Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist kein eigenständiger, für sich gerichtlich einklagbarer Anspruch. Vielmehr steht er stets im Zusammenhang mit einem Anspruch auf eine Sozialleistung
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 21. Februar 2023 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem seine Untätigkeitsklage abgewiesen wurde.
Der Kläger hatte vor dem Sozialgericht verschiedene Verfahren gegen die Beklagte betrieben, unter anderem das Klageverfahren Az.: S 9 AL 315/16. Gegenstand dieses Verfahrens war ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem die Beklagte vom Kläger Arbeitslosengeld zurückgefordert hatte, sowie der Antrag des Klägers auf Zahlung von Arbeitslosengeld bis zum Zeitpunkt der späteren erneuten Bewilligung von Arbeitslosengeld. Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. Mai 2016 ab; die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 26. Februar 2020 (Az.: L 3 AL 93/19 NZB) als unzulässig verworfen.
Der Kläger sandte an den Kundenservice der Beklagten mit DE-Mail vom 4. September 2021 ein Schreiben, das als Betreff "sozialrechtlicher Herstellungsanspruch § 44 Abs. 4 SGB X" und als Bezug "Urteil vom 14.10.2019 zum Verfahren S 9 AL 315/16 mit mündlicher Verhandlung" auswies. Darin erklärte er, dass er in oben bezeichneter Angelegenheit gegen die Beklagte "eine Schadenersatzforderung, als Rechtsform in Antrag auf sozialrechtlichen Herstellungsanspruch" stelle. Zur Begründung führte er aus:
„Sie haben in den oben bezeichneten Klageverfahren, zum Schaden meiner Person, nachweislich Daten unterschlagen, hier zu meiner Mitwirkungspflicht (S 9 AL 315/16, S 9 AL 189/20 u.s.), meine persönlichen Daten verletzt (Datenschutzklage S 9 AL 32/20) und ärztliche Unterlagen zu meiner Person, einseitig aus einem anderen laufenden Klageverfahren herangezogen, ohne eigene Wesensprüfung zur Person und Duldung der Person, in Veranlassung Ihrer Amtsärztin in Bautzen.“
Am 3. März 2022 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben (Az.: S 5 AL 71/22), "wegen rechtswidriger Untätigkeit". Er gehe von einer Bescheidung aus.
Mit DE-Mail vom 9. Juli 2022 hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, für ihn "Leistungen nach SGB I und anzuwendende Rechtslage, übernehmend zu erbringen." Weiter hat er formuliert:
"Seitens des Beklagten, sind alle finanziellen und sonstigen Forderungen gegen den Kläger, schriftlich fixiert und gerichtlich bestätigt, einzustellen. Als Vergleichsangebot werden alle laufenden Verfahren, seitens des Klägers gegen den Beklagten für erledigt erklärt. Dieses Vergleichsangebot hat 10 Tage Geltung. Das stellt ein zeitlich befristetes Friedensangebot, klägerseits, da!"
Bereits mit Schreiben vom 8. Juli 2022 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie ihm nach Prüfung des Sachverhaltes leider mitteilen müsse, dass bezüglich des Anspruches auf Schadensersatz von Seiten des Internen Services der Agentur für Arbeit Dresden keine Entscheidung getroffen werden könne, da dies in die Zuständigkeit des Landgerichtes falle.
Die Kammervorsitzende hat mit Schreiben vom 14. Juli 2022 beim Kläger angefragt, ob er bereits eine Entscheidung erhalten habe. Bezüglich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen aus seiner Sicht begangener Amtspflichtverletzungen werde darauf hingewiesen, dass für derartige Streitigkeiten die Sozialgerichte nicht zuständig seien, sondern der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet sei. Dort werde über Schadensersatzansprüche infolge einer (schuldhaften) Amtspflichtverletzung entschieden. Allerdings sei das Verfahren vor dem Landgericht kostenpflichtig und vom sogenannten Beibringungsgrundsatz geprägt. Außerdem herrsche Anwaltszwang.
Der Kläger hat mit De-Mail vom 19. Juli 2022 unter Vorlage der Kopie eines Schreibens der Beklagten vom 15. Juli 2022, das dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben vom 8. Juli 2022 entspricht, erklärt, dass er eine gerichtliche Entscheidung beantrage.
Mit DE-Mail vom 25. Juli 2022 hat der Kläger angefragt, woraus die Kammervorsitzende in seinen Schreiben lese, dass er Schadensersatzansprüchen stelle. Er erkläre sein Schreiben vom 9. Juli 2022 mit sofortiger Wirkung für ungültig und die darin gemachten Aussagen für einen Vergleich wegen unklarer Verdrehung seiner Aussagen und Hinzudichtungen für unwirksam. Er beantrage die Zustellung eines Bescheides durch den Beklagten und eine gerichtliche Entscheidung.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2023 die Klage abgewiesen, zugleich aber die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für erstattungsfähig erklärt. Die Klage sei bereits unzulässig, weil dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die mit der Klage ursprünglich bezweckte Verbescheidung seines Antrags durch die Beklagte sei erfolgt. Trotzdem halte der Kläger an der Klage fest. Auch das Verlangen nach einer erneuten Zustellung der Entscheidung sei rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger die Entscheidung bereits erhalten habe. Der Kläger binde damit Ressourcen des Gerichts. Zur Kostengrundentscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung über den Antrag des Klägers noch nicht entschieden und damit Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Allerdings sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung die 6-Monats-Sperrfrist für eine Untätigkeitsklage noch nicht (ganz) verstrichen gewesen. Im Zeitpunkt der Klage sei die Sache bereits entscheidungsreif gewesen.
Der Kläger hat mit DE-Mail vom 26. Februar 2023 "Widerspruch gegen Ihren Bescheid vom 15.07.2022 nach Gerichtsbescheid vom 21.02.2023 in S 5 AL 71/22" erhoben. Er stelle gegen die Beklagten "eine Schadenersatzforderung, als Rechtsform in Antrag auf sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, gemäß § 44 Abs. 4 SGB X." Parallel zum öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch sei von den Sozialgerichten der "sozialrechtliche Herstellungsanspruch" entwickelt worden. Hierbei handle es sich um ein eigenständiges, vom öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch zu unterscheidendes Haftungsinstitut für den Bereich des Sozialrechts. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch diene dem Ausgleich von Schäden, die aus der Verletzung behördliche Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechtsverhältnis resultieren. Durch ihn sollten die Schäden ausgeglichen werden, die aufgrund der Kompliziertheit und Undurchschaubarkeit dieses Teils der Rechtsordnung entstünden. Im Unterschied zum Amtshaftungsanspruch sei der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht auf die Zahlung einer Geldentschädigung gerichtet, sondern auf die Herstellung des Rechtszustandes, der bei ordnungsgemäßem Handeln der Verwaltung bestehen würde.
Weiter hat der Kläger mit DE-Mail vom 16. März 2023 Berufung eingelegt. "Irgendwelche Schreiben des Beklagten (15.07.2022)" stellten keine Bescheide dar, da sie nicht als solche erkennbar seien. Die Bescheiderkennung sei für weitere Rechtsmittel Nutzung notwendig und damit sichtlich darzustellen.
Der Kläger hat im Telefax vom 29. August 2023 ausgeführt:
"In diesem Bezug ist erkennbar, dass meine Forderung in Erkennung der Schandtat des hier Beklagten und Rehabilitation meiner Person darin besteht, dass der hier Beklagte absichtlich mittels Falschdarstellung von Tatsachen Alg I erst zahlte (S 5 AL S 9 AL 129/20), dann rückwärtgewandt zurückforderte (5 5 AL 315/16, S 5 AL 146/20, S 5 AL 189/20), um dann wieder zu zahlen (S 5 AL 202/20). Für dieses Amts-Fehl-Verhalten mit gerichtlicher Unterstützung dient der benannte Herstellungsanspruch ausschließlich im Sozialrecht. Der nun genannte Schadenersatz ist hier nicht finanzieller Art, sondern meine 'Persönlichkeitswiederherstellung nach diesem Amtsmobbing', in schriftlicher Entschuldigungsform durch den hier Beklagten. Der Kläger geht davon aus, dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vorliegt und damit ein Schadenersatzanspruch in finanzieller Form keine Notwendigkeit erhält."
Der Kläger hat im Telefax vom 23. Oktober 2023 zu dem aus seiner Sicht bestehenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und einer Amtspflichtverletzung des Beklagten vorgetragen. Im Telefax vom 12. Januar 2024 hat er sich mit dem Schreiben des Sozialgerichtes vom 14. Juli 2022 auseinandergesetzt. Schließlich hat er im Telefax vom 28. Oktober 2024 auf die rentenrechtlichen Klageverfahren Az.: S 33 R 920/14 und S 37 R 554/16 bezogen die Auffassung vertreten, dass "auch die Renten-Beitragszahlungen an die DRV Bund sowie 'blinde Datenübernahmen' von diesem Rentenversicherers auch ab 30.10.2014, rechtswidrig" seien und die nun vorliegenden Schreiben der DRV Bund für die obige Klage, "nach anzuwendender Rechtslage", nicht relevant und nicht nutzbar seien. Der Kläger hat eine Vielzahl von Aktenzeichen von erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere Klageverfahren aus dem Rechtsgebiet der Arbeitsförderung, aufgeführt und am Ende beantragt, die Akten Az.: S 33 R 920/14 und S 37 R 554/16 beizuziehen.
Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers im Schreiben vom 23. Januar 2025 ist mit Beschluss vom 4. Februar 2025 abgelehnt worden.
Im Schreiben vom 7. Februar 2025 hat der Kläger ausgeführt: "In Bezug zum Verfahren S 19 AL 211/23, erklärt die hier beklagte Bundesagentur für Arbeit mit Schreiben vom 01.März 2023, das selbsterstellte Schreiben vom 15. Juli 2022, klar selbst als Bescheid." Damit liege ein "erlassener Bescheid vom 15.07.2022 mit einer 'Deutungserklärung' vom 01.03.2023” vor. Er beantrage deshalb "obiges Klageverfahren wegen Ihrer PKH-Ablehnung, Ihr Beschluss vom 04.02.2025, in eine Sachklage umzuwandeln oder die betreffende Sachlage zur Abklärung an das Sozialgericht Dresden, eventuell in das laufende Verfahren S 19 AL 211/23, zurückzugeben." In weiteren Schreiben, zuletzt im Schreiben vom 22. Februar 2025, hat der Kläger Ausführungen dazu gemacht, in welchen exemplarischen Fällen die Beklagte einen Bescheid erlassen habe oder noch ein Schreiben als Bescheid behandle.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21. Februar 2023 aufzuheben und über seinen Antrag vom 4. September 2021 zu entscheiden und diesbezüglich einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen,
hilfsweise
das Klageverfahren in eine Sachklage umzuwandeln oder die betreffende Sachlage zur Abklärung an das Sozialgericht Dresden, eventuell in das laufende Verfahren S 19 AL 211/23, zurückzugeben.
Die Beklagte beantragt unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Schriftsatz vom 19. Februar 2025 hat die Beklagte erklärt, dass das Schreiben (Eingangsbestätigung) vom 1. März 2023 keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) darstelle, und dass in eine Klageänderung nicht eingewilligt werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen, die beigezogene Gerichtsakte des Klageverfahrens Az.: S 9 AL 315/16 (nachfolgend L 3 AL 93/19 NZB) sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 21. Februar 2023 die Untätigkeitsklage des Klägers bezüglich seines Antrages vom 4. September 2021 betreffend "eine Schadenersatzforderung, als Rechtsform in Antrag auf sozialrechtlichen Herstellungsanspruch" (unten III.). Hingegen ist der Antrag aus dem Schreiben vom 7. Februar 2025, "obiges Klageverfahren" in eine Sachklage umzuwandeln oder die betreffende Sachlage zur Abklärung an das Sozialgericht Dresden, eventuell in das laufende Verfahren S 19 AL 211/23, zurückzugeben, nicht Gegenstand des Verfahrens geworden (unten IV.).
Der Senat versteht das Rechtsschutzbegehren des Klägers dahingehend, dass er im Berufungsverfahren weiterhin in erster Linie erstrebt, die Beklagte zur Bescheidung seines Antrages vom 4. September 2021 zu verpflichten. Denn der Kläger selbst hat noch im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 8./15. Juli 2022 entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichtes nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X handle. Auch die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass sie dieses Schreiben als Verwaltungsakt verstanden wissen wollte oder will. Im Verhältnis zu dem mit einer Untätigkeitsklage verfolgten Hauptantrag ist der diffuse Antrag im Schreiben vom 7. Februar 2025 lediglich als Hilfsantrag zu verstehen.
III. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2023, mit dem das Sozialgericht seine Untätigkeitsklage abgewiesen hat, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Voraussetzungen für eine, wie vom Kläger betriebene, Untätigkeitsklage sind in § 88 SGG geregelt. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Die Untätigkeitsklage setzt demnach voraus, dass der beklagte Sozialleistungsträger verpflichtet ist, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Die Beklagte hat bezüglich des Antrages des Klägers vom 4. September 2021 entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes noch keinen Bescheid erlassen, weshalb diesbezüglich der Rechtsstreit in der Hauptsache noch nicht erledigt ist (unter 1.). Die Untätigkeitsklage ist jedoch unbegründet, weil es keine Rechtsgrundlage gibt, aufgrund derer der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes hätte (unten 2.)
1. Woraus das Sozialgericht geschlossen hat, dass die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 4. September 2021 entschieden hat, lässt es sich dem angefochtenen Gerichtsbescheid nicht entnehmen. Das Schreiben der Beklagten vom 8./15. Juli 2022 bietet weder dem Inhalt noch der Form nach einen Ansatz dafür, dieses Schreiben als Verwaltungsakt zu qualifizieren.
In dem Schreiben teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bezüglich seines Anspruchs auf Schadensersatz ihrerseits „keine Entscheidung getroffen werden kann", weil dies in die Zuständigkeit des Landgerichtes falle. Noch deutlicher kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass keine "Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme" "zur Regelung eines Einzelfalles" im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X getroffen werden sollte, auch keine den Antrag ablehnende.
Eine Auslegung des Schreibens führt zu keinem anderen Ergebnis. Ob ein behördliches Verwaltungshandeln eine Regelung im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X enthält, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen. Maßgebend ist der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, die die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 – 4 RA 57/89 – BSGE 67, 104 ff. = SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 = juris Rdnr. 31, m. w. N.; BSG, Urteil vom 29. Februar 2024 – B 8 SO 2/23 R – juris Rdnr. 14, m. w. N.). Der nicht rechtskundige, aber aufgrund einer vom Rentenversicherungsträger geförderten Maßnahme mit Grundbegriffen des Verwaltungsrechtes vertraute Kläger hat noch in der Berufungsschrift deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Schreiben der Beklagten vom 8./15. Juli 2022 nicht als Verwaltungsakt verstehe.
Auch wenn die in § 31 Satz 1 SGB X geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen, kann ausnahmsweise ein Schreiben oder eine sonstige behördliche Äußerung als Verwaltungsakt zu behandeln sein, nämlich dann, wenn es sich lediglich der äußeren Form nach um einen Verwaltungsakt handelt, das heißt bei einem sogenannten Formalverwaltungsakt oder bloß formellen Verwaltungsakt (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 – B 5 R 14/10 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 15 = juris Rdnr. 20). Aber auch dies ist vorliegend nicht gegeben. Im Schreiben vom 8./15. Juli 2022 sind weder Begriffe wie "Bescheid", "Verfügung" oder "Verwaltungsakt" noch sonstige Begriff, die auf einen Verwaltungsakt hindeuten könnten, enthalten. Auch ist dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. § 36 SGB X) beigegeben.
2. Die Untätigkeitsklage des Klägers ist unbegründet, weil er keinen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes hat.
Die Untätigkeitsklage ist eine besondere Form der Verpflichtungsklage (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. April 2019 – L 9 R 30/18 B – juris Rdnr. 46; Claus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG [2. Aufl., 2022], § 88 SGG Rdnr. 4) und als Bescheidungsklage ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 14a RKa 1/93 – BSGE 73, 244 ff. = SozR 3-1500 § 88 Nr. 1 = juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 7/06 R – SozR 4-1500 § 54 Nr. 11 = juris Rdnr. 16; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG [14. Aufl., 2023], § 88 Rdnr. 2, m. w. N.). Sie ist unter den in § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 88 SGG geregelten Voraussetzungen zulässig (vgl. Claus, a. a. O.; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. April 2019, a. a. O.). Eine erfolgreiche Untätigkeitsklage setzt voraus, dass die im Einzelfall maßgebende, in § 88 SGG geregelte Sperrfrist abgelaufen ist, dass der Antrag nicht beschieden worden ist, und dass der Kläger einen Anspruch auf Bescheidung seines Antrages hat.
Eine Rechtsgrundlage, auf Grund derer der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes hätte, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich.
a) Einen Amtshaftungsanspruch nach Artikel 34 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), für den die Landgerichte zuständig sind (vgl. Artikel 34 Satz 3 GG i. V. m. § 71 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes [GVG]), verfolgt der Kläger nach seinen ausdrücklichen Erklärungen nicht. Unabhängig davon gibt es keine Rechtsgrundlage, auf Grund derer die Beklagte verpflichtet wäre, über einen außergerichtlich geltend gemachten Amtshaftungsanspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
b) Auch in Bezug auf den vom Kläger angesprochenen, richterrechtlich entwickelten sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gibt es keinen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes im vorliegenden Zusammenhang.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber dem Anspruchsteller obliegende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt hat. Dabei gehören zu den Nebenpflichten, deren Verletzung einen Herstellungsanspruch begründen kann, vor allem die Pflichten zur Beratung (vgl. § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]), Auskunft (vgl. § 15 SGB I), Belehrung und verständnisvollen Förderung des Versicherten. Diese Pflichten sind verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind. Der Leistungsträger ist unter Umständen jedoch auch zu einer Spontanberatung verpflichtet. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (sogenannter Schutzzweckzusammenhang). Erforderlich ist ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung, das die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung seiner Rechte fehlgeleitet hat. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 39, m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = juris, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 23. Juni 2022 – L 3 BK 10/21 – Breithaupt 2023, 56 f. = juris, Rdnr. 70, m. w. N.).
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist allerdings, anders als sein Begriff möglicherweise suggeriert, kein eigenständiger, für sich gerichtlich einklagbarer Anspruch. Vielmehr steht er stets im Zusammenhang mit einem Anspruch auf eine Sozialleistung, wie zum Beispiel einem Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Rente. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann zum Beispiel im Falle einer verspäteten Antragstellung der Antragsteller so gestellt werden, als ob er bei einer ordnungsgemäßen Beratung durch den Sozialleistungsträger den Antrag rechtzeitig gestellt hätte (vgl. hierzu z. B. die Nachweise bei Hassel, in: Brand, SGB III [9. Aufl., 2021], § 323 Anh. Rdnr. 37).
c) Die Untätigkeitsklage des Klägers könnte dann auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sein, wenn der Antrag vom 4. September 2021 einen Überprüfungsantrag in Bezug auf eine nicht, jedenfalls nicht konkret bezeichnete Verwaltungsentscheidung der Beklagten enthalten würde. Ansatzpunkt für eine solche Auslegung des Antrages könnte der Verweis des Klägers auf § 44 Abs. 4 SGB X sein. Allerdings hat der Kläger das, was er von der Beklagten erlangen möchte, zunächst als Schadensersatz und später als "Persönlichkeitswiederherstellung" bezeichnet. Vor diesem Hintergrund will der Kläger mit dem Verweis auf die Vierjahresfrist in § 44 Abs. 4 SGB X lediglich auf eine aus seiner Sicht rechtliche Verbindung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches mit dieser Regelung hinweisen.
Lediglich informatorisch wird angemerkt, dass der Kläger unabhängig davon sein eigentliches Klageziel nicht mit einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X erreichen könnte. Denn mit einem Überprüfungsbescheid kann nur ein unanfechtbarer, bereits bei Erlass rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden, soweit durch diesen Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Hingegen kann weder Schadensersatz noch eine "Persönlichkeitswiederherstellung", das heißt ein Ausgleich von immateriellen Schäden, durch einen Überprüfungsbescheid erlangt werden.
d) Eine im Sozialrecht angesiedelte Anspruchsgrundlage, auf Grund derer eine "Persönlichkeitswiederherstellung" erlangt werden könnte und hierzu der zuständige Sozialleistungsträger einen Verwaltungsakt zu erlassen hätte, ist nicht ersichtlich.
IV. Soweit der Kläger im Schreiben vom 7. Februar 2025 die Umwandlung des Klageverfahrens "in eine Sachklage" oder die "Zurückgabe" an das Sozialgericht Dresden zum anhängigen Verfahren Az.: S 19 AL 211/23 begehrt, ist die darin enthaltene Klageänderung unzulässig.
Zwar können weitere Rechtsschutzbegehren Gegenstand eines Berufungsverfahrens werden, wenn die Voraussetzungen aus § 99 SGG für eine Klageänderung gegeben sind. Eine Klageänderung kann auch in der Form einer Klageerweiterung erfolgen (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Februar 2000 – B 11 AL 247/99 B – juris Rdnr. 2), das heißt wenn das bisherige Klagebegehren um ein weiteres Klagebegehren ergänzt wird.
Das vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren vorgetragene weitere Begehren ist allerdings nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil die für eine Erweiterung des Streitgegenstandes vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Die Regelungen in § 99 SGG über die Klageänderung sind zwar im Berufungsverfahren gemäß § 158 Abs. 1 SGG entsprechend anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2024 – B 4 AS 18/22 R = juris Rdnr. 50; Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Mai 2016 – L 3 AS 167/16 B ER – juris Rdnr. 30). Jedoch sind im Falle der Klägerin die in § 99 Abs. 1 SGG formulierten Voraussetzungen nicht gegeben. Weder liegt ein Ausnahmefall im Sinne von § 99 Abs. 3 SGG, der kraft Gesetzes nicht als Klageänderung anzusehen ist, vor, noch hat der Beklagte in die Änderung des Streitgegenstandes eingewilligt (vgl. § 99 Abs. 1 Alt. 1 SGG) oder hält das Gericht die Änderung für sachdienlich (vgl. § 99 Abs. 1 Alt. 2 SGG).
Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Nach § 91 Abs. 3 SGG ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
1. die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2. der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3. statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
Keine dieser drei Varianten ist vorliegend gegeben.
Wenn die Voraussetzungen des § 91 Abs. 3 SGG nicht vorliegen, mithin eine Klageänderung im prozessrechtlichen Sinne gegeben ist, ist die Klageänderung nur zulässig, wenn eine der beiden in § 91 Abs. 3 SGG benannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Die Beklagte hat in die Klageänderung weder ausdrücklich noch stillschweigend eingewilligt (vgl. hierzu § 99 Abs. 1 Alt. 1 SGG). Ihre Einwilligung ist auch nicht gemäß § 99 Abs. 2 SGG anzunehmen. Denn sie hat ausdrücklich ihrer Einwilligung versagt.
Diese Klageänderung in der Form einer Klageerweiterung ist auch nicht sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 Alt. 2 SGG.
An der Sachdienlichkeit einer Klageänderung fehlt es unter anderem, wenn der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt würde (vgl. BSG, Beschluss vom 7. August 2017 – B 11 AL 7/17 BH – juris Rdnr. 5; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG [14. Aufl., 2023], § 99 Rdnr. 10a, m. w. N.), oder wenn die geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzungen gleich wieder als unzulässig abgewiesen werden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 – 4 RA 39/91 – juris Rdnr. 19; Guttenberger: in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG [2. Aufl., 2022], § 99 SGG Rdnr. 28; Haupt/Wehrhahn, in: Fichte/Jüttner, SGG [3. Aufl., 2020], § 99 SGG Rdnr. 17).
Dies ist hier der Fall. Denn während bei einer Untätigkeitsklage zu prüfen ist, ob die Behörde einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden hat und deshalb zur Bescheidung des Antrages verurteilt werden kann, verfolgt der Kläger mit seinem erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachten neuen Rechtsschutzbegehren das Ziel, dass nunmehr eine inhaltliche Befassung mit seiner Forderung nach Schadensersatz oder "Persönlichkeitswiederherstellung" erfolgen soll.
V. Dem Antrag des Klägers, die Akten der Klageverfahren beim Sozialgericht Dresden Az.: S 33 R 920/14 und S 37 R 554/16 beizuziehen, wird nicht entsprochen, weil sie für die Entscheidung über Berufung gegen die die Untätigkeitsklage abweisende Entscheidung des Sozialgerichtes nicht entscheidungserheblich sind.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung konnte dabei auch die für die Beklagte zum Teil ungünstige Kostenentscheidung des Sozialgerichts geändert werden, obwohl nur der Kläger Berufung eingelegt hat. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. November 2013 – L 13 R 1662/12 – juris Rdnr. 82; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG [2. Aufl., 2022], § 193 SGG Rdnr. 20; so zur Revision: BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R – BSGE 98, 267 ff, = SozR 4-1300 § 104 Nr. 2 = juris Rdnr. 38; a. A. z. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG [14. Aufl., 2023], § 193 Rdnr. 2a, m. w. N.).
Bei der Kostengrundentscheidung bezüglich des erstinstanzlichen Verfahrens ist berücksichtigt worden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes bezüglich seines Antrages vom 4. September 2021 hat und damit die Klage von Anfang an unbegründet gewesen ist. Allein die anfänglich seitens der Beklagten unterbliebene Reaktion auf den Antrag des Klägers rechtfertigt im vorliegenden Zusammenhang nicht, ihr unter dem Gesichtspunkt der Mitursächlichkeit einen Teil der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
VII. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.