I. Der Bescheid vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2020 wird insoweit aufgehoben als Säumniszuschläge in Höhe von 17.026,50 € erhoben wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/3, die Klägerin zu 2/3 mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 60.299,70 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV erlassenen Beitragsnachforderungsbescheid der Beklagten vom 13.11.2018 in Gestalt Widerspruchsbescheides vom 29.05.2020, mit dem für den Prüfzeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2015 rückständige Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 60.299,70 € (inklusive Säumniszuschläge in Höhe von 17.026,50 €) festgesetzt worden sind.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), das die Projektierung, den Vertrieb und die Montage von Einrichtungsgegenständen aller Art, insbesondere von Kücheneinrichtungen, beinhaltet. Die Klägerin betreibt Küchenstudios in M-Stadt, I-Stadt und W-Stadt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) stellte die Beklagte fest, dass K1. (im Folgenden: K1.) von der Klägerin ab dem 01.08.1998 für Tätigkeiten im Verkaufsbereich beauftragt wurde. Zugrunde lag ein Dienstvertrag über freie Mitarbeit vom 10.07.1998. Danach unterlag K1. keinen Weisungen der Klägerin, Arbeitszeit und Arbeitsumfang konnten frei gestaltet werden. Bei der Ausübung der Tätigkeit habe K1. jedoch die Interessen und das Ansehen des Hauses stets zu berücksichtigen. Es werde ihm das übliche Prospektmaterial und die im Haus der Klägerin geltenden Verkaufsunterlagen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Hierfür erhielt K1. für die ersten drei Monate eine Pauschalvergütung von 4.500,00 DM (berechnet aus einem monatlichen Leistungsumfang von 195 Stunden). Danach erhielt er ein Fixum von 3.000,00 DM pro Monat, zuzüglich einer Verkaufsprovision von 10 % aller angenommenen und abgewickelten Aufträge bei einer Monatsumsatzleistung von 80.000,00 DM netto. Bei Überschreiten dieser Umsatzgröße entfällt nach dem Vertrag der monatliche Fixbetrag und K1. erhält eine Provision von 25 % aus der erzielten Handelsspanne. Der Dienstvertrag konnte von beiden Vertragsparteien binnen Monatsfrist gekündigt werden.
Die Beklagte zog außerdem die gestellten Rechnungen des K1. an die Klägerin bei. Daraus ergibt sich für das Jahr 2014 eine monatliche Provisionsvorauszahlung in Höhe von 3.980,00 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer), eine Bonuszahlung in Höhe von 5.000,00 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer) für das Jahr 2014, geltend gemacht mit Rechnung von Juli 2014. Außerdem lagen Rechnungen vom Januar und Februar 2014 vor in Höhe von 4.476,65 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer) sowie in Höhe von 4.400,00 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer) zur Erreichung des Umsatzzieles im Jahr 2013. Festgestellt wurde, dass K1. für die ausgeübte Tätigkeit eine Gewerbeanmeldung zum 01.02.1999 vorgenommen hat.
Auf Anfrage der Beklagten führte K1. zudem aus, er habe seine Einsatzzeiten bei der Klägerin frei wählen können. Anwesenheitszeiten oder feste Arbeitszeiten bzw. Mindestarbeitszeiten hätten nicht bestanden. Die wesentliche Arbeit im Sinne einer Planung und Ausarbeitung eines Auftrages sei in seinem Büro erledigt worden. Seine Leistung als freier Mitarbeiter habe in der Planung und Beratung hinsichtlich des Kaufs einer Küche bestanden mit dem Abschluss des entsprechenden Vertrages. Die Abwicklung des Vertrages sei über die Klägerin erfolgt. Er habe eigene Arbeitsmittel wie Pkw und PC eingesetzt. Da eine Abrechnung nach Provision erfolgt sei, sei sein Interesse darauf gerichtet gewesen, das vereinbarte Umsatzziel zu erreichen bzw. zu übertreffen. Die Umwandlung des freien Dienstvertrags in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum 01.01.2016 habe rein private Gründe gehabt. Er sei nunmehr als fest angestellter Mitarbeiter an Weisungen der Klägerin gebunden, habe feste Arbeitszeiten, müsse auch Aufträge anderer Mitarbeiter abarbeiten und Aufträge nacharbeiten. Die Klägerin hat eine entsprechende Anfrage der Beklagten nicht beantwortet.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2018 mit, dass hinsichtlich der Tätigkeit des K1. als Küchenplaner/-verkäufer für die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werde. Beiträge zur Sozialversicherung inklusive Säumniszuschläge seien in Höhe von 60.299,70 EUR nachzuentrichten.
Mit Schreiben vom 18.11.2018 teilte die Klägerin mit, dass K1. nicht den gleichen Aufgabenbereich wie die Mitarbeiter der Klägerin innegehabt habe. Er sei nicht in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Er habe auch keinem Weisungsrecht unterlegen und habe Arbeitszeit und Arbeitsort frei bestimmen können. Die in dem freien Dienstvertrag vereinbarte Zeitangabe von 195 Arbeitsstunden diene lediglich als Rechengröße und habe keine Relevanz für den hiesigen Prüfzeitraum. Die selbstständige Tätigkeit des K1. zeige sich auch an den Vergütungsdifferenzen zwischen einem abhängig beschäftigten Mitarbeiter der Klägerin und K1. Ein Unternehmerrisiko sei bereits durch die Vergütung mittels Provision ersichtlich. Es erfolge lediglich eine Vorabvergütung der Provision mittels Raten, denn die langjährige Tätigkeit des K1. für die Klägerin habe gezeigt, dass er immer die Umsatzziele erreiche. Die gleichbleibende Höhe dieser Raten sei letztlich irrelevant.
Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 13.11.2018 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 60.299,70 € nach. K1. habe eine Tätigkeit ausgeübt, für die Versicherungspflicht bestehe und daher Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern seien. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit verfügbaren relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. K1. habe keinen eigenen nennenswerten Kapitaleinsatz vorgenommen und kein unternehmerisches Risiko getragen. Es sei kein Unterschied zur Tätigkeit eines fest angestellten Mitarbeiters zu erkennen. Auch gegenüber Dritten sei die Tätigkeit nicht als selbstständige Tätigkeit erkennbar gewesen. Durch die monatliche Mindestprovisionsvorauszahlung erziele er tatsächlich ein monatliches Festgehalt. Weitere Auftraggeber habe er nicht gehabt.
Die Klägerin begleicht die Beitragsforderung in monatlichen Raten von 1.000,00 EUR seit Februar 2019.
Der gegen den Bescheid vom 13.11.2018 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2020 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 10.06.2020 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Mit Schreiben vom 29.10.2020 wurde klägerischerseits außerdem einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt (XY). Mit Beschluss vom 04.12.2020 wurde gerichtlicherseits die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10.06.2020 gegen den Bescheid vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2020 in Bezug auf die im Bescheid festgesetzten Säumniszuschläge in Höhe von 17.026,50 EUR angeordnet. Im Übrigen wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Hiergegen wurde Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (XY) eingelegt. Mit Beschluss vom 26.03.2021 wurde der Beschluss vom 04.12.2020 insoweit aufgehoben, als die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf die erhobenen Säumniszuschläge angeordnet wurde.
Zur Klagebegründung trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Folge im Rahmen von allgemeinen Vorüberlegungen zunächst u.a. vor, dass die gesamte Rechtsprechung zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Selbstständigen falsch sei, dass das Sozialsystem verfallen und verkommen sei und dass die Zielrichtung der Beklagten einzig sei, Beiträge einzutreiben. Zweck der Rechtsprechung sei es in Abstimmung mit der Rentenversicherung einzig, breite Einnahmen zu generieren. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Einordnung des Vorliegens einer abhängigen oder selbstständigen Tätigkeit sei ein Verfassungsbruch, da diese Kriterien nicht anhand der geltenden Gesetze entwickelt wurden. Es sei außerdem aufzuzeigen, welchen Wert K1. konkret an der von der Beklagten vorgenommen Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen habe, insbesondere welche konkreten Rentenansprüche K1. garantiert werden. Die Beklagte handele aufgrund der fehlerhaften Anwendung des Gesetzes außerdem deliktisch, klägerischerseits werde sich eine Strafanzeige vorbehalten. Konkret führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Folge aus, dass K1. in allen vorangegangenen Betriebsprüfungen immer als selbstständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Handelsgesetzbuch (HGB) angesehen worden sei. Er habe niemals Weisungen von der Klägerin erhalten, könne Arbeitszeit und Arbeitsort selbst bestimmen und er unterhalte eine eigene Betriebsstätte. K1. habe für die Klägerin vielmehr Geschäfte vermittelt, so dass er selbstständig tätig gewesen sei und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen würde.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt in der mündlichen Verhandlung,
der Bescheid vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2020 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt in der mündlichen Verhandlung,
die Klage abzuweisen.
K1. wurde mittels Beschluss vom 22.09.2020 zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 01.06.2022, sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gegenstand der Klage ist der Beitragsbescheid vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2020, mit dem die Beklagte Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 60.299,70 € festgesetzt hat.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2020 ist zum Teil rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als Säumniszuschläge erhoben wurden (hierzu unter 2.)), so dass der Bescheid vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2020 im tenorierten Umfang aufgehoben wird (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG). Im Übrigen waren die Bescheide jedoch rechtmäßig, insbesondere stand der Beigeladene bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, so dass die Beklagte die entsprechenden Beiträge von der Klägerin fordern durfte (hierzu unter 1.))
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. Satz 1 SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III).
1.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beigeladene im streitigen Zeitraum im Rahmen einer abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Klägerin als Küchenplaner und -verkäufer tätig war.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert fortgeltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV; BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R). Soweit von der Rechtsprechung und insbesondere vom Bundessozialgericht hierzu weitere Abgrenzungsmaßstäbe entwickelt worden sind, die von der Beklagten und auch von den Sozialgerichten angewandt werden, handelt es sich um eine Gesetzesauslegung, die dem Wortlaut des § 7 SGB IV nach dem ihm innewohnenden Sinn gerecht wird. Die vom Prozessbevollmächtigten geltend gemachte Willkür ist dabei nicht ersichtlich. Die Auslegung von Gesetzen und die Fortbildung des Rechts gehören nämlich zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte (vgl. BVerfGE 34, 269, 288ff; 69, 315, 371f; 111, 54, 81ff). Diesen Befugnissen sind zwar Grenzen gezogen, insbesondere durch den Grundsatz der Gesetzesbindung in Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 111, 54, 82 mwN). Erst wenn sich die Auslegung in krassem Widerspruch zu allen zur Anwendung gebrachten Normen setzt und damit Ansprüche begründet werden, die keinerlei Grundlage im geltenden Recht finden, so beanspruchen Gerichte Befugnisse, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen sind. Die Gerichte begeben sich dann damit aus der Rolle des Normanwenders in die Rolle einer Norm setzenden Instanz, entziehen sich also der Bindung von Recht und Gesetz im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG 96, 375,394f; 113, 88, 104). Die Grenze zur Willkür ist erst überschritten, wenn die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies ist vorliegend nicht erkennbar. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen von einer selbstständigen Tätigkeit sind damit hier anwendbar. Denn obwohl das Gesetz (speziell § 7 SGB IV) nur "Anhaltspunkte" bereithält und keine weiteren Angaben dazu macht, was unter einer "Tätigkeit nach Weisungen" und einer "Eingliederung in die Arbeitsorganisation" genau(er) zu verstehen ist, geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass § 7 SGB IV bestimmt genug ist, um den rechtsstaatlichen Anforderungen aus Art. 20 Abs. 3 GG zu genügen. Dass auf dem weiten Feld der (vertraglichen Gestaltungs-) Möglichkeiten zwischen Leistungsanbieter und -nachfrager dabei eindeutig vorhersehbare Ergebnisse der Prüfung von deren Verhältnis am Maßstab von § 7 I SGB IV ausgeschlossen sind, sieht das Bundesverfassungsgericht als unproblematisch an, da sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der zulässigen und sinnvollen Rechtsfigur des Typus bedienen darf (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96). Es bleibt somit den vollziehenden Behörden und der Rechtsprechung überlassen, jede konkrete, einzelne Fallgestaltung am gesetzlich vorgegebenen Typus zu messen, also auszulegen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14). Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14).
Ausgangspunkt der Prüfung sind die vertraglichen Abreden. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so sind deren Ernsthaftigkeit und Vereinbarkeit mit zwingendem Recht zu prüfen. Ergänzend ist zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2012, B 12 R 25/10 R; Bayerisches LSG, Urteil vom 26.06.2015, L 16 R 1240/13). Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose- Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich möglich ist (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 14.04.2016, L 7 R 377/15). Die tatsächlichen Verhältnisse geben nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen den Ausschlag (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2012, B 12 R 25/10 R; Bayerisches LSG, Urteil vom 26.06.2015, L 16 R 1240/13).
Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten auch über die Abgrenzung der Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters von der eines abhängig Beschäftigten. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass der Beigeladene die Tätigkeit des Küchenplaners und -verkäufers als selbständiger Handelsvertreter nach §§ 84 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) ausgeübt habe und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Wer, ohne selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB). Das Bundessozialgericht hat die maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung zwischen beiden Tätigkeiten in einem Grundsatzurteil vom 29.01.1981 (12 RK 63/79) dargelegt. Daran hält es in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22.06. 2005, B 12 KR 28/03 R). Dabei geht das Bundessozialgericht von der Rechtsgestaltung des selbständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB aus, der zwar bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch Weisungen des Unternehmers, für den er tätig ist, unterliegen kann, dass er sich von dem abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB aber dadurch abgrenzt, dass das Weisungsrecht des Unternehmers nicht so stark ausgestaltet sein darf, dass die dadurch bewirkten Einschränkungen seiner unternehmerischen Freiheit diese in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 29.01.1981,12 RK 63/79). Wenn der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden. Während der Unternehmer über die Arbeitskraft des abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann, fehlt eine derartige persönliche Abhängigkeit beim Handelsvertreter, der seinem Auftraggeber in einem Verhältnis persönlicher Selbständigkeit und Gleichstellung gegenübersteht. Die persönliche Selbständigkeit des Handelsvertreters, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt, kommt vor allem in den in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck (BSG, Urteil vom 29.01.1981, 12 RK 63/79). Daneben können noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört insbesondere das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist. Handelsvertreter ist danach, wer von einem Unternehmer ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbständig ist, insbesondere im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe. Von den gleichen Grundsätzen geht das Bundessozialgericht auch im Recht der Sozialversicherung aus (BSG, Urteil vom 29.01.1981, 12 RK 63/79).
Die Aufgabe des Beigeladenen für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum stellte sich nach dem Vorbringen der Beteiligten im Verwaltungsverfahren und nach den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dahingehend dar, dass der Beigeladene im Wesentlichen in dem von der Klägerin betriebenen Küchenstudio die Produktpalette der Klägerin bezüglich Kücheneinrichtungen beratend anzubieten hatte, die entsprechende Planung von Küchen für die Kunden der Klägerin mit von der Klägerin zur Verfügung gestellten Küchenplanprogrammen vornahm und die Kunden zum Kauf motivierte. Auf die Preisbildung der Küche hatte der Beigeladene keinen unmittelbaren eigenen Einfluss. Die Vergütung des Beigeladenen erfolgte dem Dienstleistungsvertrag zufolge durch ein monatliches Fixum von 3000 DM zzgl. 10% der Rohspanne aus der Verkaufsprovision von abgewickelten Aufträgen bei einer Monatsumsatzleistung von 80.000 DM, bei Überschreiten der Monatsumsatzleistung wurde eine Provision von 25% aus der erzielten Handelsspanne gezahlt. Die Abrechnung der Vergütung erfolgte monatlich durch Provisionsvorauszahlungen, wobei aus der Provision Mehrwertsteuer abgeführt wurde. Der Beigeladene führte Einkommenssteuer aus Einkünften aus Gewerbebetrieb ab, erhielt für Krankheit oder Urlaub keine Entgeltfortzahlung und war nach eigenen Angaben verpflichtet, die Tätigkeit höchstpersönlich auszuführen. Dem Beigeladenen wurde das übliche Prospektmaterial unentgeltlich von der Klägerin zur Verfügung gestellt, er hatte außerdem die Interessen und das Ansehen des Hauses der Klägerin bei der Tätigkeit zu berücksichtigen.
Nach diesen Maßstäben ist die Kammer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, die in die Abwägung einzustellen sind, zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene für die Klägerin abhängig beschäftigt war. Insbesondere war er die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Auch konnte die Kammer ein wesentliches Unternehmerrisiko beim Beigeladenen nicht erkennen.
Der Beigeladene war in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, weil er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teilhatte und er in seiner Funktion als Küchenverkäufer in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert war. Der Beigeladene übte seine Verkäufertätigkeit größtenteils in dem Küchenstudio der Klägerin mit Hilfe des dort vorhandenen Equipments zu den betriebsüblichen Arbeitszeiten (Öffnungszeiten des Küchenstudios) aus. Die hierfür erforderlichen Arbeitsmittel (Schreibtisch, Programme zur Planung von Küchen) wurden ihm von der Klägerin unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Unerheblich ist, dass der Beigeladene die Planung der Küchen auch von zu Hause unter Nutzung seines PC bzw. seiner Büroausstattung durchführen konnte und nach eigenem Vorbringen immer seinen PC zur Küchenplanung nutzte. Zum einen ist auch bei abhängig Beschäftigten in der heutigen Zeit die Durchführung von "Home Office" durchaus üblich, so dass das Unterscheidungskriterium der örtlichen Flexibilität nicht mehr relevant in die Abwägungsentscheidung einzufließen hat. Zum anderen hat der Beigeladene und auch die Klägerin übereinstimmend vorgebracht, dass der wesentliche Arbeitszeitanteil des Beigeladenen in dem Küchenstudio der Klägerin zu den üblichen Ladenöffnungszeiten vorgenommen wurde. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, der Beigeladene habe auch einen Schlüssel für das Küchenstudio vorgehalten und habe Kunden auch außerhalb der eigentlichen Öffnungszeiten betreut, so wurde dies jedenfalls im Verwaltungsverfahren vom Beigeladenen nicht vorgebracht. Dies spielt jedoch für die Beurteilung der Tätigkeit auch keine wesentliche Rolle, da der Beigeladene und die Klägerin selbst vorgebracht haben, dass der Beigeladene im Wesentlichen das Küchenstudio während dessen Öffnungszeiten genutzt hat. In organisatorischer Hinsicht war der Beigeladene als Küchenverkäufer auch auf die Zusammenarbeit mit den weiteren Angestellten der Klägerin angewiesen. So arbeitete der Beigeladene mit den weiteren Angestellten der Klägerin dergestalt zusammen, dass (z.B. bezüglich der Lieferbarkeit der Küche) mit den weiteren Angestellten der Klägerin während der Küchenplanung korrespondiert wurde und etwaige Rückfragen geklärt wurden. Der Beigeladene konnte damit nicht, wie es für einen Selbständigen typisch ist (BAG, Urteil vom 25.09. 2013, 10 AZR 282/12) die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisieren. Diese Umstände belegen, dass der Kläger - gemessen an der Rechtsprechung des BSG- in einen für ihn fremden, d.h. den Interessen eines anderen dienenden und von seinem Willen beherrschten Betrieb eingegliedert war, damit der objektiven Ordnung dieses Betriebes unterlag und schon deshalb abhängig beschäftigt war. Für die Kammer ist die Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin diejenige einer Verkaufstätigkeit von Küchen-gegebenenfalls auch im Außendienst - jedenfalls jedoch nicht diejenige eines selbstständigen Handelsvertreters. Hierbei spielt es für die Entscheidung keine Rolle, dass der Beigeladene im Übrigen einem konkreten inhaltlichen Weisungsrecht der Klägerin nicht unterlegen war. Fehlende inhaltliche Einzelweisungen durch die Klägerin führen nämlich zu keinem anderen Ergebnis. Mit Blick auf Kundengespräche muss nach Bedarf gehandelt werden, Einzelweisungen werden hier in der Regel der Sachlage nicht gerecht, sodass aus ihrem Fehlen nicht auf eine Selbstständigkeit geschlossen werden kann. Im Übrigen brachte der Beigeladene selbst schriftlich vor, dass er durch jahrelange Tätigkeit und Eigenstudium der Bauteile für Einbauküchen als Spezialist auf diesem Gebiet tätig war. Einzelanweisungen sind daher in der Sache bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen wohl entbehrlich gewesen. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Tatsache, dass der Beigeladene sich bezüglich seiner Anwesenheit in dem Küchenstudio nicht mit der Klägerin absprach und weder an Besprechungen teilnahm noch Berufskleidung trug. Entscheidend war letztlich der tatsächliche Verkauf der geplanten Küche. Dies unterscheidet den Beigeladenen jedoch nach Ansicht der Kammer nicht von einem im Angestelltenverhältnis tätigen Küchenverkäufer und -planer.
Der Beigeladene trug nach Ansicht der Kammer auch kein wesentliches Unternehmerrisiko was nach der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung jedoch ein besonders gewichtiges Entscheidungskriterium darstellt (vgl. dazu z.B. Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 02.09.2011, L 4 R 1036/10; vom 30.03.2012, L 4 R 2043/10; vom 22.03 2013, L 4 KR 3725/11; und vom 07.05.2014, L 4 KR 1024/13). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2012, B 12 KR 24/10 R). Dies war hier nicht der Fall. Der Beigeladene hatte für die Tätigkeit bei der Klägerin keine Aufwendungen, weil ihm die entsprechenden Arbeitsmittel wie das Küchenplanungsprogramm sowie die Küchenausstellung auf der Verkaufsfläche und auch die entsprechenden Waren zur Verfügung gestellt wurden. Ein entsprechendes Verlustrisiko bestand mithin nicht. Soweit der Beigeladene in seiner Privatwohnung einen Büroraum eingerichtet hatte, hatte er hierfür keine zusätzlichen Ausgaben. Eigene Angestellte hat der Beigeladene nicht beschäftigt. Ebenso verhält es sich mit Blick auf den eigenen PC und den eigenen PKW. Soweit er den eigenen PKW für die betrieblichen Interessen der Klägerin einsetzte, ist darauf hinzuweisen, dass der Einsatz des eigenen PKWs auch von abhängig Beschäftigten durchaus üblich ist.
Der Beigeladene setzte seine Arbeitskraft auch nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Richtig ist zwar, dass zum Unternehmerrisiko auch ein Einkommensrisiko zählen kann, wobei nicht jede Ungewissheit der Einkommenshöhe ein Risiko in diesem Sinne bedeutet. Ob eine bloße Provisionszahlung zu einem Unternehmerrisiko führt, kann hier jedoch offenbleiben, denn tatsächlich wurde der Beigeladenen unabhängig von dem von ihm getätigten Umsatz ein fester Betrag gezahlt. Dies geht schon aus dem abgeschlossenen Dienstvertrag hervor, wonach der Beigeladene jedenfalls immer - auch bei Nicht-Erreichung des Umsatzziels- ein monatliches Fixum von der Klägerin erhalten hätte. Soweit dies in den letzten Jahren nie der Fall war und der Beigeladene nach eigenem Vorbringen immer das Umsatzziel erreichte oder übertraf, ist dies für die Beurteilung irrelevant. Denn bei Nicht-Erreichen des Umsatzziels hätte der Beigeladene immer das monatliche Fixum gegenüber der Klägerin geltend machen können. Damit setzte der Beigeladene seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des vollständigen Verlustes ein. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch abhängig Beschäftigte, wenn sie Anspruch auf Provisionen haben, je nach Einsatz ihrer Arbeitskraft ihr Einkommen beeinflussen können (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.09.2010, L 4 R 1775/07). Dies zeigt bereits der zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin im Nachgang ab 01.01.2016 geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. I 39 der Beklagtenakte). Auch hier wurde dem Beigeladenen -nunmehr als festangestelltem Mitarbeiter der Klägerin - eine Provision zusätzlich zu einem monatlichen Fixum gezahlt. Die in etwa gleichbleibenden Honorarzahlungen im streitgegenständlichem Zeitraum belegen auch, dass der Arbeitserfolg in einer überschaubaren Bandbreite angesiedelt war (vgl. hierzu Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.09.2010, L 4 R 1775/07). Die Stellung des Beigeladenen gleicht mithin derjenigen von Verkäufern, die im Arbeitsverhältnis an Ort und Zeit gebunden sind und dennoch für ihr Verkaufsgeschick Anreize wie Provisionen oder Tantiemen in Anspruch nehmen können.
Gegenüber diesen, deutlich für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen sprechenden Argumenten, treten die Indizien für eine selbständige Tätigkeit in ihrer Anzahl und in ihrer Gewichtigkeit zurück:
Zwar ist ein Anhaltspunkt, der auf eine selbstständige Tätigkeit hindeuten kann, dass der Beigeladene zu keinen festen Anwesenheitszeiten im Betrieb der Klägerin verpflichtet war und seine Zeit frei einteilen konnte. Diese scheinbare Freiheit war jedoch dadurch deutlich eingeschränkt, dass auch nach der vertraglichen Gestaltung (vgl. Dienstvertrag vom 10.07.1998, Bl. I 37 der Beklagtenakte) ein monatlicher Leistungsumfang von zumindest 195 Stunden angesetzt war. Der Vortrag der Klägerin, dies sei nur "eine Rechengröße" wird insofern von der Kammer als nicht glaubhaft erachtet.
Es mag außerdem sein, dass die Klägerin und der Beigeladene den Willen hatten, für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen ihnen zu begründen und diesen Willen in dem Dienstleistungsvertrag von 1998 auch niederlegten. Dieser Wille führt aber nicht dazu, dass deshalb eine abhängige Beschäftigung zu verneinen ist. Denn über die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung können die Vertragspartner nicht verfügen. Unabhängig von den Formulierungen eines Vertrages, in welchem der Wille der Vertragspartner zum Ausdruck kommt, ist die Frage der Versicherungspflicht anhand der tatsächlichen Umstände der Abwicklung der Tätigkeit zu prüfen.
Das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs oder eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung stellt kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Letztlich ist dies ebenso wie die Geltendmachung von Mehrwertsteuer und Abführung derselben an das Finanzamt, was ebenfalls auf der Tatsache beruht, dass eine selbstständige Tätigkeit gewollt war, nicht entscheidend. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung. Das Vorbringen, dass der Beigeladene Aufträge hätte ablehnen können, gibt für die Beurteilung, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit handelte, nichts her. Da im Falle der Ablehnung kein Anspruch auf weitere Aufträge bestand, entspricht die Situation der eines Angestellten, der bei Ablehnung einer Arbeit ebenso dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt ist (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19.10.2012 - L 4 KR 761/11). Der Beigeladene trat mit Blick auf die hier zu beurteilende Tätigkeit bei der Klägerin auch nicht werbend am Markt auf.
Von der Beurteilung der Tätigkeit als abhängige Beschäftigung ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Beigeladene - nach dem Vorbringen der Klägerin jedenfalls - für weitere Auftraggeber tätig war. Dies wird im Übrigen vom Beigeladenen nicht bestätigt. Dieser führte im Widerspruchsverfahren schriftlich aus, dass er "ausschließlich für Dross. tätig" war (vgl. Bl. I 166 der Beklagtenakte). Dies spielt jedoch für die hiesige Entscheidung keine Rolle. Denn zu beurteilen ist allein die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin. Ob der Beigeladene im Übrigen noch für andere Auftraggeber tätig war, spielt im Hinblick auf abhängige und selbstständige Beschäftigung keinen Einfluss.
In der Gesamtschau ist die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.122015 damit als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren. Das Gesamtbild der Arbeitsleistung des Beigeladenen für die Klägerin wird nach Ansicht der Kammer geprägt von den für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmalen. Hierbei ist insbesondere maßgeblich, dass die Arbeit des Beigeladenen inhaltlich der eines angestellten Küchenverkäufers glich, denn die von ihm ausgeübte Tätigkeit wird bei der Klägerin auch klassischerweise von abhängig beschäftigten Verkäufern erbracht. Damit spielt es auch keine Rolle, dass klägerischerseits vorgebracht wird, der Beigeladene habe sich nur auf den Küchenverkauf konzentriert, während andere festangestellte Mitarbeiter auch die Abwicklung, die Bestellung und etwaige Reklamationen zu bearbeiten hatten und der Beigeladene damit in Teilbereichen aus der Organisation der Klägerin ausgegliedert war. Bezeichnenderweise war der Beigeladene nunmehr ab 01.01.2016 bei der Klägerin auch als abhängig beschäftigter Küchenverkäufer angestellt. Die Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, treten insofern in der Gesamtabwägung zurück.
Der Beigeladene ware demgemäß aus abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Damit hat die Beklagte die Gesamtsozialversicherungsbeiträge rechtmäßig nacherhoben. Die Höhe der Nachforderung ist im Übrigen nicht zu beanstanden. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten wird das aus der Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt zugrunde gelegt (§ 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III). Hierzu wird auf die Akte der Beklagten verwiesen, aus der sich das Arbeitsentgelt für den relevanten Zeitraum ergibt. Die Beklagte hat hierfür die vorgelegten Rechnungen zugrunde gelegt. Die Höhe der zu entrichtenden Beiträge war im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig.
2.
Bezüglich der Erhebung von Säumniszuschlägen war der Bescheid vom 13.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2020 jedoch aufzuheben, da die Kammer hier nicht vom Vorliegen eines zumindest bedingten Vorsatzes bei der Klägerin ausgeht.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Die objektiven Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat die von ihr geschuldeten Beiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen nicht rechtzeitig gezahlt. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag jedoch nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Unverschuldete Unkenntnis liegt nur vor, wenn der Beitragsschuldner 1. keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hat, 2. die Unkenntnis nicht verschuldet ist, 3. ihm auch Kenntnis oder Verschulden einer anderen Person nicht zurechenbar ist und 4. die unverschuldete Unkenntnis ununterbrochen bis zur Festsetzung der Säumniszuschläge durch Bescheid bestanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2018, B 12 R 15/18 R). Die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen für die Erhebung der Säumniszuschläge liegen nach Ansicht der Kammer jedoch nicht vor. Für die Bestimmung des Verschuldensmaßstabs in § 24 Abs. 2 SGB IV ist nach der neueren Rechtsprechung des Eufach0000000028s auf bedingten Vorsatz abzustellen (BSG, Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R).
Der bedingte Vorsatz ist von der groben Fahrlässigkeit abzugrenzen, die im Rahmen von § 24 Abs. 2 SGB IV nicht ausreicht. Bedingter Vorsatz setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (Bundesgerichtshof (BGH), BGHZ 7, 313; BGH NJW 1963, 380; 1984, 801; 1986, 180, 182; BGHZ 117, 368; Köln NJW 1976, 297). Er muss in einer zumindest laienhaften Bewertung erkannt haben, dass er selbst möglicherweise Arbeitgeber ist, dass eine Abführungspflicht existiert und er durch die fehlende Anmeldung oder unvollständige oder unrichtige Angaben die Heranziehung zum Abführen von Sozialabgaben ganz oder teilweise vermeiden könnte. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Arbeitgeber die seine Beitragsschuld begründenden Tatsachen kennt, weil er zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzieht, dass Beschäftigung vorliegt, die Beitragspflicht nach sich zieht. Eine sichere Kenntnis der Beitragspflicht ist nicht notwendig (BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, zum vergleichbaren Tatbestand der Steuerhinterziehung). Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, d.h. wenn die relevanten Tatumstände objektiv erkennbar sind und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen (BGH, Urteil vom 20.12.2011, VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Handelnde davon ausgeht, dass die Beitragspflicht - die er lediglich für möglich hält - nicht eintreten wird. Für einen unverschuldeten Rechtsirrtum hat der Arbeitgeber nicht einzustehen.
Ist eine juristische Person Beitragsschuldnerin, kommt es zunächst auf die Kenntnis oder unverschuldete Unkenntnis zumindest eines Mitglieds eines Organs von der Beitragspflicht an. Wissen und Verschulden eines vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als dasjenige des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R).
Ob ein Arbeitgeber das Bestehen einer Beitragspflicht für möglich gehalten hat, muss im Rahmen der Beweiswürdigung geklärt werden. Ob bedingter Vorsatz oder lediglich bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, ist durch eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls anhand der konkreten Tatumstände festzustellen, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell zu ermitteln. Es kommt darauf an, aus welchen objektiven, äußerlich erkenn- und nachweisbaren Umständen der zulässige Rückschluss auf den subjektiven Tatbestand gezogen werden kann. Bloße Behauptungen zur inneren Tatseite müssen nicht als unwiderlegbar angesehen werden, wenn dafür im Übrigen keine Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Beschluss vom 24.09.2019 - 1 StR 346/18 -, BGHSt 64, 195-209, Rdnr. 30). Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen eines subjektiven Tatbestandes sind ausgeschlossen.
Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin im Rahmen des § 24 Abs. 2 SGB IV nicht der Vorwurf des bedingten Vorsatzes zu machen. Die Kammer kommt insofern im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass der Klägerin bzw. deren Organ in Form des Geschäftsführers der Klägerin kein bedingter Vorsatz vorgeworfen werden kann. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beigeladene die hier streitige Tätigkeit für die Klägerin bereits seit 1998 unbeanstandet ausübte. Die Klägerin und der Beigeladene gingen insofern übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen aus. Dieser stellte auch ordnungsgemäß Rechnungen an die Klägerin und hatte ein entsprechendes Gewerbe "provisionsweiser Verkauf von Küchenmöbeln bzw. Vermittlung von Aufträgen" (vgl. Bl. I 37 der Beklagtenakte) angemeldet. Unter diesen Umständen ist es der Klägerin auch nicht vorwerfbar, dass sie keine versicherungs- und beitragsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen durch eine fachkundige Stelle herbeigeführt hat (vgl. BSG Urteil vom 09.11.2011, B 12 R 18/09 R; BSG, Urteil vom 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R). Der Beigeladene war im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht komplett deckungsgleich mit Tätigkeiten beauftragt, die auch ein angestellter Küchenverkäufer der Klägerin zu verrichten hatte. So war der Beigeladene gerade nicht mit der "Abwicklung" des Küchenverkaufs betraut. Insofern wurde dem Geschäftsführer der Klägerin von der Kammer zu Gute gehalten, dass eine genaue Identität der Tätigkeit des Beigeladenen mit der Tätigkeit eines Beschäftigten der Klägerin als Küchenverkäufer nach den glaubhaften Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin gerade nicht vorhanden war. Die Klägerin hat damit für die Kammer glaubhaft gemacht, dass ihre Unkenntnis unverschuldet war.
Nach alledem war der Klage teilweise stattzugeben und die streitgegenständlichen Bescheide im tenorierten Umfang aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S.1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1, § 155 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenquote ergibt sich unter Heranziehung des Streitwerts in Höhe von 60.299,70 € unter Berücksichtigung des teilweisen Obsiegens der Klägerin bezogen auf die Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 17.026,50 €. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind weder erstattungsfähig noch ist dieser mit Kosten zu belasten, da er von einer Antragstellung abgesehen hat (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197 a SGG i.V.m. §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG).