L 8 KR 257/24 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 26/24 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 257/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


Zum einstweiligen Rechtsschutz eines Herstellers parenteraler Ernährung gegen einen Vertrag zwischen einer Krankenkasse und einem privaten Unternehmen, aufgrund dessen dieses ein online-Portal zur parenteralen Ernährung mit vergleichenden Informationen zu den verschiedenen Anbietern parenteraler Ernährung bereitstellt. 

Der Vertrag über die Bereitstellung eines Verordnungsservice-Portals zum Zweck der Unterstützung und Sicherstellung einer wirtschaftlichen Verordnung von Arzneimitteln zur parenteralen Ernährung findet eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 8 SGB V iVm § 197 b SGB V
 


Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2024 wird zurückgewiesen. 

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen. 

Der Streitwert wird auf 2.500.000 € festgesetzt.


Gründe

I.    

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Beigeladenen das Betreiben des Verordnungsservices H. bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen.

Die Antragstellerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, welches u.a. Produkte zur parenteralen Ernährung (im Folgenden: PE), also zur künstlichen Ernährung, herstellt. Seit 2017 vertreibt sie einen patentierten Mehrkammerbeutel für ein PE-Mehrkomponentenregime unter der Bezeichnung Eurotubes. Hierbei handelt es sich um Sieben-, Acht- und Neunkammerbeutel, bei denen PE-Komponenten getrennt voneinander abgefüllt und haltbar aufbewahrt werden können. Üblicherweise werden in der PE-Therapie Einkammerbeutel bis maximal Dreikammerbeutel verwendet und weitere Bestandteile der PE-Therapie mittels Spritze hinzugegeben. Die Eurotubes der Antragstellerin verfügen dagegen neben drei getrennten Hauptkammern für Fette, Aminosäuren und Kohlenhydrate über einen „Therapieblock“ mit bis zu sechs weiteren gesonderten Kammern für Elektrolyte und Mikronährstoffe. Die Kosten für die Sieben-, Acht- und Neunkammerbeutel belaufen sich auf über 90 € pro Stück. Andere auf dem Markt angebotene Mischbeutel kommen auf Durchschnittspreise von 14 € bis 16 €.

Die Antragsgegnerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, die Beigeladene ein privatrechtliches Unternehmen. Die Beigeladene betreibt seit dem Jahr 2012 unter dem Namen H. ein Online-Portal u. a. für Ärzte, bei der durch Eingabe patientenspezifischer Parameter ein Verordnungsvorschlag für das PE-Regime erstellt wird, das im jeweiligen Einzelfall am wirtschaftlichsten sein soll. Dabei werden ein Infusionsplan und ein Rezeptvorschlag für das PE-Regime herausgegeben. Die Nutzung des Portals ist freiwillig und setzt die Erstellung eines Accounts voraus. 

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben hinsichtlich der H.-Plattform einen Vertrag zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelverordnung von parenteralen Ernährungstherapien durch das Verordnungsservice-Portal für Ärzte „H.“ geschlossen. Dieser Vertrag hat die bundesweite Bereitstellung des Verordnungsservice-Portals „H.“ zum Zweck der Unterstützung und Sicherstellung einer wirtschaftlichen Verordnung von Arzneimitteln zur parenteralen Ernährung zugunsten der Versicherten der Antragsgegnerin zum Gegenstand. Die Beigeladene hat sicherzustellen, dass die ärztliche Therapiehoheit nicht beeinträchtigt wird und die Beratung leitliniengerecht erfolgt. Die Beigeladene haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vertrag. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Bl. 1140 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Die Antragstellerin hat am 22. Dezember 2023 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, der Beigeladenen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, im Auftrag der Antragsgegnerin Ärztinnen und Ärzten den Verordnungsservice H. zur Verfügung zu stellen. Sie hat vorgetragen, sie sei in ihrem Grundrecht auf chancengleiche Teilnahme am Wettbewerb nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 GG verletzt. Die Einbindung eines privaten Unternehmens wie der Beigeladenen in die Wahrnehmung der nach § 73 Abs. 8 SGB V den gesetzlichen Krankenkassen obliegenden Informationspflichten sei unzulässig. Es handele sich um eine rechtswidrige faktische Beleihung der Beigeladenen mit hoheitlichen Aufgaben. Der Algorithmus des Portals benachteilige sie gegenüber anderen Herstellern von PE-Kammerbeuteln, da ihre Produkte selbst in Fällen einer eindeutigen Indikation nicht als wirtschaftlich angezeigt würden. Die Entscheidungen der Ärzte würden dabei u.a. durch den Hinweis auf ansonsten drohende Regressmöglichkeiten beeinflusst. Dies führe quasi zu einem „Boykott“ der Eurotubes. Es sei durch Studien, insbesondere die sog. PEKANNUSS-Studie nachgewiesen, dass die höheren Kosten der Eurotubes jedenfalls in bestimmten Anwendungssituationen durch Vorteile wie ein geringeres Infektionsrisiko und den verringerten Aufwand bezüglich der Anwendung gerechtfertigt und damit nicht unwirtschaftlich seien. Die einstweilige Anordnung sei auch zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich. Der H. Verordnungsservice werde von 16.000 Ärzten genutzt, die aufgrund von Regressrisiken von einer Verordnung der Eurotubes absehen könnten. In den Jahren 2017 und 2018, also nach der Markteinführung der Eurotubes, sei ein Anstieg ihrer Absatzzahlen von rund 80 % festzustellen. Diese Entwicklung habe sich aber nicht fortgesetzt, vielmehr gehe der Absatz zurück. Da die Antragstellerin bestimmte Abnahmemengen mit dem Lohnhersteller der Beutel vereinbart habe, drohe ihr ein Verlust der Zusammenarbeit mit diesem, wenn diese Mengen nicht weiter abgesetzt würden. Zudem häuften sich die Lagerbestände an. Es drohe die Verdrängung aus dem Markt. Für die Jahre 2019 bis 2023 errechne sich ein entgangener Gewinn von 15.993.684,69 €. Dies sei eine Folge des gezielten Boykotts der Eurotubes durch den H.-Verordnungsservice. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liege nicht vor. Es werde nur eine Interimsregelung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache begehrt.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in § 197b S. 2 SGB V dürfe sie die Beigeladene mit der Aufgabe des § 73 Abs. 8 SGB V betrauen. Die Beigeladene informiere die Leistungserbringer sachlich und nach wissenschaftlichen Kriterien über wirtschaftliche Produktangebote. Das Angebot der Antragstellerin sei schlicht zu teuer und werde daher auf dem Portal nicht vorrangig angezeigt. Zudem handele es sich bei den angezeigten Ergebnissen nur um unverbindliche Empfehlungen. 

Die Beigeladene hat vorgetragen, es fehle dem Antrag an einem Anordnungsgrund, da ein wirtschaftlicher Schaden nicht glaubhaft gemacht sei. Für die Beigeladene sei eine auch nur temporäre Untersagung des Betriebs ihres Portals existenzbedrohend, da sie ihre Einnahmen ausschließlich hierdurch erziele. Ihr Portal erfülle nur eine Hilfsfunktion in Form eines Informationsdienstes. Der Algorithmus der Plattform nutze die aktuellen Leitlinien zur parenteralen Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) und der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) sowie weitere wissenschaftliche Erkenntnisse. Ob und welche PE-Therapie ein Patient bzw. Versicherter erhalte, obliege allein dem Arzt unter Wahrung seiner Therapiehoheit. 

Mit Beschluss vom 21. August 2024 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund im Sinne schwerwiegender Nachteile für die Antragstellerin bei Nichterlass einer einstweiligen Anordnung. Ein Verbot des Betreibens der Plattform H. stelle eine Vorwegnahme der Hauptsache dar; dieses sei letztlich auch Ziel der Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren. Die Folgen eines solchen Verbots seien nachträglich nicht mehr korrigierbar. Würde der Beigeladenen der Betrieb der Plattform für die Dauer des Hauptsacheverfahrens vollständig – wie beantragt – untersagt, sei mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Beigeladene ihre Existenz nicht weiter aufrechterhalten könne. Es würde sich insoweit nicht bloß um finanzielle Verluste, sondern um eine Existenzvernichtung handeln. Klar ersichtliche Umsatzeinbußen durch das Betreiben der Plattform durch die Beigeladene seien nicht glaubhaft gemacht. Die von der Antragstellerin vorgelegte Übersicht des Umsatzes mit den Eurotubes im Zeitraum von 2017 bis 2023 zeige zu keinem Zeitpunkt den behaupteten dramatischen Umsatzeinbruch, sondern lediglich Schwankungen, wie sie bei jedem Unternehmen bzw. bei vielen Produkten üblich seien. Es sei nicht glaubhaft gemacht, weshalb die angeblichen Umsatzeinbußen bzw. geringeren Absatzzahlen allein auf dem Betreiben der Plattform H. der Beigeladenen beruhen sollten. Es fehle aber auch an einem Anordnungsanspruch. Auf die rechtliche Frage, ob – wie die Antragstellerin vortrage – eine „unzulässige faktische Beleihung“ der Beigeladenen mit Aufgaben nach § 73 Abs. 8 SGB V vorliege, komme es nicht an, da keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs gesehen werden könne. Die Nutzung des Verordnungsservice sei für die Vertragsärzte freiwillig. Zudem bleibe es bei der Therapiehoheit des verordnenden Arztes. Dieser könne die Eurotubes weiterhin verordnen, sofern dies im Einzelfall sinnvoll erscheine. Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot lägen danach nicht zwingend vor. Dem entspreche auch der Vortrag der Antragstellerin, wonach in den Jahren 2017 und 2018 die Ärzte weiterhin in großen Mengen die Eurotubes der Antragstellerin verordnet hätten. Die Werbung für die Vorteile der Eurotubes gegenüber Ärzten sei durch den H.-Verordnungsservice nicht beeinträchtigt. Die Antragstellerin sei nicht von der Plattform ausgeschlossen. Ihre Produkte würden, da sie teurer seien als andere Produkte, lediglich seltener vorgeschlagen. Hierbei handele es sich aber um eine normale Auswirkung des bestehenden Wettbewerbs zwischen Herstellern medizinischer Produkte. Eine gezielte Benachteiligung der Antragstellerin sei nicht ersichtlich. 

Gegen den am 23. August 2024 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 23. September 2024 Beschwerde eingelegt. 

Sie trägt vor, das Sozialgericht habe ihren Antrag fehlerhaft in dem Sinne ausgelegt, dass dieser auf ein Totalverbot der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beigeladenen und damit deren Existenzvernichtung gerichtet sei, obwohl sie tatsächlich lediglich eine Untersagung der Beauftragung der Beigeladenen durch die Beschwerdegegnerin begehre. Unhaltbar sei auch, dass das Sozialgericht bereits einen Eingriff in Grundrechte der Antragstellerin verneine, obwohl die in § 73 Abs. 8 SGB V den Krankenkassen zugewiesene Aufgaben, Vertragsärztinnen und Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen zu informieren, ein grundrechtsrelevantes hoheitliches Handeln darstelle, welches nur auf Basis der hierfür speziell geschaffenen Ermächtigungsgrundlage und allein durch die dort ermächtigten Normadressaten erfolgen dürfe. Insoweit handele sich bei dem Handeln des Beigeladenen um eine grob rechtswidrige Wahrnehmung der der Beschwerdegegnerin als gesetzlicher Krankenkasse übertragenen hoheitlichen Aufgaben und Pflichten aus § 73 Abs. 8 SGB V im Wege einer faktischen Beleihung, bei der sich die Beschwerdegegnerin aller Mitwirkungs- und Kontrollrechte begebe. Die Inhalte des "H." Verordnungsservice würden gerade nicht von der Antragsgegnerin, sondern allein von der Beigeladenen ausgewählt, strukturiert, aufbereitet und sodann den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten eigenverantwortlich und ohne vorherige Prüfung oder gar Freigabe durch die Antragstellerin zur Verfügung gestellt, was auch die Grenzen einer zulässigen Aufgabenübertragung nach § 197b SGB V überschreite. Durch die Beigeladene würden die von ihr angebotenen Eurotubes Mehrkammerbeutel systematisch aus der Versorgung gesetzlich Versicherter ausgegrenzt. Entgegen des Aufbaus, der Struktur und der Zielsetzung des gesamten "H." Verordnungsservice verpflichte das sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot die behandelnden Ärztinnen und Ärzte gerade nicht pauschal zur Verordnung der jeweils billigsten Therapieoption. Die einschlägigen Leitlinien und Empfehlungen zeigten, dass die Eurotubes gegenüber den bereits am Markt befindlichen Varianten jedenfalls in bestimmten Anwendungsbereichen erhebliche Vorteile für die Patienten aufwiesen. Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Sozialgericht die dargelegten wirtschaftlichen Folgen nicht als schwerwiegende Nachteile ansehe, obgleich der "H." Verordnungsservice gezielt auf eine Ausgrenzung der Eurotubes Mehrkammerbeutel aus der Versorgung im System der GKV angelegt sei. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sei ihr infolge des "H." Verordnungsservice vor diesem Hintergrund weder aktuell noch perspektivisch möglich. Die hierdurch fortlaufend entstehenden Schäden aktualisierten sich in dem Einbruch von Umsätzen, dem Verlust von Produktionsslots, irreversiblen Schäden aufgrund mangelnder finanzieller Kompensationsmöglichkeiten, irreversiblen Schäden aufgrund des rufschädigenden Charakters der Boykottaufrufe und irreversiblen Schäden durch den Ablauf bestehender Schutzrechte. 

Die Antragstellerin beantragt, 
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2024 aufzuheben und es der Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, Ärztinnen und Ärzten den Verordnungsservice H. über die D. Gesellschaft für Gesundheitsökonomie mbH & Co. KG, F-Straße, D-Stadt, im Auftrag der Beschwerdegegnerin zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, 
die Beschwerde zurückzuweisen. 

Sie führt aus, § 197b S. 1 SGB V erlaube eine Auslagerung der der obliegenden Informationspflicht aus § 73 Abs. 8 SGB V an Dritte auch ohne Beleihungsakt. Die Beigeladene werde aufgrund eines Vertragsverhältnisses für die Antragsgegnerin tätig und führe die Aufgaben im Namen der Antragsgegnerin durch. Diese könne der Beigeladenen Vorgaben zu Art und Umfang der Informationen machen, diese kontrollieren, habe einen Anspruch auf Anpassung, zudem hafte die Beigeladene für Fehler. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin zeige die von der Beigeladenen zur Verfügung gestellte webbasierte Plattform „H.“ nicht nur die Preise der verfügbaren Produkte an, sondern unterstütze die Vertragsärzte im Rahmen der ihnen obliegenden Verordnungsfreiheit durch herstellerunabhängige Informationen über Produkte, Preise und Leitlinienempfehlungen. Aufgrund des vergleichsweisen sehr hohen Preises für die Eurotubes würden diese aber oftmals nicht als erstes Produkt angezeigt, da diese vergleichend nicht am wirtschaftlichsten seien. Den Vertragsärzten stehe es gleichwohl frei, die Eurotubes zu verschreiben. Dies hätten die Vertragsärzte auch in den ersten Jahren der Verfügbarkeit der Eurotubes getan, was durch die Umsätze belegt werde. Aufgrund dessen spreche deutlich mehr dafür, dass die Umsatzeinbrüche aus der bis heute fehlenden Empfehlung der Eurotubes durch die maßgeblichen Leitlinien in Verbindung mit dem sehr hohen Preis resultierten als durch die nicht an vorderster Stelle platzierte Anzeige der Eurotubes auf der H. 

Die Beigeladene beantragt, 
die Beschwerde zurückzuweisen. 

Sie unterstützt den Vortrag der Antragsgegnerin. Es könne keine Rede davon sein, dass das Verordnungsportal H. stets und ausnahmslos nur die billigste Therapievariante empfehle. Auch von einem „gezielten Boykott“ der Produkte der Antragstellerin könne keine Rede sein. Der von der Antragstellerin behauptete Anwendungsvorteil der von ihr produzierten Eurotubes sei nach wie vor unbelegt und insbesondere auch nicht durch die von der Beschwerdeführerin initiierte PEKANNUSS-Studie hinreichend nachgewiesen. Ohne einen solchen signifikanten Anwendungsvorteil seien die Eurotubes jedoch mit den herkömmlichen 1- bis 3-Kammerbeuteln absolut vergleichbar, so dass es nicht Wunder nehme, dass unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 SGB V nicht die wesentlich teureren Eurotubes, sondern die gleich geeigneten, preiswerteren 1- bis 3-Kammerbeutel empfohlen würden.


II.    

Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. 

Der Antragstellerin fehlt es, wie bereits vom Sozialgericht zutreffend festgestellt, sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund. 

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Aus der Verweisung in § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG auf § 920 Abs. 2 ZPO folgt die Obliegenheit des Antragstellers, das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen. Diese Obliegenheit ist nicht auf das Tatsächliche beschränkt, sondern verlangt die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes selbst (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86b SGG, Rn. 405). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 27): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn selbst in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist.

Der für den Erlass einer einstweilen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund setzt voraus, dass ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller mit einer dringlichen Notlage verbunden ist, die eine sofortige Entscheidung erfordert. Ein Anordnungsgrund ist diesbezüglich nur glaubhaft gemacht, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass dem Antragsteller bei einem Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens unzumutbare Nachteile entstünden. Geht es wie vorliegend um die wirtschaftlichen Folgen einer angefochtenen Regelung, dann liegt ein ausreichender Anordnungsgrund in der Regel nur vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, a.a.O., Rn. 353). Dies gilt umso mehr, wenn durch den Antragsteller mit dem Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine Vorwegnahme der Hauptsache angestrebt wird (Senat, Beschluss vom 4. Juli 2022 – L 8 KR 125/22 B ER –, juris Rn. 20; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Februar 2019 – L 9 KR 691/17 B ER –, juris Rn. 47).  

Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Eine Existenzgefährdung der Antragstellerin ist nach ihrem eigenen Vortrag nicht zu besorgen. Die von ihr vorgelegten Zahlen zeigen eine erhebliche Steigerung des Absatzes der von ihr vertriebenen Eurotubes nach Markteinführung im Jahr 2017 bis ins Jahr 2020 mit einem Höchststand von 43.863 verkaufter Eurotubes. Seitdem hat sich der Absatz wie folgt entwickelt: 36.830 (2021), 38.532 (2022), 32.474 (2023). Dies belegt zwar eine negative Entwicklung, aber keinen existenzgefährdenden Einbruch. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus geltend macht, ihr entgingen durch die negativen Wirkungen der Beratungstätigkeit der Beigeladenen mögliche erhebliche Umsatzzuwächse, handelt es sich um enttäuschte Gewinnerwartungen, nicht aber um die Darlegung einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung. Gleiches gilt für die weiteren Ausführungen der Antragstellerin zu angeblichen negativen wirtschaftlichen Folgen für ihr Unternehmen wie erhebliche Kosten aufgrund zu erfüllender Abnahmeverpflichtungen gegenüber dem Lohnhersteller sowie Lagerhaltungskosten nicht abgenommener Eurotubes. Aus der Darstellung der Antragstellerin wird nicht ersichtlich, welche Kosten hierdurch tatsächlich entstehen und dass diese Produktion und Vertrieb der Eurotubes unwirtschaftlich machen könnten. Sie hat auch nicht dargelegt, welche zumutbaren Schritte sie seit 2020 unternommen hat, um durch Vertragsanpassungen und Änderungen in der Vorratshaltung solche Kosten zu vermeiden oder zu minimieren. 

Im Übrigen lässt sich kein verlässlicher Schluss ziehen, dass die Umsatzeinbußen der Antragstellerin und das ausgebliebene weitere Wachstum maßgeblich auf die Wirkungen der vergleichenden Beratungstätigkeit des Portals der Beigeladenen zurückzuführen sind. Zwar ist es naheliegend, dass ein Produktvergleich, der andere Versorgungsformen als die Eurotubes als wirtschaftliche Versorgung darstellt, auf die verordnenden Vertragsärzte, welche das Portal in Anspruch nehmen, eine gewisse verhaltenssteuernde Wirkung hat. Allerdings hat bereits das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das Vergleichsportal der Beigeladenen bereits existierte, als die Antragstellerin 2017 ihr Produkt auf den Markt brachte. Nach den Darlegungen der Beigeladenen sind die Eurotubes auch von Beginn an in die Produktvergleiche des Portals mit einbezogen worden, so dass mögliche Folgen einer negativen Wirtschaftlichkeitsbewertung der Eurotubes durch das Portal bereits von Beginn an hätten bemerkbar sein müssen. Gleichwohl konnten sich die Eurotubes mit in den ersten Jahren erheblichen Umsatzsteigerungen am Markt etablieren. Insoweit ist jedenfalls denkbar, dass das ausgebliebene weitere Wachstum maßgeblich auf anderen Faktoren, z.B. einem verschärften Wettbewerb, beruht. 

Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit den Interessen der Beigeladenen, welche infolge der begehrten einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ihre Geschäftstätigkeit für die Antragsgegnerin einstellen müsste.

Der Antragstellerin fehlt es zugleich an einem Anordnungsanspruch. Eine materiellrechtliche Rechtsposition, aus der die Antragstellerin einen Anspruch ableiten könnte, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Bereitstellung des Verordnungsservice-Portals „H.“ für Versicherte der Antragsgegnerin untersagt, ist nicht ersichtlich. 

Zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen besteht ein koordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 SGB V, aufgrund dessen die Beigeladene ihr Beratungsportal für die medizinische Behandlung der Versicherten der Antragsgegnerin gegen Zahlung einer Vergütung bereitstellt. 

Ein Anspruch auf „Untersagung“ dieser vertraglichen Zusammenarbeit durch einen Dritten käme in Betracht, wenn sich dieser Vertrag aus Gründen, welche eine geschützte Rechtsposition der Antragstellerin betreffen, als unwirksam oder nichtig erweist, weil ihm Rechtsvorschriften entgegenstehen (§ 53 Abs. 1 S. 1 a.E. SGB X). 

Der Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist zunächst nicht wegen fehlender Zustimmung der Antragstellerin bzw. auch der übrigen Leistungsanbieter auf dem Gebiet der PE nichtig. Zwar bestimmt § 57 Abs. 1 SGB V, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in die Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam wird, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Voraussetzung ist, dass der Dritte unmittelbar durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag in seinen Rechten berührt wird (BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - 3 RK 2/95 -, juris, Rn. 20). 

Vorliegend ist bereits nicht von einem solchen Eingriff in die Rechte der Antragstellerin auszugehen.

Der Vertrag zwischen der Antragsgegnerin als gesetzlicher Krankenkasse und der Beigeladenen betrifft ein staatliches Informationshandeln. Nach § 73 Abs.  8 S. 1 SGB V haben zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischem Nutzen zu geben. Diese Aufgabe erfüllt die Antragsgegnerin für den speziellen Marktbereich der PE nicht selbst. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die Beigeladene damit beauftragt, auf dem von ihr bereitgestellten webbasierten Portal „H.“ Ärzte mit vergleichenden Informationen über die auf dem Markt der PE angebotenen Produkte zu versorgen, wofür sie der Beigeladenen eine Vergütung zahlt. 

Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann staatliches Informationshandeln zu faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen. Sofern es sich um marktbezogene Informationen des Staates handelt, beeinträchtigen diese nicht den Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. GG, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Danach setzt die Verbreitung staatlicher Informationen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus. Außerdem sind die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information zu beachten, und die staatliche Informationstätigkeit darf in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen kein Ersatz für eine staatliche Maßnahme sein, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252-279; dazu Dörig, jM 2015, 252, 254 mwN).  

In den sog. „Transparenzberichten“ über Pflegeeinrichtungen sieht das Bundessozialgericht nach diesen Maßstäben einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Denn diese beschränken sich nicht auf die Wiedergabe sachlicher Informationen (etwa über Ausstattungsmerkmale von Pflegeeinrichtungen), sondern zielen im Kern auf die Abgabe vergleichender Werturteile hinsichtlich der Qualität und Leistung von Pflegeeinrichtungen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 P 5/12 R –, juris Rn. 15). 

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu Transparenzlisten für Fertigarzneimittel. Ein mit amtlicher Autorität ausgestattetes, auf ein konkretes Erzeugnis bezogenes und veröffentlichtes Werturteil beeinflusse unmittelbar die Absatzmöglichkeiten des jeweiligen Herstellers, berühre den Ruf seiner Firma und beeinträchtige ihn daher in seiner grundrechtlich geschützten Freiheit. Die Preis-, Wirksamkeits- und Qualitätssicherungsangaben in den amtlichen Charakter tragenden Transparenzlisten in Verbindung damit, dass der verordnende Arzt gehalten sei, dem Gebot der Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden, verliehen den Transparenzlisten im Sinne ihrer Zweckbestimmung eine Durchschlagskraft, die der Wirkung eines unmittelbaren staatlichen Zwangseingriffs in das Marktgeschehen zu Lasten einzelner Unternehmer gleichkomme (BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 – 3 C 34/84 –, BVerwGE 71, 183-199, Rn. 47)

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe dürfte es vorliegend an einem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin durch den Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen fehlen. Denn die streitige Informationsbereitstellung zur PE erfolgt nicht durch die gesetzlichen Krankenkassen als staatlichem Akteur in Form vergleichender Werturteile zur Wirtschaftlichkeit der auf dem Markt angebotenen Produkte unter Inanspruchnahme ihrer besonderen fachlichen Autorität. Vielmehr werden die Produktinformationen durch den Beigeladenen, ein privates Unternehmen, mittels eines webbasierten Vergleichsportals bereitgestellt. Der Beigeladene verweist auf seiner Homepage eingangs darauf, dass das Portal von einem privaten Institut betrieben wird, welches herstellerunabhängige Arzneimittelinformationen im Bereich der PE bundesweit zur Verfügung stelle. Ein Zusammenhang mit den gesetzlichen Krankenkassen wird lediglich durch den Hinweis hergestellt, dass mehr als 40 Krankenkassenvertragspartner mit mehr als 50 Millionen Versicherten auf die Expertise und Zuverlässigkeit von H. vertrauten und diese den unabhängigen Informationsdienst der Beigeladenen unterstützten. Die Nutzung des Portals ist freiwillig. Der Anwender muss zunächst einen Account anlegen und kann erst dann eine patientenindividuelle Anfrage stellen. Auf der Basis dieser Eingaben wird ihm ein individualisierter Vorschlag für eine aus Sicht der Beigeladenen geeignete, wirtschaftliche Versorgung gemacht. Ob der Arzt diesem Vorschlag folgt, bleibt jedoch – worauf die Beigeladene auf ihrer Internetseite auch ausdrücklich hinweist – in seiner Therapiehoheit. Zwar weist der Beigeladene auf dem Portal ebenfalls darauf hin, dass sein Verordnungsvorschlag „Regressschutz und Rechtssicherheit für Ärzt:Innen“ biete. Hierbei handelt es sich allerdings erkennbar nicht um eine Verlautbarung im Namen der beteiligten Krankenkassen, sondern um eine werbliche Aussage, bei der sich der Beigeladene auf eine von ihm an selber Stelle angezeigte gerichtliche Entscheidung stützt.  

Aber selbst, wenn man in der Bereitstellung dieser vergleichenden Informationen einen staatlich veranlassten Eingriff in eine von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Rechtssphäre der Antragstellerin sehen wollte, so folgte aus diesem doch vorliegend ausnahmsweise kein Zustimmungserfordernis nach § 57 Abs.  1 SGB X. Zwar ist ein Dritter, der an einem öffentlich-rechtlichen Vertrag unbeteiligt ist, in der Regel besonders schutzbedürftig. Er genießt nicht den Schutz, der ihm bei Erlass eines Verwaltungsakts zukommt, der auch ihn betrifft (Verwaltungsakt mit Drittwirkung). Letzterer muss auch ihm bekanntgegeben werden (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB X), andernfalls wird er ihm gegenüber nicht wirksam. Gegen einen ihm bekanntgegebenen Verwaltungsakt mit Drittwirkung kann sich der Dritte mittels Widerspruchs, Klage und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wehren (§ 62 SGB X i. V. m. §§ 77 ff. SGG, § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Möglichkeiten hat er nicht bzw. nicht im gleichen Maße, wenn er von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag betroffen wird, der zu seinen Lasten geschlossen wird (zu allem Hartmeyer in: jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 57 SGB X [Stand: 15.11.2023], Rn. 14). Dagegen erfasst § 57 Abs. 1 SGB X Normsetzungsverträge, wie sie insbesondere im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorkommen, nicht, auch wenn durch sie in Rechte Dritter eingegriffen wird (vgl. nur Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, 1. EL 2025, § 57 Rn. 8; Engelmann in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 57 Rn. 4; Hartmeyer, a.a.O., Rn. 12); denn hier erfolgt der Eingriff aufgrund gesetzlicher Legitimation. 

Die der Antragsgegnerin in § 73 Abs. 8 SGB V auferlegten Informationspflichten folgen direkt aus dem Gesetz. Das Gleiche gilt entsprechend für die aus der Erfüllung dieser Informationspflichten möglicherweise folgenden Eingriffe in die Rechte der Leistungserbringer. Die Frage, ob die Krankenkasse diesen ihr obliegenden Informationspflichten selbst nachkommt oder ob sie sich hierfür im Wege des öffentlich-rechtlichen Vertragsschlusses eines Dritten bedient, ändert insofern an der Qualität des (potentiellen) Rechtseingriffes nichts, solange der Vertrag sich im Rahmen und in den Grenzen der gesetzlichen Vorgaben bewegt, wie es hier der Fall ist. Der Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen findet eine Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 8 S. 1 SGB V, welche die Ermächtigung und Verpflichtung u.a. der Krankenkassen enthält, die Vertragsärzte über Kosten und Nutzen verordnungsfähiger Leistungen auch vergleichend zu informieren. Diesem Auftrag ist die Antragsgegnerin mit dem Vertrag zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelverordnung von parenteralen Ernährungstherapien durch das Verordnungsservice-Portal „H.“ nachgekommen. 

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin ist die Übertragung der Aufgabe nach § 73 Abs. 8 S. 1 SGB V auch nicht als eine unzulässige Beleihung eines privaten Dritten zu sehen, sondern kann sich auf die Vorschrift des § 197b SGB V stützen. Danach können Krankenkassen die ihnen obliegenden Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder durch Dritte mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn die Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften oder den Dritten wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen liegt und Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden (S. 1). Wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten dürfen nicht in Auftrag gegeben werden (S. 2). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Aufgabenübertragung bewegt sich nicht auf der Ebene der individuellen Versorgung der Versicherten mit Leistungen oder damit in Zusammenhang stehende wesentliche Unterstützungs- und Beratungsleistungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 – B 1 A 3/19 R –, juris Rn. 16f), sondern betrifft lediglich die durch § 73 Abs. 8 SGB V vorgesehene vergleichende Information der Vertragsärzte über das wirtschaftliche Verordnungsverhalten. Es begegnet aus Sicht des Senats keinen Bedenken, dass gesetzliche Krankenkassen ihre Informationspflichten in sehr speziellen Versorgungssegmenten wie der parenteralen Ernährung auf fachkundige private Dritte delegieren, sofern durch die vertraglichen Vereinbarungen sichergestellt ist, dass der Dritte in gleicher Weise wie die originär verpflichtete Krankenkasse entsprechend dem gesetzlichen Auftrag tätig wird.

Sonstige Gründe für eine Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Vertrages zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sind nicht zu erkennen. Insbesondere ist der Vertrag nicht wegen eines Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz oder wegen Sittenwidrigkeit nichtig, § 58 Abs. 1 SGB V i. V. m. §§ 134, 138 Bürgerliches Gesetzbuch, oder wegen fehlender Geschäftsgrundlage kündbar. 

Ob der Antragsgegnerin darüber hinaus eine Pflicht obläge, auch in dem Fall, in dem der zwischen ihr und der Beigeladenen geschlossene Vertrag zwar nicht unwirksam oder nichtig ist, wohl aber durch seine nähere Ausgestaltung den Vorgaben des § 73 Abs. 8 SGB V nicht genügte und dies als rechtswidriger Eingriff in Rechte der Antragstellerin angesehen werden könnte, kann der Senat offenlassen. Allerdings könnte der Senat die Antragsgegnerin nicht zu einem rechtlich unzulässigen – und damit rechtlich nicht möglichen – Verhalten im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zu der Beigeladenen verpflichten. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten insoweit bestünden, um im Rahmen einer bestehenden Vertragsbeziehung einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen, kann vorliegend jedoch dahinstehen, weil der Senat keine mit den rechtlichen Vorgaben des § 73 Abs. 8 SGB V unvereinbare Ausgestaltung des streitgegenständlichen Vertrags erkennen kann. Im Hinblick auf die der Krankenkasse obliegende Pflicht, die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags, welchen sie an der Beigeladenen delegiert hat, diesem gegenüber auch durchsetzen zu können, enthält der Vertrag die notwendigen Regelungen. Dieser sieht u. a. vor, dass alle Verordnungsempfehlungen hersteller- und anbieterunabhängig erfolgen müssen und jegliche Interessenskonflikte durch Beteiligung und/oder Verbindungen des Auftragnehmers zu Herstellern oder am Arzneimittelumsatz beteiligten Firmen und Leistungserbringern ausgeschlossen sind. Die den automatisierten Verordnungsempfehlungen zugrundeliegenden Arzneimitteldaten müssen dem nutzenden Arzt einen Vergleich aller für die parenterale Ernährungstherapie verfügbaren Produkte und möglicher individueller Rezepturen sowie die Ausweisung der günstigsten Verordnungsalternativen ermöglichen. Der Bedarf ist vom Verordnungsservice-Portal leitliniengerecht gemäß den Empfehlungen und Expertenmeinungen der medizinischen Fachgesellschaften zu ermitteln. Die Eingaben des Anwenders sind vom Auftragnehmer einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und eventuelle Abweichungen von der Leitlinie mit Hinweisen zu versehen. Die Beigeladene haftet für die sorgfältige und fristgerechte Abwicklung der sich aus dem Vertrag ergebenen Aufgaben.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, eine Untersagung des Tätigwerdens der Beigeladenen für die Antragsgegnerin sei notwendig, weil die Beigeladene ihre Produkte in der vergleichenden Darstellung auf dem Portal unzulässig benachteilige, kann dieser Vortrag nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen, der auf die begehrte Untersagung gerichtet ist. Denn eine Klage- bzw. Antragsbefugnis kann der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin nur zustehen, soweit unmittelbar der Abschluss des Vertrags und die dadurch getroffenen Regelungen zur Informationsbereitstellung eine geschützte Rechtsposition der Antragstellerin beeinträchtigen. Wie gezeigt bedient sich die Antragsgegnerin in rechtlich zulässiger und gesetzeskonform ausgestalteter Weise der Beigeladenen zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgesehenen Informationspflicht aus § 73 Abs. 8 SGB V. Die von der Antragstellerin behauptete Benachteiligung ihrer Produkte im Rahmen der von dem Portal bereitgestellten Empfehlungen zur Produktauswahl im Bereich der PE betrifft demgegenüber die Anwendungsebene des Portals, also den von der Beigeladenen programmierten Algorithmus, und inwieweit dieser den Anforderungen an ein herstellerunabhängige, wissenschaftsbasierte und leitliniengerechte Informationsbereitstellung genügt. Mit der Behauptung, die Beigeladene beachte diese Maßgaben nicht und ziele damit auf eine Benachteiligung ihrer Produkte („Boykott“), macht die Antragstellerin letztlich ein von den gesetzlichen Vorgaben des § 73 Abs. 8 SGB V und den darauf aufbauenden vertraglichen Regelungen zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen abweichendes, unlauteres wettbewerbliches Handeln der Beigeladenen geltend. Einen hieraus ggf. resultierenden Anspruch auf Unterlassung kann die Antragstellerin jedoch nur unmittelbar gegenüber der Beigeladenen geltend machen, zumal nur in diesem Verhältnis im Einzelfall die Sachgemäßheit einer von der Beigeladenen bereitgestellten Information geprüft und festgestellt werden könnte. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen waren aus Billigkeitsgründen der Antragstellerin aufzuerlegen, da der Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fallkonstellationen orientiert sich der Senat am dreifachen des angestrebten Jahresgewinns (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2013 - B 3 KR 17/12 R - juris Rn. 5-9; Beschluss vom 10. November 2005 – B 3 KR 36/05 B –, juris Rn. 13 f; LSG Berlin-Brandenburg - L 9 KR 389/19 B ER - juris Rn. 34), der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist. Die Antragstellerin begehrt die Kündigung des zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags mit der Behauptung, dieser sei für Gewinneinbußen verantwortlich, die sich für die Jahre 2019 – 2023 auf über 15 Millionen € summierten, wobei diese Gewinneinbußen kontinuierlich anstiegen und allein für das Jahr 2023: 7.255.466,48 € betrügen. Hiernach ist der Streitwert auf den gesetzlichen Höchstbetrag von 2,5 Mio. € (§ 52 Abs. 4 GKG) festzusetzen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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