L 7 R 871/25 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 380/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 871/25 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Februar 2025 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

Die form- und fristgerecht (vgl. § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) am 17. März 2025 eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss vom 27. Februar 2025 – dem ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 28. Februar 2025 zugestellt – ist statthaft (vgl. § 172 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist das Begehren des Antragstellers auf (vorläufige) Bewilligung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, welche die Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2023 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. Oktober 2024 abgelehnt hat. Die hiergegen zum SG erhobene Klage ist dort weiterhin unter dem Az. S 5 R 2932/24 anhängig. Bereits am 4. Oktober 2024 hat der Antragsteller bei dem SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az. S 5 R 2649/24 ER), welche das SG mit Beschluss vom 12. November 2024 abgelehnt hat. Die hiergegen zu dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 12. Dezember 2024 – L 13 R 3408/24 ER-B). Das SG hat den erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 13. Februar 2025 mit Beschluss vom 27. Februar 2025 abgelehnt. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Er sei im Rahmen des Rentenverfahrens zwei Mal persönlich durch die Ärztin L1 begutachtet worden, wobei eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens nicht habe festgestellt werden können. Auch aus den übrigen Unterlagen ergebe sich ein entsprechender Anspruch nicht, hinsichtlich des Widerspruchbescheides vom 12. Dezember 2024, welcher sich mit einem Anspruch auf eine Rehabilitationsbehandlung nach dem Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) befasse, ergebe sich dies schon daraus, dass ein Anspruch auf eine medizinische Rehabilitationsbehandlung nach dem SGB VI im Vergleich zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbminderung nach dem SGB VI völlig anderen Voraussetzungen folge. Aus einer (derzeit) fehlenden Rehabilitationsfähigkeit könne sich die Erforderlichkeit einer (ggf. intensivierten) akutmedizinischen Behandlung ergeben, nicht hingegen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die im Hauptsacheverfahren S 5 R 2932/24 eingeholten Arztauskünfte der behandelnden Hausärztin V1 sowie der behandelnden H1 machten weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren erforderlich, daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass ein Anspruch auf die begehrte Rente überwiegend wahrscheinlich sei. Auch eine Folgenabwägung gehe zu Lasten des Antragstellers. Die geltend gemachten Folgen seien unverändert dieselben, wie sie bereits im Eilverfahren S 5 R 2649/24 ER geltend gemacht worden seien. Insbesondere könne der (grundsicherungsrechtliche) Bedarf des Antragstellers von diesem aus den Einnahmen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung getragen werden; sein soziokulturelles Existenzminimum sei gesichert. Das darüberhinausgehende Bedürfnis, seine Lebensführung im dem Maß aufrechtzuerhalten, wie es ihm während der Zeiten, in denen er Erwerbseinkünfte erzielt bzw. Kranken- oder Arbeitslosengeld bezogen habe, möglich gewesen sei und bestehende Verbindlichkeiten bedienen zu können, trete gegenüber dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer gesetzeskonformen Mittelverwendung zurück. Dagegen richtet sich der Antragsteller unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen mit seiner Beschwerde.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B – FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind vorliegend nicht gegeben. Dabei dürfte dem Antrag bereits die Rechtskraft des Beschlusses des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2024 (L 13 R 3408/24 ER-B) entgegenstehen. Auch Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind (analog § 141 SGG) der materiellen Rechtskraft fähig (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. auch zum Folgenden Senatsbeschluss vom 16. August 2018 – L 7 SO 2248/18 ER-B – juris Rdnr. 5 m.w.N.). Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, indem der wiederholte Streit der Beteiligten über dieselbe Streitsache mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verhindert wird. Ein derartiges Bedürfnis besteht auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, denn dieser Rechtsbehelf hat nicht die bloß vorläufige Regelung eines endgültigen Zustands, sondern die endgültige Regelung eines vorläufigen Zustandes zum Gegenstand. Ist daher ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig als unbegründet abgelehnt worden, so steht einem erneuten Antrag die Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses entgegen, sofern sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht verändert haben. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann jedoch trotz früherer rechtskräftiger Ablehnung dann wiederholt gestellt werden, wenn nach der früheren Entscheidung neue Tatsachen entstanden sind, welche eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen. Das Vorliegen neuer Tatsachen ist nicht bereits aus der nach dem Erlass des Beschlusses vom 12. Dezember 2024 im erstinstanzlichen Klageverfahren erfolgten Vorlage der sachverständigen Zeugenauskünfte der H1 (Auskunft vom 4. Februar 2025, wobei eine Befunderhebung letztmals am 15. November 2024 stattgefunden haben dürfte) und der Hausärztin V1 (Auskunft vom 4. Februar 2025) herzuleiten, die jeweils von einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Antragstellers ausgehen. Denn dass den Leistungseinschätzungen ein anderer, insbesondere verschlechterter Gesundheitszustand bzw. neu hinzugekommene Gesundheitsstörungen zugrunde liegen würden, ist nicht ersichtlich. 

Jedenfalls ist jedoch auch unter Berücksichtigung dieser neuen ärztlichen Unterlagen weiterhin nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Erwerbsminderungsrente hat, ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss den zugrundeliegenden Sachverhalt und die rechtlichen Grundlagen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend gewürdigt. Der Senat nimmt hierauf Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer erneuten Darstellung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Ergänzend ist insoweit lediglich folgendes auszuführen: Die Einschätzung der behandelnden H1 stützt sich hauptsächlich auf die subjektiven Beschwerdeangaben des Antragstellers ohne diese selbst kritisch zu hinterfragen. Dies wäre jedoch insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich aus dem Gutachten der L1 vom 24. Juli 2024 Anhaltspunkte für eine nicht authentische Beschwerdepräsentation ergeben, erforderlich, um die Angaben der sachverständigen Zeugen der Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für einen Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Erwerbsminderungsrente zugrunde legen zu können. L1 hat insoweit ausgeführt, dass sich anhand der Testdiagnostik ein klarer Anhalt für eine erheblich negativ verzerrte Beschwerdeschilderung ergeben habe. Bei erheblicher Verdeutlichungstendenz sei eine quantitative Minderung weiterhin nicht sicher belegbar. Der sachverständigen Zeugenauskunft der Hausärztin V1 ist insoweit ebenfalls keine belastbare Erkenntnisgrundlage für eine abweichende Bewertung zu entnehmen, zumal diese ihre Leistungseinschätzung fachfremd auf die psychischen Beeinträchtigungen des Antragstellers stützt.

Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass weitere Ermittlungen eine zum Bezug einer Erwerbsminderungsrente berechtigende Einschränkung des Leistungsvermögens beim Antragsteller ergeben, doch lässt sich dies beim gegenwärtigen Sachstand nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorhersehen.

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers, soweit diese durch die Entscheidung berührt werden, umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris). Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des 13. Senats in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2024 an, auf die auch schon das SG verwiesen hat. Änderungen, die insoweit eine andere Beurteilung erforderlich erscheinen ließen, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Auch insoweit nimmt der Senat daher auf die Ausführungen des SG Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved