L 2 BA 3499/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 BA 245/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 BA 3499/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.



Gründe


I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene bezüglich seiner Tätigkeit als Frachtführer in der Zeit vom 1. Mai 2016 bis 30. September 2021 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand.

Die Klägerin ist ein regionaler Zeitungsverlag mit Verbreitungsgebiet in K1 und in den ländlichen Umlandgemeinden. Für die Verbreitung der eigenen Zeitung (B1) sowie Fremdzeitungen (F1, S1 etc.) setzt die Klägerin angestellte Zeitungszusteller als Arbeitnehmer ein. Diese Zeitungszusteller sind gehalten, den Abonnenten die Zeitungen spätestens bis 06:00 Uhr an Werktagen zuzustellen. Die Zusteller nehmen die von ihnen jeweils zu verteilenden Druckerzeugnisse an verschiedenen Ablageorten auf. Den Transport der Druckerzeugnisse vom Druckhaus in K1 zu den einzelnen Ablageorten übernehmen insgesamt zehn Frachtführer.

Am 15. September 2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens für die Tätigkeit des Beigeladenen für die Zeit vom 16. August 2016 bis 30. September 2021. Dabei beantragte sie die Feststellung, dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorliege. Sie führte aus, der Beigeladene sei seit dem 1. Februar 1995 als Zeitungszusteller für sie als Arbeitnehmer tätig. Als solcher stelle er sechs Tage die Woche nachts die Zeitungen an die Abonnenten zu. Als selbstständiger Spediteur/Frachtführer liefere er zudem auf Grundlage eines Frachtvertrages seit August 2016 nachts jeweils vor seiner Tätigkeit als Zusteller die Zeitungspakete anhand von Fahrerlisten an die von ihr definierten Ablagestellen für andere ihrer Zeitungszusteller aus (Tour 54 mit 23 Ablagestellen). Eine Kündigung sei zum 30. September 2021 erfolgt. Eine Kontrolle der Frachtführer-Tätigkeit des Beigeladenen finde indirekt statt. Der Beigeladene müsse zu einem bestimmten Zeitpunkt an der Rampe ihrer Versandanlage stehen. Die Zeitungszusteller prüften bei der Anlieferung an der Ablagestelle die Menge und würden Differenzen an sie melden. Es seien Stellzeiten im Verlag vereinbart, die vom Produktionszeitpunkt abhängig seien. Der Umfang von Arbeits- und Anwesenheitszeiten obliege dem Spediteur. Der Beigeladene sei nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Der Beigeladene verfüge über einen eigenen Fuhrpark. Im Urlaub- oder Krankheitsfall stelle er die Erfüllung des Frachtvertrages eigenverantwortlich sicher.

Die Klägerin legte ihren Zustellvertrag mit dem Beigeladenen sowie den Frachtvertrag mit ihm vom 11. August 2016 vor. Nach diesem verpflichtete sich der Beigeladene in § 1 gegenüber der Klägerin, deren Zeitungsprodukte einschließlich Beilagen und Fremdzeitungen am Sitz des Verlages zu übernehmen und diese innerhalb der in der Vertragsanlage aufgeführten Touren auszuliefern. Die genauen Ablagestellen würden sich aus einer sogenannten „Fahrerliste“ ergeben, die dem Beigeladenen jeweils ausgehändigt werde. Für die Übernahme und die Beförderungsbeladung des Fahrzeuges sei der Beigeladene verantwortlich. Gemäß § 2 des Frachtvertrages verpflichtete sich die Klägerin, dem Beigeladenen jeweils am Produktionstag die auszuliefernden Zeitungen zur Beladung zur Verfügung zu stellen. Die übergebenen Produkte seien gemäß Fahrerliste auf Vollständigkeit zu prüfen, im unmittelbaren Anschluss zu den jeweiligen Abladestellen schnellstmöglich zu transportieren und abzuladen. Jedwede Unregelmäßigkeiten bei der Auslieferung seien dem/der Ansprechpartner/in Logistik/Auslieferung des Verlages umgehend zu melden. Insbesondere bei fehlenden Paketen sichere der Beigeladene eine umgehende Nachlieferung ohne Berechnung von weiteren Kosten zu. Gemäß § 3 des Frachtvertrages erhalte der Beigeladene für die Organisation und Sicherung der Transporte vom Verlag eine pauschalierte Vergütung pro Auslieferung zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen Mehrwertsteuer. Die vereinbarte Vergütung pro Tour sei in der Vertragsanlage „Touren“ genannt. Zusätzlich entstehende Kosten könnten nur nach vorheriger Absprache mit der Vertriebsleitung des Verlages geltend gemacht werden. Wartezeiten über eine übliche Kulanzgrenze von 30 Minuten hinaus würden mit 10,00 € pro angefangener halbe Stunde vergütet. Basis für die Berechnung der Wartezeiten seien die jeweils gültigen Stellzeiten für die einzelnen Touren. Die Stellzeiten würden vom Verlag festgelegt und könnten jederzeit geändert werden. Der Beigeladene stelle eine Rechnung aus. Gemäß § 4 Abs. 2 des Frachtvertrages dürfe der Beigeladene Subunternehmer nur mit schriftlicher Zustimmung der Klägerin einsetzen. Gemäß § 6 trat der Vertrag am 1. Mai 2016 in Kraft. Laut der Anlage „Touren“ betrug die Vergütung 145,00 € pro Liefertag zuzüglich Mehrwertsteuer.

Auf Nachfrage der Beklagten führte der Beigeladene aus, für die Auslieferung/Ablage der Zeitungspakete nutze er sein eigenes Kfz (VW Golf). Stellzeit sei um 23.15 Uhr gewesen; das Beladen sei ab ca. 23:30 Uhr erfolgt. Um ca. 23:45 Uhr sei er losgefahren. Das Ausliefern hätte bis ca. 02:30 Uhr gedauert. Ab 03:00 Uhr habe er dann angefangen, zuzustellen.

Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2022 gegenüber der Klägerin fest, dass der Beigeladene als Frachtführer für die Klägerin seit 1. Mai 2016 bis 30.  September 2021 eine abhängige Beschäftigung ausgeübt habe. Nach Gesamtwürdigung aller zu den Urteilen der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Der Beigeladene habe seine Tätigkeit im Rahmen einer fremdbestimmten Ablauforganisation ausgeübt. Im Rahmen der Tätigkeit habe er sich dem Vertrag und den Tourenrichtlinien der Klägerin unterworfen. Es habe kein unternehmerisches Risiko bestanden. Die Tour sei von der Klägerin vorgegeben worden. Änderungen in der Tour bzw. der Abholzeiten hätten durch den Beigeladenen nicht erfolgen können. Die genauen Ablagestellen hätten sich aus einer „Fahrerliste“ ergeben. Der Auftragnehmer habe damit Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit erhalten. Eine organisatorische/wirtschaftliche Trennung zu der bestehenden Beschäftigung als Zusteller habe nicht vorgelegen. Es habe sich vielmehr um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis gehandelt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 2. Juni 2022 Widerspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass ein Weisungsrecht außerhalb der laut §§ 407 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) möglichen Weisungen für selbstständige Frachtführer nicht bestanden habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2022 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und wiederholte im Wesentlichen ihre Begründung aus dem angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 2022.

Hiergegen hat die Klägerin am 30. Januar 2023 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie nochmals hervorgehoben, dass die streitgegenständlichen Vereinbarungen zwischen ihr und dem Beigeladenen nur den gesetzlichen Regelungen bzw. den Mindestvorgaben an einen selbstständigen Frachtführer im Sinne des HGB entsprochen hätten. Die Beklagte habe zudem die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Frage einer abhängigen Beschäftigung nicht beachtet. Die von der Beklagten zur Begründung herangezogene Rechtsprechung sei vorliegend nicht einschlägig. Der Beigeladene, der für seine Tätigkeit ein Gewerbe angemeldet habe, sei bei der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Leistung weitgehend frei gewesen. Eine umfassende Weisungsbefugnis, weitgehende Mitteilungspflichten oder gar eine Einbindung in die Organisation der Klägerin habe zu keiner Zeit bestanden. Abgesehen von der zeitlichen Benennung der Beladungsmöglichkeit ab ca. 23:30 Uhr und der Notwendigkeit, die termingerechte Zustellung der Zeitungen durch die Zusteller durch eine rechtzeitige Belieferung der Abladestellen sicherzustellen, habe es keine zeitlichen Vorgaben seitens der Klägerin gegeben. Der Beigeladene sei frei in der Entscheidung gewesen, wann er die Auslieferungsfahrt beginne, ob er unterwegs zuerst sonstige Transportgüter anderer Auftraggeber ausliefere bzw. ob und wann er eine Pause einlege. Ebenso sei er in der Entscheidung der Wahl der Fahrtroute frei gewesen. Er habe lediglich die für Frachtführer typische vertragliche Pflicht gehabt, das Transportgut zu einem vereinbarten spätesten Zweitpunkt an den Abladestellen abzuliefern. Der Beigeladene habe hierbei neben seiner Vergütungserwartung das unternehmerische Risiko der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft seines von ihm selbst gestellten Transportfahrzeugs, welches eine ausreichende Kapazität für den Transport habe aufweisen müssen, getragen. Der Beigeladene habe von der Klägerin auch keine weiteren Arbeitsmittel erhalten.

Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2023 eine Muster-Fahrerliste vorgelegt, nachdem sie (wie der Beigeladene auch) erklärt hatte, dass die Fahrerlisten, die der Beigeladene erhalten habe, nicht mehr verfügbar seien. Auf den Inhalt dieser Muster-Fahrerliste wird Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat sowohl den Beigeladenen als auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2024 informatorisch angehört.

Mit Urteil vom 26. Juli 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage habe keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Beigeladene seine Erwerbstätigkeit als Frachtführer für die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2016 bis 30. September 2021 als selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe. Der Beigeladene habe diese Tätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt.
Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) könnten die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung bei der Beklagten beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliege, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger habe im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheide aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliege (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Die Beklagte sei zur Entscheidung über den Antrag des Klägers berufen gewesen. Die Zuständigkeit der Einzugsstelle oder eines anderen Versicherungsträgers bestehe nicht, da ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle nicht eingeleitet gewesen sei.
Der streitgegenständliche Bescheid sei materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen zur Feststellung einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen lägen vor. Beschäftigung sei nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift setze nach der ständigen Rechtsprechung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenüber sei die selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, hänge davon ab, welche Merkmale überwögen. Maßgebend sei dabei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Die Beurteilung dieses Gesamtbildes wiederum habe nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ihren Ausgangspunkt bei dem Vertragsverhältnis der Beteiligten zu nehmen, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergäbe und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lasse. Ein im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehenden tatsächlichen Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehe dabei der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gelte, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag gäben, wenn sie von den Vereinbarungen abwichen. Allerdings seien diese nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig seien. Maßgeblich sei die Rechtsbeziehung dann auch so, wie sie praktiziert werde und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig sei.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei vorliegend eine abhängige Beschäftigung gegeben gewesen. Eine selbstständige Tätigkeit ergebe sich nicht schon im Hinblick darauf, dass die Klägerin und der Beigeladene nach übereinstimmenden Angaben ausdrücklich keine abhängige Beschäftigung vereinbaren wollten. Denn eine statusrechtliche Zuordnung könne nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie z.B. vereinbarten, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließe es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entschieden. Über zwingende Normen könne nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr komme es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an.
Auf eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen könne auch nicht im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen zum „Frachtführer“ aus §§ 407 ff. HGB geschlossen werden, da hiermit keine gesetzliche Vorgabe zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Frachtführern getroffen worden sei. Gemäß § 407 Abs. 1 HGB werde der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. Der Absender werde nach Abs. 2 der Vorschrift verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. Der Frachtführer werde in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zwar regelmäßig auch dann als selbstständiger Gewerbetreibender angesehen, wenn die Zusammenarbeit mit einem Auftraggeber auf einem auf Dauer angelegten Rahmenvertrag beruhe, obwohl er kraft Gesetzes weitreichenden Weisungsrechten unterliege (vgl.§ 418 HGB). Im Einzelfall könne aber auch ein Arbeitsverhältnis aus arbeitsrechtlicher Sicht zu bejahen sein, wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert würden, die zur Folge hätten, dass der betroffene Fahrer in der Ausübung seiner Tätigkeit weniger frei sei als der Frachtführer im Sinne des HGB. Zudem sei zu berücksichtigen, dass kein vollständiger Gleichklang zwischen dem arbeitsrechtlichen Arbeitnehmer- und dem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV vorliege. Eine Beschäftigung liege danach grundsätzlich im Falle eines Arbeitsverhältnisses vor. Sie könne aber auch dann sozialversicherungsrechtlich gegeben sein, wenn solches nicht der Fall sei, weil das Vorliegen von Beschäftigung nicht mit dem vertraglichen Arbeitsverhältnis gleichzusetzen sei. Denn das Sozialversicherungsrecht diene neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen seien. Maßgebend für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung seien deshalb auch im Fall eines Frachtführers stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts, hinsichtlich derer eine Gesamtwürdigung vorzunehmen sei. Die vorliegend in Bezug auf die konkrete Tätigkeit des Beigeladenen als Frachtführer für die Klägerin erkennbaren Umstände stritten zur Überzeugung der Kammer nach entsprechender Gewichtung überwiegend für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen. Es sei zweifelhaft, ob die Tätigkeit des Beigeladenen als Frachtführer schon wegen der versicherungspflichtigen Haupttätigkeit des Beigeladenen als Zusteller für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls als abhängige Beschäftigung zu werten sei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn beide Tätigkeiten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis bilden würden, was aber vorliegend zweifelhaft sei. Eine einheitliche Beschäftigung sei dann anzunehmen, wenn eine selbstständige oder abhängige zweite - nebensächliche - Beschäftigung mit einer abhängigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber der Art verbunden sei, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden könne und insgesamt wie ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheine. Bei natürlicher Betrachtungsweise sei vorliegend indes kein notwendiger oder abhängiger Zusammenhang der einen Tätigkeit von der anderen erkennbar, insbesondere da der Beigeladene seine Fracht als Frachtführer nur für andere Zusteller, nicht aber für sich selbst bereitgestellt habe. Die Frage, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliege, könne indes offengelassen werden, da die streitgegenständliche Tätigkeit selbst als abhängige Beschäftigung einzustufen sei.
Maßgebend für eine abhängige Beschäftigung spreche, dass der Beigeladene sehr wohl einem Weisungsrecht der Klägerin in zeitlicher Hinsicht unterlegen habe. So habe der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Stellzeiten, also der Zeitpunkt, an dem die Frachtpakete vom Verlagshaus der Klägerin auf der Rampe bereitgestellt worden seien, von der Klägerin vorgegeben gewesen sei, d.h., er habe zu der angegebenen Uhrzeit an der Rampe des Verlagshauses sein müssen. Zudem sei der Beigeladene in ein von der Klägerin vorgegebenes Zeitfenster eingebunden gewesen, da die Klägerin mit den Zustellern laut Zustellvertrag Zeiten vereinbart gehabt habe, an denen die Zusteller mit der Ablage der Zeitungspakete hätten rechnen können. Zwar habe es vorkommen können, dass diese vereinbarten Zeiten nicht eingehalten worden seien. Grund für diese Ausnahmefälle seien indes jeweils besondere - im Vorfeld grundsätzlich absehbare - Ereignisse (z.B. sportliche Großveranstaltungen) gewesen, welche schon den Druck der Bringerzeugnisse zeitlich nach hinten verschoben hätten. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen, habe die Verteilung der Frachtpakete durch den Beigeladenen so erfolgen müssen, dass die Zusteller ihre Frachtpakete zu den vereinbarten Zeiten an den diversen Ablageorten hätten abholen können. Somit sei der Beigeladene auch in den Betrieb der Klägerin und in die von ihr vorgegebene Zustellorganisation in funktionsgerecht dienender Teilhabe eingegliedert gewesen. Zwar habe es dem Beigeladenen grundsätzlich freigestanden, die Auslieferung seiner Frachtpakete jeweils so zu gestalten, wie er wolle. Er habe sich insbesondere nicht an die in den Fahrerlisten vorgegebenen Reihenfolge der Ablageorte halten müssen und habe zwischendurch auch Pausen machen oder andere Aufträge abarbeiten dürfen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung sei allerdings festzustellen, dass dies zwar theoretisch möglich, in der Praxis jedoch nicht umsetzbar gewesen sei, da es sich bei der von der Klägerin vorgeschlagenen Route schon um die kürzeste Route gehandelt habe und das dem Beigeladenen zustehende Zeitfenster so eng gewesen sei, dass er, um rechtzeitig fertig zu sein, genau diese Route ohne Pause und ohne anderweitige Besorgungen habe abarbeiten müssen. Nach seinen Angaben sei er regelmäßig nach Aufnahme der Fracht der Klägerin bis 02:30 Uhr zu den verschiedenen Ablageorten unterwegs gewesen und habe am letzten Ablageort noch 30 Minuten Zeit einplanen müssen für seine Fahrt nach B2, damit er um 03:00 Uhr mit seiner Tätigkeit als Zusteller habe beginnen können. Aus eben diesen Zeitgründen sei es ihm faktisch auch nicht freigestanden, die anberaumten Stellzeiten zu ignorieren und die Frachtpakete erst zu einem späteren Zeitpunkt abzuholen. Er habe somit weder zeitlich noch räumlich einen eigenen Gestaltungsspielraum bei Auslieferung der Frachtpakete gehabt. Somit sei der Beigeladene faktisch nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich weisungsgebunden gewesen.
Ein deutliches und gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei zudem die Tatsache, dass der Beigeladene laut Vertrag eigene Subunternehmer nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Klägerin habe beauftragen können. Einen nachvollziehbaren Grund für diese Kontrollmaßnahme der Klägerin sei nicht erkennbar.
Das Gericht habe auch keine für Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte feststellen können, die ein derartiges Gewicht gehabt hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Beigeladenen in den klägerischen Betrieb auf- oder überwögen könnten. Insbesondere sei der Beigeladene nicht einem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen. Zwar habe er die vereinbarten Frachtführertätigkeiten mit seinem eigenen - hierfür angeschafften und privat nicht genutzten - Fahrzeug erbracht, wobei auch Benzin- und Reparaturkosten von ihm selbst getragen worden seien. Im Übrigen seien aber keine Investitionen des Beigeladenen erkennbar. Er habe keine eigene Betriebsstätte und auch keine Mitarbeiter gehabt, sondern habe im Wesentlichen nur seine eigene Arbeitskraft eingesetzt. Dem sei ein unbedingter Anspruch auf Vergütung der von ihm erbrachten Dienstleistung gegenübergestanden. Am wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin sei er nicht beteiligt gewesen. Für ihn habe auch nicht die Chance bestanden, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten hätte entscheidend beeinflussen können. So habe der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage angegeben, keine Fracht auch für andere Auftraggeber mit seinem Kfz transportiert zu haben, da hierfür neben seinen beiden Tätigkeiten als Frachtführer und Zusteller unter Berücksichtigung seines Privatlebens und dem Bedürfnis nach ausreichend Schlaf kein Raum gewesen sei. Gleichzeitig habe es für ihn auch keine Möglichkeit gegeben, durch besonders schnelle Auslieferung der Frachtpakete Zeit für andere Frachtaufträge zu generieren. Zwar habe der Beigeladene inhaltlich keinen über die gesetzlichen Vorgaben für Frachtführer hinausgehenden Weisungen seitens der Klägerin unterlegen. Dies sei allerdings angesichts der relativ einfachen Tätigkeit auch nicht erforderlich gewesen und sei deshalb nicht geeignet, der Tätigkeit ein selbstständiges Gepräge zu geben.
Dass der Beigeladene nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung seine Vergütung in Höhe von 145,00 € pro Liefertag mit der Klägerin ausgehandelt habe, sei zwar ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings verblieben Zweifel, ob hier tatsächlich Preisverhandlungen auf Augenhöhe stattgefunden hätten, denn der Beigeladene habe hier äußerst vage Angaben gemacht und sei nicht in der Lage gewesen, konkrete Zahlen zu nennen, obwohl er - wiederum nach seinen Angaben - seine Preisgestaltung vorher mit seinem Steuerberater abgestimmt habe. Zudem habe er zugegeben, dass der Betrag von 10,00 € pro angebrochene halbe Stunde Wartezeit von der Klägerin vorgegeben worden sei („für alle Spediteure gleich“). Schließlich stellten weder die Gewerbeanmeldung, die Rechnungsstellung, der Ausschluss von Lohnfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall noch die Tatsache, dass der Beigeladene theoretisch auch für andere Auftraggeber hätte tätig sein dürfen, entscheidende Indizien für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit dar.
Der Beigeladene sei somit nach der Gesamtschau der Einzelumstände seiner Frachtführertätigkeit für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum in die betriebliche Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden und abhängig bei dieser beschäftigt gewesen.

Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin gegen elektronisches Empfangsbekenntnis am 8. November 2024 zugestellte Urteil hat dieser am 4. Dezember 2024 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Zur Begründung führt er aus, aus dem Frachtführervertrag ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen. Dieser sei auch nicht vertraglich verpflichtet gewesen, exakt zu der von der Klägerin mitgeteilten Stellzeit vor Ort zu sein. Zutreffend sei, dass die beauftragten Frachtführer in der Regel rechtzeitig vor Ort seien. Dies aber nur zur Nutzung beiderseitiger logistischer Vorteile. Ebenfalls zutreffend sei, dass die vertragliche Vereinbarung getroffen gewesen sei, dass der Beigeladene nach Übernahme der Zeitungen diese so rechtzeitig an die von der Klägerin vorgegebenen Abladepunkte anliefern musste, dass eine anschließende Zustellung der Zeitungen bis 6:00 Uhr für den jeweiligen Zeitungszusteller möglich gewesen sei. Die Klägerin habe sich gegenüber den Abonnenten wie auch den Auftraggebern bzgl. der Fremdzeitungen gegenüber verpflichtet, eine tägliche Zustellung bis spätestens 6:00 Uhr zu gewährleisten. Die vertragliche Vereinbarung eines „Zeitfensters“ führe jedoch nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung. Die Klägerin habe dem Beigeladenen auch kein zeitliches „Korsett“ aufgezwungen. Die Verteilung seiner persönlichen Arbeitszeit habe der Beigeladene in eigener Verantwortung vorgenommen. Er habe im Rahmen des Frachtführervertrages lediglich rund drei Stunden seiner täglichen Arbeitszeit an die Klägerin vergeben. Die Annahme, es sei eine Weisung der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen, dass sie die Reihenfolge der Ablageorte in der Fahrerliste nach der kürzesten Strecke optimiert habe, sei lebensfremd. Die Regelung im Frachtführervertrag zur Genehmigungspflicht der Einschaltung eines Subunternehmens sei vom SG fehlinterpretiert worden. Der Beigeladene sei auch einem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen. 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2022 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG sei rechtsfehlerfrei und nicht zu beanstanden.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom1. April 2025 darauf hingewiesen worden, dass die Möglichkeit besteht, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweist, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2022 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte entschieden hat, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Frachtführer für die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 30.  September 2021 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat. Das Begehren, diese Bescheide aufzuheben, weil der Beigeladene aufgrund seiner Tätigkeit nicht abhängig beschäftigt gewesen sei, verfolgt die Klägerin in zulässiger Weise mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs.1 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene übte seine Tätigkeit als Frachtführer für die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 30. September 2021 in einer abhängigen Beschäftigung aus.

Das SG hat zutreffend auf der Grundlage der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§ 7a Abs. 1 und Abs. 2, § 7 Abs.1 Satz 1 SGB IV) und unter Benennung der durch die einschlägige Rechtsprechung aufgestellten Kriterien sowie bei zutreffender Gesamtabwägung der einzelnen Umstände in  nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Beigeladene während seiner Tätigkeit als Frachtführer für die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 30. September 2021 in einem abhängigen und die Sozialversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Lediglich ergänzend ist hierzu auszuführen, dass sich auch aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren nichts anderes ergibt.

Eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn tritt nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R -, veröffentlicht in juris). Auch Transportfahrer können - selbst bei einer für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbstständige Gewerbetreibende - bei weitweichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes (vgl. § 418 HGB) jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen seien, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bindungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; BSG, Urteil vom 19.August 2003 - B 2 U 38/02 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr.1). Der Beigeladene war verpflichtet, zu der einseitig und verbindlich von der Klägerin vorgegebenen Stellzeit - also dem Zeitpunkt, an dem die Frachtpakete vom Verlagshaus der Klägerin auf der Abholrampe bereitgestellt wurden - anwesend zu sein, um die Frachtpakete in sein Transportfahrzeug zu verladen. Genauso war der Beigeladene verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt die mit der „Tour 54“ verbundenen 23 Ablagestellen anzufahren und dort die Zeitungspakete für die Zusteller bereit zu legen, die wiederum selbst verbindlich von der Klägerin Zeitvorgabe hatten, ab wann sie mit der Zustellung zu beginnen hatten und bis zu welchem Zeitpunkt am jeweiligen Tag sie die Kunden der Klägerin mit der Zeitung zu beliefern hatten. Damit war der Beigeladene in ein festes Zeitschema und damit weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Auftraggeberin eingebunden, als ein nur den sich aus §§ 407 ff. HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Diese Gestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen ist ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung insbesondere dann, wenn rechtlich oder faktisch keine realistischen Möglichkeiten bestanden haben, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein. Dem war nach Angaben des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2024 so. Der Beigeladene hat angegeben - hiervon geht der Senat auch aus -, dass die ihm verbindlich vorgegebene „Stellzeit“ 23:15 Uhr war. Das Beladen mit den Zeitungspaketen begann ab 23:30 Uhr; um 23:45 Uhr begann er die ihm aufgegebene „Tour 54“ mit den 23 anzufahrenden Ablagestellen. Diese Ausliefertätigkeit hatte er bis 02:30 Uhr erledigt. Um 03:00 Uhr begann er selbst mit seiner (anschließenden) Tätigkeit als Zeitungszusteller für die Klägerin. Aus eben diesen Zeitgründen hatte der Beigeladene tatsächlich keinerlei Gestaltungsspielraum dahingehend, die vorgegebenen Stellzeiten zu verändern und die Frachtpakete erst zu einem späteren Zeitpunkt abzuholen. Aus eben diesen Gründen - so auch nachvollziehbar der Beigeladene - hatte er keine Möglichkeit, unter Berücksichtigung des Schlafbedürfnisses nach der Tätigkeit für die Klägerin tatsächlich noch für andere Auftraggeber tätig sein zu können.

Ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen ist vorliegend auch nicht der Umstand, dass er vertraglich die Möglichkeit gehabt hat, seine Leistungen durch andere erbringen zu lassen. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis allein ist kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit, weil sie nichts darüber aussagt, inwieweit von ihr Gebrauch gemacht wird, realistischer Weise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte und sie damit die Tätigkeit tatsächlich prägt. So hat das BSG in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit gesehen, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, a.a.O.). Der Beigeladene hat regelmäßig persönlich die Arbeitsleistung als Frachtführer erbracht. Er hat nur höchst ausnahmsweise einmal eines seiner Geschwister gebeten, die „Tour“ für ihn zu übernehmen. Im Übrigen hatte er auch nicht vertraglich die Möglichkeit, seine „Tour“ mit einer anderen „Tour“ zu tauschen. Bezüglich der „Tour“ war der Beigeladene auch insofern in die von der Klägerin vorgegebene „Arbeitsorganisation“ eingebunden, als er zwar seitens der Klägerin rechtlich nicht dazu verpflichtet war, die 23 Ablageorte in der Reihenfolge anzufahren, wie sie sich aus der „Fahrerliste“ ergeben haben. Faktisch betrachtet hat der Beigeladene jedoch - seinen Angaben zufolge, an denen der Senat keine Veranlassung hat zu zweifeln - keine Möglichkeit gehabt, von der vorgegebenen „Tour“ seitens der Klägerin abzuweichen, weil es ihm nur auf diese Weise zeitlich möglich war, die ihm verbindlich vorgegebenen Zeiten an den Ablageorten einzuhalten.

In diesem Zusammenhang ist ein deutliches und gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung auch, dass sich die Klägerin gemäß dem „Frachtvertrag“ vorbehalten hat, dass der Beigeladene einen ihn in der Erfüllung der Frachtführertätigkeit vertretenen „eigenen Subunternehmer“ nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung seitens der Klägerin beauftragen durfte.

Auch einem relevanten unternehmerischen Risiko - ein Gesichtspunkt, der für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spricht - war der Beigeladene bei seiner Frachtführertätigkeit für die Klägerin nicht ausgesetzt. Der Beigeladene hat pro „Tour“ eine Festvergütung von 145,00 € erhalten. Der Beigeladene hat die Transportfahrten für die Klägerin mit einem eigenen, nur dafür angeschafften Fahrzeug (VW Golf) durchgeführt. Er hat selbst die durch die Transportfahrten entstehenden Kosten bezüglich seines Fahrzeugs getragen. Dieser Umstand, der Ausdruck für ein  eigenes unternehmerisches Risiko des Beigeladenen sein  kann, ist jedoch im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung in  den Kontext der vertraglichen Beziehung und ihrer tatsächlichen Durchführung einzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 38/02 R -, a.a.O.).Ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ist die Übernahme eines Unternehmerrisikos dann, wenn damit auch tatsächlich Chancen und nicht nur Risiken bei der Einkommenserzielung verbunden sind, hier also durch das eigene Transportfahrzeug eine Erweiterung unternehmerischer Möglichkeiten des Beigeladenen verbunden war. Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung kommt jedoch vorliegend diesem Umstand wenig Bedeutung zu, da der Beigeladene aufgrund der Ausgestaltung seiner Tätigkeit und deren Vergütung keine wesentlichen eigenen Gestaltungsspielräume hat nutzen können, insbesondere hatte er keine nennenswerten Spielräume für ein anderweitiges Tätigwerden am Markt, um Aufträge auf eigene Rechnung durchzuführen. Der Beigeladene hatte - wie bereits ausgeführt - allein schon aufgrund der verbindlichen Ausgestaltung der zeitlichen Abläufe und Rahmenbedingungen bezüglich seiner Tätigkeiten für die Klägerin (Frachtführertätigkeit, Zeitungszusteller) selbst keine weiteren relevanten zeitlichen Spielräume, um andere Aufträge für Dritte auf eigene Rechnung mit seinem “Transportfahrzeug“ durchzuführen. Allein die Nutzung seines eigenen Fahrzeugs für die Erbringung der Frachtführertätigkeit für die Klägerin verleiht diesem Umstand im Sinne eines unternehmerischen Risikos keine relevante Bedeutung.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Beigeladene trägt gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO seine außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden Klägerin aufzuerlegen, weil für den Beigeladenen keine Anträge gestellt worden sind (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl. 2023, § 197a Rdnr. 29 m.w.N.).

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts bezüglich der hier streitigen abstrakt-generellen Feststellung der Versicherungspflicht keine hinreichenden Anhaltspunkte bietet. Insbesondere sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der Feststellung einer Beschäftigung dem Grunde nach nicht schätzbar (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. September 2007 - L 4 KR 382/04 -). Daher kann in den Fällen, in denen über die Versicherungspflicht, nicht aber über eine Beitragsforderung gestritten wird, regelmäßig nur der Auffangstreitwert zugrunde gelegt werden (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/907 R - und vom 11. März 2009, - B 12 R 11/07 R -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2017 - L 11 R 1911/16 -, veröffentlicht in juris).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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