicht am Fortschritt der Werkerstellung orientiert ist, ebenfalls gegen ein unternehmerisches Risiko und für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

Ebenso wenig vermag in der Gesamtabwägung der Umstand, dass die formal als Selbstständige geführten Monteure ein Gewerbe angemeldet hatten und über steuerrechtliche Freistellungsbescheinigungen verfügten, eine Selbstständigkeit zu begründen. Da bei der Anmeldung eines Gewerbes nicht geprüft wird, ob eine im Sinne des Sozialrechts selbststständige Tätigkeit vorliegt, kommt der Gewerbeanmeldung angesichts von Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021 (Stand 06.09.2021), § 7 Abs.1 Rn. 102). Gleiches gilt für den Umstand, dass die Monteure der Klägerin Rechnungen gestellt haben. Dies bringt zwar die Intention einer selbstständigen Tätigkeit zum Ausdruck, vermag vorliegend aber keine Selbstständigkeit zu begründen.

Insgesamt hat die Beklagte die ungarischen Monteure damit zu Recht als abhängig Beschäftigte der Klägerin qualifiziert und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bejaht. Anhaltspunkte für eine die Versicherungspflicht im Recht der Arbeitsförderung ausschließende, weniger als eine Woche befristete unständige Beschäftigung i.S.v. § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III bestanden nicht. Denn eine im Voraus zeitlich beschränkte Beschäftigung, was prognostisch im Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme zu bestimmen ist (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl. 2023, (Stand: 15.01.2023), § 27 Rn. 28); zu § 163 Abs. 1 Satz 2 SGB VI: BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 17/16 R -, juris Rn. 17), war weder vertraglich vereinbart noch aus den Umständen ersichtlich.

Ein Beschäftigungsverhältnis der Monteure zu der Fa. K2 hat die Beklagte zu Recht abgelehnt. Diese ist nicht Arbeitgeberin der Monteure gewesen. Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ist derjenige, zu dem Beschäftigte in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen (BSG, Urteile vom 31.03.2015 - B 12 R 1/13 R -, juris Rn. 18 und vom 27.07.2011 - B 12 KR 10/09 R -, juris Rn. 17 f.; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 25.07.2017 - L 11 KR 3980/16 -, juris Rn. 26 und vom 29.11.2022 - L 11 BA 1608/20 -, juris Rn. 50). Beschäftigte stehen zu demjenigen in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses, dessen Weisungsrecht sie unterstehen und in dessen Betrieb sie eingegliedert sind. Die Monteure unterstanden nicht dem Weisungsrecht der Fa. K2 im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeitsausführung. Entsprechende Weisungen erhielten sie vielmehr von der Klägerin, der auch ihr Arbeitsergebnis zugutekam. Auch waren sie nicht in den Betrieb der Fa. K2 eingebunden. Sie erhielten von dieser vielmehr nur eine Vermittlungsleistung einschließlich organisatorischer Unterstützung gegen die Erbringung einer Provisionsleistung.

Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlagen wurden von der Beklagten zutreffend errechnet.

Die Beklagte hat bei der Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die bei der Klägerin im Prüfzeitraum beschäftigten ungarischen Monteure zu Recht als Bemessungsgrundlage die diesen jeweils gezahlten Vergütungen auf ein Bruttoarbeitsentgelt hochgerechnet. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Dann gelten nach Satz 1 als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Unter illegalen Beschäftigungen im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV sind alle Formen bewusster Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers zu verstehen, bei denen der Verpflichtung nicht nachgekommen wird, Meldungen zu erstatten (§§ 28a Abs. 1, § 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) und Beiträge für die Beschäftigten zu zahlen (§ 28e Abs. 1 SGB IV, § 266a Strafgesetzbuch). Das subjektive Element dient dabei der Ausklammerung von schlichten Berechnungsfehlern, versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Fehlbeurteilungen, die ebenfalls zu fehlenden Meldungen und Beitragszahlungen führen können, von der illegalen Beschäftigung jedoch unterschieden werden müssen (BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R -, juris Rn. 20 ff.; Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. (Stand August 2021), § 14 Rn. 326).

Das objektive Tatbestandsmerkmal ist in Bezug auf die in Rede stehenden ungarischen Monteure vorliegend erfüllt. Erfasst wird jedenfalls der Fall einer Nichtzahlung von Lohnsteuer und Beiträgen unter Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung hierzu und die vorausgehenden Melde-, Aufzeichnungs- und Nachweispflichten, weil er als Verletzung der zentralen arbeitgeberbezogenen Pflichten des Sozialversicherungsrechts (und des Lohnsteuerrechts) zu qualifizieren ist. Dass sich die Nichtzahlung von Lohnsteuer und Beiträgen zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung lediglich als „Folgefehler einer Fehlbeurteilung“ des Versicherungsstatus darstellt, ist dafür ohne Belang (BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R -, juris Rn. 14). Die Klägerin hat die ungarischen Monteure vorliegend weder als versicherungspflichtige Beschäftigte bei der Einzugsstelle gemeldet noch Gesamtsozialversicherungsbeiträge für diese abgeführt, obwohl – wie ausgeführt – eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorlag.

Die Klägerin erfüllte auch das subjektive Tatbestandsmerkmal einer „bewussten“ Zuwiderhandlung. In Ermangelung anderer Maßstäbe zur Bestimmung der Anforderungen an die subjektive Vorwerfbarkeit ist an die für die Verjährung vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge geltende Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (Verlängerung der Verjährungsfrist von vier auf dreißig Jahre) anzuknüpfen. § 14 Abs. 2 SGB IV bildet zusammen mit § 24 Abs. 2 SGB IV (Säumniszuschläge) und § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einen einheitlichen Regelungskomplex mit der Folge eines einheitlichen Haftungsmaßstabs. Danach ist für den Eintritt dieser qualifizierten Folgen (mindestens bedingter) Vorsatz erforderlich (BSG, Urteile vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R -, juris Rn. 28 und vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R -, juris Rn. 16, 24 m.w.N.). Dabei genügt es, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R -, juris Rn. 20). Mit bedingtem Vorsatz sind Beiträge vorenthalten, wenn der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Wenn auch berechtigte Zweifel für die Kenntnis von der Zahlungspflicht nicht ausreichen, kann es aber im Rahmen bedingten Vorsatzes vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen. Allerdings darf nicht das gesamte Risiko der Einordnung komplexer sozialversicherungsrechtlicher Wertungsfragen den Arbeitgebern überantwortet werden, so dass sich Schematisierungen verbieten. Es bedarf deshalb der individuellen Überprüfung des bedingten Vorsatzes unter sorgfältiger Beweiswürdigung im Einzelfall (BSG, Urteile vom 09.11.2011, a.a.O., juris Rn. 33 und vom 12.12.2018, a.a.O., juris Rn. 24 m.w.N.). Bei der Beweiswürdigung kann zunächst Bedeutung erlangen, wie eindeutig die Indizien sind, die für das Vorliegen einer Arbeitgeberstellung sprechen. Zudem kann von Relevanz sein, ob und inwiefern der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr erfahren ist oder nicht. Es kann dabei vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen (vgl. BSG, Urteile vom 09.11.2011, a.a.O., juris Rn. 33 und vom 24.03.2016 - B 12 KR 20/14 R -, juris Rn. 35; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.06.2021 - L 16 BA 124/18 -, juris Rn. 42). Ist eine juristische Person Beitragsschuldnerin, kommt es zunächst auf die Kenntnis oder unverschuldete Unkenntnis zumindest eines Mitglieds eines Organs von der Beitragspflicht an. Wissen und Verschulden eines vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als dasjenige des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R -, juris Rdnr. 66).

Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei dem in Bezug auf die Klägerin vertretungsberechtigten Geschäftsführer M1 K1 hinsichtlich der Nichtabführung der Beiträge für die Beschäftigung der ungarischen Monteure zumindest bedingter Vorsatz vorlag. Dieser musste die Beitragspflicht zumindest für möglich gehalten haben.
Dass er grundsätzlich Problembewusstsein hinsichtlich der Abgrenzung von Solo-Selbstständigen zu illegaler Beschäftigung hatte, entnimmt der Senat dessen Aussage im Erörterungstermin vom 24.10.2023, wonach er sich bei Subunternehmern „Anmeldungen“ und Freistellungsbescheinigungen vorlegen lässt. Hieraus schließt der Senat, dass dem Geschäftsführer M1 K1 durchaus bewusst ist, dass die Annahme einer Selbstständigkeit nicht ohne weiteres möglich ist. Als erfahrener Geschäftsmann hätte er Anlass gehabt, sich in Bezug auf den sozialversicherungsrechtlichen Status der ungarischen Monteure fachkundigen Rat einzuholen und sich nicht lediglich auf die Einschätzung einer Personalvermittlungsagentur verlassen dürfen. Denn nach den glaubhaften Angaben des Obermonteurs D1 haben die Monteure im Wesentlichen dieselben Arbeiten wie die festangestellten Mitarbeiter der Klägerin ausgeführt, die deren Kerntätigkeit als Sanitärunternehmen betrafen, was der Geschäftsführer M1 K1 wusste. Auch haben nach den eigenen Angaben des Geschäftsführers M1 K1 die Unterschiede zu den festangestellten Mitarbeitern im Wesentlichen in dem unterschiedlichen Ort des Arbeitsbeginns (Betriebsgelände bzw. Baustelle) und in dem Vorhandensein eigenen Werkzeuges bestanden. Bei ansonsten im Wesentlichen inhaltlich gleicher Arbeit stellen diese keine gravierenden Unterschiede dar, die auf den ersten Blick die sozialversicherungsrechtliche Einordnung als Selbstständige einleuchtend erscheinen lassen, was auch dem Geschäftsführer M1 K1 hätte klar sein müssen. Dies gilt umso mehr als dieser selbst angegeben hat, dass er sich „nur die Arbeitskraft der ungarischen Monteure dazugekauft“ hätte. Denn die Zurverfügungstellung der eigenen Arbeitskraft ist ein maßgebliches Kriterium eines Beschäftigungsverhältnisses. Zugleich musste ihm bewusst gewesen sein, dass er mit den ungarischen Monteuren nicht die Erstellung eines Werkes im eigentlichen Sinne vertraglich vereinbart hatte. Denn die standardisierten Werkverträge haben kein konkretes Werk benannt, sondern nur allgemein umschriebene Tätigkeiten bezeichnet. Auch der Umstand, dass die Einsatzdauer nicht von der Fertigstellung eines konkreten Werkes sondern vielmehr vom Arbeitsanfall im Unternehmen abhing, war dem Geschäftsführer bewusst und hätte ihn dazu veranlassen müssen, das Konstrukt des Werkvertrags mit der vermeintlichen Folge der Selbstständigkeit in Frage zu stellen und fachkundigen Rat in Anspruch zu nehmen.

Die „Hochrechnung“ der gezahlten Vergütung auf ein Bruttoentgelt hat die Beklagte zutreffend umgesetzt. Einwände hiergegen hat die Klägerin im Übrigen auch nicht erhoben.

Die Beklagte hat auch zu Recht Säumniszuschläge für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.11.2018 auf die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge geltend gemacht. Wird eine Beitragsforderung – wie hier im Rahmen der Betriebsprüfung – durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs. 2 SGB IV ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Aufgrund des einheitlichen Haftungsmaßstabs der §§ 14 Abs. 2, 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist auch insoweit bedingter Vorsatz erforderlich, aber auch ausreichend (BSG, Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R -, juris Rn. 16). Dass die Klägerin vorliegend ihre Pflicht zur Beitragsabführung zumindest bedingt vorsätzlich verletzt hat, ergibt sich aus den obigen Ausführungen zum subjektiven Tatbestand des § 14 Abs. 2 SGB IV.

Die Säumniszuschläge wurden zutreffend berechnet. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50,00 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Bei einem rückständigen Betrag unter 100,00 Euro ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert schriftlich anzufordern wäre. Diese Regelung hat die Beklagte zutreffend umgesetzt, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren (Satz 1) oder, sofern sie vorsätzlich vorenthalten wurden, in 30 Jahren (Satz 2) nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Da sich die Klägerin den bedingten Vorsatz des Geschäftsführers M1 K1 hinsichtlich der Beitragspflicht in Bezug auf den Einsatz der ungarischen Monteure zurechnen lassen muss, gilt vorliegend die 30-jährige Verjährungsfrist, weshalb die Beitragsforderungen nicht verjährt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungs-gerichtsordnung (VwGO).


Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Gerichtskostengesetz (GKG); maßgeblich ist der im Berufungsverfahren im Streit stehende Betrag von 618.268,96 Euro.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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