Auf die Beschwerde des Zeugen und Sachverständigen wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.11.2024 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.
Gründe:
Auf die Beschwerde des Sachverständigen U. war der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.11.2024 aufzuheben. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sowie für die Auferlegung der Kosten des Termins vom 18.10.2024 sind nicht erfüllt. Denn der Sachverständige wurde nicht ordnungsgemäß als Zeuge geladen.
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 380 Abs. 1 ZPO werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ohne dass es eines Antrages bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt (Satz 1). Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt (Satz 2). Gemäß § 381 Abs. 1 ZPO unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn das Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird (Satz 1). Erfolgt diese Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Festsetzung nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (Satz 2). Erfolgt die genügende Entschuldigung oder Glaubhaftmachung nachträglich, wird die Festsetzung aufgehoben (Satz 3). Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegenüber einem Zeugen steht lediglich hinsichtlich seiner Höhe im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
Der Senat lässt offen, ob der Sachverständige dem Grunde nach als Zeuge im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 373 ZPO geladen werden konnte, obwohl bereits in der hier gegebenen Konstellation nicht viel dafür spricht, dass er als Zeuge über bestimmte (ggf. streitige) Tatsachen und/oder Wahrnehmungen vernommen werden sollte. Vielmehr ist der Ladung ausdrücklich zu entnehmen, dass der für den 18.10.2024 geladene Erörterungstermin „ausschließlich zur Übergabe des bereits mit Beweisanordnung vom 31.01.2024 angeforderten Gutachtens sowie der Gerichtsakten“, anberaumt wurde.
Jedenfalls scheitert eine ordnungsgemäße Zeugenladung daran, dass das Sozialgericht in der Ladung den Gegenstand der Vernehmung (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 377 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht benannt hat. Dem Zeugen ist der Gegenstand seiner Vernehmung bekannt zu geben, weil er erfahren muss, worüber er vernommen werden soll, damit er zur Vorbereitung auf die Aussage seine Erinnerung schärfen und etwaige Unterlagen einsehen kann. Der „Gegenstand der Vernehmung“ ist nicht identisch mit den zu beweisenden Tatsachen. Wird der Gegenstand der Vernehmung nicht oder so allgemein mitgeteilt, dass der Zeuge sich nicht auf seine Vernehmung vorbereiten kann, ist er nicht ordnungsgemäß geladen im Sinne des § 380 ZPO. Bleibt er in einem solchen Fall im Termin säumig, darf gegen ihn nicht nach § 380 ZPO vorgegangen, also insbesondere kein Ordnungsgeld festgesetzt werden (zum Ganzen vgl. nur Ahrens, in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Auflage 2024, § 377 Rn. 25 ff m.w.N. aus d. Rspr.).
Das Sozialgericht hat sich in der Ladung ausschließlich darauf beschränkt, unter Beweisthema „Übergabe des Gutachtens und der Gerichtsakte“ zu vermerken. Hierbei handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um einen Vernehmungsgegenstand. Vielmehr ergibt sich aus dieser Angabe, dass der Sachverständige gerade nicht zu Tatsachen oder über seine Wahrnehmungen vernommen werden, sondern im Rahmen des Termins dem Gericht lediglich Gutachten und Gerichtsakte aushändigen sollte. Da von vornherein keine Vernehmung durchgeführt werden sollte, können Gutachten und Gerichtsakte auch nicht als „aussageerleichternde Unterlagen“ gemäß § 378 ZPO qualifiziert werden.
Auch eine „Umdeutung“ in eine Ordnungsgeldfestsetzung nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 409 Abs. 1 ZPO scheidet aus. Danach werden einem Sachverständigen, der nicht erscheint oder sich weigert, ein Gutachten zu erstatten, obgleich er dazu verpflichtet ist, oder der Akten oder sonstige Unterlagen zurückbehält, die dadurch verursachten Kosten auferlegt (Satz 1). Gleichzeitig wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt (Satz 2).
Hier hat das Sozialgericht allerdings unter dem 31.01.2024 eine schriftliche Begutachtung angeordnet, so dass es im Falle der Säumnis bei der Gutachtenerstattung gehalten gewesen wäre, nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 2 ZPO vorzugehen (vgl. Thönissen/Scheuch, in: BeckOK ZPO, § 409 Rn. 2.1; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Auflage 2024, § 409 Rn. 2). Ungeachtet dessen ist zu berücksichtigen, dass das Sozialgericht das Erscheinen des Sachverständigen nicht zur Gutachtenerstattung oder zur Erläuterung des bereits vorliegenden Gutachtens, sondern lediglich zur Übergabe des (schriftlichen) Gutachtens angeordnet hat. Erst in dem angefochtenen Beschluss wird angemerkt, dass auch die Möglichkeit bestanden habe, das Ergebnis der Begutachtung mündlich zu Protokoll zu geben.
Im Hinblick auf die vom Sozialgericht auch zum Gegenstand des Termins gemachte Übergabe der Akten ist zu berücksichtigen, dass eine formelle Herausgabeanordnung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 407a Abs. 5 ZPO nicht erfolgt ist. In der Ladung findet sich neben dem „Gegenstand der Vernehmung“ lediglich der Hinweis, dass der Termin u.a. zur Übergabe der Gerichtsakten anberaumt werde. Dies reicht für die Annahme einer Herausgabeanordnung nicht aus (zur Herausgabepflicht vgl. auch BayLSG, Beschluss v. 15.11.2023 - L 2 R 377/23 B).
Im Hinblick auf die vom Sachverständigen vorgetragenen Verzögerungen bei der Erstellung des schriftlichen Gutachtens merkt der Senat vorsorglich Folgendes an: Die mit der Beschwerde vorgetragenen Umstände (aus zahlreichen Krankheitsfällen resultierende Arbeitsüberlastung, Abgang von Leitungs- und Führungspersonal, dadurch bedingte Reduzierung der Personaldecke) können natürlich Entschuldigungsgründe für Verzögerungen bei der Gutachtenerstattung darstellen. Werden Hinderungsgründe jedoch erst mit der Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss vorgetragen, ist dennoch ein Verschulden an der Säumnis nicht ausgeschlossen (Senat, Beschluss v.18.04.2024 – L 5 SB 74/24 B, juris Rn. 12). Denn der Sachverständige hat gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 407a Abs. 1 ZPO unverzüglich (und auch fortlaufend) zu prüfen, ob der Auftrag innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden kann (Satz 1 Teilsatz 3). Ist das nicht der Fall, hat der Sachverständige das Gericht unverzüglich zu verständigen (Satz 2). Jedenfalls ist dringend zu empfehlen, gerichtliche Sachstandsanfragen nicht nur abzuheften, sondern auch zu beantworten. Das Gericht wiederum hat den Sachverständigen gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 404a Abs. 1 ZPO zu leiten und auch bei seiner Tätigkeit zu unterstützen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 Abs. 1
OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).