L 5 KR 3510/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2177/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3510/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Gründe


I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die dem Kläger ausbezahlte Kapitalleistung aus einer Kapitallebensversicherung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.

Der 1956 geborene Kläger war in der Zeit vom 03.07.2021 bis zum 30.04.2023 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten zu 1) sowie in der Pflegeversicherung bei der Beklagten zu 2).

Am 13.01.1988 schloss der damalige Arbeitgeber des Klägers bei der A1 Lebensversicherungs-AG (im Folgenden: A.) unter der Versicherungsnummer xxxxxxxxx einen Vertrag über eine Kapitallebensversicherung für den Kläger als begünstigte Person ab. Versicherungsnehmer war der Arbeitgeber. Dieser entrichtete auch die Beiträge für die Versicherungen.

Am 03.01.2022 erfolgte eine Kapitalauszahlung an den Kläger aus dieser Versicherung i.H.v. 85.097,01 €.

Mit Bescheid vom 02.03.2022 teilte die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) mit, dass die gesamte ausgezahlte Kapitalleistung ab dem 01.02.2022 bis voraussichtlich am 31.01.2032 in Höhe von 1/120 der Auszahlungssumme beitragspflichtig zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) sei. Sie setzte ab dem 01.02.2022 nach Abzug des Freibetrags i.H.v. 164,50 € den monatlich zu zahlenden Beitrag zur GKV auf 86,60 € (15,9 v.H.) sowie zur sPV auf 21,63 € (3,05 v.H.) fest (insgesamt 108,23 €).

Hiergegen erhob der Kläger am 05.04.2022 ohne Begründung Widerspruch, den die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2022 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte zu 1) aus, das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) habe zum 01.01.2004 das Beitragsrecht bei Versorgungsbezügen neu geregelt. Seither unterlägen alle Kapitalleistungen, die der Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder der Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit dienen würden, grundsätzlich der Beitragspflicht (§ 229 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch [SGB V] i. d. F. von Artikel 1 Nr.143 GMG). Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen, die als Kapitalleistung gewährt würden, gelte für alle Versorgungszusagen, auch in laufenden Verträgen, bei denen der Versicherungs-/Versorgungsfall nach dem 31.12.2003 eingetreten sei. Beitragspflicht bestehe unabhängig davon, ob die Versorgungsleistung als originäre Kapitalzahlung ohne Wahlrecht zu Gunsten einer Rentenzahlung oder als Kapitalleistung mit Option zu Gunsten einer Rentenzahlung zugesagt werde. Aus Gründen der gleichmäßigen Behandlung aller betroffenen Versorgungsempfängern sei diese frühere Unterscheidung und Gesetzeslücke zum 01.01.2004 beseitigt worden. Aufgrund der geänderten Rechtslage zum 01.01.2004 seien verschiedene Musterstreitverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) und Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geführt worden. Ein Versorgungsbezug im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung liege vor, wenn ein Zusammenhang mit dem Berufsleben des Versicherten bestehe. Dies sei bei den Leistungen aus einer Direktversicherung stets gegeben. Das BSG habe bereits in mehreren Urteilen festgestellt, dass der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung umfassender sei, als der nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) maßgebende. So habe das BSG bereits mit Urteil vom 12.12.2007 (B 12 KR 6/06 R, in juris) entschieden, dass zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch Leistungen aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Lebensversicherung gehörten. Des Weiteren ergäbe sich aus diesem Urteil, dass Leistungen aus einer solchen betrieblichen Lebensversicherung ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht deshalb verlören, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhten. Zudem habe auch das BVerfG mit Nichtannahmebeschluss vom 07.04.2008 (1 BvR 1924/07, in juris) entschieden, dass Kapitalzahlungen aus Direktversicherungen, welche noch während des Erwerbslebens im rentennahen Alter ausgezahlt würden, zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen gehörten. Das gelte auch insoweit, als es sich um eine Leistung aus einer Direktversicherung handle, die durch Gehaltsumwandlung finanziert worden sei. Ab dem Rentenbezug sei der Versicherte als Rentner versichert. Für dieses Versicherungsverhältnis gelte wiederum eine eigene Beitragsbemessungsgrundlage, die von der Rente und den Versorgungsbezügen geprägt werde. Würde die Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht in der Abhängigkeit zum Versicherungsverhältnis stehen, dürften letztlich auch keine Beiträge aus einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben werden, weil in der Ansparphase auch schon Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vom Versicherten gezahlt worden seien. Hierzu habe das BSG in seinen grundlegenden Entscheidungen vom 18.12.1984 zur Einführung der Beitragspflicht von Renten und Versorgungsbezügen festgestellt, dass dies auch verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden könne. Im stattgebenden Kammerbeschluss vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08, in juris) habe das BVerfG grundsätzlich an der typisierenden Zuordnung von Altersvorsorgeleistungen zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Beitragsrecht festgehalten, wenn und solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechtes genutzt werde. Die Grundsätze der Unterscheidung von betrieblichen und privaten Anteilen von Leistungen aus einer Direktversicherung seien vom BSG mit Urteilen vom 30.03.2011 (B 12 KR 16/10 R und B 12 KR 24/09 R, beide in juris) bestätigt worden. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung sei eine Aufteilung der Gesamtversorgungsleistung in einen betrieblichen (als Versorgungsbezug nach § 229 SGB V) und privaten Anteil dann vorzunehmen, wenn es sich um eine einmalige Leistung einer Lebensversicherung handele, die ursprünglich als Direktversicherung von einem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für den Arbeitnehmer als Bezugsberechtigten abgeschlossen worden sei und der Vertrag nach Ende des Arbeitsverhältnisses von dem ehemaligen Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer übernommen und von ihm bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mit eigener Beitragszahlung noch fortgeführt worden sei. Soweit diese Voraussetzungen erfüllt seien, sei der Teil der Versorgungsleistung, der auf Beiträgen beruhe, die der Bezugsberechtigte als Versicherungsnehmer für die Zeit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf den Lebensversicherungsvertrag eingezahlt habe, nicht als Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V anzusehen. Für den Kläger fände die mit dem GMG ab 01.01.2004 eingeführte Gesetzeslage Anwendung, da die Kapitalleistung nach dem 31.12.2003 ausgezahlt worden sei. Eine Übergangsvorschrift sei im GMG nicht enthalten, so dass davon auszugehen sei, dass die Gesetzesänderung alle Fälle erfassen solle, bei denen hinsichtlich der für die Neuregelung maßgebenden Tatsachen noch kein abgeschlossener Sachverhalt vorgelegen habe. Davon, dass der Gesetzgeber mit § 229 SGB V neuer Fassung, nur die erst nach deren Inkrafttreten abgeschlossenen Versicherungen habe erfassen wollen, könne schon wegen der langen Laufzeit solcher Versicherungsverträge ausgeschlossen werden. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Im vorliegenden Fall sei lediglich eine unechte Rückwirkung zu erkennen, da die Gesetzesänderung zwar grundsätzlich den Wert der Altersversorgung schmälere, jedoch vor Fälligkeit der Kapitalleistung in Kraft getreten sei. Eine unechte Rückwirkung läge nach der Rechtsprechung des BSG vor, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm einträten, ihr Tatbestand aber Sachverhalte erfasse, die bereits zum Teil vor der Verkündung ins Werk gesetzt worden seien. Eine eventuelle Erwartung des Klägers, das geltende Recht würde unverändert fortbestehen, sei im Sozialversicherungsrecht nicht geschützt. Eine Gesetzesänderung in Form einer Erweiterung der Beitragslast für Versorgungsbezüge werde durch das öffentliche Interesse an einer Stärkung der finanziellen Grundlage der gesetzlichen Krankenversicherung geschützt. Der Kläger könne sich nicht auf den dauerhaften Fortbestand der für ihn begünstigenden gesetzlichen Regelung verlassen, da im Falle der originären Kapitalleistung ausgehend von der alten Rechtslage der dieser zugrundeliegende Gesetzeszweck umgangen und bereits in der Vergangenheit vom BSG beanstandet worden sei. Bei der betrieblichen Kapitalleistung der A. handle es sich eindeutig um einen Versorgungsbezug im Sinne der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Wenn es kein Versorgungsbezug wäre, hätte die auszahlende Zahlstelle auch keine maschinelle Meldung als ausgezahlten Versorgungsbezug übermittelt. Der Kläger sei aufgrund seiner gesetzlichen Altersrente seit dem 03.07.2021 pflichtversichert in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen von versicherungspflichtigen Rentnern gehörten in der Krankenversicherung neben der Rente auch Versorgungsbezüge nach § 237 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB V. Die gleichen beitragsrechtlichen Grundsätze würden dabei auch gemäß § 57 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der Pflegeversicherung gelten. Laut maschineller Meldung vom 24.02.2022 von der A. habe der Kläger Anfang Januar 2022 einen einmaligen betrieblichen Versorgungsbezug i.H.v. 85.097,01 € ausgezahlt bekommen. Für die Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen sei nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V der Zahlbetrag der gesamten Kapitalleistung auf 10 Jahre (dies entspräche 1/120 monatlich) umzulegen. Hierbei sei lediglich der § 226 Abs. 2 SGB V zu berücksichtigen. Dies bedeute, dass die Beitragsentrichtung unterbleibe, wenn der monatliche Betrag ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht übersteige. Daraus abgeleitet ergebe sich für das Jahr 2022 eine monatliche Beitragsfreigrenze von 164,50 €. Die Frist von 10 Jahren beginne mit dem Ersten des auf die Auszahlung der Kapitalleistung folgenden Kalendermonates. Die im Monat Januar 2022 an den Kläger ausgezahlte Kapitalleistung der A. gelte vom 01.02.2022 bis zum 31.01.2032 mit einer monatlichen Berechnungsgrundlage von 709,14 € (= 85.097,01 € : 120 Monate) als grundsätzlich beitragspflichtige Einnahme. Wegen Überschreitung der Beitragsfreigrenze seien aus der Kapitalleistung deshalb ab 01.02.2022 grundsätzlich Beiträge zu berechnen. Nach § 237 SGB V würden für die Beitragsberechnung bei versicherungspflichtigen Rentnern der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und die der Rente vergleichbaren Einnahmen (= Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Erreiche dabei der Zahlbetrag der Rente nicht die Beitragsbemessungsgrenze, würden nacheinander die Zahlbeträge von Versorgungsbezügen bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt (§ 238 SGB V). Beim Kläger betrage die gesetzliche Rente seit 01.02.2022 brutto monatlich 1.999,67 €. Die beitragspflichtigen Einkünfte des Klägers aus Rente und Versorgungsbezug überschritten nicht die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung (2022 = mtl. 4.837,50 €). Somit sei die einmalige Kapitalleistung der A. ab dem 01.02.2022 beitragspflichtig. Vom Gesetzgeber sei zum 01.01.2020 gemäß § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V ein Freibetrag in der Krankenversicherung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungsbezüge) eingeführt worden. Von den beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V sei ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV abzuziehen. Dieser Freibetrag in der Krankenversicherung betrage somit im Jahr 2022 monatlich 164,50 € und verringere die Berechnungsgrundlage entsprechend. Ausgehend von einem Versorgungsbezug von umgerechnet monatlich 709,14 € reduziere sich der beitragspflichtige Anteil um 164,50 € und somit auf monatlich 544,64 € (= 709,14 € – Freibetrag 164,50 €) in der Krankenversicherung. In der Pflegeversicherung gäbe es keinen Freibetrag. Ausgangswert für die Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung seien somit monatlich 709,14 €. Bei Versicherungspflichtigen gelte für die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung aus einem Versorgungsbezug der allgemeine Beitragssatz nach § 248 SGB V. Dieser betrage nach § 241 SGB V 14,6 v. H. der beitragspflichtigen Einnahmen. Zusätzlich sei nach § 242 Abs. 1 SGB V für alle beitragspflichtigen Einkünfte der kassenindividuelle Zusatzbeitrag zu entrichten. Dieser betrage seit dem 01.01.2022 1,3 v. H. laut Satzung. Seit 01.01.2019 gelte in der Pflegeversicherung der bundesweite Beitragssatz von 3,05 v. H. bei nachgewiesener Elterneigenschaft (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Da beim Kläger die Elterneigenschaft nachgewiesen sei, erfolge die Beitragsberechnung mit 3,05 v. H. in der Pflegeversicherung. Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 544,64 € ergebe dies für den einmaligen Versorgungsbezug ab dem 01.02.2022 in der Krankenversicherung einen monatlichen Gesamtbeitrag von 86,60 € (= 79,52 €/14,6 v. H. + 7,08 €/1,3 v. H.). Für die Pflegeversicherung seien aus einer Bemessungsgrundlage von 709,14 € monatlich 21,63 € (= 3,05 v. H.) zu entrichten. Insgesamt seien somit ab dem 01.02.2022 monatlich 108,23 € zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V seien von den pflichtversicherten Mitgliedern die Beiträge aus einem Versorgungsbezug allein zu tragen. Beiträge aus Kapitalleistungen und Abfindungen seien immer vom Mitglied selbst an seine Krankenkasse zu zahlen. Fällig seien die monatlichen Beiträge aus einmaligen Versorgungsbezügen als Selbstzahler nach § 23 Abs. 1 SGB IV in Verbindung mit der Satzung jeweils am 15. Tag des Folgemonats. Bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage sei die Beitragsberechnung zur Kranken- und Pflegeversicherung aus dem einmaligen Versorgungsbezug ab dem 01.02.2022 zulässig. Der Widerspruch werde daher als unbegründet zurückgewiesen.

Am 29.08.2022 hat der Kläger zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Zu deren Begründung hat der Kläger vorgebracht, dass ihm ausweislich des Informationsschreiben der A. vom 01.09.2021 nur 71.344 € ausbezahlt worden seien. Ferner sei davon auszugehen, dass er die Versicherung direkt abgeschlossen habe. Letztlich sei die Verbeitragung ungerecht. Er habe damals wegen des Abschlusses der Versicherung auf eine Lohnerhöhung verzichtet. In der Beitragsfestsetzung sehe er eine doppelte Beitragsfestsetzung.

Die Beklagte zu 1) ist der Klage entgegengetreten.

Mit Bescheid vom 27.12.2022 hat die Beklagte zu 1), zugleich im Namen der Beklagten zu 2), die Beitragshöhe für die Zeit ab 01.01.2023 an den auf 1,6 v.H. erhöhten Zusatzbeitragssatz in der GKV angepasst und die Höhe der monatlich zu zahlenden Beiträge aus der streitgegenständlichen Kapitalleistung auf monatlich insgesamt 109,01 € (87,38 € GKV, 21,63 € sPV) festgesetzt.

Mit Urteil vom 15.11.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, in denen die maßgeblichen Vorschriften genannt und der ermittelte Sachverhalt einer zutreffenden rechtlichen Würdigung unterzogen worden sei, verwiesen. Das BVerfG habe in seinem Nichtannahmebeschluss vom 06.09.2010 (1 BvR 739/08, in juris) ausgeführt, dass es bei der Frage der Beitragspflicht nicht darauf ankomme, ob als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) bereits mit Krankenversicherungsbeiträgen belastetem Arbeitsentgelt finanziert worden seien. Stattdessen sei maßgeblich, ob der betroffene Arbeitnehmer die Stellung des Versicherungsnehmers innegehabt habe (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28.09.2010 - 1 BvR 1660/08 -, in juris). Das Gericht sehe keine Veranlassung von dieser gefestigten Rechtsprechung des BVerfG abzuweichen. Zumal dieses in seinem Nichtannahmebeschluss vom 23.03.2017 (1 BvR 631/15, in juris) an seiner Auffassung festgehalten habe. Ergänzend hat die erkennende Kammer ausgeführt, dass dem Kläger ausweislich der maschinellen Meldung an die Beklagte 85.097,01 € ausbezahlt worden seien. Auch aus dem Informationsschreiben der A. vom 01.09.2021 ergebe sich nichts Anderes. Darin heiße es: „Folgende Leistung steht ab dem 01.01.2022 garantiert für Sie bereit: einmalige Kapitalzahlung 71.344,00 Euro. Zu der garantierten Leistung können noch zusätzliche Leistungen aus der Schlussüberschussbeteiligung und der Beteiligung an den Bewertungsreserven hinzukommen. Nach heutigem Stand sind dies 11.720,15 Euro einmalige Kapitalzahlung. Die Höhe der zusätzlichen Leistungen steht jedoch noch nicht fest und kann schwanken oder auch ganz entfallen. Sie hängt vor allem von der Zinsentwicklung auf dem Kapitalmarkt und von der Entwicklung der Lebenserwartung ab. Bei der Ermittlung der vorläufigen Werte haben wir angenommen, dass die Beiträge bis zum Ablauf der Versicherung bezahlt werden.“ Einen Nachweis über eine geringere ausbezahlte Summe – bspw. durch Vorlage eines Kontoauszuges – habe der Kläger trotz Aufforderung nicht erbracht. Die erkennende Kammer gehe also davon aus, dass der gemeldete Auszahlbetrag korrekt sei. Der Kläger sei auch nie Versicherungsnehmer gewesen und habe auch keine eigenen Beiträge gezahlt. Dies ergebe sich aus den seitens des Klägers mit Schriftsatz vom 25.10.2022 vorgelegten Unterlagen der A. Fehler bei der konkreten Berechnung der Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung seien nicht ersichtlich. Substantiierte Einwände habe der Kläger insoweit auch keine erhoben.

Gegen das dem Kläger am 17.11.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.12.2023, einem Montag, Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Mit der nach mehreren Erinnerungen erst am 09.07.2024 vorgelegten Begründung wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine bisherige Begründung und weist noch einmal darauf hin, dass damals sein Arbeitsentgelt verwendet worden sei, um die Versicherung aufzubauen. Es stelle eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Arbeitnehmern da, die als Versicherungsnehmer in den Vertrag eingetreten seien. Tatsächlich sei es Zufall, ob der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer die zusätzliche Versicherung abschließe oder der Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer eintrete.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2023 und den Bescheid der Beklagten vom 02.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27.07.2022 sowie den Bescheid vom 27.12.2022 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend.

Die Vorsitzende hat die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten am 10.07.2024 erörtert und in diesem Termin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, im Wege des Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Die Beteiligten haben hiermit ihr Einverständnis erklärt und auf die Möglichkeit einer erneuten Stellungnahme verzichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.


II.

1. Da der Kläger sowohl die Festsetzung von Kranken- wie auch von Pflegeversicherungsbeiträgen angefochten hat, richten sich Klage und Berufung auch gegen die bei der Beklagten zu 1) eingerichteten Pflegekasse, die Beklagte zu 2). Hierauf sind die Beteiligten im Erörterungstermin hingewiesen worden. Das Rubrum war insoweit zu berichtigen.

2. Der Senat konnte die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Vorgehensweise hat der Senat die Beteiligten gehört. Sie haben sich hiermit einverstanden erklärt.

3. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft. Streitgegenständlich ist der Beitragsbescheid der Beklagten zu 1) vom 02.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2022 sowie der Bescheid vom 27.12.2022, mit denen die Beklagte zu 1), auch namens der Beklagten zu 2), aus der dem Kläger zugeflossenen Kapitalleistung i.H.v. 85.097,01 € Beiträge zur GKV und sPV festgesetzt hat. Gegenstand des Rechtsstreits ist auch der während des Klageverfahrens ergangene Beitragsbescheid. Er ist als abändernder Verwaltungsakt gemäß § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Nachfolgend sind nach Auskunft der Beklagten keine weiteren Beitragsbescheide ergangen. Seit 01.05.2023 ist der Kläger nicht mehr bei den Beklagten versichert, weshalb nur die Festsetzung von Beiträgen für die Zeit vom 01.02.2022 bis 30.04.2023 im Streit ist.

4. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 02.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2022 sowie der Bescheid vom 27.12.2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Nur ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Die Beklagte zu 1) war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2) auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 31 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008, BGBl. I S. 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die - wie vorliegend - ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in ihren Bescheiden vom 02.03.2022, 27.027.2022 und 27.12.2022 jeweils erteilt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die während der Ansparphase vom damaligen Arbeitgeber des Klägers entrichteten Beiträge durch einen Abzug vom Gehalt des Klägers oder im Wege des Verzichts auf eine Lohnerhöhung finanziert wurden und ob vom Kläger selbst finanzierte Beiträge bereits der Beitragspflicht unterworfen waren. Dies ist unerheblich. Es existiert kein Grundsatz, dass mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen (BSG, Urteil vom 08.10.2019 - B 12 KR 2/19 R -, in juris). Das BVerfG hat nur in Sonderfällen bestimmte Leistungsanteile von der Beitragspflicht als Versorgungsbezug ausgenommen. Voraussetzung dafür ist einerseits die Auflösung des beruflichen Bezugs und andererseits der Wechsel in der Versicherungsnehmereigenschaft. Beides trifft beim Kläger nicht zu. Der vom Kläger geltend gemachte Gleichheitsverstoß im Vergleich zu Arbeitnehmern, die selbst Versicherungsnehmer eines Lebensversicherungsvertrags sind und deren Kapitalzahlung nicht der Beitragspflicht unterliegt, besteht nicht. Die Tatsache, ob eine Person Versicherungsnehmer ist oder nicht, stellt einen Unterschied dar, der die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Die Vertragskonditionen bei Abschlüssen von Direktversicherungsverträgen und bei Abschlüssen von Einzelpersonen differieren. In der Regel gelten für Direktversicherungsverträge günstigere Bedingungen und außerdem sind die Verträge auch steuerrechtlich verschieden zu behandeln. Es stellt keinen Zufall dar, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber Versicherungsnehmer einer Versicherung ist, dies ist eine bewusste Entscheidung, die von den Beteiligten bei Vertragsabschluss getroffen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. 

 

Rechtskraft
Aus
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