L 10 AL 31/23 B KO

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 SF 512/22 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 31/23 B KO
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1) Annahme einer gebührenrechtlichen Angelegenheit bei zeitlich auseinanderfallenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden mit unterschiedlicher prozessualer Lage

 

2) zu den Prüfpflichten eines Urkundsbeamten im Kostenfestsetzungsverfahren

  1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

 

  1. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.  

 

 

 

 

Gründe:

  

I.  

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem seine Erinnerung gegen die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung zurückgewiesen worden ist. Er begehrt eine höhere Vergütung.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 18. August 2020 von der späteren Klägerin mit dem Betreff „SGB III, Aufhebung und Erstattung“ mandatiert. Bereits am 12. Mai 2020 war ein Bescheid ergangen, mit der die vorherige Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab 1. Februar 2020 aufgehoben worden war, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hatte. Der Bescheid war bestandskräftig geworden. Mit weiterem Bescheid vom 5. August 2020 war sodann Erstattung in Höhe von 3.478,50 € verlangt worden.

 

Gegen den Erstattungsbescheid führte der Beschwerdeführer für die Klägerin ein erfolgloses Widerspruchsverfahren und schließlich das Klageverfahren S 12/17 AL 371/20. Hinsichtlich des Aufhebungsbescheides initiierte der Beschwerdeführer für die Klägerin ein Überprüfungsverfahren, welches nach erfolglosem Widerspruchsverfahren in das Klageverfahren S 12 AL 10/21 mündete.

 

Beide Klageschriften benannten die jeweiligen Bescheide, enthielten aber keine Begründung. Es wurde jeweils Prozesskostenhilfe beantragt. Die beiden Klageverfahren wurden mit Beschluss des Sozialgerichts vom 20. Januar 2021 unter dem führenden Aktenzeichen S 12/17 AL 371/20 verbunden. Trotz Verbindung begründete der Beschwerdeführer die Klagen jeweils gesondert und kurz im Februar 2021. Hinsichtlich des Aufhebungsbescheides machte er geltend, dass der Beklagte von der Arbeitsaufnahme Kenntnis gehabt habe. Hinsichtlich des Erstattungsbescheides verwies er auf die Abhängigkeit vom Aufhebungsbescheid und stellte die Höhe des Erstattungsbetrages in Frage, weil ein geringerer Betrag zugeflossen sei.

 

Mit Beschluss vom 22. Januar 2021 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 12 AL 10/21 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2022 (L 3 AL 19/21 B PKH) verworfen und der ablehnende PKH-Beschluss deklaratorisch aufgehoben, weil kein Verfahren mehr existent sei.

 

In dem Verfahren S 12/17 AL 371/20 gab der dortige Beklagte nach Überprüfung des Erstattungsbetrages unter Berücksichtigung einer zwischenbehördlich vorgenommenen Erstattung ein Teilanerkenntnis ab. Mit Beschluss vom 20. Januar 2022 gewährte das Sozialgericht für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Danach nahm (nach entsprechender Auslegung der Erklärungen) der Beschwerdeführer für die Klägerin das Teilanerkenntnis unter Rücknahme der Klage im Übrigen an und stelle Kostenantrag. Mit Beschluss des Sozialgerichts vom 17. Mai 2022 wurde der Beklagte hinsichtlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Kostentragung in Höhe von 30% verpflichtet.

 

Am 18. Mai 2022 stellte der Beschwerdeführer im Verfahren S 12/17 AL 371/20 einen Kostenfestsetzungsantrag betreffend die Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 123,74 €, die vom Beklagten zu erstatten seien. Dabei setzte er eine Geschäftsgebühr von 300,00 € und Auslagen von 20,00 € an, teilte diese durch 3 und setzte die Umsatzsteuer von 17,07 € hinzu, wenngleich die Kostenentscheidung des Sozialgerichts eine Kostenlast des Beklagten von (nur) 30% beinhaltete. Zugleich stellte er in diesem Verfahren einen Vergütungsfestsetzungsantrag in Höhe von 928,20 € (Verfahrensgebühr 400,00 € + Terminsgebühr 360,00 € + Auslagen 20,00 € + Umsatzsteuer 148,20 €).

 

In dem Verfahren S 12 AL 10/21 stellte er ebenfalls am 18. Mai 2022 Kostenfestsetzungsanträge, zum einen betreffend die Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 123,74 € (s.o.) und zum anderen betreffend das Klageverfahren in Höhe von 150,74 € ([Verfahrensgebühr 360,00 € + Auslagen 20,00 € : 3 + Umsatzsteuer 24,07 €).

 

Auf den Kostenfestsetzungsantrag im Verfahren S 12/17 AL 371/20 reagierte der dortige Beklagte mit einem Ausgleich der beantragten 123,74 € nebst Zinsen, was zur Rücknahme des Kostenfestsetzungsantrages führte.

 

Auf die Kostenfestsetzungsanträge im Verfahren S 12 AS 10/21 erwiderte der dortige Beklagte, dass insgesamt (für Widerspruchs- und Klageverfahren) nur 214,97 € festzusetzen seien, weil die Geschäftsgebühr anzurechnen sei. Die Urkundsbeamtin setzte die vom Beklagten zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 28. Juni 2022 auf diesen Betrag fest, wenngleich sie nach eigener Berechnung unter Beachtung der Kostengrundentscheidung des Sozialgerichts lediglich eine Kostenerstattung in Höhe von 193,47 € ermittelt hatte. Die hiergegen vom Beschwerdeführer eingelegte Erinnerung wurde mit Beschluss vom 10. August 2022 zurückgewiesen.

 

Schließlich setzte die Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 15. August 2022 in dem Verfahren S 12/17 AL 371/20 die von der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 230,06 € fest (Verfahrensgebühr 300,00 + Auslagen 20,00 € - Anrechnung „Beratungshilfegebühr“ 126,67 € + Mehrwertsteuer 36,73 €). Beiden Widerspruchs- und Klageverfahren habe dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG zugrunde gelegen. Der Beschwerdeführer könne die Vergütung daher nur einmal fordern. Maßgeblich sei das bis zum 31. Dezember 2020 geltende Recht, weil die Klage im Verfahren S 12/17 AL 371/20 am 14. Dezember 2020 erhoben worden sei. Die Verfahrensmittelgebühr sei angemessen und billig, weil es sich um eine durchschnittlich umfangreiche und durchschnittlich schwierige anwaltliche Tätigkeit gehandelt habe. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden, weil lediglich ein Teilanerkenntnis und nicht ein vollständiges Anerkenntnis vorgelegen habe. Die Regelung in Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG erfasse aber nur das vollständige Anerkenntnis und solle verhindern, dass Anerkenntnisse nicht angenommen werden, um einen Termin mit Terminsgebühr zu erhalten. Für eine Verfahrensbeendigung durch Rücknahme gelte dies nicht. Nach § 58 Abs. 2 RVG sei vorliegend eine teilweise Anrechnung der Zahlungen des Beklagten vorzunehmen. Die Regelvergütung betrage netto 470,00 € (Geschäftsgebühr 300,00 € + Verfahrensgebühr 300,00 € + Auslagen 20,00 € - Anrechnnung ½ Geschäftsgebühr 150,00 €). Der ungekürzte Anspruch gegenüber der Staatskasse betrage netto 320,00 € (Verfahrensgebühr 300,00 € + Auslagen 20,00 €). Der Beklagte habe im Verfahren S 12/17 AL 371/20 auf die Geschäftsgebühr von 300,00 € trotz Kostenquote von 3/10 ein Drittel, also 100,00 € netto geleistet. Im Verfahren S 12 AL 10/21 habe der Beklagte 176,67 € netto anerkannt (Geschäftsgebühr 300,00 € + Verfahrensgebühr 360,00 € + Auslage 20,00 € - Anrechnung ½ Geschäftsgebühr 150,00 € = 530,00 € : 3). Insgesamt habe der Beklagte daher 276,67 € erstattet. Die Differenz zwischen Regelvergütung und Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse betrage 150,00 € (470,00 € - 320,00 €), die von den Zahlungen des Beklagten in Abzug zu bringen seien, so dass ein Überschuss von 126,67 € verbleibe, der den Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse mindere.

 

Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde mit Beschluss des Sozialgerichts vom 27. Februar 2023 zurückgewiesen.

 

Gegen den am 28. Februar 2023 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am gleichen Tag Beschwerde eingelegt, die zunächst im 5. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts geführt worden ist. Es seien zwei Angelegenheiten, woran auch die Verbindung der Verfahren nichts ändere. Dies belege der zeitliche Ablauf der Verfahren. Gegen den Aufhebungsbescheid habe ein Überprüfungsverfahren geführt werden müssen, gegen den Erstattungsbescheid ein Widerspruchsverfahren. Der Beklagte habe die Verfahren auseinanderfallen lassen. Es könne auch nicht sein, dass für den Aufwand für zwei Verfahren die Gebühren derart eingekürzt würden.

 

Der Beschwerdegegner hält daran fest, dass es sich um eine Angelegenheit gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 2. April 2014, B 4 AS 27/13 R, juris Rdnr. 16) scheitere die Annahme von nur einer Angelegenheit auch nicht daran, dass der Prozessbevollmächtigte getrennte Prüfaufgaben zu bewältigen hatte. Sollte der Senat - wider Erwarten - eine andere Rechtsauffassung vertreten, müsste im Ergebnis eine PKH Vergütung in Höhe von insgesamt 380,80 € (brutto) festgesetzt werden (Verfahrensgebühr 300,00 € + Auslagenpauschale 20,00 € + Umsatzsteuer 60,80 €). Anrechnungen ergäben sich dann nicht.

 

Das Verfahren ist aufgrund des Geschäftsverteilungsplanes des Sächsischen Landessozialgerichts in der Fassung des Beschlusses vom 22. Juli 2024 zum 1. August 2024 auf den 10. Senat übergegangen. 

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens (PKH-Beiheft) und des hiesigen Hauptsacheverfahrens S 12/17 AL 371/20 sowie der Akten des Verfahrens S 12 AL 10/21 nebst Beiheften verwiesen.

 

II.

  

Die Entscheidung ergeht durch die Vorsitzende als Einzelrichterin, nachdem die angefochtene Entscheidung von dem Kammervorsitzenden des Sozialgerichts erlassen worden ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). 

 

1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 

Nach § 33 Abs. 3 Sätze 1 und 2 RVG, die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG entsprechend anzuwenden sind, können die Antragsberechtigten gegen den Beschluss im Erinnerungsverfahren Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Der Beschwerdewert errechnet sich dabei aus dem Unterschied zwischen der von der Vorinstanz festgesetzten und der mit der Beschwerde geltend gemachten festzusetzenden Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer.

 

Von der Vorinstanz wurden 230,06 € festgesetzt. Welche Vergütung der Beschwerdeführer noch festgesetzt wünscht, hat er im Beschwerdeverfahren zahlenmäßig nicht konkret beziffert. Seine Beschwerde begründet er allein damit, dass die Annahme des Sozialgerichts, es habe sich um eine Angelegenheit gehandelt, fehlerhaft sei. Der Beschwerdegegner hat insoweit - rechnerisch zutreffend - darauf hingewiesen, dass im Falle der Annahme zweier Angelegenheiten die Vergütung auf 380,80 € festzusetzen sei, weil dann eine Anrechnung nur des einen gezahlten Betrages des Beklagten angesichts des zu hohen Differenzbetrages zwischen Regelvergütung und ungekürztem Anspruch gegenüber der Staatskasse nicht vorzunehmen sei. Der sich aus dieser Berechnung ergebende Differenzbetrag liegt allerdings unterhalb des Beschwerdewertes von 200,00 €.

 

Dennoch hält die Vorsitzende im vorliegenden Fall die Beschwerde nicht für unstatthaft, weil die allein vom Beschwerdeführer angesprochene Frage, ob dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG vorliegt, je nach ihrer Beantwortung auch Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren haben kann. Hier hatte der Beschwerdeführer eine Verfahrensgebühr von 400,00 € geltend gemacht, die die Urkundsbeamtin auf 300,00 € gekürzt hat. Es ist insoweit nicht ausgeschlossen, dass bei Annahme nur einer Angelegenheit eine höhere Verfahrensgebühr gerechtfertigt sein kann, auch wenn der Beschwerdeführer hierzu in seiner Beschwerde nichts vorträgt. Die entsprechende materiell-rechtliche Prüfung kann aber nicht in die Frage der Prüfung der Statthaftigkeit der Beschwerde verlagert werden. Da nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass bei denkbarer höherer Verfahrensgebühr und ohne Anrechnung von Zahlungen des Beklagten eine um 200,00 € höhere Vergütung bei Erfolg der Beschwerde im Raum steht, ist diese statthaft.

 

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen nicht zu niedrig festgesetzt.

 

2.1. Das Sozialgericht hat rechtlich zutreffend die beiden Klageverfahren S 12/17 AL 371/20 und S 12 AL 10/21 gebührenrechtlich als eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG bewertet, mit der Folge, dass der Beschwerdeführer die Gebühren vorliegend nur einmal fordern durfte. Da vorliegend ohnehin nur ein Vergütungsfestsetzungsantrag gestellt wurde (es gibt auch nur eine Prozesskostenhilfebewilligung nach Verbindung der beiden Verfahren im Verfahren S 12/17 AL 371/20), wirkt sich dieser Umstand für die hier allein streitige Höhe der aus der Staatskasse zu leistenden Gebühren und Auslagen allein bei der Frage der Anrechnung der Zahlungen des Beklagten aus.

 

Zu der Frage, wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, hat das Bundessozialgericht wie folgt grundsätzlich entschieden (Urteil vom 2. April 2014, B 4 AS 27/13 R, juris Rdnr. 15 und 16):

 

„Wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG nicht abschließend geregelt (vgl BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 4/07 R - SozR 4-1935 § 17 Nr 1 RdNr 16). Die anwaltlichen Tätigkeitskataloge des § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit") und des § 17 RVG ("verschiedene Angelegenheiten") benennen nur Regelbeispiele. Der Gesetzgeber hat die abschließende Klärung des Begriffs "derselben Angelegenheit" iS des § 7 Abs 1 RVG sowie des § 15 Abs 2 S 1 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen (BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 4/07 R - SozR 4-1935 § 17 Nr 1 mwN). Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Verfahrens-)Gegenstandes decken kann, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibt der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt (Schnapp/Volpert in Schneider/Wolff, AnwK RVG, 6. Aufl 2012, RdNr 21 f). Daher kommt es zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 S 1 RVG aF (bzw nunmehr § 15 Abs 2 RVG) ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl BGH Urteil vom 21.6.2011 - VI ZR 73/10 - NJW 2011, 3167 mwN). Für ein Tätigwerden "in derselben Angelegenheit" (§ 7 Abs 1 RVG) kann es im gerichtlichen Verfahren regelmäßig schon genügen, dass die Begehren mehrerer Auftraggeber einheitlich in demselben Verfahren geltend gemacht werden und zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht (vgl BVerfG Beschluss vom 4.12.2013 - 1 BvQ 33/11; BVerfG Beschluss vom 15.7.1997 - 1 BvR 1174/90 - BVerfGE 96, 251).

 

Vor diesem Hintergrund sind die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG davon ausgegangen, dass es sich auch bei Individualansprüchen nach dem SGB II grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 S 1 RVG aF bzw § 15 Abs 2 RVG handeln kann, wobei die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft dann eine Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 VV RVG auslöst (vgl BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 83/08 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 11 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 155/10 R - SozR 4-1935 § 7 Nr 1 RdNr 22 mwN). Grundsätzlich können daher auch im SGB II mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls grundsätzlich auch, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betrifft (BGH Urteil vom 21.6.2011 - VI ZR 73/10 - NJW 2011, 3167).

 

Die danach nicht allgemein, sondern für jeden Einzelfall gesondert vorzunehmende Prüfung ergibt, dass vorliegend eine gebührenrechtliche Angelegenheit gegeben ist, auch wenn der Aufhebungs- und der Erstattungsbescheid jeweils gesondert und nicht zeitgleich erlassen worden sind und sich unterschiedliche rechtliche Vorgehensweisen als notwendig erwiesen haben.

 

Zunächst ist festzustellen, dass sich die Klägerin erst an den Beschwerdeführer gewandt und diesen mandatiert hat, als sowohl der Aufhebungs- als auch der Erstattungsbescheid ergangen waren. Die Mandatierung erfolgte mittels eines Auftrages am 18. August 2020, der ausweislich der Vollmacht beide Gegenstände im Sinne einer Angelegenheit einbezog und zu allen rechtlich notwendigen Schritten ermächtigte. Daneben weisen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide auch zwangsläufig immer einen rechtlichen und inneren Zusammenhang auf, weil Erstattungsbescheide – von Sonderkonstellationen abgesehen – immer eine rechtswirksame Aufhebung der bewilligten und gezahlten Leistungen voraussetzen. Der Erstattungsbescheid ist damit im Regelfall immer vom Bestand des Aufhebungsbescheides rechtlich abhängig. Aufhebungs- und Erstattungsbescheid beruhen hier auch auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt, nämlich der Arbeitsaufnahme der Klägerin zum 1. Februar 2020, welche den Fortbestand des Arbeitslosengeldanspruches beendete und zu einer Rückforderung dennoch gezahlter Leistungen führte. Dass vorliegend für die Aufhebung der Leistungen einerseits und für die Geltendmachung der Erstattung andererseits gesonderte Entscheidungen ergangen sind, ändert hieran nichts. Es hebt weder den inneren Zusammenhang noch den einheitlichen Lebenssachverhalt auf. Dasselbe gilt hier hinsichtlich des zeitlichen Versatzes, weil die Mandatierung des Beschwerdeführers erst nach Erlass beider Bescheide erfolgte, er mithin beide Bescheide mit ihrem sachlichen Zusammenhang in einer Angelegenheit bewerten konnte und so auch den Auftrag von der Mandantschaft erhielt. Dass wegen des Eintritts der Bestandskraft vor Mandatierung hinsichtlich des Aufhebungsbescheides zunächst ein Überprüfungsverfahren geführt werden musste, führt zu keiner anderen Bewertung. Es hebt weder den rechtlichen Bezug beider Bescheide noch den einheitlichen Lebenssachverhalt auf, sondern erfordert nur unterschiedliche Prüfschritte und Aktivitäten, um zunächst die Bestandskraft zu durchbrechen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der zwei Bescheide ändert sich dadurch aber nichts. Dass hierdurch möglicherweise die anwaltliche Tätigkeit (hauptsächlich im Vorverfahren) einen größeren Umfang eingenommen hat, als dies der Fall wäre, wenn ein oder zwei schlichte Widerspruchsverfahren ohne Überprüfungsantrag hätten geführt werden können, mag bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren eine Rolle spielen. Für die Frage, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, ist es indes nicht relevant. Auch wenn dies für die Annahme derselben Angelegenheit nicht zwingend erforderlich ist, spricht auch der Umstand der sofortigen Verbindung der Verfahren nach Klageeingang des zweiten Verfahrens hierfür. Damit bringt das Sozialgericht zum Ausdruck, dass wegen eines sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs rechtlich eine einheitliche Bearbeitung und Entscheidung geboten ist, die auch die gebührenrechtliche Bewertung als dieselbe Angelegenheit rechtfertigt.

 

Die Annahme derselben Angelegenheit ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in den Kostenfestsetzungsverfahren ersichtlich von zwei Angelegenheiten ausgegangen worden ist, was der Beklagte auch nicht beanstandet hat. Vielmehr hat der Beklagte sowohl Kosten des Verfahrens S 12/17 AL 371/20 (anteilige Rechtsanwaltsvergütung für das Vorverfahren) als auch des Verfahrens S 12 AS 10/21 (anteilige Rechtsanwaltsvergütung für das Vorverfahren und das Klageverfahren) erstattet und die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts hat in dem Verfahren S 12 AL 10/21 am 28. Juni 2022 trotz Kenntnis der Kostenerstattung im Verfahren S 12/17 AL 371/20 (mitgeteilt am 14. Juni 2022) einen entsprechenden Festsetzungsbeschluss erlassen.

 

Der 5. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts hat bereits entschieden (Beschluss vom 6. Juli 2023, L 5 AS 299/22 B KO, n. v.), dass einer einheitlichen Vergütungsfestsetzung eine getrennte Festsetzung der durch den Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten nicht entgegensteht:

 

„Selbst wenn – was hier nicht der Fall ist – die Beteiligten des Kostenfestsetzungsverfahren darüber einig wären, dass sie getrennt geführte Verfahren auch als getrennte gebührenrechtliche Angelegenheiten behandeln wollen, ergibt sich aus einer solchen Übereinkunft keine Bindungswirkung für das Verhältnis zur Staatskasse. Dieses ist von der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG unabhängig.“

 

Diese Einschätzung teilt die Vorsitzende, die eine eigenständige Bewertung der Vergütungsansprüche des Beschwerdeführers und des Umfanges ihrer Erstattung aus der Staatskasse vorzunehmen hat, ohne an Ansichten der Beteiligten oder Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren gebunden zu sein. Allerdings sieht sie sich im Hinblick auf die hier erfolgten Kostenfestsetzungsverfahren zu folgenden Anmerkungen veranlasst:

 

Dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Juni 2022 in dem Verfahren S 12 AL 10/21 kann zum einen entnommen werden, dass das im Vergütungsfestsetzungsverfahren eingeführte Argument derselben Angelegenheit in den Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt wurde und zudem, dass eine Kostenfestsetzung in einer Höhe erfolgte, die die Kostenbeamtin selbst nicht ermittelt hatte. Die Kostenbeamtin war vielmehr der vom Beklagten mitgeteilten Höhe der festzusetzenden Kosten gefolgt. Offenbar sieht sich die Kostenbeamtin an einer eigenständigen Prüfung und Festsetzung der zu erstattenden Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes gehindert, wenn der erstattungspflichtige Beklagte insoweit keine Einwendungen erhebt. Möglicherweise wird dies aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2011 (V ZB 216/10, juris) abgeleitet, in der unter anderem folgende grundsätzliche Erwägungen enthalten sind:

 

a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Die Vorschrift gilt lediglich für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen…

 

b) In § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG heißt es, dass dann, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich ist, wenn sie unbillig ist. Im Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung ist hier die Billigkeit der Bestimmung kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit ist eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens … Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es an der Billigkeit fehlt …

 

c)…Die Beteiligte zu 2 ist der Höhe der geltend gemachten Gebühren nicht entgegengetreten. Die von der Verfahrensbevollmächtigten getroffene Bestimmung kann deshalb nicht von dem Gericht als unbillig bezeichnet werden.

 

Aus dieser Entscheidung allerdings abzuleiten, dass der Kostenbeamte im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG jegliche Prüfung der geltend gemachten Vergütungsansprüche zu unterlassen hat, wenn der jeweilige Kostenschuldner keine Einwendungen erhebt, geht zu weit. Der Urkundsbeamte, der mit der Kostenfestsetzung einen Vollstreckungstitel schafft, ist an Gesetz und Recht gebunden. Er hat nur solche Kosten als erstattungsfähig gegenüber einem Dritten festzusetzen, die entstanden sind, sich im gesetzlichen Rahmen bewegen und auch mit der Kostengrundentscheidung des Gerichts vereinbar sind.

 

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht zu entscheiden, in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt der Urkundsbeamte in der Folge auf entsprechenden Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Erstattungsfähig ist nach § 193 Abs. 3 SGG die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwaltes. § 197 Abs. 1 Satz 2 SGG normiert die entsprechende Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO legt fest, dass zur Berücksichtigung des Ansatzes die Glaubhaftmachung genügt. Aus diesem Normengefüge ergeben sich (Prüfungs)Pflichten des Urkundsbeamten.

 

Zunächst hat er die Kostengrundentscheidung des Gerichts zu befolgen und darf hiervon weder selbst, noch auf Antrag eines Beteiligten, noch bei fehlendem Einwand eines Betroffenen abweichen. Genau dies ist hier aber geschehen. Das Sozialgericht hatte in der Kostengrundentscheidung festgelegt, dass der Beklagte 30% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten hat. Der Beschwerdeführer hat dagegen eine Kostenerstattung von 1/3 also von 33,33% beantragt und die Urkundsbeamtin hat dies festgesetzt, weil der Beklagte seiner Berechnung (lediglich Anrechnung abweichend) ersichtlich und möglicherweise ungeprüft auch die Quote von 1/3 zugrunde gelegt hat. Deshalb hat die Urkundsbeamtin 214,97 € festgesetzt, wenngleich sie selbst nur 193,47 € ermittelt hatte. Dies ist mit den gesetzlichen Vorschriften nicht zu vereinbaren. Die Kostenquote ist nicht verhandelbar.

 

Aus dem Normengefüge ergibt sich weiter, dass nur solche Gebühren festgesetzt werden dürfen, die auch tatsächlich entstanden sind. Denn erstattungsfähig ist nur die gesetzliche Vergütung und nicht eine Vergütung, auf die sich die Beteiligten vermeintlich oder aus Unwissenheit verständigen. Deshalb sind nach § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Gebühren auch glaubhaft zu machen, was es nicht bedürfte, wenn es allein auf das Verhalten der Beteiligten ankäme. Hierher gehört auch die Prüfung, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen und ob der Rechtsanwalt die Vergütung mehrfach oder eben nur einmal fordern darf (§ 15 Abs. 2 RVG). Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwaltes ist insoweit nicht verhandlungsfähig und es bedarf auch keines Einwandes des erstattungspflichtigen Dritten; vielmehr hat der Urkundsbeamte dies von sich aus zu prüfen. Er darf keine Kosten zur Erstattung festsetzen, die gesetzlich nicht entstanden sind, nur weil der erstattungspflichtige Dritte dies (aus welchen Gründen auch immer) nicht moniert.

 

Derartiges hat auch der Bundesgerichtshof nicht entschieden. Er hat vielmehr, bevor er zu der Höhe der Gebühren Ausführungen getätigt hat, (wenn auch kurz) festgestellt, dass das Vorgericht zu Recht festgestellt hat, dass die Gebühren entstanden sind. Lediglich die die Höhe der Gebühren betreffende Unbilligkeitsentscheidung des Vorgerichtes hat der BGH beanstandet, mit dem Argument, dass es sich bei § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG um eine Einwendung handele, die entsprechend der Beweislastregelungen von demjenigen, der sie erhebt, hier also vom Dritten, darzulegen und im Zweifel zu beweisen ist. Unabhängig von der Frage, ob für das sozialgerichtliche Verfahren, das vom Amtsermittlungsgrundsatz und erst nachrangig von Darlegungs- und Beweislastregelungen geprägt wird, die Rechtsprechung des BGH übertragen werden kann, kann sie allenfalls für die Höhe der Gebühren bei Rahmengebühren relevant werden, nicht aber bei der Frage, ob Gebühren überhaupt entstanden sind, ob sie notwendig waren und zu welcher Quote sie zu erstatten sind. Denn die Unbilligkeitsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG bezieht sich zweifelfrei allein auf die nach billigem Ermessen vorzunehmende Bestimmung der Höhe der Gebühr bei Rahmengebühren durch den Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Nur in diesem Zusammenhang stellt sich das Spannungsfeld zwischen Ermessen des Rechtsanwaltes und dahingehende Bindung erstattungspflichtiger Dritter, die § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG aufzulösen versucht. Der Rechtsanwalt kann aber im Wege billigen Ermessens nicht Gebühren erheben, die nicht entstanden sind. Ob bei der Festsetzung der Höhe der Rahmengebühren im Kostenfestsetzungsverfahren an der bisherigen Vorgehensweise, dass bei mangelnden Einwendungen des erstattungspflichtigen Dritten die Höhe der Gebühr entsprechend des Antrages festgesetzt wird, festgehalten werden kann, hat die Vorsitzende indes nicht zu befinden. Dies obliegt der Entscheidung der Urkundsbeamten bzw. der Richter der Sozialgerichte im Zuge des Erinnerungsverfahrens.

 

Für das hiesige Verfahren der Vergütungsfestsetzung aus der Staatskasse spielen diese Erwägungen, wie der 5. Senat zutreffend festgestellt hat, keine Rolle, auch dann nicht, wenn in den Kostenfestsetzungsverfahren anderweitige Gebühren für gerechtfertigt erachtet werden und dort ersichtlich von mehreren Angelegenheiten ausgegangen worden ist.

 

2.2. Ausgehend von einer Angelegenheit hat das Sozialgericht die Verfahrensgebühr mit der Mittelgebühr in Höhe von 300,00 € in billiger Höhe festgesetzt, die fiktive Terminsgebühr zu Recht als nicht entstanden bewertet und die Anrechnung der geleisteten Zahlungen des Beklagten zutreffend vorgenommen und damit die aus der Staatskasse zu leistenden Gebühren und Auslagen nicht zu niedrig festgesetzt.

 

a) Die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV RVG in der hier nach § 60 Abs. 1 RVG anzuwendenden bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung: Auftragserteilung im August 2020, Klageerhebung im Dezember 2020) in Höhe einer Mittelgebühr von 300,00 € verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Seine Gebührenbestimmung auf 400,00 € war unbillig und ist vom Sozialgericht zu Recht korrigiert worden.

  

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG richtet sich die Höhe der Vergütung nach den Bestimmungen des VV RVG, wobei in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Grundsätzlich ist für den Durchschnitts- oder Normalfall die Mittelgebühr billige Gebühr im Sinne des RVG. Die Mittelgebühr ist in Fällen zugrunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt; sie gilt damit in "Normalfällen" als billige Gebühr (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2010, B 13 R 63/09 R, juris Rdnr. 35 m. w. N.). Jedes in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannte Bemessungskriterium kann indes Anlass sein, vom Mittelwert nach oben oder unten abzuweichen, soweit ein Umstand vom Durchschnitt abweicht (Mayer in: Gerold/C., RVG, 26. Aufl. 2023, § 14 Rdnr. 10).

 

Ausgehend hiervon ist die nach Nr. 3102 VV RVG zu bemessende Verfahrensgebühr in Höhe einer Mittelgebühr, also in Höhe von 300,00 €, nicht zu niedrig festgesetzt. Es handelt sich bei beiden Klageverfahren, die kurz nach Klageerhebung verbunden wurden, um eine in Umfang und Schwierigkeit durchschnittliche Angelegenheit, ohne dass andere Bemessungskriterien die gewünschte Erhöhung der Mittelgebühr um ein Drittel rechtfertigen könnten.

 

Mit der Verfahrensgebühr in Klageverfahren vor dem Sozialgericht wird der Aufwand für Besprechung und Beratung des Mandanten, das Anfordern und die Sichtung von beigezogenen und eingeholten Unterlagen, die Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, der Schriftverkehr mit dem Mandanten und dem Gericht sowie alle Tätigkeiten, für die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht eine besondere Gebühr angesetzt werden kann, vergütet. Durchschnittlich umfangreich ist eine anwaltliche Tätigkeit, bei der die Klage erhoben, Akteneinsicht genommen, die Klage begründet und zu den Ermittlungen des Gerichts Stellung genommen wird (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 9. Februar 2015, L 6 SF 25/15 B, juris Rdnr. 16; SächsLSG, Beschluss vom 28. Juni 2013, L 8 AS 1147/12 B KO, SächsLSG, Beschluss vom 11. Januar 2021, L 5 AS 1141/19 B KO).

 

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer für seine Mandantin in derselben Angelegenheit (vgl. hierzu oben) zwei Klagen erhoben, die zunächst nicht begründet wurden und Prozesskostenhilfeanträge gestellt. Nach Verbindung der beiden Klageverfahren hat er ungeachtet dieser Tatsache zwei überschaubare Begründungsschriftsätze gefertigt, die sich teilweise inhaltlich deckten, weil in beiden Verfahren dem Aufhebungsbescheid die Einwendung der Kenntnis des Beklagten entgegengesetzt wurde. In dem Verfahren zum Erstattungsbescheid hat er noch die Höhe des Erstattungsbetrages in Frage gestellt. Nachdem der Beklagte ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der Höhe des Erstattungsbetrages abgegeben hatte, hat er mit einem Schriftsatz zunächst die Prozesskostenhilfeentscheidung erbeten und - nachdem diese positiv ausgefallen war - mit weiterem Schriftsatz die prozessbeendende Erklärung abgegeben und Kostenantrag gestellt.

 

Insgesamt entsprechen diese Aktivitäten der Verfahrensführung, insbesondere auch unter Berücksichtigung, dass zunächst zwei Klagen erhoben werden mussten, die allerdings gebührenrechtlich einheitlich zu bewerten sind, nur einem durchschnittlichen Aufwand. Allein die Erstellung zweier Klageschriften, die ohnehin nur die Bescheide bezeichneten und sich auf die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages beschränkten, führt nicht zu der Annahme eines überdurchschnittlichen Aufwandes. Eine zweifache Klagebegründung war bereits nicht erforderlich, weil die Verfahren schon verbunden waren. Im Übrigen hätte eine zusammengefasste Klagebegründung auch nicht zu einem deutlich geringeren Umfang der Tätigkeit geführt. Termine mit Terminsvorbereitung haben nicht stattgefunden. Auf ein Teilanerkenntnis wurde mit einer Prozesserklärung reagiert. Insgesamt handelt es sich damit um einen üblichen mit einem Klageverfahren verbundenen Aufwand, der mit der Mittelgebühr abgegolten ist. Es sind keine Aktivitäten ersichtlich, die die Annahme eines überdurchschnittlichen Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigen könnten.

 

Auch die Schwierigkeit der Angelegenheit war durchschnittlich.

 

Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit (vgl. Mayer, in: Gerold/C., RVG, 26. Auflage 2023, § 14 Rdnr. 22). Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten.  

  

Vorliegend ging es im Wege eines Überprüfungsverfahrens um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsbescheides und in einem Anfechtungsverfahren um die Rechtmäßigkeit des hierauf aufbauenden Erstattungsbescheides. Vertiefte rechtliche Ausführungen waren nicht erforderlich und erfolgten auch nicht. Es wurden tatsächliche Einwände sowohl gegen den Aufhebungsbescheid (Kenntnis des Beklagten von der Arbeitsaufnahme) als auch gegen den Erstattungsbescheid (tatsächliche Höhe der gezahlten Leistungen) erhoben. Dies entspricht vom Schwierigkeitsgrad her einer durchschnittlichen Angelegenheit aus dem Bereich des SGB III, ohne dass vertiefte Auseinandersetzungen mit Rechtsprechung und Literatur oder schwierige tatsächliche Ermittlungen erforderlich gewesen wären. Anhaltspunkte für eine überdurchschnittliche Schwierigkeit sind nicht zu erkennen und wurden auch nicht vorgetragen.

 

Auch die Bedeutung der Angelegenheit, die Einkommensverhältnisse und das Haftungsrisiko liefern keine Anhaltspunkte für eine Erhöhung der Mittelgebühr.

 

Nach alledem ist die Festsetzung der Mittelgebühr als Verfahrensgebühr nicht zu beanstanden.

 

b) Die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts hat auch zu Recht die Festsetzung einer (fiktiven) Terminsgebühr abgelehnt, die der Beschwerdeführer im Vergütungsfestsetzungsantrag in Höhe von 360,00 € gefordert hatte. Diese Gebühr ist nicht entstanden.

 

Eine mündliche Verhandlung hat vorliegend nicht stattgefunden. Nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr allerdings auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

 

Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Landessozialgerichte (LSG NRW, Beschluss vom 1. Januar 2024, L 2 AS 369/23 B, juris Rdnr. 24; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Mai 2022, L 4 AS 63/20 B, juris Rdnr. 28, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2020, L 39 SF 91/17 B E, juris Rdnr. 19, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Juli 2019, L 10 SF 1298/19 E-B, juris Rdnr. 15; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2015, L 7/14 AS 64/14 B, juris Rdnr. 32), dass die fiktive Terminsgebühr nach Annahme eines Anerkenntnisses nur dann entsteht, wenn hiermit der Rechtsstreit unmittelbar vollständig beendet wird. Ein Teilanerkenntnis (welches den Rechtsstreit nach § 101 Abs. 2 SGG nur teilweise beendet) mit verfahrensbeendender Erklärung im Übrigen genügt nicht, weil Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG die Beendigung des Rechtsstreits aufgrund des Anerkenntnisses und nicht einer anderweitigen verfahrensbeendenden Erklärung fordert. Eine erweiternde oder gar analoge Anwendung wird einhellig abgelehnt. Die Vorsitzende schließt sich uneingeschränkt dieser Rechtsansicht an.

 

Im vorliegenden Fall ist auch „lediglich“ von einem Teilanerkenntnis auszugehen und nicht, wie der Beschwerdeführer bereits im Klageverfahren versucht hat geltend zu machen, von einem vollständigen Anerkenntnis. Der Beklagte hatte lediglich die Erstattungsforderung teilweise abgesenkt. Der Beschwerdeführer hatte in dem (verbundenen) Klageverfahren für die Klägerin aber nicht lediglich eine Herabsetzung des Erstattungsbetrages erzielen wollen, sondern die Aufhebung sowohl des Aufhebungs- als auch des Erstattungsbescheides, weil er beide uneingeschränkt für rechtswidrig gehalten hatte. Die Absenkung des Erstattungsbetrages hat mithin das Klagebegehren allenfalls zum Teil erledigt, so dass die Erklärung auch nur einem Teilanerkenntnis entsprechen kann. Das eigentliche Klageziel der Aufhebung des Aufhebungsbescheides mit der logischen Konsequenz der Aufhebung des Erstattungsbescheides war fortbestehend und überhaupt nicht beeinflusst. Die Verfahrensbeendigung hinsichtlich des anhängig verbliebenden Klagegenstandes ist rechtlich als Klagerücknahme zu werten. Eine Hauptsacheerledigungserklärung kam insoweit nicht in Betracht, weil sich der (verbliebene) Klagegenstand gerade nicht erledigt hatte.

 

Deshalb kommt vorliegend auch nicht eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG und auch keine Erledigungsgebühr (zu Recht vom Beschwerdeführer auch nicht gefordert) in Betracht. Hier ist nicht von einem gegenseitigen, sich bedingenden Nachgeben auszugehen, sondern von einer Reaktion seitens des Beklagten auf einen rechnerischen Einwand und ein Fallenlassen des Rechtsmittels seitens der Klägerin, ohne dass dem ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines Vergleiches zugrunde liegt.

 

c) Schließlich hat die Urkundsbeamtin auch zutreffend die geleisteten Zahlungen des Beklagten des Hauptsacheverfahrens angerechnet. Insoweit wird auf die ausführliche Darstellung der Berechnung in dem angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss verwiesen.

 

Der insoweit allein getätigte Einwand des Beschwerdeführers, es habe sich nicht um eine Angelegenheit gehandelt, was dazu geführt hätte, dass nur die von dem Beklagten für das Verfahren S 12/17 AL 371/20 gezahlten Beträge hätten berücksichtigt werden dürfen, greift nach obigen Ausführungen nicht. Da nur eine (gebührenrechtliche) Angelegenheit vorliegt, waren alle Zahlungen Dritter zu berücksichtigen. Einwände gegen die Höhe der angesetzten Zahlungen wurden vom Beschwerdeführer nicht erhoben. Für die Vorsitzende sind insoweit auch keine Fehler ersichtlich. Die Beträge entsprechen zum einem dem Kostenfestsetzungsbeschluss und zum anderen der Bestätigung der Zahlung durch den Beklagten.

 

Wenn der Beschwerdeführer allgemein meint, dass es nicht sein könne, dass für den Aufwand für zwei Verfahren die Gebühren derart eingekürzt würden, so ist er auf obige Ausführungen und darauf zu verweisen, dass das Einkürzen Folge eines entsprechend fehlenden Aufwandes für die anwaltliche Tätigkeit ist, den die gesetzliche Vergütung aber erfordert.

 

Die Beschwerde bleibt damit ohne Erfolg.  

  

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).   

 

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).   

Rechtskraft
Aus
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