Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Klageverfahren wird endgültig auf 2,5 Millionen Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der anteiligen Heranziehung von Finanzreserven der Klägerin im Jahre 2021 zum Gesundheitsfonds und hier insbesondere über die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage.
Die Klägerin verfügte zum Abschluss des zweiten Quartals 2020 auf Basis der amtlichen Statistik KV 45 über eine Finanzreserve in Höhe von 653.091.239,90 EUR; die durchschnittliche Monatsausgabe wurde in Höhe von 506.050.635,36 EUR übermittelt.
Mit Schreiben vom 21.01.2021 hörte die Beklagte die Klägerin zur Heranziehung von Finanzreserven der Krankenkassen und zur Berechnung des Zuführungsbetrags an. Mit Bescheid vom 26.03.2021 verpflichtete die Beklagten die Klägerin, dem Gesundheitsfonds Finanzreserven i.H.v. 297.893.521,59 EUR zuzuführen, wobei dieser Betrag mit den nach § 16 Abs. 5 Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) auszuzahlenden Zuweisungen im Zeitraum von April bis November 2021 in monatlich gleichen Teilbeträgen i.H.v. 33.099.280,18 EUR und für Dezember 2021 i.H.v. 33.099.280,15 EUR verrechnet werden sollte. Nach der Berechnungsgrundlage ergebe sich für die Klägerin ein Zuführungsbetrag in Höhe von 297.893.521,59 EUR; nach der Vergleichsberechnung ein Betrag in Höhe von 362.810.415,58 EUR. Der geringere Betrag sei zu berücksichtigten.
Der Bescheid ist der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 06.04.2021 zugegangen. Sie hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.04.2021, am selben Tag beim Landessozialgericht (LSG) NRW eingegangen, hiergegen Klage eingelegt.
Die Klägerin hat den Zusatzbeitrag zum 01.01.2021 um 0,4 %-Punkte auf 1,3 % und zum 01.01.2022 um weitere 0,2 %-Punkte auf 1,5 % angehoben. Nach eigenen Angaben hatte die Klägerin im Zeitraum von 2015 bis 2021 im Hinblick auf ihre Mitglieder und den Kreis der Versicherten schwankende Marktanteile; im Jahr 2015 hat ihr Marktanteil 29,66 % betragen, im Jahr 2019 dann 31,11 % und im Jahr 2020 dann 31,18 %. Im Jahr 2021 ist ihr Marktanteil auf 31,09 % gesunken. Weiter sind – nach Angaben der Klägerin – im März 2021 ca. 2.500 Kündigungen erfolgt. Im Jahre 2021 hatte die Klägerin 1.262.281 Mitglieder bzw. 1.697.554 Versicherte. In den Vorjahren hat sich die Kündigungszahl bei rund 600 bewegt, wobei die Mitgliederzahlen leicht höher lagen, so lag die Zahl der Mitglieder im Jahre 2020 bei 1.266.955 und bei 1.702.499 Versicherten.
Die Klägerin hat zur Darlegung ihrer Rechtsansicht ein ihre Rechtsauffassung bestätigendes Rechtsgutachten von R. vorgelegt.
Die Klägerin trägt vor, die auf der Grundlage von § 272 SGB V angeordnete Abschöpfung ihrer Finanzreserven verstoße gegen das objektive Willkürverbot. Zwar sei ein Sozialversicherungsträger kein Träger von Grundrechten, dennoch widerspreche die Regelung Art. 87 Abs. 2 GG und der damit gewährleisteten Selbständigkeit der Sozialversicherungsträger. Das rechtsstaatliche Gebot der Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit werde verletzt. So sei der Grundsatz der Gleichbehandlung der Krankenkassen verletzt, da nur solche Krankenkassen herangezogen würden, die zum gewählten Stichtag über entsprechende Finanzreserven verfügten. Auch sei die Klägerin als leistungsfähige Krankenkasse gezwungen gewesen, den Zusatzbeitrag zu erhöhen. Damit werde sogar das Ziel des § 272 SGB V, die Erhöhung von Zusatzbeiträgen zu verhindern, verfehlt. Auch verletze die Regelung das Wettbewerbsprinzip. Die grundlegenden Anforderungen hierzu habe der Gesetzgeber selbst im Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 niedergelegt. Die höheren Finanzreserven seien gerade das Ergebnis des Wettbewerbs und Ausdruck wirtschaftlicher Effizienz. Der Solidarausgleich 2021 habe sich auf ihre Stellung am Markt ausgewirkt. Zum 31.03.2021 seien die Kündigungszahlen sprunghaft angestiegen. Ihre Netto-Belastung habe selbst bei Saldierung mit den erhöhten Zuweisungen 119 Millionen EUR betragen. Der Transfer der Finanzreserven durch § 272 SGB V sowie die Absenkung der Obergrenze der Finanzreserve von 1,0 Monatsausgaben auf 0,8 Monatsausgaben greife in den Kern der Finanzhoheit der Krankenkassen ein. Des Weiteren sei die Stichtagsregelung des § 272 Abs. 1 Satz 3 SGB V willkürlich. So weise das 2. Quartal 2020 bei ihr noch ein positives Rechnungsergebnis aus; Ende des Jahres 2020 jedoch bereits ein deutliches Defizit auf. Überdies sei die Unterstellung willkürlich, Krankenkassen würden bei einem späteren Stichtag das Ergebnis zu ihren Gunsten beeinflussen. Auch sei bei der Wahl des Stichtags keine Ausnahmeregelung vorgesehen gewesen, in den Investitionen bereits vor dem Stichtag getätigt worden seien. Widersprüchlich sei § 272 SGB V darüber hinaus im Hinblick auf die Haftungsregeln. Außerdem würden die Grundrechte der Versicherten und der Arbeitgeber verletzt. Deren allgemeine Handlungsfreiheit sei unzulässig eingeschränkt; Art. 2 Abs. 1 GG. Des Weiteren verletze die Vorschrift den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, da Versicherte in einer gesetzlichen Krankenversicherung mit abzuführenden Finanzreserven anders betroffen seien als solche Versicherten, die von § 272 SGB V nicht betroffen seien. Letztlich seien auch Arbeitgeber in ihren Grundrechten nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Denn sie trügen den Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 13 SGB V zur Hälfte.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
1. gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu einzuholen, dass § 272 SGB V mit Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist;
2. den Bescheid des Bundesamtes für Soziale Sicherung vom 26.03.2021 (Az.: 315-5510-114/2020) aufzuheben;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 297.893.521,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 33.099.280,18 EUR seit dem 29.04.2021, 28.05.2021, 29.06.2021, 29.07.2021, 28.08.2021, 29.09.2021, 28.10.2021 und 27.11.2021 sowie aus weiteren 33.099,280,15 EUR seit dem 30.12.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, Art. 87 GG sei vorrangig Kompetenznorm. Die Vorschrift enthalte jedoch keine verfassungsrechtliche Garantie der Sozialversicherung. Vielmehr sei dem Bundesgesetzgeber ein weiter Spielraum eingeräumt. Hinsichtlich der finanziellen Selbstständigkeit der Krankenkassen sei es dem Bundesgesetzgeber nicht grundsätzlich verwehrt, in die Finanzreserven der Krankenkassen einzugreifen. Auch verbleibe mit der Regelung in § 272 SGB V den Krankenkassen ein ausreichender Mittelstand zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Ein rechtswidriger Eingriff in das Wettbewerbsprinzip scheide aus. Die Wettbewerbsordnung erfolge auf der Basis des Solidarprinzips. § 272 SGB V ziele auf eine gerechtere Lastenverteilung. Die von der Klägerin vorgelegten Zahlen hinsichtlich der Mitglieder und des Marktanteils belegten eindrucksvoll, wie gering die Auswirkungen von § 272 SGB V auf den Wettbewerb gewesen seien. Der Gesetzgeber habe auch bei Einführung des Stichtags das Willkürverbot aufgrund seines weiten Gestaltungsspielraums nicht verletzt. Weiter sei schon zweifelhaft, ob sich die Klägerin auf fremde Grundrechte von Versicherten und Arbeitgebern berufen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Klage der Klägerin ist nicht begründet.
A. Die Anträge im Klageverfahren sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal vertreten gewesen sind, sondern vom Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 03.04.2025 in der mündlichen Verhandlung zulässig, nachdem die Beteiligten bereits mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurden und sich im Termin zur mündlichen Verhandlung mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
B. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2021 mit dem die Klägerin verpflichtet wurde, Finanzreserven in Höhe von 297.893.521,59 Euro den Einnahmen des Gesundheitsfonds zuzuführen und mit dem gleichzeitig die Verrechnung mit den nach § 16 Abs. 5 RSAV an die Klägerin auszuzahlenden Zuweisungen erfolgt ist.
C. Die Klage ist zulässig
a. Das LSG NRW ist im Rahmen seiner Sonderzuständigkeit im ersten Rechtszug zuständig; § 29 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entscheidet das LSG NRW im ersten Rechtszug unter anderem über Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen und dem Bundesamt für Soziale Sicherung betreffend die Verwaltung des Gesundheitsfonds. Die vorliegende Streitigkeit betrifft die Verwaltung des Gesundheitsfonds i.S.v. § 271 SGB V.
b. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 SGG statthaft. Die Klägerin wehrt sich nicht nur gegen den Regelungsinhalt der Zuführung ihrer Finanzreserven in Höhe von 297.893.521,59 Euro zum Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V), sie begehrt auch die Rückerstattung des unterdessen gezahlten Betrages. Klagen gegen die Zuführung der benötigten Mittel im Jahr 2021 zum Gesundheitsfonds entfalten insoweit keine aufschiebende Wirkung; § 272 Abs. 2 Satz 4 SGB V (vgl. insoweit auch die Gesetzesmotive: BT-Drs. 19/23483, S. 37).
c. Die Klägerin ist auch klagebefugt; § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht, insbesondere in ihrer Finanzhoheit beschwert ist. Die Finanzhoheit der Krankenkassen wird durch Art. 87 Abs. 2 GG und einfachgesetzlich in Verbindung mit § 29 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV Verbindung mit § 4 Abs. 1 SGB V zumindest dem Grunde nach gewährleistet. Nach § 29 Abs. 1 SGB IV ist die Klägerin als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auch Träger der Sozialversicherung. Damit ist ihr das Recht zur Selbstverwaltung und auch das subjektive Recht gegenüber der Staatsverwaltung auf Wahrung ihrer gesetzlich eingeräumten Kompetenzen eingeräumt (BSG, Urteil vom 17.07.1985 – 1 RS 6/83 –, BSGE 58, 247-254, SozR 1500 § 51 Nr 38, RdNr. 13).
d. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht; § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Danach ist das Vorverfahren nicht erforderlich, wenn ein Versicherungsträger klagen will.
e. Auch die Klagefrist hat die Klägerin eingehalten. Gegen den der Klägerin am 06.04.2021 zugegangenen Bescheid vom 26.03.2021 hat sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.04.2021, am selben Tag beim LSG NRW eingegangen, Klage eingelegt und damit die Klagefrist von einem Monat eingehalten; § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG.
D. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Bescheid des Beklagten erweist sich nicht als rechtswidrig und verletzt die Klägerin mithin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der nach Anhörung der Klägerin formell rechtmäßig erlassene Bescheid der Beklagten erweist sich auch materiell-rechtlich als rechtmäßig. Der Bescheid verstößt hinsichtlich seines Regelanlegehalts der Zuführung von Finanzreserven der Klägerin in Höhe von 297.893.521,59 EUR zum Gesundheitsfonds weder gegen die einfachgesetzlichen Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage (hierzu unter 1), noch stellt der Bescheid einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben dar (hierzu unter 2.). Das Verfahren war auch nicht auszusetzen (hierzu unter 3). Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des bereits verrechneten Betrags i.H.v. 297.893.521,59 EUR zuzüglich Zinsen (hierzu unter 4.).
1. Die Beklagte hat die Klägerin mit dem Bescheid vom 26.03.2021 zutreffend zur Zuführung ihrer Finanzreserven in Höhe von 297.893.521,59 EUR zum Gesundheitsfonds verpflichtet. Ermächtigungsgrundlage ist § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3299 - GPVG) gültig ab dem 1.1.2021.
Demgemäß werden den Einnahmen des Gesundheitsfonds nach § 271 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Jahr 2021 Mittel aus den Finanzreserven der Krankenkassen nach § 260 Abs. 2 Satz 1 SGB V zugeführt, indem 66,1 % der Finanzreserven nach § 260 Abs. 2 Satz 1 SGB V jeder Krankenkasse, die zwei Fünftel des durchschnittlich auf einen Monat entfallenden Betrags der Ausgaben für die in § 260 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannten Zwecke überschreiten, herangezogen werden. Maßgebende Berechnungsgrundlage sind dabei die von den Krankenkassen für das erste Halbjahr 2020 nach Abschluss des zweiten Quartals 2020 vorgelegten vierteljährlichen Rechnungsergebnisse, die der Spitzenverband Bund der Krankenkassen dem Bundesministerium für Gesundheit am 14.08.2020 übermittelt hat, § 272 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
An der Vermögenszuführung an den Gesundheitsfonds werden grundsätzlich die Krankenkassen beteiligt, deren Finanzreserven gem. § 260 Abs. 2 Satz 1 SGB V mehr als zwei Fünftel einer durchschnittlichen Monatsausgabe betragen. Zum Abschluss des zweiten Quartals 2020 betrug die Finanzreserve der Klägerin 653.091.239,90 EUR; die durchschnittliche Monatsausgabe 506.050.635,36 EUR. Zwei Fünftel einer durchschnittlichen Monatsausgabe entspricht daher einem Betrag von 202.420.254,15 EUR. Von den diesen Betrag übersteigenden Finanzreserven ist ein Anteil von 66,1 % abzuführen. Der Ermittlung des Zuführungsbetrags war daher der Differenzbetrag zwischen der Finanzreserve der Klägerin i.H.v. 653.091.239,90 EUR und dem Betrag in Höhe von zwei Fünftel der Monatsausgabe – also 202.420.254,15 EUR – zugrunde zu legen. Dies entsprach einem Betrag von 450.670.985,75 EUR. 66,1 % von 450.670.985,76 EUR entspricht dem von der Beklagten errechneten Zuführungsbetrag von 297.893.521,59 EUR.
Die Beklagte hat auch zutreffend die sog. Vergleichsrechnung i.S.d. § 272 Abs. 1 Satz 2 SGB V durchgeführt, die zum Schutz kleinerer Krankenkassen unterjährige Hochkostenfälle absichern soll und erst im Rahmen der parlamentarischen Beratungen Gegenstand des Gesetzes wurde (vgl. BT-Drucks. 19/24727, S. 59). Die Beklagte hat den Zuführungsbetrag i.H.v. 362.810.415,58 EUR ermittelt und als den größeren Betrag daher dem Bescheid nicht zugrunde gelegt; § 272 Abs. 1 Satz 2, 2. HS. SGB V. Die Höhe des Zuführungsbetrags ist von der Klägerin auch nicht angegriffen worden.
2. Der Bescheid stellt keinen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben dar. § 272 SGB V ist mit Art. 87 Abs. 2 GG vereinbar. Art. 87 Abs. 2 GG als Kompetenznorm räumt den Krankenkassen keine eigenen unmittelbaren Rechte ein (hierzu unter a.). Soweit sich der Gesetzgeber allerdings für eine Form der sozialen Selbstverwaltung entschieden hat, hat er die wesentlichen Systemmerkmale zu berücksichtigen und diese nicht willkürlich zu beschneiden (hierzu unter b.). Indes verstößt die Regelung in § 272 SGB V nicht gegen die insoweit gebotenen Kriterien und Prinzipien. Die Regelung in § 272 SGB V verstößt nicht gegen das allgemeine Willkürverbot nach Art. 3, 20 Abs. 3 GG (hierzu unter c.). § 272 SGB V beschneidet auch nicht in einer das Willkürverbot überschreitenden Schwelle den Wettbewerb unter den Krankenkassen (hierzu unter d.). Ebenso wenig greift die Abschöpfung von Finanzreserven im Jahre 2021 in unzulässiger Weise in den Kern der finanziellen Handlungsfähigkeit der jeweiligen Krankenkasse ein (hierzu unter e.). Auch die in § 272 Abs. 1 Satz 3 SGB V gesetzlich vorgegebene Stichtagsregelung – 30.06.2020 – ist gemessen am Willkürverbot nicht zu beanstanden (hierzu unter f.). Ein Verstoß der Regelung des § 272 SGB VI gegen die Grundrechte der Versicherten bzw. der Arbeitgeber kommt ebenfalls nicht in Betracht (hierzu unter g.). Andere Gründe, die für eine verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit des § 272 SGB V sprechen, sind nicht erkennbar und auch nicht im hinreichenden Maße dargetan (hierzu unter h.).
a. Aus Art. 87 Abs. 2 GG lassen sich keine unmittelbaren eigenen (Grund)Rechte der Krankenkassen herleiten (BVerfG, Beschluss vom 02.05.1967 – 1 BvR 578/63 –, BVerfGE 21, 362-378; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01.09.2000 – 1 BvR 178/00; BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 – 2 BvR 879/73; mit der Entscheidung hat das BVerfG insb. die Grundrechtsfähigkeit der AOK abgelehnt). Art. 87 Abs. 2 GG ist als reine Kompetenznorm zugunsten des Bundes ausgestaltet und damit nicht vergleichbar mit Art. 28 Abs. 2 GG, der die kommunale Selbstverwaltung garantiert. Die Sozialversicherungen sind aufgrund ihrer Einbeziehung in die Organisation des Staates keine Grundrechtsträger, auch nicht im Hinblick auf einen eingeschränkten Funktionsbereich (Saurer in: Kahl/Waldhof/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 2/2025, Art. 87 GG, RdNr. 131; so auch Ibler in: Düring/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: August 2024, Art. 87 GG, RdNr. 190). In Ermangelung einer verfassungsrechtlichen Garantie der sozialen Selbstverwaltung ist das organisationsrechtliche Leitbild der Sozialversicherung auf einfachgesetzlicher Ebene angesiedelt (Saurer in: Kahl/Waldhof/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 2/2025, Art. 87 GG, RdNr. 143); also insb. in § 29 Abs. 1 SGB IV (vgl. auch: BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 A 2/20 R –, BSGE 132, 114-136, SozR 4-2500 § 20a Nr 1, SozR 4-2400 § 37 Nr 1, SozR 4-1100 Art 87 Nr 2, RdNr. 43). Das wird letztlich auch von der Klägerin nicht bestritten.
b. Hat sich der Gesetzgeber jedoch für eine Organisationsform entschieden, so hat er die wesentlichen Systemmerkmale der gewählten Organisationsstruktur – wie Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit einschließlich der Leistungsfähigkeit und des Wettbewerbs als Ausfluss dieser Grundprinzipien – zu berücksichtigen und diese nicht willkürlich zu beschneiden (zur Bindung an die Grundprinzipien einer einmal getroffenen Systementscheidung vgl.: BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 A 2/20 R –, BSGE 132, 114-136, SozR 4-2500 § 20a Nr 1, SozR 4-2400 § 37 Nr 1, SozR 4-1100 Art 87 Nr 2, RdNr. 51). Erforderlich ist eine organisatorische und finanzielle Selbstständigkeit der Träger der Sozialversicherung im Sinne einer Verwaltungs- und Ertragskompetenz (BSG, aaO, RdNr. 52; unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, BVerfGE 113, 167-273, RdNr. 94). Da sich der Gesetzgeber für ein plurales System gegliederter, dezentral aufgebauter gesetzlicher Krankenversicherung und gegen die Einheitskrankenversicherung entschieden hat, in der Wettbewerb per se ausscheidet (vgl. zu den Organisationsformen insg. auch: BVerfG, Beschluss vom 08.02.1994 – 1 BvR 1237/85 –, BVerfGE 89, 365-381), ist grundsätzlich ein Mindestmaß an Wettbewerb ein wesentliches Systemmerkmal der gewählten Organisationsstruktur. Zum Kernbereich der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung gehört weiter auch das Finanzwesen. Erforderlich i.S.d. § 29 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IV ist daher eine organisatorische und finanzielle Selbstständigkeit der Träger der Sozialversicherung (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 A 2/20 R –, BSGE 132, 114-136, SozR 4-2500 § 20a Nr 1, SozR 4-2400 § 37 Nr 1, SozR 4-1100 Art 87 Nr 2, RdNr. 51 f m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, BVerfGE 113, 167-273, RdNr. 94; vgl. auch Hochheim in: Hauck/Noftz SGB IV, 4. Ergänzungslieferung 2024, § 29 SGB IV, RdNr. 23). Allerdings ist dem Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung der körperschaftlichen Organisationsstruktur und hinsichtlich des Verfahrens der Krankenversicherung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63, 1-44, RdNr. 108; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.11.2016 – 1 BvR 935/14 –, RdNr. 16, juris; Saurer in: Kahl/Waldhof/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 2/2025, Art. 87 GG, RdNr. 140; Ibler in: Düring/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: August 2024, Art. 87 GG, RdNr. 191; Burgi in: Huber/Vosskuhle, Grundgesetz, 8. Aufl. 2024, Art. 87 GG, RdNr. 77). Vom körperschaftlichen Status der Sozialversicherungsträger abgesehen, macht das Grundgesetz dem Bundesgesetzgeber nämlich keine weiteren inhaltlichen Vorgaben zur organisatorischen Ausgestaltung der Sozialversicherung (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.11.2016 – 1 BvR 935/14 –, RdNr. 16 m.w.N.).
c. Die Regelung zur Heranziehung der Krankenversicherungsträger an ihre Finanzreserven i.S.d. § 272 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V verstößt zunächst nicht gegen das allgemeine Willkürverbot; Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 GG (so auch Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 272 SGB V, 1. Überarbeitung (Stand: 01.02.2021), RdNr. 3, allerdings ohne weitere Begründung).
Insbesondere stellt sich § 272 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V in Anbetracht des Umstandes, dass nicht alle Krankenversicherungen zum solidarischen Finanzausgleich herangezogen werden, nicht als willkürlich dar. Vielmehr ist diese Ausgestaltung des Finanzausgleichs Ausfluss des Willkürverbotes und des Prinzips der Gleichbehandlung, dass Gleiches gleich behandelt und Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber solche Krankenkassen von der Pflicht zum solidarischen Finanzausgleich ausgenommen hat, die nicht über einen den Grenzwert übersteigenden Betrag an Finanzreserven verfügen, um deren Liquidität nicht zu gefährden.
Allgemein ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 - 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90 und 1 BvR 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1, juris RdNr 125; BVerfG Beschluss vom 08.04.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1, juris RdNr 31). Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung. Diese bedürfen jedoch stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Bei zunehmenden Gestaltungs- und Bewertungsspielräumen des Gesetzgebers nimmt dabei die Typisierungstoleranz zu. Ist dem Gesetzgeber – wie hier im Anwendungsbereich des Art. 87 Abs. 2 GG – ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt (Saurer in: Kahl/Waldhof/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 2/2025, Art. 87 GG, RdNr. 140; Ibler in: Düring/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: August 2024, Art. 87 GG, RdNr. 191; Burgi in: Huber/Vosskuhle, Grundgesetz, 8. Aufl. 2024, Art. 87 GG, RdNr. 77), so gilt als Maßstab allein das Willkürverbot (vgl. zuletzt BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.04.2024 – 1 BvR 2076/23 –, RdNr. 17, juris m.w.N.). Auch wenn das BVerfG diese Kriterien zu einem Anwendungsfall des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 GG in der gewährenden Staatsverwaltung aufgestellt hat, so sind diese Kriterien auf die verfassungsrechtlichen Maßgaben des Gleichheitssatzes im Allgemeinen übertragbar. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht bereits betont, dass der einfache Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert – also befugt – ist, Krankenkassen im Rahmen eines Lastenausgleichsverfahrens finanziell zu einer Solidargemeinschaft zu verbinden (BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, BVerfGE 113, 167-273, RdNr. 147).
Durch die Regelungen in § 272 Abs. 1 SGB V sollte vermieden werden, dass Beitragszahler einzelner Krankenkassen im Jahr 2021 in Folge der durch die COVID-19-Pandemie entstehenden finanziellen Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherung höhere Zusatzbeiträge entrichten müssen, solange andere Krankenkassen über hohe Finanzreserven verfügen. Damit hat der Gesetzgeber gerade dem zwischen den gesetzlichen Krankenkassen herrschenden Solidargedanken Ausdruck verliehen. Die Vorschrift dient damit dem Ziel einer gerechten Verteilung der Beitragsbelastung der Mitglieder verschiedener Krankenkassen. Als Mittel hat der Gesetzgeber hierfür einen bundesweiten und kassenübergreifenden Solidarausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung gewählt. Zu dessen Rechtfertigung hat der Gesetzgeber weiter darauf hingewiesen, dass sich die Finanzreserven der Krankenkassen (ohne die landwirtschaftliche Krankenversicherung) Mitte 2020 auf 20,6 Milliarden EUR beliefen, was ungefähr dem Fünffachen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve entsprochen hat (BT-Drucks. 19/23483, S. 3, 21 und 36; vgl. auch Huck in: Hauck/Noftz SGB V, 3. Ergänzungslieferung 2025, § 271 SGB V, RdNr. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits geurteilt, dass ein solcher sozialer Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung durch Umverteilung von Mitteln zum Zweck der Stärkung der Solidargemeinschaft zulässig ist (BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, BVerfGE 113, 167-273; so auch BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 A 2/20 R –, BSGE 132, 114-136, SozR 4-2500 § 20a Nr 1, SozR 4-2400 § 37 Nr 1, SozR 4-1100 Art 87 Nr 2, RdNr. 53). Mit dieser Zielsetzung des § 272 SGB V als einem bundesweiten, kassenübergreifenden Solidarausgleich überschreitet der Gesetzgeber seinen nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum nicht und verletzt damit auch nicht die Grenzen des Willkürverbots. Gleiches gilt im Übrigen auch für den konkret vom Gesetzgeber gewählten Grenzwert, bis zu dessen Höhe eine Krankenkasse noch nicht herangezogen wurde. Den Grenzwert hat der Gesetzgeber ausdrücklich damit begründet, dass er dem Doppelten der Mindestrücklage nach § 261 Absatz 2 Satz 2 SGB V entspricht und damit die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse sicherstellt (BT-Drs. 19/23483, S. 36). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt in diesen Erwägungen gerade nicht.
Soweit die Klägerin rügt, der Zweck der Senkung von Zusatzbeiträgen im Sinne des § 242 SGB V sei nicht erreicht worden, sie als große Krankenkasse habe den Zusatzbeitrag sogar erhöhen müssen, entspricht dies genau dem Ziel des Gesetzes. Mit § 272 SGB V sollte ein bundesweiter und kassenübergreifender Solidarausgleich zwischen den Krankenkassen geschaffen werden. Durch diesen Solidarausgleich sollte verhindert werden, dass Beitragszahler einzelner Krankenkassen im Jahr 2021 in Folge der durch die COVID-19-Pandemie entstehenden finanziellen Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherung höhere Zusatzbeiträge entrichten müssen, solange andere Krankenkassen über hohe Finanzreserven verfügen (BT-Drs. 19/23483, S. 3, 21, 36; vgl. auch Huck in: Hauck/Noftz SGB V, 2. Ergänzungslieferung 2025, § 272 SGB V, RdNr. 3). Es liegt in der Natur eines Solidarausgleichs, dass das Ziel gerade dort nicht erreicht werden kann, wo eine gesetzliche Krankenversicherung zum Nettozahler aufgrund zu hoher Finanzreserven wird.
d. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch im hinreichenden Maße die Wettbewerbsfähigkeit der Krankenkassen sichergestellt. Dabei ist zu berücksichtigten, dass die Bedeutung eines Wettbewerbs unter den Kassen mit dem in der gewerblichen Wirtschaft nicht vergleichbar ist. Während das Interesse der privaten Wettbewerber darauf gerichtet ist, die eigene Marktposition zu Lasten der Konkurrenten auszubauen, haben die Kassen zusammenzuarbeiten, um eine zweckmäßige, wirtschaftliche und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung aller Versicherten zu den gesetzlich festgelegten Bedingungen zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 24.01.2003 – B 12 KR 19/01 R –, BSGE 90, 231-269, SozR 4-2500 § 266 Nr 1, RdNr. 109). Der „Kassenwettbewerb“ dient daher allein der Erfüllung dieser sozialstaatlichen Aufgabe eines öffentlich-rechtlich geregelten Krankenversicherungsschutzes für die Versicherten. Die Kassenwahlfreiheit eröffnet keine privatrechtlich geordneten Handlungsspielräume für die Krankenkassen (BVerfG, Beschluss vom 09.06.2004 – 2 BvR 1248/03 –, RdNr. 29, 31).
Schon allein, weil der Gesetzgeber § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Rangfolge zwischen den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen unangetastet gelassen hat, ist die Grenze zur Willkür nicht überschritten. Der Gesetzgeber hat mit der über eine für alle gesetzlichen Krankenversicherungen geltenden Abschöpfungsregelung das Verhältnis der Krankenversicherungen untereinander unangetastet gelassen und geregelt, dass ein prozentualer Anteil der das Doppelte der Mindestreserve überschreitenden Finanzreserven herangezogen wird. Dadurch wird sichergestellt, dass der an den Gesundheitsfonds zu zahlende Betrag von der jeweiligen Höhe der Finanzreserven der einzelnen Krankenkasse und damit von ihrer jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit abhängt. Gleichzeitig wird damit aber gerade das Verhältnis zwischen der Höhe der Finanzreserven und der Höhe der durchschnittlichen Monatsausgaben für die Krankenkassen mit hohen Vermögen nicht verändert und damit keiner Krankenkasse im relativen Verhältnis zueinander zugunsten oder zulasten einer anderen Krankenkasse ein Wettbewerbsvorteil verschafft oder genommen (so ausdrücklich die Gesetzesmotive, vgl.: BT-Drs. 19/23483, S. 36; Huck in: Hauck/Noftz SGB V, 2. Ergänzungslieferung 2025, § 272 SGB V, RdNr. 8). Die Alternative, die Finanzreserven oberhalb einer – höher anzusetzenden Obergrenze – vollständig heranzuziehen, hätte nach Einschätzung des Gesetzgebers eine wesentlich stärkere Belastung der betroffenen Krankenkassen zur Folge gehabt und zugleich die Rangfolge der vorgehaltenen Finanzreserven verändert (BT-Drs. 19/23483, S. 36). Diese Variante hat der Gesetzgeber gerade aus Gründen, den Wettbewerb nicht zu verzerren, verworfen.
Außerdem hat der Gesetzgeber die Regelung in § 272 SGB V auch damit begründet, dass ein hoher Anreiz für Krankenkassen gesetzt wird, auf übermäßige Finanzreserven zugunsten von stabilen Zusatzbeitragssätzen zu verzichten (BT-Drucks. 19/23483, S. 36). Diese Zielsetzung ist kongruent zu der gesetzlichen Funktion der Finanzreserven. Mit der Mindestrücklage nach § 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V wird die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse sichergestellt. Sie dient dazu, Einnahmeschwankungen während eines Haushaltsjahres durch liquide Mittel abzusichern (Huck in: Hauck/Noftz SGB V, 3. Ergänzungslieferung 2025, § 261 SGB 5, RdNr. 5, 8). Die Finanzreserven bedingen zwar letztlich Wettbewerbsvorteile, ihr primäres Ziel liegt hierin aber nicht. Übermäßige Finanzreserven sollen vielmehr an die Versicherten in Form stabiler oder sogar sinkender Zusatzbeiträge weitergegeben werden. Daher war der Gesetzgeber nicht nur berechtigt, sondern im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums geradezu gehalten, einen (weiteren) Solidarausgleich zu schaffen; namentlich auch in Anbetracht der damaligen erheblichen Finanzreserven, die Mitte 2020 rund 20,6 Milliarden EUR betrugen, was ungefähr dem Fünffachen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve entsprochen hat (BT-Drucks. 19/23483, S. 3, 21 und 36). Damit hat der Gesetzgeber zum Schutz kleinerer Krankenkassen und der dort Versicherten mit tendenziell höheren Zusatzbeiträgen eine (weitere) Lastenverteilung vorgenommen. Gerade darin zeigt sich, dass der Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen nicht dem Wettbewerb am freien Markt gleichsteht, sondern von der zugrundeliegenden sozialpolitischen Erwägung gelenkt wird. Auch mit dieser Begründung achtet der Gesetzgeber daher im hinreichenden Maße das Willkürverbot.
Auch erweist sich die Regelung des § 272 SGB V vor dem Hintergrund des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl. I 1992, Nr. 59 vom 29.12.1992, S. 2266) nicht als willkürlich. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem GSG auch den Wettbewerb und die Wettbewerbsbedingungen gesetzlicher Krankenkassen im Blick gehabt und wollte damit insbesondere einen unverzerrten Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen sicherstellen (vgl.: BT-Drs, 12/3608, S. 69). Von Verfassungs wegen steht es dem Gesetzgeber jedoch gerade grundsätzlich frei, einen „Kassenwettbewerb“ einzuführen, diesen bei Bedarf zu modifizieren, ihn aber auch durch die alte oder eine neue Organisationsstruktur zu ersetzen (BVerfG, Beschluss vom 09.06.2004 – 2 BvR 1248/03, 2 BvR 1249/03 –, RdNr. 32, juris). Der weite Gestaltungsspielraum (Art. 87 Abs. 2 GG) erlaubt es dem Gesetzgeber daher, den Krankenkassen mehr Wettbewerb zu geben; zugleich liegt es aber auch in seiner Macht, die Wettbewerbsfähigkeit entsprechend wieder einzuschränken.
Die von der Klägerin vorgelegten Zahlen hinsichtlich der Mitgliederentwicklung im Zeitraum ab 2015, die von der Klägerin dargelegte Entwicklung ihres Marktanteils und die - wenn auch gegenüber den Vorjahren gestiegene aber dennoch absolut immer noch sehr niedrige Zahl an Kündigungen zum März 2021 - belegen, wie gering die Auswirkungen von § 272 SGB V auf die wettbewerbsrechtliche Stellung der Klägerin gewesen sind.
e. Die Abschöpfung von Finanzreserven im vom § 272 SGB V vorgegebenen Maße im Jahre 2021 beschneidet auch nicht im unzulässigen Maße die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Krankenkasse.
Dabei betont das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung einerseits die hohe Bedeutung der Funktionsfähigkeit und die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung für das gemeine Wohl, andererseits die diesbezüglich gegebene weitgehende sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl. stellv. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, BVerfGE 113, 167-273, RdNr. 127). Durch diesen Gestaltungsspielraum ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, Krankenkassen im Rahmen eines Lastenausgleichsverfahrens finanziell zu einer Solidargemeinschaft zu verbinden (BVerfG, a.a.O., RdNr. 147). Das BVerfG lehnt daher einen (finanz-)verfassungsrechtlichen Bestandsschutz für das überkommene gegliederte System der gesetzlichen Krankenversicherung ausdrücklich ab (BVerfG, a.a.O., RdNr. 96). Die partielle Einschränkung der finanziellen Selbständigkeit ist daher kein Systembruch, sondern eine zulässige Ausgestaltung der Organisation des Sozialversicherungssystems (BVerfG, a.a.O., RdNr. 148); aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben lässt sich kein Bestandsschutz einzelner Krankenkassen ableiten (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 A 2/20 R –, BSGE 132, 114-136, SozR 4-2500 § 20a Nr 1, SozR 4-2400 § 37 Nr 1, SozR 4-1100 Art 87 Nr 2, RdNr. 51). Der Transfer von Mitteln der Sozialversicherung innerhalb des Binnensystems der Sozialversicherung ist daher grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 18.05.2021, a.a.O., RdNr. 53). Erforderlich bleibt jedoch eine organisatorische und finanzielle Selbstständigkeit der Träger der Sozialversicherung im Sinne einer Verwaltungs- und Ertragskompetenz (BSG, 18.05.2021, a.a.O., RdNr. 52; unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, BVerfGE 113, 167-273, RdNr. 94). Der Kern der geschützten Selbstverwaltung der Krankenkassen ist dabei allenfalls dann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten verletzt, wenn und soweit finanzielle Mittel dem Zugriff des Sozialversicherungsträgers dauerhaft entzogen werden (BSG, Urteil vom 18.05.2021, aaO, RdNr. 72; hier durch eine unzulässige Übertragung auf eine außerhalb des Systems stehende Bundesbehörde für deren Erfüllung zur freien Hand, bei einem Finanztransfer auf den Gesundheitsfonds verbleiben die Mittel jedoch innerhalb des Systems der Sozialversicherungsträger).
Der Gesetzgeber überschreitet mit § 272 Abs. 1 SGB V daher nur dort die Schwelle zum Willkürverbot, wo er in Ausübung seines ihm nach Art. 87 Abs. 2 GG eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen im pluralen System der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt derart aushöhlt, dass den Leistungsträgern eine Erfüllung ihrer ihnen zugewiesenen Aufgaben mangels ausreichender Liquidität verunmöglicht, wenigstens aber unter typisierender Betrachtung gefährdet wird. Der Gesetzgeber hat hierzu hinreichende gesetzgeberische Überlegungen angestellt. Die Grenze von zwei Fünfteln (§ 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V) – was dem Doppelten der Mindestrücklage nach § 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V entspricht – der durchschnittlichen Monatsausgabe einer Krankenkasse, ab der Finanzreserven der Krankenkassen überhaupt erst herangezogen werden, ist insoweit angemessen; wovon der Gesetzgeber auch ausdrücklich ausging. Mit der Mindestrücklage wird die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse sichergestellt (so ausdrücklich die Gesetzesmotive: BT-Drs. 19-23483, S. 36; vgl. auch Huck in: Hauck/Noftz SGB V, 2. Ergänzungslieferung 2025, § 272 SGB V, RdNr. 8).
Auch die Absenkung der Mindestliquiditätsreserve von 25 Prozent auf 20 Prozent ändert daran nichts. Es ist zwar – worauf die Klägerin hinweist – zutreffend, dass mit dem Gesetz zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz – GKV-BRG) vom 21.12.2019 (BGBl. I S. 2913) die Mindestliquiditätsreserve von 25 Prozent auf 20 Prozent abgeschmolzen wurde. § 261 Abs. 2 Satz 2 SGB V regelt daher in seiner ab dem 01.01.2020 gültigen Fassung, dass die Höhe der Liquiditätsreserve nach Ablauf eines Geschäftsjahres mindestens 20 Prozent (statt zuvor 25 Prozent) der durchschnittlich auf den Monat entfallenden Ausgaben nach § 260 Abs. 1 Nr. 1 SGB V betragen muss. Der Gesetzgeber hat bereits eine Mindestreserve in Höhe von 20 Prozent der durchschnittlich auf den Monat entfallenden Ausgaben als ausreichend angesehen, um unterjährige Einnahmeschwankungen abzusichern (BT-Drs. 19/15438, S. 9 und S. 12). Hinweise darauf bzw. Zweifel daran, dass diese Mindestliquiditätsreserve ihren Zweck nicht erfüllen könnte, sind von der Klägerin nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar. Erst recht sichert daher die doppelte Mindestliquiditätsreserve in hinreichendem Maße die finanziellen Handlungsspielräume der Krankenkasse. Zumal auch vom insoweit überschießenden Grenzbetrag nur 66,1 Prozent an den Gesundheitsfonds abzuführen waren; § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Daher greift auch der allgemeine Hinweis der Klägerin nicht, dass ein wie auch immer geartetes Zusammenspiel der Absenkung der Mindestliquiditätsreserve mit den Regelungen des § 272 SGB V zu einem die Finanzhoheit der Krankenkassen aushöhlenden Ergebnis führt.
Dass die Klägerin existenzgefährdende Konsequenzen tragen muss, hat sie im Übrigen nicht einmal vorgetragen. Die Abführung des Zuführungsbetrags an den Gesundheitsfonds hat letztlich auch zu einer erhöhten Zuweisung geführt, was den von der Klägerin zu zahlenden Nettobetrag deutlich reduziert hat und ebenfalls gegen die substantielle Gefährdung der Liquidität der Krankenkassen spricht. Die Klägerin hat insoweit selbst auf eine reine Nettobelastung in Höhe von 119 Millionen EUR hingewiesen.
f. Die in § 272 Abs. 1 Satz 3 a.E. SGB V aufgenommene Stichtagsregelung – 30.06.2020 – für die verbindliche Festlegung der Rechengrößen in § 272 Abs. 1 Sätzen 1 und 2 SGB V ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber grundsätzlich befugt ist, die Geltung begünstigender oder belastender Regelungen an Stichtage zu knüpfen, obgleich dies mit Härten im Einzelfall einhergehen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, sachlich vertretbar und damit nicht willkürlich ist (vgl. zuletzt: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.04.2024 – 1 BvR 2076/23 –, RdNr. 19 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat gemessen an diesen Vorgaben in einer zulässigen, das Willkürverbot nicht überschreitenden Weise die Setzung dieser Stichtagsregelung damit begründet, dass die Krankenkassen wegen des zeitlich engen Fensters, ihre Berechnungen der Finanzreserven nicht (mehr) an die Gegebenheiten des § 272 SGB V anpassen können (BT-Drs. 19/23483, S. 36; vgl. auch BT-Drs. 19/2472, S. 22, 57; der Stichtag 14.08.2020 – Tag der Übermittlung – ist erst auf Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) in den Gesetzestext aufgenommen worden; vgl. auch Huck in: Hauck/Noftz SGB V, 2. Ergänzungslieferung 2025, § 272 SGB V, RdNr. 10).
Soweit die Klägerin es als illegitim und daher willkürlich betrachtet, Krankenkassen zu unterstellen, sie hätten die Parameter ohne Stichtagsregelung zu ihren Gunsten beeinflusst, führt dies in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einer Willkür. Es liegt nicht völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass Krankenkassen zwecks Reduzierung oder Vermeidung eines Zuführungsbetrags an den Gesundheitsfonds bei einem längeren Zeitfenster ihre Finanzreserven – bspw. in Investitionen – abgeschmolzen hätten.
Der Hinweis der Klägerin, es seien keine Ausnahmeregelungen vorgesehen gewesen, in denen Investitionen bereits vor dem Stichtag getätigt worden seien, steht der verbindlichen und umfassenden Einführung eines solchen in § 272 SGB V geregelten Stichtags (30.06.2020) ebenfalls nach der klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Stichtagsregelungen nicht entgegen. Der Stichtag stellt sich auch ohne Ausnahmeregelung für getätigte oder beabsichtigte Investitionen nicht als willkürlich dar. Die Regelung des § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellt einen kassenübergreifenden Solidarausgleich zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie dar und greift allein auf überhöhte Finanzreserven der Krankenkassen zurück. Finanzreserven und Investitionskosten verfolgen einen inkongruenten Zweck und unterliegen anderen rechtlichen Regelwerken. Der Gesetzgeber musste sich daher mit der sachfremden Erwägung der Sicherstellung von Investitionskosten in der Regelung des § 272 SGB V nicht beschäftigen und auch keine Ausnahmeregelung vorsehen. Die Finanzreserven verfolgen den Zweck der Sicherstellung der Liquidität von Krankenkassen, insbesondere im Hinblick auf unterjährige Hochkostenfälle. Rückstellungen für – ggf. auch bereits verbindlich vorgesehene – Investitionen nach § 263 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (in der Fassung vom 20.12.1998, noch gültig bis zum 31.12.2022) stellen gesondert geschütztes Verwaltungsvermögen im Sinne des § 263 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. dar. § 263 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. stellt insoweit klar, dass Rückstellungen diejenigen Geldmittel sind, die zur Anschaffung und Erneuerung der Vermögensteile und für künftig zu zahlende Versorgungsbezüge der Bediensteten und ihrer Hinterbliebenen bereitgehalten werden. Solche Rückstellungen nehmen aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 272 SGB V nicht am Solidarausgleich teil. Vielmehr ist das Verwaltungsvermögen nach § 263 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V a.F. (buchhalterisch auf dem Konto 1903 zu erfassen) nach dem eindeutigen Wortlaut nicht Teil des Finanzausgleichs. Hat eine Krankenkasse daher im Hinblick (alleine) auf ihre hohen Finanzreserven Investitionskosten getätigt oder solche beabsichtigt, mag dies betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sein, begründet aber kein schutzwürdiges Vertrauen auf Inanspruchnahme überschießender Finanzreserven durch die Solidargemeinschaft der Versicherten zur Stabilisierung des Zusatzbeitrags nach § 242 SGB V.
Dass die Klägerin solche Investitionen getätigt und hierfür Rückstellungen i.S.d. § 263 SGB V a.F. gebildet hat, die unrechtmäßigerweise Gegenstand des Zuführungsbetrags geworden sind, hat die Klägerin im Übrigen nicht einmal behauptet. Im Gegenteil ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin zum Abschluss des zweiten Quartals 2020 – ermittelt auf Basis der amtlichen Statistik KV 45 – über eine Finanzreserve in Höhe von 653.091.239,90 Euro verfügt hat.
g. Ein Verstoß der Regelung des § 272 SGB VI gegen die Grundrechte der Versicherten bzw. der Arbeitgeber kommt nicht in Betracht.
Es ist schon fraglich, ob sich die Klägerin auf die Grundrechte ihrer Versicherten berufen kann; erst recht bleibt es zweifelhaft, ob sie sich auf Grundrechte der Arbeitgeber berufen kann. Die Klägerin beruft sich zur Begründung der gerichtlichen Prüfungspflicht auch der Grundrechte ihrer Versicherten zunächst auf eine jüngere Entscheidung des BSG aus dem Jahre 2021 (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 A 2/20 R –, BSGE 132, 114-136, SozR 4-2500 § 20a Nr 1, SozR 4-2400 § 37 Nr 1, SozR 4-1100 Art 87 Nr 2, RdNr. 78 ff.). Gegenstand des Verfahrens war eine Entscheidung des Verwaltungsrates des klagenden Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen im Rahmen des Rechts auf Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 SGB IV). Der Verwaltungsrat hatte beschlossen, bestimmte Mittel nicht an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung abzuführen, wie es der durch das Präventionsgesetz vom 17.07.2015 (BGBl I 1368) m.W.z. 25.07.2015 neu gefasste § 20a SGB V vorsah. Die Beklagte verfügte als Aufsichtsbehörde daraufhin die Aufhebung dieses Beschlusses. Im Rahmen des einfachgesetzlich ausgeprägten Rechts auf Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 SGB IV) räumt das BSG Krankenversicherungsträgern bzw. dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine eigene Prüfungs- und ggf. Nichtanwendungskompetenz (BSG, Urteil vom 18.05.2021, a.a.O., RdNr. 78) ein, die das Recht einer gerichtlichen Überprüfung gesetzlicher Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Rechte ihrer Versicherten einschließt. Das BSG hat dies damit begründet, dass sich im konkreten Fall die Auswirkung der gesetzlichen Regelung nur unterhalb einer Beitragssatz- und damit auch der Grundrechtsrelevanz bewege. Die Kompetenz hat das BSG insbesondere vor dem Hintergrund einer unzulässigen Zweckentfremdung von Beitragsmitteln bejaht (BSG, Urteil vom 18.05.2021, aaO, RdNr. 72), die mit den Regelungen in der streitentscheidenden Norm des § 20a SGB V aber gerade einherging.
Es bestehen Zweifel, ob diese Rechtsprechung auf den vom Gesetzgeber angeordneten Solidarausgleich im Jahre 2021 (§ 272 SGB V) übertragbar ist. Zum einen zielt der Solidarausgleich gerade auf die Beitragsrelevanz des Zusatzbeitrags ab, zum andern verbleiben die Umschichtungen der Finanzrücklage im Gesundheitsfonds und damit innerhalb des Systems. Der Senat kann jedoch die Frage, ob sich die Klägerin in der Anfechtungssituation selbst auf die Grundrechte der Versicherten – und oder der Arbeitgeber – berufen kann, offenlassen. Der Senat kann unter Beachtung seiner allgemeinen Prüfpflicht von Grundrechtsverstößen im Rahmen einer möglichen Einleitung eines Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs. 1 GG auch außerhalb subjektiver Berechtigungen der Prozessbeteiligten (BSG, Urteil vom 13.07.1999 – B 1 A 2/97 R –, SozR 3-2700 § 144 Nr 1, SozR 3-7223 Art 8 § 1 Nr 1, RdNr. 18) keine (ungerechtfertigte) Grundrechtsverletzung erkennen.
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 GG zulasten der Versicherten kann der Senat schon nicht erkennen. Der Solidarausgleich zielte gerade darauf ab, die immer weiter auseinanderdriftenden Zusatzbeiträge wieder einander anzunähern und so für eine annähernde gleiche Belastung unter den Versicherten zu sorgen.
Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 GG ist jedenfalls zu rechtfertigen. Die Versicherungs- und Beitragspflicht ist für sich betrachtet ein erheblicher Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (BSG, Urteil vom 18.05.2021, a.a.O., RdNr. 79; zur Bedeutung der Beitragserhebung zulasten der Versicherten für das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG vgl. auch: BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 –, BVerfGE 115, 25-51, RdNr. 50). Verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist ein (etwaiger) Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Versicherten bereits unter Berücksichtigung des in § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V niedergelegten Sonderkündigungsrechts. Erhebt die Krankenkasse nach § 242 Abs. 1 SGB V erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht sie ihren Zusatzbeitragssatz, kann die Kündigung der Mitgliedschaft bis zum Ablauf des Monats erklärt werden, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben wird oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird.
Das Sonderkündigungsrecht in dieser Form ist zusammen mit dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag (§ 242 SGB V) durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 (BGBl I 2007, 378) mit Wirkung zum 01.01.2009 in das SGB V eingefügt worden (noch als Satz 5). Zusammen mit der in Satz 6 (a.F.) ebenfalls geregelten Hinweispflicht der Krankenkasse auf das Sonderkündigungsrecht sollte den Mitgliedern ein frühzeitiger Wechsel zu einer günstigeren Krankenkasse ermöglicht werden (BT-Drs. 16/3100, S. 158). Damit hat der Gesetzgeber den gesetzlich Krankenversicherten hinreichend in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Der gesetzlich Krankenversicherte kann durch das Sonderkündigungsrecht seine geschützte Wahlfreiheit ausüben. Dabei ist der Grund für die Erhöhung des Zusatzbeitrages ohne Relevanz. Gründe für einen über das Sonderkündigungsrecht hinausgehenden notwendigen Schutz des Versicherten in der konkreten Situation der Erhöhung des Zusatzbeitrages aufgrund des durch § 272 SGB V angeordneten solidarischen Ausgleichs hat die Klägerin weder dargetan, noch sind solche erkennbar.
Eine Verletzung der Grundrechte der Arbeitgeber kann der Senat ebenfalls nicht erkennen. Arbeitgeber tragen den Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 13 SGB V zur Hälfte. Dabei haben Arbeitgeber schon keinen Einfluss darauf, welcher gesetzlichen Krankenkasse ihre versicherten Arbeitnehmer angehören. Für Arbeitgeber stellt sich der solidarische Lastenausgleich nach § 272 SGB V mit Blick auf die Gesamtheit ihrer Arbeitnehmer jedenfalls unter Berücksichtigung der hohen Typisierungstoleranz des Gesetzgebers als gesetzgeberische Maßnahme mit für sie neutralen Auswirkungen dar.
h. Andere Gründe, die für eine verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit des § 272 SGB V sprechen, sind nicht erkennbar und auch nicht im hinreichenden Maße dargetan; dies gilt auch für das Verhältnis von § 272 SGB V zu den Haftungsregeln; §§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Die Klägerin versäumt schon darzulegen, inwieweit dies überhaupt geeignet sein soll, sie in ihren Rechten – insbesondere im Hinblick auf die den Wettbewerb und die Leistungsfähigkeit garantierenden Strukturprinzipien der Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit – zu beeinträchtigen.
3. Das Verfahren war auch nicht Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen eines solchen Normenkontrollverfahrens einzuholen. Der Senat hat, wie dargelegt, keine Zweifel an der Vereinbarkeit von § 272 SGB V mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 87 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
4. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des verrechneten Betrags i.H.v. 297.893.521,59 EUR zuzüglich Zinsen. Nachdem die Beklagte mit dem hier streitigen Bescheid vom 26.03.2021 den Zuführungsbetrag in Höhe von 297.893.521,59 EUR dem Grunde und auch der Höhe nach rechtmäßig geltend gemacht sowie gemäß § 6 RSAV verrechnet hat, scheidet ein wie auch immer gearteter öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch schon dem Grunde nach aus. Der Erstattungsanspruch der Klägerin findet seine Anspruchsgrundlage im Rechtsinstitut des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches (vgl. BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2, RdNr. 12; so auch BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 9 SB 7/10 R – BSGE 109, 154-176 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2, RdNr. 28, 31). Nur zu Unrecht empfangene Leistungen sind zurückzugeben (BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 9 SB 7/10 R – BSGE 109, 154-176 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2, RdNr. 31). Der Rechtsgrund des Behaltendürfens liegt in § 272 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Zuführung der Finanzreserven der Klägerin zum Gesundheitsfonds verfügt.
E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
F. Der Senat hat die Revision Klägerin zugelassen, weil die Voraussetzungen der §§ 160 Abs. 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Weitere Verfahren zur verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit des § 272 SGB V mit Art. 87 Abs. 2 GG sind im erkennenden und im 16. Senat anhängig. Das Verfahren hat daher trotz abgeschlossenen Zeitraums auch aufgrund der hohen Beträge noch eine hinreichende Klärungsbedürftigkeit.
G. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 2 GKG. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beträgt der maximale Streitwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 GKG 2,5 Millionen EUR (vgl. zum maximalen Streitwert auch LSG NRW, Beschluss vom 15.06.2005 – L 5 B 18/05 KR –, RdNr. 11).