Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Bremen vom 29. März 2023 und des Bescheides des Beklagten vom 30. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2021 wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 451,01 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt 54% und die Klägerin 46% der Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 835,50 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens i.H.v. 835,50 € aus übergegangenem Recht.
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung. Auf ihrem Internetauftritt warb sie damit, dass für ihre Dienstleistungen bei der Vertretung in Streitfällen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) den Mandanten selbst keine Kosten entstehen. Hierzu tätigte sie die Aussage „für Sie bleibt’s kostenlos.“ Unter der Frage „wer zahlt?“ erläuterte die Klägerin, die Kosten würden je nach Verfahrensart und Ausgang durch Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe oder Kostenerstattungsansprüche gegen die Behörde im Obsiegensfalle gedeckt.
Die Klägerin vertrat ihren Mandanten I., der Leistungen nach dem SGB II bezog, in einem Widerspruchsverfahren gegen einen Änderungsbescheid des Beklagten vom 17. März 2021. Der Änderungsbescheid erging gegenüber dem Mandanten sowie gegen seine ebenfalls zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Ehefrau und seine Kinder. Das Amtsgericht J. bewilligte ausschließlich dem Mandanten hierfür am 26. Mai 2021 Beratungshilfe.
Für das Widerspruchsverfahren hatte ebenfalls ausschließlich der Mandant I. die Klägerin bevollmächtigt. Die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft blieben unerwähnt und unterzeichneten die Vollmacht nicht. Als Vollmachtsurkunde diente ein von der Klägerin für sämtliche Mandatsverhältnisse verwendetes Formblatt. Neben den eigentlichen Regelungen zur Bevollmächtigung enthielt es unter Nummer 4 folgende Klausel:
Im Übrigen wurde mit der Unterzeichnung der Vollmacht den Mandatsbedingungen der Klägerin zugestimmt.
Diese enthielten u.a. folgende Klausel:
„5.1. Die zu entrichtende Vergütung richtet sich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) nach dem Gegenstandswert der Angelegenheit, sofern nicht ausdrücklich schriftlich etwas Abweichendes vereinbart wird.
5.2. Im Falle der Bewilligung von Beratungshilfe, sind mit dieser alle Kosten der Kanzlei abgegolten, die im Zusammenhang mit der rechtlichen Angelegenheit, für die Beratungshilfe bewilligt wurde, gegenüber dem Mandanten entstehen. Die Kanzlei darf darüber hinaus keine weiteren Kosten in Rechnung stellen.
5.3. Kostenerstattungsansprüche und andere Ansprüche des Mandanten gegen den Gegner, die Justizkasse oder sonstige erstattungspflichtige Dritte werden in Höhe der Kostenansprüche an die Kanzlei abgetreten, mit der Ermächtigung, die Abtretung dem Zahlungspflichtigen mitzuteilen. Die Kanzlei nimmt die Abtretung an.
5.4. An die Kanzlei geleistete Zahlungen Dritter (Gegner, Rechtsschutzversicherung, Sonstige) verwahrt die Kanzlei bis zum Abschluss des Mandats als Fremdgeld für den Mandanten, soweit die Kanzlei sie nicht mit offenen Ansprüchen auf Vergütung, Auslagen und Zinsen aus derselben oder einer anderen Rechtssache des Mandanten verrechnet.
5.5. Mehrere Mandanten in einer Rechtssache sind Gesamtschuldner der Kostenansprüche der Kanzlei.“
Der Beklagte half dem Widerspruch des Mandanten mit Bescheid vom 9. Juli 2021 ab, hob den Änderungsbescheid vom 17. März 2021 vollumfänglich gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft auf und entschied, auf Antrag die entstandenen Kosten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen werden, zu erstatten.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2021 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung von insgesamt 835,50 €. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) i. H.v. 359 € zuzüglich einer Erhöhungsgebühr i.H.v. 323,10 € für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Mandanten, der Telekommunikationspauschale von 20 € sowie Umsatzsteuer i.H.v. 133,40 €.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 30. August 2021 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten im Widerspruchsverfahren auf 0 € fest. Die Kosten seien zwar mit dem Abhilfebescheid dem Grunde nach anerkannt. Es könne aber vorliegend von der Klägerin kein Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht werden, denn im Innenverhältnis könne eine Kostentragungspflicht nicht festgestellt werden. Zwischen dem Mandanten und der Klägerin sei kein wirksamer Anwaltsvertrag abgeschlossen worden, der eine Kostentragungspflicht des Mandanten begründe. In ihrem Internetauftritt werbe die Klägerin damit, dass im Sozialrecht eine kostenlose Überprüfung von „Hartz-4-Bescheiden“ inklusive Widerspruchs- und Klageverfahren gegen das Jobcenter erfolge. Die Aussage zur Kostenfreiheit sei absolut und werde nicht in Hinblick auf ein bestehendes Kostenrisiko relativiert. Aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts müsse ein potentieller Mandant davon ausgehen, ihm entstünden keine Kosten für das Widerspruchsverfahren. Des Weiteren sei der Anwaltsvertrag insgesamt sittenwidrig und gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Die Klägerin nutze die Kostenlosigkeit der Verfahren im Bereich des SGB II aus, indem sie aktiv mit Kostenlosigkeit werbe und dementsprechend ihren Mandantenkreis vergrößern könne.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 9. September 2021, welches am selben Tage bei dem Beklagten einging, Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, zunächst bestehe ein Kostenerstattungsanspruch aufgrund der Tatbestandswirkung des Abhilfebescheides. Darüber hinaus werde auf der Homepage lediglich die Überprüfung der Bescheide kostenlos angeboten. Dies gelte nicht für das Widerspruchsverfahren. Es sei zu berücksichtigen, dass fast immer Beratungshilfe bewilligt werde, was dem Anwalt verbiete, Kosten gegenüber dem Mandanten geltend zu machen. Man differenziere zwischen Prüfung eines Bescheides, Widerspruchsverfahren und Klageverfahren und lege dar, dass im Obsiegensfalle der Beklagte die Kosten zu tragen hätte und im Unterliegensfalle staatliche Unterstützungsleistungen wie Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe griffen. Aus der Neufassung von § 4 Abs. 1 S. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) folge entsprechend der gesetzgeberischen Intention, dass die Tätigkeit von Rechtsanwälten pro bono gefördert werden solle. Wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe vorlägen, dürfe ein Rechtsanwalt auf seine Gebühren verzichten. Hierfür sei nicht erforderlich, dass Beratungshilfe tatsächlich gewährt werde, sondern allein, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung vorlägen. Hiervon solle aber nach der ausdrücklichen Gesetzesbegründung ein erstattungspflichtiger Dritter nicht profitieren. Dementsprechend bleibe gemäß § 4 Abs. 1 S. 4 RVG der Kostenerstattungsanspruch nach § 9 Beratungshilfegesetz (BerHG) unberührt. Demnach habe ein erstattungspflichtiger Dritter die Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften an die Beratungsperson zu zahlen. Ein zwischen Mandant und Rechtsanwalt vereinbarter Gebührenverzicht könne sich somit niemals zu Gunsten des erstattungspflichtigen Gegners auswirken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2021 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er verwies auf seine Ausführungen im Kostenfestsetzungsbescheid und führte ergänzend aus, potentielle Mandanten würden auf der Homepage nicht darauf hingewiesen, dass bei Nichtbewilligung von Beratungskostenhilfe für sie ein Kostenrisiko bestehe. Auch aus der cessio legis gemäß § 9 S. 2 BerHG könne die Klägerin keinen Anspruch geltend machen. Auch hierzu sei erforderlich, dass im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandat überhaupt ein Vergütungsanspruch bestehe.
Die Klägerin hat am 23. Dezember 2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Sie hat ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.
Das SG hat mit Zustimmung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 29. März 2023 entschieden und die Klage abgewiesen. Es lägen zwar die gesetzlichen Voraussetzungen eines Übergangs der Kostenerstattungsforderung gemäß § 9 BerHG vor. Es seien dem Mandanten jedoch keine erstattungsfähigen Aufwendungen entstanden. Die Klägerin habe einen nach § 49b Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) unzulässigen generellen Gebührenverzicht erklärt. Rechtsfolge sei die Nichtigkeit der Gebührenabrede. Im Übrigen bleibe zwar der Rechtsanwaltsvertrag wirksam, es sei der Klägerin jedoch verwehrt, Gebühren nach dem RVG geltend zu machen.
Am 23. Mai 2023 hat die Klägerin gegen das ihr am 26. April 2023 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, aus der Homepage ergebe sich lediglich die kostenlose Bescheidprüfung. Bei einem verlorenen Widerspruchs- oder Klageverfahren werde für den durchschnittlichen Betroffenen deutlich, dass diese Kosten sodann von der Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe gedeckt werden würden. Die Klägerin suggeriere zu keinem Zeitpunkt, dass ein genereller Gebührenverzicht vorliege. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein genereller Gebührenverzicht derart konkludent vereinbart werden könne.
Auch die konkret unterzeichnete Vollmacht enthalte keinen generellen Gebührenverzicht. Vielmehr verweise die Vollmacht auf die im Internet einsehbaren Mandatsbedingungen. Die Internetpräsenz differenziere zwischen einer Prüfung eines Bescheides, einem Widerspruchsverfahren und einem Klageverfahren und stelle die entsprechenden kostenrelevanten Aspekte dar. Würde sie auf einen Kostenerstattungsanspruch vollständig verzichten wollen, würde sie folgerichtig auch nicht die Beantragung der Beratungshilfe verlangen.
Selbst wenn ein Fall der unzulässigen Gebührenunterschreitung i.S.v. § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO vorliegen sollte, so führe dies nicht zu einer Nichtigkeit des Anwaltsvertrags und damit zum Wegfall des Kostenerstattungsanspruchs gegen den Beklagten. Sollten gesetzliche Vorschriften einen Beteiligten vor Benachteiligungen schützen, wie hier das anwaltliche Gebühren- und Standesrecht, so beschränke sich die Nichtigkeit entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes auf die unzulässige Abrede. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe bereits entschieden, dass eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant, die gegen die Formvorschriften und die Voraussetzungen für den Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung nach § 4a Abs. 1 und 2 RVG verstoße, wirksam sei. Aus ihr könne die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung gefordert werden. Diese Rechtsprechung könne auch auf einen Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO übertragen werden.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des SG Bremen vom 29. März 2023 und den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 835,50 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG], ist teilweise begründet.
Das Urteil des SG vom 29. März 2023 und der Bescheid des Beklagten vom 30. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2021 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als nicht die Erstattung von Kosten i.H.v. 451,01 € festgesetzt wurde. Insoweit ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 54 Abs. 4 SGG zulässig und begründet.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Mandanten ist i.H.v 451,01 € entstanden und auf die Klägerin übergegangen. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten ist die auf Grundlage von § 63 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergangene Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 9. Juli 2021, nach der der Beklagte die notwendigen und nachgewiesenen Kosten im Widerspruchsverfahren erstattet. Der Anspruch setzt sich zusammen aus der Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG zuzüglich der Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20 € und der nach 7008 VV RVG zu berücksichtigenden Umsatzsteuer von 19 %, mithin 72,01 €. Die von der Klägerin ebenfalls geltend gemachten Erhöhungsgebühren nach Nr. 1008 VV RVG haben außer Betracht zu bleiben, denn sie war im Widerspruchsverfahren – auch nach ihrem eigenen Klagevortrag – ausschließlich vom Mandanten und nicht auch von den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft beauftragt. Mithin können auch nur dem Mandanten selbst erstattungsfähige Rechtsanwaltskosten im Widerspruchsverfahren entstanden sein.
Der Kostenerstattungsanspruch des Mandanten ist gemäß § 9 S. 1 und 2 BerHG auf die Klägerin im Wege der cessio legis übergegangen, sodass die Klägerin nunmehr Anspruchsinhaberin ist.
Ist Beratungshilfe gewährt worden, so hat gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BerHG der Gegner dann, wenn er verpflichtet ist, Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung ihrer Rechte zu ersetzen, für die Tätigkeit der Beratungsperson die Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften zu zahlen. Nach Satz 2 der Vorschrift geht der Anspruch auf die Beratungsperson, vorliegend die Klägerin, über. Der Mandant erhielt durch das Amtsgericht Bochum Beratungshilfe, sodass der Anwendungsbereich des § 9 BerHG eröffnet ist.
Der Beklagte setzte mit Abhilfebescheid vom 9. Juli 2021 nach Maßgabe von § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch SGB X fest, dass er die notwendigen Kosten für das Widerspruchsverfahren erstatten werde. Die anschließende Festsetzung eines Erstattungsbetrags von 0 € mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 30. August 2021 erweist sich als rechtswidrig. Ein übergangsfähiger Vergütungsanspruch der Klägerin ist entstanden. Er ist beschränkt auf die Kosten, die für das Tätigwerden für den Mandanten angefallen sind.
Zunächst ist durch den Kostentenor des Abhilfebescheides vom 9. Juli 2021 ein Kostenerstattungsanspruch des Mandanten bestandskräftig festgestellt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser werthaltig und auf die nach dem RVG zu bemessenen Rechtsanwaltsgebühren gerichtet. Der Beklagte kann der Klägerin auch nicht entgegenhalten, dass ihre Rechtsanwaltsvergütung als Kosten nicht notwendig waren oder nicht geschuldet sind.
Die Klägerin hat nicht zu Gunsten des Beklagten auf einen Gebührenanspruch verzichtet und im Übrigen auch keinen unzulässigen generellen Gebührenverzicht erklärt, der einen Vergütungsanspruch mit Wirkung zu Gunsten des Beklagten entfallen lässt.
Die Mandatsbedingungen, denen der Mandant mit Unterzeichnung der Vollmacht zustimmte, verweisen in Nr. 5.1 ausdrücklich auf die gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Darüber hinaus enthält die Vollmachtsurkunde selbst eine Regelung über die Abtretung von Vergütungsansprüchen. Hieraus geht hervor, dass gerade keine Gebührenfreiheit vertraglich zwischen Mandant und Klägerin vereinbart ist. Ob die Vergütungsabtretung im Rahmen der Vollmacht wirksam ist oder eine überraschende Klausel i. S. v. § 305c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellt, kann vorliegend im Hinblick auf den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 9 S. 2 BerHG dahinstehen.
Demgegenüber warb die Klägerin zwar auf der Internetpräsenz mit dem Satz „Für Sie bleibt’s kostenlos!“. Dabei verweist sie aber darauf, wer anstelle des Mandanten die Kosten zu tragen hat. Für den Fall des Unterliegens ist etwa ausgeführt, der Staat trage die Kosten über Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe. Für den Obsiegensfall verweist die Homepage auf Kostenerstattungsansprüche. Die Möglichkeit, dass ein Antrag auf Beratungs- oder Prozesskostenhilfe abgelehnt werden kann, bleibt unerwähnt. Nach den Regelungen der allgemeinen Mandatsbedingungen wird aber auch für diesen Fall kein Vergütungsverzicht vertraglich vereinbart.
Die – unbedingte - Ankündigung auf der Homepage, dass es für den Mandanten kostenlos bleibe, kann im Hinblick darauf, dass vertraglich gerade keine Gebührenfreiheit zwischen Mandant und Klägerin vereinbart sein soll, lediglich die Ankündigung eines nachträglichen Gebührenverzichts darstellen, sofern tatsächlich keine Beratungs- bzw. Prozesskostenhilfe gewährt wird oder kein Erstattungsanspruch gegenüber Dritten besteht. Im Falle des Mandanten ist tatsächlich Beratungshilfe gewährt worden. Schon daher kann nicht von einem Gebührenverzicht für das Tätigwerden im Widerspruchsverfahren ausgegangen werden. Es besteht gegenüber dem Mandanten ein auf den Beratungshilfebetrag beschränkter Vergütungsanspruch (§ 8 Abs. 2 S. 1 BerHG). Aus § 9 S. 1 BerHG folgt sodann, dass im vorliegenden Obsiegensfall der Beklagte verpflichtet ist, die Rechtsanwaltsgebühren nach allgemeinen Vorschriften zu erstatten. Im Ergebnis entspricht der vorliegende Fall gerade den Angaben der Klägerin auf der Homepage: Für den Mandanten bestand kein Kostenrisiko. Kosten werden jedenfalls durch die Beratungshilfe als Sozialleistung gedeckt.
Der Beklagte kann auch darüber hinaus aus den Angaben auf der Homepage der Klägerin nicht ableiten, dass auch zu seinen Gunsten auf eine Rechtsanwaltsvergütung verzichtet werden soll. Allein aus der Zusage, dass es für die Mandanten kostenlos bleibt, lässt sich kein unbedingter Vergütungsverzicht auch gegenüber dem Gegner ableiten. Es kann nicht angenommen werden, dass ein Rechtsanwalt auch zu Gunsten des erstattungspflichtigen Jobcenters auf Rechtsanwaltsgebühren verzichten will, wenn er seinem Mandanten einen solchen Verzicht für den Fall in Aussicht stellt, dass kein Zahlungsanspruch gegen Dritte – das Jobcenter oder die Staatskasse – zu erlangen sein sollte (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. Dezember 2019 – B 14 AS 46/18 R – juris Rn. 17). Die zitierte Entscheidung des BSG erging in einem Fall, in dem der Rechtsanwalt erklärt hatte, es gehe „auf seine Kappe“, wenn der Widerspruch weder zu einer positiven Kostengrundentscheidung führen noch nachträglich Beratungshilfe gewährt werden sollte. Eine derartige Ankündigung eines Gebührenverzichts bei einem erfolglos eingelegten Widerspruch zieht keinen Verlust des anwaltlichen Gebührenanspruchs im Erfolgsfall nach sich (BSG a. a. O. Rn. 14). Im Falle der Klägerin hat diese in ihrem Internetauftritt auch ausdrücklich dargestellt, dass bei erfolgreichem Widerspruch die Kosten der Behörde zur Last fallen und damit deutlich gemacht, dass sie beabsichtigt, ihre Gebühren beim Beklagten geltend zu machen.
Erst recht kann somit der Aussage „für Sie bleibt’s kostenlos“ keine Wirkung zu Gunsten des Beklagten beigemessen werden, wenn Beratungshilfe bewilligt worden ist und somit aus § 9 S. 1 BerHG ausdrücklich folgt, dass – trotz des im Rahmen der Beratungshilfe zunächst geringeren Honorars – im Obsiegensfall die geschuldeten regulären Gebühren nach dem RVG vom Beklagten an den Rechtsanwalt zu entrichten sind.
Schließlich kann es nicht darauf ankommen, ob – wie in dem vom BSG entschiedenen Fall – der Rechtsanwalt den Gebührenverzicht im konkreten Einzelfall in Aussicht stellt, oder er auf seiner Homepage eine generelle Aussage dahingehend trifft. Es muss hierbei dabei bleiben, dass nicht entgegen dem Wortlaut, der sich ausdrücklich nur auf eine Gebührenfreiheit für den Mandanten bezieht, auch der Beklagte von einem Gebührenverzicht profitieren soll. Schließlich erging die Entscheidung zur alten Rechtslage, nach der ausschließlich im Einzelfall ein nachträglicher Gebührenverzicht zulässig war.
Ein Gebührenverzicht wäre – sofern tatsächlich keine Beratungshilfe gewährt worden wäre - auch zulässig. Nach hier anwendbarem Recht kann ein vollständiger Gebührenverzicht bereits bei Abschluss des Mandatsvertrages erfolgen und erst recht in Aussicht gestellt und nachträglich erklärt werden. Nach § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO ist es für Rechtsanwälte grundsätzlich unzulässig, geringere als die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG zu fordern. Satz 2 der Vorschrift sieht lediglich für den Einzelfall vor, dass nach Erledigung des Auftrags der Rechtsanwalt den besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere der Bedürftigkeit, Rechnung durch Ermäßigung oder Erlass von Gebühren oder Auslagen trägt. Nunmehr sieht § 4 Abs. 1 S. 3 RVG ausdrücklich vor, dass Rechtsanwälte in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe vorliegen, in außergerichtlichen Angelegenheiten ganz auf Vergütung verzichten können. Für die reine Beratungstätigkeit, etwa die Prüfung des Bescheids ohne Vertretung, folgt die Möglichkeit des Gebührenverzichts schon aus § 34 Abs. 1 RVG. Mit der Neufassung von § 4 RVG wollte der Gesetzgeber die kostenfreie anwaltliche Tätigkeit pro bono fördern und damit auch eine Grundlage für einen schon damals häufig praktizierten Gebührenverzicht schaffen. Dadurch, dass allein darauf abgestellt wird, dass die Voraussetzungen für Beratungshilfe vorliegen, soll ein oft als unverhältnismäßig empfundener Aufwand, diese zu beantragen, vermeidbar sein. Dabei sieht § 4 Abs. 1 S. 4 RVG vor, dass § 9 BerHG unberührt bleibt. Hieraus folgt nach der gesetzgeberischen Intention, dass ein erstattungspflichtiger Dritter gerade nicht von der Tätigkeit pro bono profitieren soll (BT-Drs. 17/11472, S. 49).
Aus dieser klaren gesetzgeberischen Intention folgt, dass der Beklagte auch nicht geltend machen kann, der Rechtsanwaltsvertrag zwischen Mandanten und Klägerin sei insgesamt oder teilweise wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin obsiegt zu 54%, sodass die Kosten dem Beklagten zu diesem Anteil aufzuerlegen sind.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.