§ 56 SGB VII, § 73 Abs. 3 SGB VII, § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Aufhebung der Bewilligung einer Verletztenrente - Feststellung einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gem § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 - Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - maßgeblicher Zeitpunkt - bestehender Gesundheitszustand - medizinisches Gutachten über Unfallfolgen – MdE - Erfahrungswerte
1. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung von Unfallfolgen nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung ist nach § 48 Abs. 1 S 1 SGB 10 durch den Vergleich der tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung der Verwaltung mit denen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Tatsachengerichts zu bestimmen.
2. Die Aufdeckung einer überhöhten MdE allein kann eine wesentliche Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 SGB X nicht begründen.
3. Die Notwendigkeit einer Nachoperation mit Knochentransplantation und die Länge der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt keine Abweichung von den unfallmedizinischen Erfahrungswerten bezüglich der Festsetzung der MdE für Zeiträume nach Abschluss der Heilbehandlung.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. September 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Entziehung einer Verletztenrente ab dem 1. September 2019.
Der 1966 geborene Kläger erlitt am 13. März 2015 einen Arbeitsunfall, als er auf dem Weg zur Arbeitsstätte einen Frontalzusammenstoß mit einem anderen Pkw erlitt und aufs Feld geschleudert wurde. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Monteggia-Luxations-Fraktur links, multiple Frakturen der Lendenwirbelsäule und eine Rippenserienfraktur mit Beteiligung von zwei Rippen. Deshalb befand sich der Kläger vom 13. bis 23. März 2015 in stationärer Behandlung. Es erfolgte eine offene Reposition mit Plattenosteosynthese. Vom 30. September bis 5. Oktober 2015 wurde der Kläger stationär im Klinikum B1 behandelt. Am 1. Oktober 2015 erfolgte aus dem linken Beckenkamm eine Spongiosaentnahme aufgrund der Pseudoarthrose der linken Elle. Regelmäßige Vorstellungen in der Durchgangsarztsprechstunde des Klinikums B1 schlossen sich an. Ausweislich eines Befundberichts vom 27. November 2015 wurde anhand eines Röntgenbefundes vom gleichen Tage eine beginnende knöcherne Konsolidierung und eine Inaktivitätsosteopenie diagnostiziert. Eine Arbeits- und Belastungserprobung musste aufgrund zunehmender Schmerzen abgebrochen werden. In einem Bericht vom 11. März 2016 stellte das Klinikum B1 fest, dass der Kläger aufgrund der Unfallfolgen bei komplexer Unterarmverletzung die ursprüngliche schwere körperliche Tätigkeit nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben könne. Es erfolgte eine innerbetriebliche Umsetzung. Der Durchgangsarzt bescheinigte ab 9. Mai 2016 Arbeitsfähigkeit. Im Auftrag der Beklagten erstattete H am 2. August 2016 ein Erstes Rentengutachten. Danach bestehen bei dem Kläger als Unfallfolgen insbesondere eine knöchern konsolidierte Monteggia-Luxations-Fraktur Ellenbogen/Unterarm links, Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Unterarms und des linken Handgelenks, ein Kraftdefizit und Belastungsschmerzen im Unterarm links. Ausweislich des Messblatts für obere Gliedmaßen wurde am linken Ellenbogen ein Streckdefizit von 15 Grad bei Beugefähigkeit auf 120 Grad beschrieben und die Auswärtsdrehung des Unterarms auf 45 Grad eingeschränkt angegeben. Darüber hinaus war die Handgelenksbeweglichkeit links auf 25 Grad gemindert. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 20 v. H. eingeschätzt. Ein ebenfalls von der Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten zur Zusammenhangsfrage bei psychischen Gesundheitsstörungen des U ergab, dass hinsichtlich der Psyche keine Unfallfolgen vorliegen. Der Beratungsarzt der Beklagten, der Facharzt für Chirurgie B2, empfahl aufgrund der Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogens von Streckung zu Beugung 0/15/120 Grad, der unvollständigen Unterarmdrehung von auswärts zu einwärts 45/0/80 Grad und der reduzierten Handgelenksbeweglichkeit von 45 Grad eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v. H. Er schlug eine Nachuntersuchung in zwei Jahren vor. Durch Bescheid vom 17. März 2017 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 13. März 2015 als Arbeitsunfall an und definierte die Unfallfolgen wie folgt:
„Am linken Arm:
Einschränkung der Beweglichkeit im Hand- und Ellenbogengelenk sowie bei der Unterarmdrehung nach in achsengerechter Stellung knöchern fest verheiltem Etagenbruch der Elle mit noch liegendem Operationsmaterial. Kraftminderung. Belastungsbeschwerden.
Folgenlos verheilte Querfortsatzbrüche des 1. und 2. Lendenwirbelkörpers.“
Eine Rente auf unbestimmte Zeit wurde nach einer MdE von 20 v. H. ab 9. Mai 2016 gewährt. Am 9. April 2018 wurde im Rahmen einer ambulanten Operation im E Klinikum eine Materialentfernung von Platte und Schraube vorgenommen. Nach Anhörung des Klägers zur Gutachterauswahl beauftragte die Beklagte den Chirurgen J mit einem Gutachten zur Nachprüfung der MdE. Dieser führte in seinem Gutachten vom 21. Mai 2019 aus, dass die MdE nach wie vor auf 20 v. H. eingeschätzt werde. Dokumentiert wurde im Messblatt für obere Gliedmaßen am linken Ellenbogen ein Streckdefizit von 20 Grad und eine Beugefähigkeit von 130 Grad. Die Minderung der Außendrehbewegung wurde mit 50 Grad angegeben. An den Händen wurde eine seitengleiche Beweglichkeit festgestellt. Daraufhin schlug der Beratungsarzt der Beklagten, der Facharzt für Chirurgie B2, am 16. Juli 2019 vor, die MdE bezüglich des linken Armes nur noch mit 10 v. H. zu bewerten. Zur Begründung führte er aus, dass im Untersuchungsbefund nunmehr eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens links von 0/20/130 Grad dokumentiert sei. Nach den Erfahrungswerten bedinge eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens von 0/30/120 Grad eine MdE von 10 v. H. Demgegenüber sei der Kläger wesentlich bessergestellt. Es liege allerdings zusätzlich eine Einschränkung der Unterarmdrehung von 50/0/90 Grad vor. Die MdE sei daher insgesamt auf 10 v. H. einzuschätzen. Die Beweglichkeit des Handgelenks links sei nunmehr seitengleich festzustellen. Die im Röntgenbild des linken Unterarms am 8. Mai 2019 festgestellte Arthrose sei vorbestehend und habe zudem keinen Einfluss auf die Beweglichkeit. Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger am 23. Juli 2019 zu einer beabsichtigten Entziehung der Verletztenrente an. Durch Bescheid vom 23. August 2019 stellte die Beklagte fest, dass eine MdE in rentenberechtigendem Maße nicht mehr vorliege und entzog die Verletztenrente ab 1. September 2019. Wesentlich für die Beurteilung der MdE seien die funktionellen Einschränkungen infolge des Bruches der Elle am linken Arm. Hierbei seien im Vergleich zu den im Bescheid vom 17. März 2017 festgestellten Unfallfolgen nachweislich Änderungen eingetreten. Die noch verbliebenen Unfallfolgen rechtfertigten keine rentenberechtigende MdE mehr. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, dass in dem neuen Rentengutachten zwar etwas veränderte Bewegungsmessdarstellungen dokumentiert seien, diese hielten sich jedoch im Bereich der üblichen Messabweichungen. Er habe einen Arbeitsplatzwechsel vornehmen müssen und verspüre immer wieder Schmerzen im linken Arm. Durch Widerspruchsbescheid vom 6. November 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 73 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) erforderliche Besserung der Unfallfolgen um mehr als 5 v. H. zu bejahen sei. Die Höhe der MdE hänge in erster Linie von den bestehenden Funktionseinschränkungen ab. Konkrete Auswirkungen im ausgeübten Beruf seien nicht maßgeblich. Die in dem Gutachten von J dokumentierten Bewegungsmaße rechtfertigten nach den einschlägigen Erfahrungswerten nur eine MdE von 10 v. H.
Hiergegen hat der Kläger am 18. November 2019 beim Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat R mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser bewertet in seinem Gutachten vom 13. Juli 2020 die Querfortsatzfraktur am Lendenwirbelkörper 1 und 2 als folgenlos ausgeheilt. Dies gelte ebenso für die Thoraxprellung. Hinsichtlich der Monteggia-Luxations-Fraktur links als Zweietagenfraktur sei die daraus resultierende MdE mit 20 v. H. einzuschätzen. Dies wurde mit folgenden Messwerten begründet: Bewegungseinschränkung linker Unterarm in Streckung/Beugung und Supination sowie Pronation 0/15/120 Grad und Supination/Pronation 45/0/80 Grad. Der Oberarm links weise ein drei Zentimeter Muskeldefizit gegenüber rechts auf. Mit den am Begutachtungstag festgestellten Funktionsbewegungen des Ellenbogengelenks sei die Streckung und Beugung normal. Die reine Berücksichtigung der Funktionsstörungen am Ellenbogengelenk rechtfertige daher nur eine MdE von unter 10 v. H. Zusätzlich bewertet werden müsse die beginnende Arthrose im Ellenbogen- und im Handgelenk. Am Handgelenk hätten diesbezüglich noch keine messbaren Funktionsstörungen bestanden. Die zunehmende Arthrose im Ellenbogengelenk rechtfertige aber eine MdE-Einschätzung von 20 v. H. Das rechtfertige insgesamt eine MdE von 20 v. H. Dieser Einschätzung widersprach der Beratungsarzt der Beklagten W in einer Stellungnahme vom 9. Januar 2021. Soweit R die Arthrose des linken Ellenbogens und Handgelenks durch den Arbeitsunfall als verursacht ansehe, sei dies nicht schlüssig, da bereits auf der ersten Aufnahme nach dem Arbeitsunfall derartig umformende Veränderungen festzustellen seien. Unter Berücksichtigung der bestehenden Funktionseinschränkungen sei nur eine MdE mit 10 v. H. gerechtfertigt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2021 hat R ausgeführt, dass die Arthrose und die bisher nicht beschriebene Instabilität im Ellenbogengelenk bei der MdE-Einschätzung mit zu berücksichtigen seien. Das Missverhältnis zwischen den fast im normalen Bereich gelegenen Bewegungsmaßen im Bereich des Ellenbogens, des Handgelenkes und der Unterarmdrehbewegungen sei in der Instabilität des linken Ellenbogens und der zunehmenden Arthrose im Ellenbogen- und Handgelenk zu begründen. Darauf hat der Beratungsarzt der Beklagten W in einer Stellungnahme vom 27. April 2021 entgegnet, dass eine unfallbedingte Instabilität des Ellenbogengelenkes nach dem vorliegenden Verletzungsbild nicht erklärbar sei. Die Schlussfolgerung von R, dass eine Essex-Lopresti-Verletzung vorgelegen habe, könne daher nicht geteilt werden. Die Arthrose bzw. eine beginnende Arthrose sei bereits zum Unfallzeitpunkt radiologisch erkennbar. Darüber hinaus würden insbesondere beginnende Arthrosen ohne wesentliche Funktionseinschränkungen nicht zwingend eine Erhöhung der MdE bedingen. Die beschriebene Instabilität des Ellenbogengelenkes spiele keine vergleichbare Rolle wie bei einer Instabilität des Kniegelenkes. Im Gutachten zur Nachprüfung der MdE vom 8. Mai 2019 habe sich eine seitengleiche Ausbildung der Muskulatur beider Unterarme sowie lediglich ein Muskelminus von einem Zentimeter am linken Oberarm gezeigt. Zusammenfassend betrage die MdE daher nur 10 v. H. Hierauf entgegnete R in einer weiteren Stellungnahme vom 24. August 2021, dass bei einer bestehenden Instabilität des Ellenbogengelenkes eine Belastung nicht zulässig sei. Dies führe zu Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es werde daran festgehalten, dass die Arthrose des linken Hand- und Ellenbogengelenkes Unfallfolge sei. Die Tatsachenfeststellungen lägen vor. Die Entscheidung liege beim Gericht. Der Beratungsarzt W hat in einer weiteren Stellungnahme vom 29. Oktober 2021 ausgeführt, dass der Vollbeweis, dass die festgestellte Instabilität des Ellenbogengelenkes zwangsläufig Folge des Arbeitsunfalles sei, nicht erbracht werden könne. Eine Monteggia-Fraktur könne eine solche Instabilität bewirken, müsse dies aber nicht. Vorliegend sei die Fraktur adäquat behandelt worden. Darüber hinaus sei die MdE-Einschätzung ausschließlich im Hinblick auf die festgestellten Funktionseinschränkungen vorzunehmen.
Durch Urteil vom 29. September 2022 hat das Sozialgericht Nordhausen den Entziehungsbescheid der Beklagten vom 23. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2019 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht eingetreten sei. Die MdE betrage auch über den Entziehungszeitpunkt hinaus 20 v. H. Dies ergebe sich aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen R in seinem Gutachten vom 13. Juli 2020 und in seinen ergänzenden Stellungnahmen. Zu berücksichtigen seien nicht nur die verbliebenen Funktionseinschränkungen bei der Bewegung des linken Unterarmes, sondern auch die Folgen einer beginnenden Arthrose im Ellenbogen- und Handgelenk. Diese seien Unfallfolge. Zur Höhe der MdE sei zusätzlich darauf hinzuweisen, dass beispielsweise die MdE bei Hüftendoprothesen, die eine gute und schmerzfreie Funktion aufwiesen, dauerhaft eine MdE von 20 v. H. rechtfertigten. Im Unterschied dazu sei der Kläger nicht schmerzfrei.
Hiergegen hat die Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Urteil missachte, dass die Begutachtung eine reine Funktionsbegutachtung sei. Daher könnte selbst für den Fall, dass man die Arthrose im Hand- und Ellenbogengelenk links als Folge des Arbeitsunfalles vom 13. März 2015 annehme, dies keine MdE in Höhe von 20 v. H. begründen. Auch R schätze die MdE aus den Bewegungsausmaßen des linken Armes mit unter 10 v. H. ein. Normabweichende Röntgenbefunde ohne Funktionseinbuße spielten für die MdE keine Rolle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. September 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine wesentliche Besserung der von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen sei nach den eingeholten Gutachten nicht eingetreten.
Der Senat hat ein fachchirurgisches Gutachten von S vom 1. Februar 2024 eingeholt. Darin hat dieser ausgeführt, dass im Bereich der linken Hand und des linken Unterarms keine abnorme Berührungsempfindlichkeit festzustellen sei. Anhaltspunkte für ein komplexes regionales Schmerzsyndrom fänden sich nicht. Das Osteosynthesematerial aus der körpernahen Elle sei bis auf einen Schraubenrest vollständig entfernt. Im Bereich der linken Hand fänden sich keine wesentlichen arthrotischen Veränderungen. Eine funktional relevante arthrotische Veränderung an Ellenbogen und Handgelenk liege nicht vor. Am Ellenbogen und am Handgelenk ließen sich auch keine wesentlichen Instabilitäten feststellen, die im Langzeitverlauf sekundär zu arthrotischen Veränderungen führten. Eine wesentliche Sekundärarthrose lasse sich weder am Ellenbogen noch am Handgelenk feststellen. Daher würden die im Bescheid vom 17. März 2017 anerkannten Gesundheitsschäden im Bereich der oberen Extremität die Unfallfolgen vollständig abbilden. Lediglich das Osteosynthesematerial sei zwischenzeitlich entfernt. Die Schätzung der MdE ab Mai 2020 im Bescheid vom 17. März 2017 sei aus seiner medizinischen Sicht zutreffend. Die von H im Ersten Rentengutachten vom 2. August 2016 am Untersuchungstag am 22. Juli 2016 dokumentierten Bewegungsmaße (Streckminderung am linken Ellenbogen von 15 Grad und eine Beugefähigkeit bis 120 Grad und eingeschränkter Außenrotation mit 45 Grad bei Beweglichkeit des linken Handgelenks in Beugerichtung mit 25 Grad) begründeten nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten eine MdE von 10 v. H. Die Streckung sei beim Kläger mit 15 Grad funktionell deutlich günstiger als in den Erfahrungswerten angegeben. Bezüglich einer Störung der Unterarmdrehung sei eine zusätzlich bedeutsame Störung der Unterarmdrehfähigkeit erst gegeben, wenn diese mehr als 80 Grad betrage. Dieser Wert werde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Daher sei eigentlich in Anlehnung an die unfallmedizinischen Erfahrungswerte eine MdE nicht begründbar. Dennoch halte er eine MdE von 20 für gerechtfertigt. Im Fall des Klägers sei es im Bereich der oberen Extremität zu einer ungemein schweren komplexen Verletzung, einer sogenannten Monteggia-Fraktur, gekommen. Diese habe am 1. Oktober 2015 aufgrund einer fehlenden Vereinigung der Fraktur (Pseudoarthrose) nochmals eine Nachoperation mit Knochentransplantation erforderlich gemacht. Dies alles habe eine sehr lange Entlastung der verletzten oberen Extremität notwendig gemacht. Die sicherlich primär aufgrund der komplexen Verletzung geschädigten Muskeln, aber auch während der Knochenoperation notwendigerweise vom Knochen abgelöste Muskeln, seien zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung sicherlich noch erheblich in ihrer Funktionalität beeinträchtigt gewesen. Dies mache die Reduktion der linksseitigen Oberarmmuskulatur deutlich. Im Jahre 2019 oder davor sei keine wesentliche Besserung der Funktionseinschränkungen eingetreten. Im Gutachten zur Rentennachprüfung habe sich die Scharnierfunktion des Ellenbogengelenks lediglich um 10 Grad und für die Streckfähigkeit sogar eine Verschlechterung um 5 Grad ergeben. Die Außendrehung werde weiterhin mit 50 Grad als gemindert beschrieben. Alle Werte befänden sich im Rahmen der Messtoleranz. Verbessert habe sich die eingeschränkte Beugefähigkeit des Handgelenks. Sie werde nunmehr als seitengleich beschrieben. Ebenso verbessert habe sich der Muskelumfang des Oberarms. Dies begründe aber keine Besserung der MdE um mehr als 5 v. H. Auch aktuell schätze er die MdE nach wie vor mit 20 v. H. ein. Auch im Vergleich zwischen der Untersuchung am 22. Juli 2016 und seiner gutachterlichen Untersuchung am 10. Januar 2024 hätten sich kaum Veränderungen ergeben. Die geringen Veränderungen bewegten sich alle in einem Bereich unter 5 v. H.
Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, dass bei einer seitengleichen Handgelenksbeweglichkeit von einer wesentlichen Besserung auszugehen sei. Auch sei eine erheblich verbesserte Funktion und Belastbarkeit des gesamten linken Armes objektiviert. Dies gelte insbesondere für den Zeitpunkt der maßgebenden Untersuchung bei J.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juli 2024 hat S an seiner Einschätzung festgehalten. Zunächst sei noch einmal herauszustellen, dass die Verletzungsfolgen zwei Gelenke an der oberen Extremität sowie auch die Muskulatur des Unterarms betreffen würden. Bei einer Gegenüberstellung des Messblatts für die oberen Gliedmaßen unter Einschluss der Unterarmdrehfähigkeit zwischen der Untersuchung bei H am 22. Juli 2016 und der aktuellen Untersuchung würden sich für den linken Ellenbogen sowie für die Unterarmrotation in beiden Gutachten übereinstimmende Werte ergeben. Aus funktioneller Sicht sei besonders hervorzuheben, dass die wichtige Außendrehung des Unterarms nicht verbessert sei (45 Grad bei H und 50 Grad bei seiner Untersuchung). Bezüglich der Funktionalität des Ellenbogens lasse sich daher keine Besserung feststellen. Bezüglich des linken Handgelenks sei eine Verbesserung der Streckfähigkeit und Beugefähigkeit von je 10 Grad festzustellen. Diese sei relativ gering und funktional nicht sehr bedeutsam. Bezüglich der Umfangsmaße an der oberen Extremität gehe er im Gutachten von H von einem Übertragungsfehler aus. Diese im Oberarmbereich festgestellte Muskelminderung von 3 cm weiche extrem stark von übrigen Messbefunden ab und sei darüber hinaus auch unfallmedizinisch nicht plausibel. Dafür spreche auch die Untersuchung von J am 8. Mai 2019, bei der am rechten Oberarm ein Umfang von 30 cm und am linken Oberarm von 29 cm dokumentiert wurde. Es sei nicht erklärbar, dass drei Jahre nach der Untersuchung bei H die Muskulatur am rechten Oberarm abgenommen haben solle. Daher sei auch bezüglich der Armumfänge keine signifikante Besserung festzustellen. Festzuhalten sei, dass im Vergleich zu dem Gutachten von H keine für die Gesamtfunktion der oberen Extremität wesentliche Besserung festzustellen sei. Insbesondere die Drehstörung des linken Unterarms in Außenrichtung bestehe nahezu unverändert fort.
Der Kläger sieht sich durch die Ausführungen des Sachverständigen S in seiner Auffassung bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2019 mit dem die Beklagte die dem Kläger mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. März 2017 bewilligte Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. mit Wirkung ab dem 1. September 2019 entzogen, also der Sache nach die Rentenbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat. Dagegen wendet sich der Kläger (allein) statthaft - und auch ansonsten zulässig - mit der (isolierten) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG), denn im Falle einer Kassation der Aufhebungsentscheidung lebt die ursprüngliche Rentenbewilligung wieder auf.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2019 zu Recht auf Klage aufgehoben, sodass die Berufung der Beklagten in der Sache keinen Erfolg hat. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die bei ihm verbliebenen Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 3. März 2015 haben sich nicht derart wesentlich verbessert, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids vom 23. August 2019 mit Wirkung ab 1. September 2019 (zu dessen Maßgeblichkeit vgl. nur BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 - B 2 U 10/19 R, nach Juris) nur noch eine MdE von weniger als 20 v.H. gerechtfertigt wäre.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids vom 23. August 2019 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vorliegend die Rentenbewilligung auf unbestimmte Zeit mit MdE-Feststellung in rentenberechtigender Höhe im Bescheid vom 17. März 2017) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ergänzt § 73 Abs. 3 SGB VII diese Regelung dahingehend, dass bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich ist, wenn sie mehr als 5 v.H. bis hin zu einer verbliebenen MdE von weniger als 20 v.H. (vgl. dazu nur BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 - B 2 U 10/19 R, Rn. 19, nach Juris) beträgt und - bei Renten auf unbestimmte Zeit (wie vorliegend) - die Veränderung der MdE länger als drei Monate dauert.
Eine derartige wesentliche Änderung in den (vorliegend allein relevanten) tatsächlichen Verhältnissen ist jede - in den Grenzen des § 73 Abs. 3 SGB VII - eingetretene Änderung des für die getroffene Regelung relevanten Sachverhalts, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung also insbesondere Änderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen. Dabei ist der Eintritt einer solchen (wesentlichen) Änderung durch Vergleich der tatsächlichen Verhältnisse zu zwei maßgeblichen Zeitpunkten zu ermitteln. Bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung von Unfallfolgen kommt es zum einen auf die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung (vorliegend der Bescheid vom 17. März 2017) tatsächlich - also objektiv (vgl. Senatsurteil vom 4. August 2022 – L 1 U 827/20, nach Juris) - bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse an, die ursächlich auf dem Unfall beruhen. Diese tatsächlich auf dem Unfall beruhenden gesundheitlichen Verhältnisse sind, wenn wie hier vom Unfallversicherungsträger eine Verbesserung geltend gemacht wird, mit den bestehenden unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids der Beklagten am 23. August 2019 (mit Wirkung ab 1. September 2019) vorgelegen haben. Die jeweils bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse kommen dabei insbesondere in den medizinischen Gutachten zum Ausdruck, die über die Unfallfolgen zum Zeitpunkt der maßgeblichen Bewilligung und vor der behördlichen Aufhebungsentscheidung eingeholt worden sind (vgl. Senatsurteil vom 4. August 2022 – L 1 U 827/20, nach Juris).
Im Rahmen dessen ist eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Versicherten indes namentlich dann nicht (rechtlich) wesentlich, wenn sich die der ursprünglichen rentenberechtigenden MdE-Festsetzung zugrunde gelegten Funktionsbeeinträchtigungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsverwaltungsakts nicht materiell wesentlich i.S.d. § 73 Abs. 3 SGB VII geändert haben und sich lediglich herausstellt, dass die ursprüngliche MdE im Rahmen der bestandskräftig zuerkannten Verletztenrente zu hoch eingeschätzt worden ist; die Aufdeckung einer Fehldiagnose oder einer überhöhten MdE allein stellt keine wesentliche Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 SGB X dar (vgl. eingehend BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021 - B 2 U 10/20 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2024 – L 10 U 1953/21, jeweils nach Juris). Aus Vertrauensschutzgründen darf in diesen Fällen nicht wegen einer sonstigen Änderung der Verhältnisse i.S. des § 48 Abs. 1 SGB X in bestandskräftige Regelungen zu Lasten des Versicherten eingegriffen werden.
Maßgebend für die Frage einer wesentlichen Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X ist das materielle Recht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021 - B 2 U 10/20 R, Rn. 17, nach Juris). Materiell-rechtlich richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. nur BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R, nach Juris), nämlich den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen-den Tatsachen, im vorliegenden Zusammenhang der Aufhebung einer bewilligten Verletztenrente nach § 48 SGB X i.V.m. § 73 SGB VII namentlich der Eintritt einer wesentlichen Verbesserung in den Verhältnissen, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der anspruchs- hier aufhebungsbegründenden Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. nur BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 - B 2 U 15/19 R, nach Juris). Bei Aufhebungsverwaltungsakten zu Lasten des Versicherten trägt grundsätzlich die Behörde die objektive Feststellungslast für eine wesentliche Änderung, sodass eine Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2024 – L 10 U 1953/21, nach Juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verneint der Senat ebenso wie auch das SG den Eintritt einer wesentlichen Verbesserung der Unfallfolgen beim Kläger. Denn in den maßgebenden Verhältnissen, nämlich in Bezug auf die durch die Unfallfolgen verursachten funktionellen Einschränkungen bei der Verrichtung von Tätigkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, ist im zu betrachtenden Zeitraum (s.o.) keine wesentliche Änderung im oben dargelegten Sinne eingetreten. Entscheidend für die Bewertung der MdE als Grundlage der Bemessung der Verletztenrente sind dabei weniger medizinische Diagnosen oder die Feststellung bestimmter Krankheitsbilder, wenn diese auch deren Ausgangspunkt sind, sondern welche Funktionseinschränkungen sich daraus im entscheidungserheblichen Zeitraum ergeben.
Ausgehend davon sind vorliegend zunächst die von der Beklagten im Rentenbewilligungsbescheid vom 17. März 2017 zugrunde gelegten und auf den Unfall vom 13. März 2015 ursächlich zurückzuführenden funktionellen Beeinträchtigungen des Klägers in den Blick zu nehmen. Diese betreffen ausschließlich den linken Arm bzw. die linke Hand. Daher ist zu prüfen, ob sich die im Rentenbewilligungsbescheid maßgeblich auf der Grundlage des Gutachtens von H vom 2. August 2016 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie B2 anerkannten Einschränkungen der Beweglichkeit im Hand- und Ellenbogengelenk sowie bei der Unterarmdrehung nach in achsengerechter Stellung knöchern fest verheilten Etagenbruch der Elle mit Kraftminderung und Belastungsbeschwerden am linken Arm zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vom 23. August 2019 wesentlich gebessert haben. Dies verneint der Senat im Ergebnis ebenso wie das Sozialgericht.
Dem Gutachten von H vom 2. August 2016 liegen folgende Ergebnisse der Untersuchung des Klägers am 22. Juli 2016 zugrunde. Danach wurde bezüglich des linken Ellenbogengelenks die Streckung/Beugung mit 0/15/120 Grad, die Unterarmdrehung mit 45/0/80 Grad und die Handgelenksbeweglichkeit mit 40/0/25 Grad festgestellt. Diese gemessenen Bewegungsmaße begründen in Anlehnung an die unfallmedizinischen Erfahrungswerte nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 20 v. H. Nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage 2024 S. 529) begründet eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens mit einer Streckminderung von 30 Grad, einer verbliebenen Beugefähigkeit auf 120 Grad eine MdE von 10 v. H. Insoweit verweist der Sachverständige S in seinem Gutachten vom 1. Februar 2024 zu Recht darauf, dass die Beugung des Ellenbogens des Klägers zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 17. März 2017 dem unfallmedizinischen Erfahrungswert entsprach, die Streckminderung hingegen mit 15 Grad funktionell deutlich günstiger als in dem Erfahrungswert genannt vorhanden war. Die zum damaligen Zeitpunkt gemessene Störung der Unterarmdrehung ist nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl. Mehrhoff u.a., Unfallbegutachtung, 14. Auflage 2019) nur dann relevant, wenn sie mehr als 80 Grad beträgt. Erst dann liegt eine zusätzliche bedeutsame Störung der Unterarmwendbewegung vor, die eine Erhöhung der MdE um bis zu 10 v. H. rechtfertigen kann. Ein solcher Wert von 80 Grad wurde zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung am 22. Juli 2016 und damit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 17. März 2017 nicht erreicht. Damit steht für den Senat fest, dass bereits zum Zeitpunkt der Gewährung einer Dauerrente durch Bescheid vom 17. März 2017 eine solche nicht gerechtfertigt war, da die MdE unter 20 v. H. lag. Dem Ersten Rentengutachten von H vom 2. August 2016 können insoweit auch keine Anhaltspunkte entnommen werden, die abweichend von den unfallmedizinischen Erfahrungswerten eine MdE von 20 v. H. rechtfertigen würden. Die MdE-Einschätzung von 20 v. H. in dem Gutachten wird nicht näher begründet. Insbesondere erfolgte keine Auseinandersetzung mit den nach den Messblatt für obere Gliedmaßen ermittelten Bewegungsausmaßen und den unfallmedizinischen Erfahrungswerten. Auch soweit der Beratungsarzt der Beklagten, der Facharzt für Chirurgie B2, in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2017 die unfallmedizinischen Erfahrungswerte zwar korrekt wiedergibt, erkennt er aber nicht, dass dies nach den Erfahrungswerten eine MdE von 20 v. H. gerade nicht rechtfertigt. Allerdings empfiehlt er eine Nachuntersuchung in zwei Jahren, weil er von einer Besserung durch Gewöhnung ausgeht. Soweit der vom Senat beauftragte Sachverständige S in seinem Gutachten vom 1. Februar 2024 zwar davon ausgeht, dass in Anlehnung an die unfallmedizinischen Erfahrungswerte eine rentenberechtigende MdE nicht begründbar gewesen sei, er jedoch vollumfänglich die Empfehlung von H aus seinem Gutachten teilt, überzeugt die hierfür gegebene Begründung nicht. Als Begründung wird von S ausschließlich genannt, dass der Unfall vom 13. März 2015 im Bereich der oberen Extremität zu einer ungemein schweren komplexen Verletzung geführt habe, einer sogenannten Monteggia-Fraktur, und nach der primären Versorgung nach dem Unfall aufgrund einer fehlenden Vereinigung der Fraktur eine Nachoperation mit Knochentransplantation erforderlich geworden sei. Deshalb geht er davon aus, dass zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung bei H die Funktionalität der umgebenden Muskeln erheblich beeinträchtigt gewesen sei und er hält bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall eine MdE von 20 v. H. für begründbar, auch wenn die Bewegungsmaße keine MdE in dieser Höhe begründen. Damit wird verkannt, dass für die MdE-Festsetzung nicht der Gesundheitsschaden als solcher entscheidend ist, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Insofern erklärt die beim Kläger vorliegende komplexe Verletzung und insbesondere die Notwendigkeit der Nachoperation mit Knochentransplantation zwar die Länge der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit schlüssig, rechtfertigt jedoch keine Abweichung von den unfallmedizinischen Erfahrungswerten bezüglich der Festsetzung der MdE für Zeiträume nach Abschluss der Heilbehandlung. Maßgeblich hierfür ist allein die dokumentierte Einschränkung der Beweglichkeit des linken Armes und der linken Hand. Insoweit bedingt auch die von S angeführte Reduktion der linksseitigen Oberarmmuskulatur von drei Zentimeter kein Abweichen von den unfallmedizinischen Erfahrungswerten. Erneut ist darauf hinzuweisen, dass nicht die Schädigung als solche MdE-begründend ist, sondern der damit einhergehende Funktionsverlust. Insoweit kann es auch keine Rolle spielen, dass die beim Kläger vorliegende unfallbedingte Verletzung für diesen aufgrund der von ihm ausgeübten Akkordarbeit in der konkreten beruflichen Tätigkeit größere Auswirkungen hatte als bei anderen.
Bereits daraus ergibt sich, dass eine wesentliche Verbesserung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nicht eintreten konnte. Darüber hinaus hat der Sachverständige S in seinem Gutachten vom 1. Februar 2024 auch dargelegt, dass sich die beim Kläger objektiv bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung am 17. März 2017 und zum Zeitpunkt der Entziehung der Dauerrente durch Bescheid vom 1. September 2019 nicht wesentlich hinsichtlich der funktionellen Situation verbessert haben. S weist insoweit zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Messblatt für die oberen Gliedmaßen im Gutachten zur Rentennachprüfung durch J am 21. Mai 2019 (Untersuchungstag 8. Mai 2019) die Beugefähigkeit des linken Ellenbogens mit 130 Grad bei verbliebener Streckminderung auf 20 Grad festgestellt wurde. Damit wird für die Scharnierfunktion des Ellenbogengelenks eine um 10 Grad gebesserte Streckung und für die Streckfähigkeit eine Verschlechterung um 5 Grad dokumentiert. Die Störung der Unterarmwendbewegung wird mit 50 Grad als reduziert beschrieben. Verbessert hat sich die im Gutachten von H mit 25 Grad beschriebene eingeschränkte Beugefähigkeit des Handgelenks. Sie wird im Gutachten von J mit 60 Grad und damit als seitengleich beschrieben. Bezüglich des Ellenbogengelenks und der Unterarmdrehung bewegen sich die im Vergleich zur Begutachtung bei H festgestellten Bewegungsausmaße fast im Rahmen der Messtoleranz. Soweit eine Verbesserung der Handgelenksbeweglichkeit eingetreten ist, vermag dies keine funktionell derart bedeutsame Änderung bezüglich der Einschätzung der MdE begründen. S führt insoweit in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juli 2024 aus, dass die wichtige Außendrehung des Unterarms (45 Grad im Vergleich zu 50 Grad) nicht verbessert ist. Soweit eine Kräftigung der Muskulatur vorliegt, ist diese allein nicht entscheidend, sondern allein entscheidend sind die festgestellten Bewegungsausmaße. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Annahme von S in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juli 2024 zutreffend ist, dass im Gutachten von H bezüglich der festgestellten Muskelminderung (des Muskelausmaßes) die mitgeteilten Werte nicht plausibel seien. Daraus folgt, dass im Hinblick auf die Gesamtfunktion der oberen Extremität nicht von einer wesentlichen Besserung der Verhältnisse im Vergleich der Beurteilung von H mit der von J auszugehen ist. Eine solche Besserung kann im Übrigen auch, ohne dass es hierauf im Rechtssinne ankommt, nicht dem Sachverständigengutachten von S vom 1. Februar 2024 entnommen werden. Denn S stellt im direkten Vergleich bezüglich der Streckfähigkeit am linken Handgelenk eine Besserung von 10 Grad und bezüglich der Beugefähigkeit eine Verbesserung ebenfalls von 10 Grad fest. Eine solche Verbesserung fällt funktionell nicht besonders ins Gewicht. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das in der ersten Instanz eingeholte Gutachten von R vom 13. Juli 2020 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2021 für die Entscheidungsfindung im Ergebnis nicht herangezogen werden kann. R erkennt zwar, dass die beim Kläger ermittelten Bewegungsmaße eine rentenberechtigende MdE von 20 v. H. nicht begründen. Insoweit führt R in seinem Gutachten selbst aus, dass die wichtigsten Funktionsbewegungen des Ellenbogengelenks die Bewegungsspannen zwischen 30 und 130 Grad sind, also eine vollständige Streckung nicht unbedingt erforderlich ist. Ausgehend von diesen Maßen ist im Fall des Klägers die Funktionsstörung im Sinne der Streckung/Beugung normal. Seine MdE-Empfehlung von 20 v. H. begründet er dann aber mit einer beginnenden Arthrose im Ellenbogengelenk und im Handgelenk. Zugleich führt er jedoch aus, dass am Handgelenk deshalb noch keine messbaren Funktionsstörungen bestanden. Trotzdem soll die zunehmende Arthrose eine MdE von 20 v. H. rechtfertigen. Dies steht mit den Grundsätzen der MdE-Bemessung nicht im Einklang, denn diese erfasst ausschließlich Funktionsstörungen. So dass es auch nicht darauf ankommt, ob die Arthrose unfallbedingt ist oder nicht. Das Gleiche gilt bezüglich der Arthrosebildung im Ellenbogengelenk. Soweit R eine Instabilität beschreibt, ist er der einzige Sachverständige, der eine solche Feststellung trifft. S führt in seinem Gutachten vom 1. Februar 2024 ausdrücklich aus, dass er eine gravierende Instabilität am Ellenbogen nicht festgestellt hat. Auch die von ihm beschriebene beginnende Arthrose beschreibt S als allenfalls ganz initiale Veränderung. Darüber hinaus weist S darauf hin, dass diese Veränderungen auch schon auf den zeitnah zum Unfall angefertigten Bildern zu erkennen waren. Dies würde, ohne dass es hier darauf ankommt, erhebliche Zweifel an einer Unfallkausalität wecken.
Damit ergeben sich keine nachvollziehbaren medizinischen Befunde, welche aus der Zeit zwischen der Rentenbewilligung und dem Aufhebungsbescheid auf eine rechtlich wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X hindeuten. Die nach Erlass des Entziehungsbescheids ärztlich dokumentierten Befunde sind für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung; auf den entscheidungserheblichen Zeitraum ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden. Damit liegt eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X bezogen auf den Zeitraum zwischen Erlass der Rentenbewilligung und dem Aufhebungsbescheid nicht vor. Der Entziehungsbescheid vom 23. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2019 kann daher keinen Bestand haben. Zu Recht hat das Sozialgericht ihn aufgehoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.