1. Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelsätze 2022 und 2023.
2. Bei § 30 Abs. 5 SGB XII handelt es sich um einen abgrenzbaren bzw. abtrennbaren Streitgegenstand.
3. Die Vorschrift des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ist kein Einfallstor für jegliche wünschenswerte, aber im SGB XII nicht geregelte Bedarfe, sondern eine Ausnahmeregelung.
4. Der Begriff "unausweichlich" in § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII bedeutet, dass ein überdurchschnittlicher Bedarf nicht durch zumutbare Maßnahmen des Hilfeempfängers beseitigt werden kann. Er ist als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll überprüfbar. Ob die Besonderheit im Einzelfall eine abweichende Regelbedarfsfestsetzung zugunsten des Leistungsberechtigten zulässt, hängt letztlich davon ab, ob eine Gesamtbetrachtung - Kompensationsüberlegungen einschließend - zu dem Ergebnis nötigt, dass die die Unausweichlichkeit ausmachenden Umstände wesentlichen Einfluss haben.
5. Die Kosten einer Krankenbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten sind entweder durch das System des SGB V oder (ergänzend) durch die Regelleistung nach dem SGB XII abgedeckt. Dies gilt auch für gesetzlich vorgesehene Zuzahlungen zu Medikamenten oder Behandlungen. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. November 2023 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für den Zeitraum von 01.02.2022 bis 31.08.2023.
Die 1952 geborene, ledige und alleinlebende sowie gesetzlich krankenversicherte Klägerin bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese betrug zum 01.07.2023 monatlich 493,54 €. An Vermögen besaß sie zum 19.09.2023 nach eigenen Angaben 477 € sowie 5.256,70 € "auf Konten". Ergänzend erhält sie laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von der Beklagten. Diese wurden mit Bescheid vom 21.12.2021 für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 31.10.2023 auf 576,24 € monatlich festgesetzt und ein Bewilligungsbescheid vom 15.10.2020 wurde entsprechend teilweise aufgehoben (Ziffer 1 des Bescheids). Darüber hinaus wurde ein Antrag vom 12.10.2021 auf Bewilligung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs (§ 30 Abs. 5 SGB XII) abgelehnt (Ziffer 2 des Bescheids). Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen von September 2020 bestehe kein krankheitsbedingter Mehrbedarf bei der Ernährung. Es gebe auch keine Hinweise, dass sich das Krankheitsbild signifikant von dem Regelfall in den Empfehlungen unterscheide. Für die Bedarfsberechnung wurde die Regelbedarfsstufe 1 zugrunde gelegt. Auch ein Aufstockungsbetrag zum Regelsatz wurde gewährt. Als einzusetzendes Einkommen wurde die Rente der Klägerin berücksichtigt. Ziffer 2 des Bescheides lag ein Antrag der Klägerin vom 12.10.2021 zugrunde, in dem sie eine Erhöhung des Regelsatzes für Ernährung beantragte. Auch eine ballaststoffreiche Ernährung gehöre zur Behandlung von Divertikeln. Dieser Bescheid wurde durch Bescheide vom 03.02.2022 und vom 13.06.2022 abgeändert und die monatliche Höhe abweichend festgesetzt.
Gegen den Bescheid vom 21.12.2021 legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.12.2021 Widerspruch ein. Sie begehrte eine Erhöhung des Regelsatzes wegen kostenaufwändiger Ernährung. Auf eine Regelsatzerhöhung bestünde nach § 30 Abs. 5 SGB XII ein Rechtsanspruch.
Mit Gutachten vom 03.02.2022 kam Frau B, Fachärztin für Innere Medizin zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Erkrankung vorliege, die aus medizinischen Gründen eine besondere Ernährung erforderlich mache. Es würde eine Divertikulose vorliegen, die eine besondere Kostform begründe. Diese besondere Kostform sehe so aus, dass ballaststoffreiche Vollkost sowie reichliche Flüssigkeitszufuhr erforderlich seien. Es handle sich jedoch nicht um eine Erkrankung, die im Vergleich zur Vollkosternährung mit einem krankheitsbedingten Mehrbedarf im Sinne der "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändige Ernährung" in der Fassung vom 16.09.2020 einherginge. Die Beschaffung der erforderlichen Ernährung sei nicht mit finanziellen Mehraufwendungen verbunden, die über den bereits im Regelsatz der Sozialhilfe enthaltenen Betrag hinausginge. Die bei der geltend gemachten Erkrankung Divertikulose erforderliche Kostform würde nicht einen finanziellen Mehrbedarf begründen. Hinzuzufügen sei, dass bei der vorliegenden Erkrankung die vom Arzt empfohlenen Therapeutika (Abführmittel) zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig seien.
Den Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2022 zurück. Eine hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobene Klage (Aktenzeichen S 46 SO 171/22) wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 27.09.2022 ab. Ein Anspruch auf Krankenkost nach § 30 Abs. 5 SGB XII bestünde nicht. Die Divertikulose, die bei der Klägerin festgestellt worden sei, sei eine relativ häufige Darmverformung. Zur Vorbeugung werde eine ballaststoffreiche Ernährung, reichliche Flüssigkeitszufuhr und die Vermeidung kleiner unverdaulicher Körner empfohlen, wie auch der behandelnde Arzt der Klägerin dargelegt habe. Im Vergleich zur allgemein empfohlenen Vollkost entstünden dadurch keine höheren Kosten, wie sich aus dem Gutachten vom 03.02.2022 und den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Krankenkost vom September 2020 ergebe. Wenn die Klägerin aus persönlicher Überzeugung in diesem Zusammenhang monatlich 4,90 € für Flohsamenschalen oder Mikroorganismentropfen ausgebe, müsse und könne sie das aus ihrem Regelbedarf bestreiten.
Mit Schreiben vom 29.09.2022 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung des Mehrbedarfs ab 01.11.2022, die von der Beklagten mit Bescheid vom 17.10.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2022 abgelehnt wurde.
Eine gegen den Gerichtsbescheid vom 27.09.2022 zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung wies der Senat mit Urteil vom 22.06.2023 zurück (L 8 SO 284/22). Es bestünde für den Zeitraum ab November 2021 bis Oktober 2023 kein Anspruch auf ernährungsbedingten Mehrbedarf. Die Berufung sei zulässig, da die ernährungsbedingten Mehrkosten ein abtrennbarer Streitgegenstand seien und für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr beantragt worden seien. Der Antrag vom 12.10.2021 sei auf den Mehrbedarf ab November 2021 und mithin auf den gesamten, mit Bescheid vom 15.10.2021 entschiedenen Bewilligungszeitraum bis 31.10.2023 gerichtet gewesen und sei demgemäß mit dem Bescheid vom 21.12.2021 bezogen auf diesen abgelehnt worden. Die nochmalige Ablehnung mit Bescheid vom 17.10.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2022 sei gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Entscheide die Widerspruchsbehörde irrig in der Sache, würde der Widerspruchsbescheid in das Gerichtsverfahren einbezogen. Die Berufung sei aber nicht begründet und deshalb zurückzuweisen gewesen. Der Senat folge den Ausführungen des SG.
Mit Bescheid vom 20.01.2022 wurde der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.11.2021 eine "Beihilfe für Medikamente" in Höhe von 300,00 € aus Stiftungsmitteln gewährt.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.01.2022 (Aktenzeichen S 22 SO 313/21) wies das SG eine auf die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.10.2021, insbesondere auf Erhöhung des Regelbedarfs gerichtete Klage ab. Dagegen legte die Klägerin kein Rechtsmittel ein.
Mit E-Mail vom 08.02.2022 übermittelte die Klägerin an die Beklagte ein Schreiben vom 31.01.2022, mit dem sie eine "Regelsatzanpassung nach § 27a Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab dem 01.02.2022" beantragte. Da sie ständig diese Mittel brauche, begehre sie auch deren Erstattung. Dem Antrag beigefügt waren zwei Kaufbelege vom 03.11.2021 und 07.02.2022 betreffend Flohsamen bzw. Flohsamenschalen. Beigefügt war zudem ein Arztbericht betreffend eine Untersuchung am 18.09.2019. Darin wurde zur Divertikulitisprophylaxe eine ballaststoffreiche Kost unter Vermeidung kleiner, unverdauliche Körner sowie konsequent Füll- und Quellenmittel bei reichlich Flüssigkeitszufuhr ("z.B. 1 bis 2 x einen Teel. Flohsamenschalen, bzw. ein Beutel Flosa oder Metamucil") empfohlen. Auch könnte demnach gegebenenfalls monatlich eine 10-tägige Kur mit dem Probiotikum Innovall SUD versucht werden. Zudem bezog sich die Klägerin zur weiteren Begründung auf Anhänge einer E-Mail vom 04.02.2022. Es bestünde bei ihr ein erheblicher finanzieller Mehraufwand. Im Regelsatz seien lediglich 6,50 € für Medikamente ohne Rezept enthalten. Bei der Krankheit Divertikulose handele es sich um eine Krankheit, die sich bei Nichtbehandlung zur Lebensbedrohlichkeit entwickeln könne. Es gebe für die Krankheit nur eine Methode der Therapie, nämlich ballaststoffreiche Ernährung, Flohsamenschalen und die Stabilisierung der Darmbakterienflora. Für Medikamente und ballaststoffreiche Ernährung benötige sie zusammen mehr als 50,00 € im Monat. Ein bereits zuvor am 31.01.2022 gefaxter Antrag sei fälschlicherweise erfolgt.
Der vorbezeichnete Arztbericht war auch bereits im Oktober 2021 von der Klägerin bei der Beklagten eingereicht worden. Beigefügt war auch ein Informationsblatt zur Divertikulose. Dem ist zu entnehmen, dass etwa 50 % der 60- bis 80-Jährigen und fast alle über 80-Jährigen in Nordeuropa Divertikel haben. Mehrere Divertikel werden demnach als Divertikulose bezeichnet. Bei etwa 10-20 % der Betroffenen können sich die Divertikel entzünden, dies wird als Divertikulitis bezeichnet. Die meisten Menschen mit einer Divertikulose haben keine Beschwerden. Das häufigste Symptom einer Divertikulitis sind anhaltende oder krampfartige Schmerzen im linken Unterbauch. Bei ausgeprägter Entzündung kann es zu Fieber, Übelkeit, Erbrechen oder auch Stuhlverhalten kommen. Dann muss der Arzt aufgesucht werden. Da die Krankheit vor allem in Industriestaaten vorkommt, wird als Ursache eine ballaststoffarme Ernährung angenommen.
Mit E-Mail vom 08.02.2022 übermittelte die Klägerin weitere Anlagen an die Beklagte:
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 05.02.2022 ("VIT-A-VISION Augensalbe", "VISMED light Augentropfen", "LACRI-VISION Augentropfen", "INNOVALL Microbiotic SUD Kapseln"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 43,16 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 28.08.2021 ("Innovall Microbiotic Sud", "Lacri Vision", "Vit A Vision", "Nisita Nasensalbe"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 41,72 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 19.09.2020 ("Vit A Vision", "Nisita Nasensalbe", "Pan Vision"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 11,70 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 04.11.2021 ("Pan Vision", "Vismed Light Augentropfen", "Innovall Microbiotic Sud"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 37,30 €.
Mit E-Mails vom 11.07.2022 und 28.09.2022 gingen weitere Belege über Ausgaben der Klägerin bei der Beklagten ein:
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 17.05.2022 ("Vit-A-Vision Augensalbe", "Vismed Light Augentropfen", "Lacri Vision", "Innovall Microbiotic Sud"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 43,16 €.
* Kaufbelege vom 25.04.2022, 31.05.2022 und 05.07.2022 (Flohsamen, Cremeseifen, Meerwasser-Nasenspray, Hygienespray) in Höhe von insgesamt 20,66 €.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.09.2022 lehnte die Beklagte den Antrag vom 31.01.2022 ab. Ein Anspruch auf eine Erhöhung des Regelsatzes sei nicht gegeben, da ein entsprechender Bedarf nicht bestünde. Dies sei bereits für den vorherigen Bewilligungszeitraum gerichtlich bestätigt worden. Verwiesen wurde auf das Aktenzeichen S 22 SO 313/21. Am Sachverhalt habe sich nichts geändert.
Mit Schreiben vom 23.09.2022, Eingang bei der Beklagten am selben Tag, erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.09.2022. Zur Begründung bezog sie sich auf § 27a Abs. 4 SGB XII. Der Anspruch sei begründet, weil die Medikamente ständig eingenommen werden müssten. Auch habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt, dass die Regelbedarfe am Rande des Existenzminimums liegen würden und gerade in dem Fall, wenn ein Bedarf höher sei als im Regelbedarf angesetzt, die jeweilige Differenz zuzüglich zum Regelbedarf bewilligt werden müsse. Deshalb sei auch kein Darlehen zumutbar. Im Hinblick auf die Entscheidung zum Aktenzeichen S 22 SO 313/21 sei lediglich deswegen keine weitere Rechtsverfolgung erfolgt, weil der entsprechende Bedarf für das Jahr 2021 durch die erfolgte Stiftungszahlung abgedeckt gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2022 wies die Regierung von Oberbayern als Widerspruchsbehörde den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 08.09.2022 zurück. Widerspruchsgegenstand sei die nicht gewährte Erhöhung des Regelbedarfs nach dem Vierten Kapitel des SGB XII um die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab Februar 2022. Die Klägerin würde zwar zum leistungsberechtigten Personenkreis gehören. Die notwendigen Krankheitskosten seien aber durch die Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie ergänzend durch die Regelleistung abgedeckt. Somit entstünden, wie auch das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 26.05.2011 (B 14 AS 146/10 R) entschieden habe, durch die Anschaffung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel grundsätzlich keine zusätzlichen unabweisbaren Bedarfe.
Am 02.11.2022 hat die Klägerin sodann hiergegen Klage beim SG erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin insbesondere vorgebracht, dass die Regelsätze generell zu knapp bemessen seien, sodass die bei ihr bestehenden individuellen Bedarfe zusätzlich zu berücksichtigen seien. Das BSG habe insoweit klargestellt, dass es keine Geringfügigkeitsgrenze gebe, sondern die Entscheidung über Mehrbedarfe nach dem individuellen Bedarf des Einzelnen zu treffen sei. Gegen das Urteil des SG mit dem Aktenzeichen S 22 SO 313/21 sei sie nur deshalb nicht vorgegangen, weil sie die Zahlung einer Stiftung in Höhe von 300,00 € für das Jahr 2021 erhalten habe.
Mit Schreiben vom 04.01.2023 hat die Klägerin ihren Vortrag ergänzt. Es seien 24,80 € pro Monat beantragt für "Innoval Sud, Augentropfen, Augensalbe, Nasensalbe und Flohsamenschalen" (gemäß Schreiben vom 24.07.2023 ab Juli 2023 erhöht auf 27,29 €). Bei den entsprechenden Positionen handele es sich um monatlich wiederkehrende Bedarfe wegen chronischer Krankheit. Alleine die beantragten monatlichen wiederkehrenden Medikamente würden aber ca. 300,00 € jährlich kosten, was ein Minus von mindestens 160,00 € jährlich bedeuten würde. Zudem würden im Bereich Gesundheitspflege weitere Kosten anfallen. So habe sie am 07.12.2022 nach einer Magen-/Darmspiegelung mit dem Taxi nach Hause fahren müssen (25,10 €). Zudem hätte sie in den Jahren 2015, 2016 und 2019 Kosten für Krankenhausaufenthalte gehabt. 2019 hätte sie ferner Aufwendungen für eine Taxifahrt in eine Klinik gehabt. Des Weiteren habe sie nach einer Knieverletzung Zuzahlungen leisten müssen. Vor Jahren sei bei ihr auch das Beginnen eines grauen Stars diagnostiziert worden. Hierfür habe sie in den Jahren 2019 und 2020 ebenfalls Kosten aufwenden müssen. Zudem hätte sie gerade noch eine starke Erkältung gehabt. Solche Kosten für Erkältungen würden mehrmals im Jahr anfallen mit Kosten in Höhe von ca. 15 €. Es käme immer auf eine Gesamtbetrachtung an. Die Klägerin hat auch diverse Belege über Drogeriebedarf, Zuzahlungen, Fahrtkosten etc. vorgelegt. Dies erfolgte auch mit weiteren Schreiben vom 18.01.2023, 24.04.2023 und 24.07.2023, insbesondere:
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 11.01.2023 ("Hyaluron Ratio At", "Hylo Vision Hd", "Innovall Microbiotic Sud"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 48,80 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 20.04.2023 ("For You Multi Enzym Komple", "Innovall Microbiotic Sud"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 47,41 €.
* Kaufbeleg vom 20.02.2023 (Cremeseifen und Flohsamenschalen) in Höhe von 9,54 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 23.03.2023 ("INNOVALL Microbiotic SUD Kapseln"; nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 31,49 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 17.04.2023 ("INNOVALL Microbiotic SUD Kapseln"; nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 34,80 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 11.07.2023 ("Innovall Microbiotic Sud", "Cationorm Md Sine", "Lacri Vision", "Pan Vision", "Vit A Vision"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 58,41 €.
* Kaufbeleg vom 19.05.2023 (Flohsamenschalen) in Höhe von 5,69 €.
* Kaufbeleg einer Apotheke vom 12.08.2022 ("CATIONORM MD sine Augentropfen", "FOR YOU präbio ballaststoffe Pulver"; alles nicht rezeptpflichtig) in Höhe von 46,77 €.
Am 30.10.2023 hat die Klägerin gemäß Schreiben der Beklagten vom 25.10.2023 weitere Stiftungsmittel in Höhe von 300,00 € als einmalige Beihilfe für Medikamente erhalten. Mit Schreiben vom gleichen Tage hat sie daraufhin ihren ursprünglichen Antrag auf die Zeit bis einschließlich August 2023 begrenzt. Ab September 2023 bestünde daher kein Klagebegehren mehr.
Mit Urteil vom 15.11.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe für den hier streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere bzw. weitergehende Leistungen der Grundsicherung. Die geltend gemachten individuellen Bedarfe seien im Regelsatz enthalten. Der den Leistungsberechtigten zustehende Regelbedarf würde nicht individuell festgesetzt, sondern in Form eines monatlichen Pauschalbetrags zur Bestreitung der darin enthaltenen einzelnen Bedarfe (vgl. § 27a Abs. 1 SGB XII) geleistet, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden könnten; dabei hätten sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (vgl. § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Die Leistungen für Unterkunft und Heizung würden das existenzielle Grundbedürfnis "Wohnen" abdecken, während der Regelsatz den gesamten sonstigen notwendigen Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen sicherstelle. Mehrbedarfe (vgl. § 30 SGB XII) und einmalige Bedarfe (§ 31 SGB XII) sehe das Gesetz nur unter den dort genannten Voraussetzungen vor. Nach den gesetzlichen Vorgaben seien grundsätzlich sämtliche notwendigen Bedarfe im Sinne von § 27a Abs. 1 SGB XII durch den Regelsatz abgedeckt. Im Einzelfall würde der Regelsatz gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt, wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liege, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben würden, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden könnten. Im Übrigen solle dann, wenn im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden könne, gem. § 37 Abs. 1 SGB XII auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden. Bedarfsabweichungen gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII seien nur in seltenen Fällen begründbar. Zum einen könne die Vorschrift nicht benutzt werden, um das frühere System einmaliger Hilfen (nach dem BSHG) wieder zu beleben. Zum anderen sei nach § 37 SGB XII in vielen Fällen das "ergänzende Darlehen" das Mittel der Wahl. Nach § 30 Abs. 10 SGB XII in der ab dem 01.01.2023 geltenden Fassung würde für Leistungsberechtigte ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf bestünde, der auf keine andere Weise gedeckt werden könne und ein Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich sei. Ein Fall des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII liege hier nicht vor. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen handele es sich ganz überwiegend nicht um dauerhaft vorliegende Bedarfslagen, sondern um einmalig bzw. kurzzeitig anfallende Bedarfe, insbesondere aufgrund akuter Erkrankungen wie Erkältungen, welche für eine Anwendung des § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII jedenfalls nach der Gesetzesänderung zum 01.01.2017 nicht mehr in Betracht kommen würden. Soweit darin (nach den Angaben der Klägerin) Kosten für ständig einzunehmende Medikamente enthalten seien, würden diese nicht ausreichen, um eine erhebliche Abweichung vom Regelbedarf zu begründen. Im Übrigen dürften diese Aufwendungen, ausgehend vom eigenen Vorbringen der Klägerin, bezogen auf das Jahr 2022, durch die "Beihilfe für Medikamente" in Höhe von 300,00 €, welche die Klägerin im Januar 2022 aus Stiftungsmitteln erhalten habe, abgedeckt sein. Aber auch ein Fall des § 30 Abs. 10 SGB XII liege, bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 31.08.2023, nicht vor, weil es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Bedarfen nicht um "besondere" Bedarfslagen handele, sondern um Aufwendungen, die eine Vielzahl von Leistungsempfängern nach den §§ 41 ff SGB XII in ähnlicher Weise treffe. Ohnehin seien, worauf das SG bereits im Gerichtsbescheid vom 21.01.2022 (S 22 SO 313/21) zutreffend hingewiesen habe, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Kosten einer Krankenbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten grundsätzlich entweder durch das System des SGB V oder (ergänzend) durch die Regelleistung nach dem SGB XII abgedeckt. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstünden somit grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe. Damit sei in Bezug auf die hier streitigen Gesundheitskosten der Begriff der Unabweisbarkeit im Sinne des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geklärt, in der Hinsicht, dass eine solche grundsätzlich nicht anerkannt werden könne. Dem entsprechend würden auch die gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen zu Medikamenten oder Behandlungen keinen höheren Regelbedarf begründen. Die Regelung in § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wonach die Hilfen zur Gesundheit nach den §§ 47 ff SGB XII, die insbesondere für nicht gesetzlich krankenversicherte Grundsicherungsempfänger Anwendung finden würden, den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen würden, bedeute, dass auch für Hilfeempfänger nach dem SGB XII ein Leistungsniveau gewährleistet würde, das dem des Referenzsystems (SGB V) entspreche, nicht aber darüber hinaus ginge. Das bedeute auch, dass Leistungseinschränkungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf Hilfeempfänger nach dem SGB XII durchschlagen würden. Das BSG habe betreffend die Zuzahlungen zu Arzneimitteln und die Zahlung von Praxisgebühren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dem Leistungsberechtigten ein Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nur entsprechend dem SGB V eingeräumt sei, also (nur) unter Berücksichtigung der dort vorgesehenen Eigenleistungen. Das Urteil des SG wurde der Klägerin am 22.11.2023 zugestellt.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.12.2023 Berufung beim LSG eingelegt. Das Urteil weiche von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Das BSG habe klargestellt, dass es keine Geringfügigkeitsgrenzen gebe und dass die Entscheidung des Mehrbedarfs nach dem persönlichen Bedarf des einzelnen zu treffen sei. Der Posten nicht verschreibungsfähiger Medikamente würde im Regelbedarf höher bewilligt, als Medikamente mit Rezept. Das Gesetz schließe keinen Bedarf aus, es gelte für jeden Bedarf. Auf ihr Grundrecht auf medizinische Behandlung habe sie hingewiesen. Bei schwerwiegenden Krankheiten seien auch nicht verschreibungsfähige Medikamente zu erstatten. Der Regelbedarf dürfe nicht dauernd unterschritten werden. Auch sollten Bedarfe, die nicht genügend im Regelbedarf enthalten seien, nach der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts durch Auslegung der Gerichte zugestanden werden. Es gehe um eine dauerhafte Unterdeckung des Regelbedarfs in Höhe von monatlich über 25 € allein für nicht verschreibungsfähige Medikamente sowie eine dauerhafte Unterdeckung des Regelbedarfs von monatlich mindestens 30 € für kostenaufwändige Ernährung. Ihren Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung könne sie jedoch anderweitig decken, indem sie Unterstützung von der Tafel erhalte. Diese Ergänzung von Lebensmitteln decke auch ihren individuellen Mehrbedarf, der durch sportliche Aktivität bestünde, ab. Die Gewährung eines Mehrbedarfs liege nicht im Ermessen der Behörden. Es bestünde hierauf ein Anspruch und zwar für Bedarfe, die nicht durch den Regelbedarf gedeckt oder nur teilweise gedeckt seien. Besonders durch die Anordnungen des Bundesverfassungsgerichtes zum Härtefall sowie zu den Mehrbedarfen und auch einmaligen Bedarfen seien diese Ansprüche zusätzlich geschützt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom
15. November 2023 und des Bescheids der Beklagten vom 8. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2022 zu verpflichten, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 21. Dezember 2021 in der Fassung des Bescheids vom 3. Februar 2022 und des Bescheids vom 13. Juni 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2022 für den Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis zum 31. August 2023 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Anspruch auf höhere Regelsatzleistungen nach § 27a Abs. 4 SGB XII sei nicht gegeben.
Unter Bezugnahme auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß gerichtlichem Schreiben vom 14.01.2025 hat die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 21.01.2025 mitgeteilt, dass sie einen Antrag auf "Verhandlung nach Aktenlage" stelle und ihr Fernbleiben vom Termin angekündigt.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten, die beigezogene Akte zum Verfahren L 8 SO 284/22 sowie die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens in beiden Instanzen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg und war daher zurückzuweisen.
1. Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 19.02.2025 auch ohne Anwesenheit der Klägerin, die ihr Nichterscheinen bereits schriftlich angekündigt hatte, entscheiden, da ihr mit Postzustellungsurkunde vom 21.01.2025 der Termin ordnungsgemäß mitgeteilt und in der Terminsmitteilung darauf hingewiesen worden ist, dass im Falle eines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Klägerin hat zwar einen Antrag auf "Verhandlung nach Aktenlage" gestellt. Trotz dieses Antrags, welchen der Senat als Antrag gemäß § 126 SGG auslegt, konnte der Senat, auch wenn die Voraussetzungen des § 126 SGG vorliegen, eine mündliche Verhandlung durchführen ("einseitige mündliche Verhandlung") und aufgrund dieser ein Urteil verkünden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, SGG § 126 Rn. 4).
2. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist das Begehren der Klägerin, im Wege eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Erhöhung der ihr gewährten Leistungen "für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab dem 01.02.2022" unter Abänderung der für diesen Zeitraum bereits mit Bescheid vom 21.12.2021 für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 31.10.2023 samt Folgebescheiden und Widerspruchsbescheid bereits bewilligten Leistungen zu erhalten. Einen entsprechenden Antrag der Klägerin vom 31.01.2022 hat die Beklagte mit Bescheid vom 08.09.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2022 abgelehnt.
Da der Antrag auf die Zeit vom 01.02.2022 bis 31.08.2023 begrenzt ist, sind davor und danach angefallene Kosten nicht zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für entsprechende und von der Klägerin vorgetragene Aufwendungen außerhalb dieses Zeitraums. Für den streitigen Zeitraum begehrt die Klägerin höhere Leistungen der Grundsicherung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt. Es handelt sich um einen Höhenstreit, bei dem Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen sind (stRspr; BSGE 108, 123 ff - juris Rn. 13 mit Verweis auf BSGE 95, 8 ff, Rn. 6; BSGE 95, 191 ff, Rn. 13).
Zulässige Klageart ist hierfür die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), die auch im Höhenstreit auf ein Grundurteil gerichtet sein kann (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30.10.2023 -
L 8 AY 33/23, Rn. 41, juris).
Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin vorliegend auch weiterhin höhere Leistungen aufgrund eines Mehrbedarfs gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII begehrt, ist festzuhalten, dass die Klage insoweit wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des LSG vom 22.06.2023 zum Aktenzeichen L 8 SO 284/22, welches zu diesem abgrenzbaren Streitgegenstand (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.09.2015 - L 8 SO 149/12, Rn. 27, juris) für den hier streitigen Zeitraum erging (dort wurde ein entsprechender Anspruch für die Zeit ab November 2021 bis 31.10.2023 abgelehnt), unzulässig ist.
3. Die insoweit zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
a. Der Anspruch der Klägerin auf (ergänzende) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ergibt sich aus § 19 Abs. 2 SGB XII (in der Fassung vom 23.12.2016) i.V.m. §§ 41 ff. SGB XII. Leistungsberechtigung nach § 41 Abs. 1 und 2
SGB XII (in der Fassung vom 02.06.2021) ist bei der Klägerin im streitigen Zeitraum gegeben. Sie kann den notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem (Renten-)Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII) und Vermögen (§ 90 SGB XII), bestreiten. Sie hat die für sie maßgebliche Altersgrenze erreicht und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in A.
Nach § 43a Abs. 2 SGB XII (in der Fassung vom 22.12.2016) ergibt sich die Höhe der monatlichen Geldleistung im Einzelfall (monatlicher Zahlungsanspruch) aus dem Gesamtbedarf nach § 43a Abs. 1 SGB XII zuzüglich Nachzahlungen und abzüglich des nach § 43 Abs. 1 bis 4 SGB XII einzusetzenden Einkommens und Vermögens (sowie abzüglich von Aufrechnungen und Verrechnungen nach § 44b SGB XII). Der monatliche Gesamtbedarf entspricht gem. § 43a Abs. 1 SGB XII der Summe der nach § 42 Nr. 1 bis 4 SGB XII (in der Fassung vom 02.06.2021) anzuerkennenden monatlichen Bedarfe. Für den Einsatz des Einkommens sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (in der Fassung vom 10.12.2019) - vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in § 43 Abs. 2 bis 4 SGB XII - die §§ 82 bis 84 SGB XII anzuwenden.
Der Bedarf der Klägerin setzt sich aus dem Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 sowie Bedarfen für Unterkunft und Heizung zusammen. Ein regionaler Aufstockungsbetrag zum Regelsatz wurde gewährt. Ein ernährungsbedingter Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII wurde für den hier streitigen Zeitraum rechtskräftig abgelehnt. Streitig ist allein die Gewährung von im Übrigen höheren Leistungen als die gewährten, somit eine Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide. Für höhere Leistungen muss jedoch ein Rechtsanspruch gegeben sein, der wiederum einer Rechtsgrundlage bedarf und deren Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Dies hat das SG zutreffend abgelehnt.
Die von der Klägerin geltend gemachten einzelnen Bedarfe sind vom Regelbedarf umfasst. Sie rechtfertigen keine höhere Bemessung des Regelbedarfs.
b. Die Klägerin hat insbesondere keinen Anspruch auf eine - höhere - abweichende Festsetzung des Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (in der Fassung vom 02.06.2021) i.V.m. § 42 Nr. 1 SGB XII.
Der den Leistungsberechtigten zustehende Regelbedarf wird nicht individuell festgesetzt, sondern in Form eines monatlichen Pauschalbetrags zur Bestreitung der darin enthaltenen einzelnen Bedarfe (vgl. § 27a Abs. 1, 3 SGB XII) geleistet, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (vgl. § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Die Leistungen für Unterkunft und Heizung decken das existenzielle Grundbedürfnis "Wohnen" ab, während der Regelsatz den gesamten sonstigen notwendigen Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen sicherstellt. Mehrbedarfe (vgl. § 30 SGB XII) und einmalige Bedarfe (vgl. § 31 SGB XII) sieht das Gesetz nur unter den dort genannten Voraussetzungen vor. Die Gesetzgebung ging typisierend davon aus, dass sämtliche übrigen Bedarfe durch den Regelsatz (§ 27a SGB XII) abgedeckt werden (müssen) (vgl. Stölting in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., Stand: 01.05.2024, § 31 Rn. 13).
Im Einzelfall wird der Regelsatz gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt, wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können. Im Übrigen sollen dann, wenn im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden kann, gem. § 37 Abs. 1 SGB XII auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden.
Die Vorschrift des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ist kein Einfallstor für jegliche wünschenswerte, aber im SGB XII nicht geregelte Bedarfe, sondern ist eine Ausnahmeregelung (vgl. Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, 8. Aufl. 2024, SGB XII, § 27a Rn. 52).
Ein Fall des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII liegt hier nicht vor. Die von der Klägerin geltend gemachten Positionen sind jedenfalls nicht unausweichlich.
Diese Vorschrift verwendet den Begriff "unausweichlich" ohne Änderung des Regelungsgehalts des Begriffs "unabweisbar" in den vorherigen Fassungen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14.04.2020 - L 18 SO 153/18 NZB, Rn. 28, juris). Der Begriff bedeutet weiterhin, dass ein überdurchschnittlicher Bedarf nicht durch zumutbare Maßnahmen des Hilfeempfängers beseitigt werden kann (vgl. Gutzler in Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., Stand: 01.05.2024, § 27a, Rn. 105). Er ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Ob die Besonderheit im Einzelfall eine abweichende Regelbedarfsfestsetzung zugunsten des Leistungsberechtigten zulässt, hängt letztlich davon ab, ob eine Gesamtbetrachtung - Kompensationsüberlegungen einschließend - zu dem Ergebnis nötigt, dass die die Unausweichlichkeit ausmachenden Umstände wesentlichen Einfluss haben (vgl. Wrackmeyer-Schoene, a.a.O., § 27a
Rn. 55).
Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Senats nicht vor.
Soweit die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für rezeptfreie und nicht verschreibungspflichtige Produkte im Zusammenhang mit der Divertikulose betroffen sind, stützt sich der Senat insbesondere auf das Gutachten von B vom 03.02.2022. Demnach liegt zwar bei der Klägerin eine Erkrankung vor, die aus medizinischen Gründen eine besondere Ernährung erforderlich macht. Die Divertikulose begründet eine besondere Kostform. Es handelt sich jedoch nicht um eine Erkrankung, die im Vergleich zur Vollkosternährung mit einem krankheitsbedingten Mehrbedarf im Sinne der "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändige Ernährung" in der Fassung vom 16.09.2020 einhergeht. Die Beschaffung der erforderlichen Ernährung ist demnach nicht mit finanziellen Mehraufwendungen verbunden, die über den bereits im Regelsatz der Sozialhilfe enthaltenen Betrag hinausgeht. Auch fügte B hinzu, dass bei der vorliegenden Erkrankung die vom Arzt empfohlenen Therapeutika zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sind. Sämtliche mit dieser Erkrankung zusammenhängenden Kosten sind somit nicht unausweichlich im Sinne der Vorschrift.
Darüber hinaus sind die Kosten einer Krankenbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten ohnehin entweder durch das System des SGB V oder (ergänzend) durch die Regelleistung nach dem SGB XII abgedeckt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14. 04.2020 - L 18 SO 153/18 NZB, Rn. 29, juris). Dies gilt auch für gesetzlich vorgesehene Zuzahlungen zu Medikamenten oder Behandlungen. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 146/10 R, juris; vgl. Bayerisches Landessozialgericht, a.a.O., juris). Dies ist bei sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten rezeptfreien und nicht verschreibungspflichtigen Produkten der Fall.
Gleiches gilt für die von der Klägerin vorgebrachten Kosten für rezeptfreie und nicht verschreibungspflichtige Produkte im Zusammenhang mit etwaigen Beeinträchtigungen ihrer Augen.
Soweit sich die Klägerin auf etwaige Erkältungen berufen möchte, handelt es sich nicht um dauerhafte Bedarfslagen.
c. Auch ein Anspruch auf Grundlage von § 73 SGB XII (in der Fassung vom 27.12.2003) kommt für sämtliche von der Klägerin geltend gemachten rezeptfreien und nicht verschreibungspflichtigen Produkten nicht in Betracht. Denn diese Kosten sind in der Regelleistung abgebildet und lösen damit grundsätzlich keinen Bedarf nach § 73 SGB XII aus (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, a.a.O., Rn. 31, juris).
d. Auch ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 10 SGB XII (in der Fassung vom 16.12.2022) scheidet aus, da auch insoweit ein unabweisbarer Bedarf erforderlich wäre, der aber nicht vorliegt (s.o. lit.b.).
e. Der Senat legt das klägerische Vorbringen dahingehend aus, dass sich die Klägerin auch insgesamt gegen die Regelungen zu den Regelsätzen im streitigen Zeitraum, mithin für die Jahre 2022 und 2023, wendet. Der Senat hat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelsätze für die Zeit ab dem 01.01.2022 bzw. 01.01.2023. Das Verfahren ist daher auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit vorzulegen.
Das GG gewährleistet durch Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Dieses ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, der wiederum der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf. Dieser hat die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen mit ihren Auswirkungen auf den konkreten Bedarf der Betroffenen auszurichten (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.10.2024 - L 19 AS 943/23, Rn. 22, juris). Das GG schreibt keine bestimmte Methode vor, die diesen Gestaltungsspielraum begrenzt. Es kommt dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unter den Gesichtspunkten der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Er ist nicht verpflichtet, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen. Da das GG selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistung vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Jenseits dieser Evidenzkontrolle ist lediglich zu prüfen, ob die Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 23, juris).
Das BSG hat im Beschluss zur Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. Beschluss vom 03.04.2017, B 12 KR 92/16 B - juris Rn. 26 unter Verweis auf das Urteil vom 29.10.1991, 13/5 RJ 36/90, BSGE 69, 301, 304 f) unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BVerfG ausgeführt, aus dem Sozialstaatsgebot und Art. 1 Abs. 1 GG folge, dass der Staat dem Bürger das Existenzminimum gewährleisten müsse und ihm dieses nicht durch Erhebung von Abgaben (wieder) entziehen dürfe und dass in diesem Zusammenhang zur Vermeidung des Unterschreitens des Existenzminimums auch § 76 Abs. 2 SGB IV herangezogen werden könne. Zugleich hat es aber deutlich gemacht, dass dabei als Bemessungsgrundlage für die Höhe des Existenzminimums die Regelsätze der Sozialhilfe zugrunde gelegt werden können. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe und der Art der Leistungen zu (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 27.07.2016, 1 BvR 371/11 - juris Rn. 38 f mit weiteren Nachweisen; BVerfG, Beschl. v. 19.10.2022, 1 BvL 3/21 - juris
Rn. 55).
Die Bemessung der Regelbedarfe und Regelsätze im Jahr 2022 und 2023 folgt den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Die Fortschreibung des Regelbedarfs richtet sich nach § 28a SGB XII in Verbindung mit § 40 SGB XII und der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV). Der Regelsatz lag 2022 bei der Regelbedarfsstufe 1 für eine alleinstehende erwachsene Person bei monatlich 449,00 € und 2023 bei monatlich 502,00 €.
aa. Die Höhe der Regelbedarfe bzw. Regelsätze, welche der Klägerin im Jahr 2022 gewährt worden ist, sind nicht zu beanstanden. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 21 ff., juris). Zwar ist zu berücksichtigen, dass, soweit sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter ergibt, der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG zeitnah darauf reagieren muss. Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten. Der Gesetzgeber hat jedoch mit der Einmalzahlung i.H.v. 200,00 € nach § 73 SGB II bzw. § 144 SGB XII im Juli 2022 nicht die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen abgewartet, sondern die durch die Pandemie und die Inflation entstandenen zusätzlichen Kosten berücksichtigt. Damit hat er zeitnah auf die Entwicklung der Preise reagiert. Gegen die Höhe des Mehrbedarfes nach § 73 SGB II bzw. § 144 SGB XII bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Des Weiteren hat der Gesetzgeber auf den Anstieg der Energiekosten durch den Entfall der EEG-Umlage seit dem 01.07.2022, mit der Übernahme des Abschlags für Strom und Wärme im Dezember 2022 und der Einführung einer Strom- und Gaspreisbremse ab dem 01.01.2023 reagiert. Auch hat er im September 2022 ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, den Anpassungsmechanismus für die Fortschreibung der Regelbedarfe neu zu regeln. Mithin hat der Gesetzgeber zeitnah auf den Anstieg der Inflation im Jahr 2022 reagiert (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 28 ff., juris).
bb. Auch die zum 01.01.2023 erfolgte Regelbedarfserhöhung der Regelbedarfsstufe 1 zur Gewährleistung des Existenzminimums der Klägerin ist nicht evident unzureichend. Mit der Regelsatzerhöhung hat der Gesetzgeber mit dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz, BT-Drs 20/3873 vom 10.10.2022) auf die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Positionen reagiert und zum 01.01.2023 den Regelsatz um insgesamt 11,75 % von 449,00 € auf 502,00 € angehoben; er berücksichtigte damit die Inflationsrate und den damit einhergehenden Kaufkraftverlust (vgl. BT-Drucks 20/3873, S. 3). Bei der Einführung des Bürgergeldes im SGB II und der damit verbundenen Erhöhung der Regelleistungen auch im SGB XII hat der Gesetzgeber einen neuen Anpassungsmechanismus eingeführt, der die Lohn- und Preisentwicklung zeitnäher widerspiegelt als die zuvor geltenden Anpassungsregelungen. Damit kann die damalige andauernde inflationsbedingte Preisentwicklung besser ausgeglichen werden. Die nun zusätzlich zur bisherigen Fortschreibung, die zum 01.01.2023 nur zu einer Erhöhung von 4,45 % geführt hätte, eingefügte sog. "ergänzende Fortschreibung" hat zum 01.01.2023 zu einer weiteren Erhöhung um 6,9 % geführt, so dass zum 01.01.2023 die Regelsätze insgesamt eine Erhöhung um knapp 11,75 % erfuhren. Mit diesem zweistufigen System der Regelbedarfsfortschreibung bezweckte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien ausdrücklich die Abfederung der außergewöhnlichen Preisentwicklung (BT-Drucks 20/3878, S. 44). Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Anpassungsmechanismus nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben an die Regelleistungsbemessung genügt (so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.04.2024, L 2 AS 39/24 B - juris Rn. 10 ff; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.12.2023, L 5 AS 356/23 B ER - juris Rn 31 ff; Hessisches LSG, Beschluss vom 01.06.2023, L 4 SO 41/23 B ER - juris Rn. 15).
f. Soweit die Klägerin wiederholt eine Entscheidung des BVerfG zum "Härtefall" vorbringt, ergibt sich hieraus ebenfalls kein anderes Ergebnis. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09), in der es festgestellt hat, dass das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld für Kinder unter 15 Jahren nicht evident verfassungswidrig ist. Gleichzeitig hat sich das BVerfG für ein neues Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG entschieden (vgl. Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, 8. Aufl. 2024, SGB XII § 28 Rn. 2 ff.). Im Hinblick auf das Erfordernis einer Härtefallregelung zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs musste nach dieser Entscheidung in der Übergangszeit einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vorgebeugt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 -
1 BvL 1/09, juris). Durch weitergehenden Auftrag des BVerfG in dieser Entscheidung musste der Gesetzgeber alle maßgeblichen Bestimmungen, die die Höhe des Regelbedarfs betreffen, neu regeln. Dabei müssen alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig anhand eines transparenten und sachgerechten Verfahrens nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, bemessen werden, so dass die Ermittlung der Regel-sätze nachvollziehbar ist und einer rechtlichen Überprüfung standhalten kann. Das BSG hat die Umsetzung dieser Kriterien für das vorliegende Gesetz in den bislang hierzu ergangenen Entscheidungen als verfassungskonform gebilligt und keinen Grund gesehen, eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Ebenso hat nunmehr auch das BVerfG im Rahmen zweier konkreter Normenkontrollen die Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs für Alleinstehende, für zusammenlebende Volljährige sowie für Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren und für Kinder bis zu sechs Jahren festgestellt (vgl. Gebhardt in BeckOK SozR, 75. Ed. 01.12.2024, SGB XII § 28 Rn. 2). Die Argumentation der Klägerin ist damit zeitlich überholt.
4. Die Berufung hatte nach alledem keinen Erfolg und war daher zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
6. Angesichts der Rechtsfragen betreffend die Regelungen zu den Regelbedarfen und Regelsätzen im hier streitigen Zeitraum für die Jahre 2022 und 2023, zu denen bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und die über den vorliegenden Fall hinausreichende Bedeutung haben, wird die Revision zugelassen (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).