L 2 SO 978/25 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 461/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 978/25 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. März 2025 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. März 2025 wird zurückgewiesen.



Gründe


Die Beschwerde des 1980 geborenen, voll erwerbsgeminderten Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Reutlingen vom 14.03.2025 hat keinen Erfolg. Mit diesem Beschluss hat das SG den Antrag des Antragstellers vom 26.02.2025, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm abweichend zum Bescheid vom 26.11.2024 für Januar bis Juni 2025 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten zu gewähren, abgelehnt.

Der 1980 geborene, voll erwerbsgeminderte Antragsteller der vom Antragsgegner zunächst laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bis 30.09.2021 bezogen hatte (vgl. Bewilligungsbescheide vom 23.06.2021 und 20.08.2021 sowie Aufhebungsbescheid vom 23.09.2021), erhält seit 01.01.2024 vom Antragsgegner wieder laufende Leistungen nach dem SGB XII, nachdem davor keine Leistungen gewährt worden waren (vgl. z.B. Bescheid vom 05.06.2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2023, mit dem der Antrag des Antragstellers vom 13.01.2023 auf [Weiter-]Gewährung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.01.2023 ablehnt worden war). Im Rahmen der Leistungsgewährung berücksichtigt der Antragsgegner seit dem 01.01.2024 als sozialhilferechtlichen Bedarf den jeweils maßgeblichen Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 abzüglich des Einkommens in Form der vom Antragsteller bezogenen Erwerbsminderungsrente. Unterkunftskosten wurden nicht anerkannt, so zuletzt auch im Bescheid vom 26.11.2024 für den Zeitraum vom 01.01.2024 bis 30.06.2025.

Die am 20.03.2025 beim SG zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 14.03.2025 ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach § 173 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 02.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGE 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 14.03.2019 - 1 BvR 169/19 - juris, Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - <beide juris> jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das SG das Ablehnungsgesuch wegen offensichtlicher Unzulässigkeit verworfen hat - der Antragsteller hat noch nicht einmal einen Ablehnungsgrund genannt - und der abgelehnte Richter von dieser Entscheidung auch nicht ausgeschlossen war (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 20.07.2021 - 2 BvE 4/20 - juris, Rdn. 35 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller /Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 60 Rn. 10b, d).
Ausgehend von soeben dargestellten Grundsätzen hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden ist. Hierbei ist das SG unter Bezugnahme auf zwei Beschlüsse des Senats (Beschlüsse vom 02.05.2023, L 2 SO 1053/22 ER-B und vom 19.12.2024, L 2 SO 3095/23 B) zu Recht davon ausgegangen, dass kein höherer Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung glaubhaft gemacht worden ist, da nach wie vor erhebliche Zweifel am Bestehen eines wirksamen Mietzinsverlangens der Mutter des Antragstellers bestehen. Weiter hat das SG zu Recht darauf verwiesen, dass entgegen der Auffassung des Antragstellers keine Rechtfertigung dafür besteht, ohne anerkannten Mietvertrag Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Anders als der Antragsteller meint, ist es - gerade unter nahen Familienangehörigen - nicht ausgeschlossen, dass Personen kostenfrei in einer Wohnung leben. Der Wohnbedarf des Antragstellers ist auch nicht gefährdet, denn die jetzige Wohnsituation besteht seit Jahren ohne Gewährung von Leistungen für die Unterkunft. Insoweit wird auf die Begründung des SG verwiesen und gem. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG von einer weiteren Begründung abgesehen.

Auch aus dem Vortrag im Beschwerdeverfahren ergibt sich nichts Anderes. Der Antragsteller trägt hier vor, dass es ihm um die Bearbeitung seines Antrages für den Leistungszeitraum ab dem 01.01.2023 gehe. Dies benötige er für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren. Hierbei verkennt der Antragsteller zum einen, dass über seinen Antrag vom 13.01.2023 sehr wohl bereits entschieden worden ist (vgl. Bescheid vom 05.06.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2023. Die hiergegen erhobene Klage war anhängig bei SG Reutlingen unter dem Aktenzeichen S 4 SO 1182/23 und ist mit Urteil vom 17.03.2025 abgewiesen worden. Am 25.03.2025 hat der Antragsteller hiergegen Berufung eingelegt, L 2 SO 1096/25) und die Leistungsgewährung ab 01.01.2023 zudem bereits Gegenstand eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens beim SG (S 4 SO 1688/23 ER) und eines Beschwerdeverfahrens (L 2 SO 2683/23 ER-B) war.

Darüber hinaus begehrt der Antragsteller damit (höhere) Leistungen ab 01.01.2023 und damit Leistungen für die Vergangenheit. Leistungen für die Zeit vor Antragseingang bei Gericht scheiden jedoch grundsätzlich aus. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB XII geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller /Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 86b, Rn. 35a m.w.N.). Solche Umstände sind hier weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden, denn inwieweit die Gewährung dieser Leistungen auf ein vom Antragsteller geführtes Verfahren beim Verwaltungsgericht Auswirkungen haben soll, hat der Antragsteller weder nachvollziehbar dargelegt, noch ist ersichtlich, warum ihm hier ein Abwarten auf den Ausgang des Hauptsachverfahrens nicht zumutbar ist.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Aus diesen Gründen ist auch die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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