Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27.11.2024 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 6.345,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Nachforderung von sozialversicherungsrechtlichen Beiträgen in Höhe von insgesamt 6.345,00 € für den Prüfzeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2021.
Der Kläger war im Prüfzeitraum Betreiber einer Zahnarztpraxis, in der seine Eltern, die Beigeladenen zu 1 und 2, im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig waren. Die Beigeladenen zu 1 und 2 beziehen und bezogen im Prüfzeitraum Altersbezüge aus einer berufsständigen Versorgung.
Mit Schreiben vom 18.08.2022 zeigte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Einleitung der Betriebsprüfung an und wertete in der Folge vorgelegte Unterlagen aus. Aus den vorgelegten Abrechnungsunterlagen ergibt sich für die 1954 geborene Beigeladene zu 1 und den 1954 geborenen Beigeladenen zu 2 jeweils ein „Eintritt“ am 01.01.2018. Eine Beendigung der Tätigkeit („Austritt“) der Beigeladenen zu 1 erfolgte zum 31.10.2021. Das monatliche Entgelt aus den Beschäftigungen beim Kläger betrug nach den Abrechnungsunterlagen der Beigeladenen zu 1 und 2 jeweils 450,00 €.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 16.01.2023 zur beabsichtigten Geltendmachung einer Nachforderung in Höhe von 6.345,00 € wegen der durchgeführten Betriebsprüfung betreffend den Prüfzeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2021 an. Im Prüfzeitraum habe der Kläger mit den Beigeladenen zu 1 und 2 Mitarbeiter auf Basis eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses als Zahnärzte beschäftigt, für die der Arbeitgeber bzw. Kläger den Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 15 % an die Einzugsstelle (Minijob-Zentrale) abführen müsse. Zur Höhe der festzusetzenden beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelte und der Berechnung der Beiträge verweise man auf die beigefügte Anlage.
Mit Bescheid vom 09.03.2023 zur Betriebsprüfung („Beginn am 05.10.2022“) machte die Beklagte betreffend den Prüfzeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2021 eine Nachforderung von insgesamt 6.345,00 € geltend. Die Prüfung habe ergeben, dass der Kläger als Arbeitgeber für die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 und 2 an die Einzugstelle den nachzufordernden Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 15 % für die Zeit von Januar 2018 bis Dezember 2021 abführen müsse. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liege seit dem 01.01.2013 vor, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 450,00 € nicht überschreite. Für solche geringfügig entlohnten Arbeitnehmer seien Rentenversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung des Beitragssatzes der allgemeinen Rentenversicherung zu zahlen, wenn entweder auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichtet oder wenn die Beschäftigung ab dem 01.01.2013 aufgenommen wurde. Der Arbeitgeber habe in diesen Fällen einen Betrag in Höhe von 15 % des der Beschäftigung zugrundeliegenden Arbeitsentgelts (§ 168 Abs. 1 Nr. 1b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) als Beitrag zur Rentenversicherung zu tragen. Den Restbetrag bis zum regulären Rentenversicherungsbeitrag habe der Beschäftigte aufzubringen. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze bzw. ab Rentenbeginn würden üblicherweise von der Versorgungseinrichtung keine Beiträge mehr entgegengenommen, weswegen eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungswerk nicht mehr möglich sei. Für Beschäftigte, die wegen des Bezugs einer Versorgung versicherungsfrei in der Rentenversicherung sind (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), habe der Arbeitgeber den Beitragsanteil zu zahlen, den er zahlen müsste, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig in der Rentenversicherung wären (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Von dieser Regelung seien unter anderem versicherungsfreie geringfügige Beschäftigte ausgenommen, für die in § 172 Abs. 3 SGB VI eine Sonderregelung getroffen worden sei. Für geringfügig entlohnte Beschäftige, die als Bezieher einer Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze (Ruhestandsbeamte und gleichgestellte Personen sowie Bezieher einer berufsständischen Altersversorgung) rentenversicherungsfrei (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) sind, habe der Arbeitgeber Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 15 % des Arbeitsentgelts zu zahlen (§ 172 Abs. 3 Satz 1 und § 276a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Für die Beigeladenen zu 1 und 2 seien diese Pauschalbeiträge abzuführen. Der Kläger habe mit den Beigeladenen zu 1 und 2 Mitarbeiter auf Basis eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses als Zahnärzte beschäftigt. Die Beigeladenen zu 1 und 2 hätten das geringfügige Beschäftigungsverhältnis am 01.01.2018 aufgenommen und zu diesem Zeitpunkt bereits eine Rentenleistung vom Versorgungswerk bzw. aus der berufsständischen Versorgung Altersbezüge bezogen. Eine Befreiung für diese Beschäftigung habe somit nicht erteilt bzw. nicht vorgelegt werden können. Pauschale Rentenversicherungsbeiträge seien bisher nicht entrichtet worden, da seitens des Klägers weiterhin von einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ausgegangen worden sei. Der Kläger sei unzutreffend der Auffassung, dass Personen, die am 31.12.2016 aufgrund einer selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei waren, in dieser Tätigkeit auch versicherungsfrei und somit beitragsfrei blieben und § 172 Abs. 3 SGB VI nicht auf die vorliegenden Beschäftigungen anzuwenden sei. Wegen der Berechnung der Beiträge verweise man auf die beigefügte Anlage. Aus der Anlage ergibt sich, dass die Beklagte betreffend die Beigeladenen zu 1 und 2 jeweils zu verbeitragendes Entgelt von 5.400,00 € für die Kalenderjahre 2018, 2019 und 2020 annahm. Für die Beigeladene zu 1 nahm die Beklagte im Kalenderjahr 2021 nur einen Tätigkeitszeitraum bis Oktober und ein zu verbeitragendes Entgelt von (insgesamt) 4.500,00 €, betreffend den Beigeladenen zu 2 hingegen für das ganze Kalenderjahr ein zu verbeitragendes Entgelt von 5.400,00 € an. Säumniszuschläge wurden nicht geltend gemacht.
Der Kläger legte am 06.04.2023 Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.03.2023 ein und kündigte das Nachreichen einer Begründung an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2023 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Widerspruchsbegründung liege nicht vor und es seien keine weiteren Argumente vorgetragen worden, aus welchen Gründen der Bescheid falsch sei. Man verweise auf den ergangenen Bescheid. Gemäß dem Eingangsstempel ging der Widerspruchsbescheid beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.10.2023 ein.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hiergegen am 14.11.2023 Klage (S 7 BA 1848/23) zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide geltend gemacht. Der Kläger hat vorgebracht, dass nach Erreichen der Regelaltersgrenze bzw. ab Rentenbeginn von der Versorgungseinrichtung der beiden Mitarbeiter keine Beiträge mehr entgegengenommen würden, weswegen eine Befreiung von der (gesetzlichen) Rentenversicherungspflicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungswerk nicht mehr möglich gewesen sei. Der Kläger müsse nach der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsauffassung für die beiden Mitarbeiter pauschalierte Beiträge an die Rentenversicherung abführen, obgleich dem keinerlei Leistungsansprüche zugunsten der Beigeladenen zu 1 und 2 gegenüberstünden. Diese könnten weder aktuell noch künftig Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung generieren. Wie bereits im Rahmen der Anhörung vorgebracht, sei die Beitragsvorschrift seiner Auffassung nach auf die zu beurteilende Situation nicht anwendbar. Die Beklagte hat auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Im Rahmen der nichtöffentlichen Sitzung vom 04.06.2024 hat das SG auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 23.04.2024 unter dem Aktenzeichen L 2 R 36/23 hingewiesen. Nach dem gesetzgeberischen Zweck seien Arbeitgeber nicht besser zu stellen, die Personen beschäftigen, die bereits eine Altersrente bzw. Versorgung etwa aus einem Versorgungswerk beziehen. Verfassungsrechtliche Bedenken hat das SG nicht gesehen.
Der Kläger hat in der Folge mitteilen lassen, dass die Klage nicht zurückgenommen werde. Es gehe ihm nicht (mehr) um die Klärung der Frage, ob bei einer Beschäftigung bereits (alters-) berenteter Personen im Rahmen eines Minijobverhältnisses grundsätzlich Sozialversicherungsbeiträge abzuführen seien. Dass insoweit eine Verpflichtung bestehe, akzeptiere er. Er sei jedoch der Auffassung, dass die Beiträge nicht an die Deutsche Rentenversicherung abzuführen seien, sondern an das berufsständische Versorgungswerk, dem die beiden Beschäftigten bzw. die Beigeladenen zu 1 und 2 angehörten. Die dem nicht entsprechenden Regelungen erachte er als verfassungswidrig.
Die Beiladungen sind mit Beiladungsbeschluss vom 05.08.2024 erfolgt.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG die Klage mit Urteil vom 27.11.2024 abgewiesen. Der Kläger betreibe eine Zahnarztpraxis, in der seine Eltern, die Beigeladenen zu 1 und 2 in geringfügigem Umfang als Zahnärzte arbeiteten. Diese bezögen zudem Altersbezüge aus der berufsständischen Versorgung. Rechtsgrundlage für den Beitragsbescheid sei § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Für Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, bestehe grundsätzlich gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der vom 01.01.2013 bis 30.09.2022 geltenden Fassung liege eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 € nicht übersteigt. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI seien versicherungsfrei Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehen oder die in der Gemeinschaft übliche Versorgung im Alter nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erhalten. Gemäß § 172 Abs. 3 SGB VI trage für Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b oder nach anderen Vorschriften von der Versicherungspflicht befreit sind oder die nach § 5 Abs. 4 versicherungsfrei sind, der Arbeitgeber einen Beitragsanteil in Höhe von 15 % des Arbeitsentgelts, das beitragspflichtig wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären. Gemäß § 28i S. 5 SGB IV sei bei geringfügigen Beschäftigungen zuständige Einzugsstelle die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Rentenversicherung. Die Beigeladenen zu 1 und 2 seien im streitigen Zeitraum bei dem Kläger als geringfügig Beschäftigte tätig gewesen und hätten Altersbezüge aus berufsständischer Versorgung bezogen. Sie seien damit gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei gewesen. Für die Beigeladenen sei jedoch gemäß § 172 Abs. 3 SGB VI ein Beitragsanteil in Höhe von 15 % des Arbeitsentgelts zu zahlen, das beitragspflichtig wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären. Die gesetzliche Regelung sei nach ihrem Wortlaut eindeutig. Die Bestimmung sei auch nicht verfassungswidrig (unter Verweis auf Hessisches LSG, Urteil vom 23.04.2024 - L 2 R 36/23 - zu § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI). Der Vorschrift lägen arbeitsmarktpolitische Motive zugrunde. Diese habe das Ziel, Wettbewerbsvorteilen entgegenzuwirken, die Arbeitgeber versicherungsfreier Personen ohne die Regelung hätten. Die Arbeitgeber sollten so gestellt werden, als wenn sie jemanden beschäftigten, für den Beiträge an die Rentenversicherung abzuführen wären. Der Umstand, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 aus dem Beitragsanteil keine rentenrechtlichen Ansprüche ableiten könnten, führe nicht zur Verfassungswidrigkeit. Denn ein uneingeschränktes Äquivalenzprinzip bestehe im Sozialversicherungsrecht nicht (unter Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R). Der Beitragsanteil sei nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung an die Beigeladene zu 3 und nicht an das berufsständische Versorgungswerk abzuführen. Die festgestellte Beitragsnachforderung sei auch nicht (teilweise) verjährt. Die Betriebsprüfung habe ausweislich des Bescheides vom 09.03.2023 am 05.10.2022 begonnen, womit die Verjährung gemäß § 25 Abs. 2 SGB IV gehemmt gewesen sei, so dass die Beiträge ab 2018 nicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV verjährt seien. Gemäß dem Empfangsbekenntnis hat der Klägerbevollmächtigte das Urteil am 23.12.2024 erhalten.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 20.01.2025 beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die Argumentation, dass der Beitragsanteil nach der gesetzlichen Regelung an die Beigeladene zu 3 und nicht an das berufsständische Versorgungswerk abzuführen sei, sei in Bezug auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung ein Zirkelschluss. Entscheidend für die Frage der Verfassungsmäßigkeit sei, ob durch eine gesetzliche Regelung in unzulässiger Art und Weise in grundrechtlich geschützte Positionen eingegriffen werde und nicht, ob eine Regelung dem Wortlaut nach eindeutig sei. Gemäß der Drucksache 14/280 vom 19.01.1999 (Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode) seien Ziele der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, der Erosion der Finanzgrundlagen der beitragsfinanzierten Sozialversicherungen entgegenzuwirken, von der ersten „Mark“ an Beiträge zur Sozialversicherung zu erheben, Frauen (die vor allem in diesen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten) eine Option auf eine verbesserte Alterssicherung zu geben, vielfach befürchtete Belastungen für Arbeitnehmer zu vermeiden, mittelfristig die Ausweitung dieser Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen, Ausweichreaktionen in den Bereich der Schwarzarbeit oder ein weiteres Aufsplitten der Arbeitsverhältnisse zu verhindern sowie die Kontrollmöglichkeiten zu verbessern. Ausweislich dieser einleitenden Ausführungen in der Drucksache sei die Argumentation des SG, wonach es bei der gesetzlichen Regelung zur Abführung eines pauschalierten Beitrages an die Rentenversicherung um die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen für einen Arbeitgeber ginge, konterkariert. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr gewesen, durch zusätzliche Beiträge die Sozialversicherungssysteme finanziell zu stärken, insbesondere auch eine verbesserte Alterssicherung für Beschäftigte im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsmodelle zu schaffen. Mit dem Abführen von pauschalierten Beiträgen für bereits im Rentenbezug stehende Personen seien diese Zielsetzungen des Gesetzgebers nicht zu erreichen und diese könnten nicht als Begründung für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes herangezogen werden. Durch die Pauschalbeiträge werde alleine die gesetzliche Rentenversicherung auf eine finanziell breitere Basis gestellt, nicht aber das von seiner Wertigkeit her ebenso bedeutsame System der Versorgungswerke. Der Faktor Arbeit werde bei ihm mit zusätzlichen Kosten belastet, ohne dass durch die Abführung des Pauschalbeitrages auch nur eines der vom Gesetzgeber genannten Ziele zumindest in Bezug auf die Beteiligten zu 1 und 2 (insbesondere deren Verbesserung der Alterssicherung) erreicht werden könne. Diese erhielten als Rentner und Bezieher von Leistungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk keinerlei verbesserte Alterssicherung. Von der Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Deutschen Rentenversicherung profitierten die Beteiligten zu 1 und 2 gleichfalls nicht. Gleiches gelte für ihn (und alle anderen Zahnärzte). Auch er profitiere von den von ihm abzuführenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung nicht, da das berufsständische Versorgungswerk nicht auf eine breitere finanzielle Basis gestellt werde. Er sei der Auffassung, dass die gesetzlichen Regelungen in der hier zugegebenermaßen etwas speziellen Konstellation verfassungswidrig seien. Einem Beitrag in eine Versicherung habe auch eine – wie auch immer geartete – Leistung gegenüberzustehen, was hier nicht gegeben sei.
Der Kläger beantragt, teilweise sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichtes Konstanz vom 27.11.2024 und den Bescheid der Beklagten vom 09.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2023 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte hat auf den Akteninhalt, den Widerspruchsbescheid und das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
Die Beigeladene zu 3, der Kläger und der Beklagte haben jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtstreites durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143 SGG statthaft und zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da sich der Kläger im Berufungsverfahren noch gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von 6.345,00 € und damit mehr 750,00 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) wendet.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung der von der Beklagten mit Bescheid vom 09.03.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2023 (§ 95 SGG) geltend gemachten Nachforderung von sozialversicherungsrechtlichen Beiträgen, ausschließlich zur Rentenversicherung, in Höhe von insgesamt 6.345,00 € für den Prüfzeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2021 aufgrund der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 und 2. Streitbefangen ist neben den angefochtenen Verwaltungsakten auch das Urteil des SG vom 27.11.2024.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.03.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der angefochtene Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig. Aufgrund der von den Beigeladenen zu 1 und 2 im streitbefangenen Zeitraum ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen bestand die Pflicht des Klägers zur Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist nicht zu beanstanden. Die den Kläger treffende Beitragspflicht verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Der angefochtene Bescheid vom 09.03.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2023 ist formell rechtmäßig.
Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 SGB IV für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Der Kläger wurde vor Erlass des angefochtenen Bescheides mit Schreiben vom 18.08.2022 angehört (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden den zeitlichen Umfang der versicherungspflichtigen Beschäftigungen durch die Angabe des zeitlichen Rahmens und den Verweis auf die Anlage zum Bescheid mit konkretisierten Zeiträumen und durch die eingehende Darstellung im Widerspruchsbescheid hinreichend bestimmt.
Die Beklagte hat rechtmäßig im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung Beiträge aufgrund der von den Beigeladenen zu 1 und 2 beim Kläger ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in Höhe von 15 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das beitragspflichtig wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären, vom Kläger geltend gemacht. Bei geringfügigen Beschäftigungen ist nach § 28i Satz 5 SGB IV zuständige Einzugsstelle die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Rentenversicherung.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Rentenversicherung gelten nach § 174 Abs. 1 SGB VI die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach § 172 Abs. 1 S. 1 1. Hs. SGB VI tragen die Arbeitgeber für Beschäftigte, die versicherungsfrei sind wegen des Bezugs einer Vollrente wegen Alters nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde (Nr. 1), des Bezugs einer Versorgung (Nr. 2), des Erreichens der Regelaltersgrenze (Nr. 3) oder einer Beitragserstattung (Nr. 4), die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären. Satz 1 findet nach § 172 Abs. 1 S. 2 SGB VI keine Anwendung auf versicherungsfrei geringfügig Beschäftigte und Beschäftigte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Für Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB IV oder nach anderen Vorschriften von der Versicherungspflicht befreit sind oder die nach § 5 Abs. 4 SGB IV versicherungsfrei sind, tragen die Arbeitgeber einen Beitragsanteil in Höhe von 15 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das beitragspflichtig wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären (§ 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Dies gilt nicht für Personen, die während der Dauer eines Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule ein Praktikum ableisten, das nicht in ihrer Studienordnung oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist (§ 172 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Für den Beitragsanteil des Arbeitgebers gelten die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Vierten Buches sowie die Bußgeldvorschriften des § 111 Abs. 1 Nr. 2 bis 4, 8 und Abs. 2 und 4 SGB IV entsprechend (§ 172 Abs. 4 SGB VI).
Die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI liegen vor. Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben beim Kläger eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausgeübt und waren im zu beurteilenden Prüfzeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2021 versicherungsfrei.
Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der ab 01.01.2013 bis 30.09.2022 geltenden Fassung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 € nicht übersteigt.
Die Beigeladenen zu 1 (bis zum Ausscheiden am 31.10.2021) und 2 haben, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, eine geringfügige Beschäftigung als Zahnärzte in der Zahnarztpraxis des Klägers ausgeübt. Nach den sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergebenden Abrechnungsunterlagen hat das monatliche Entgelt für die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 und 2 jeweils 450,00 € betragen. Aufgrund der ausgeübten abhängigen Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 und 2 liegt ein Fall der Entgeltgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vor, da deren regelmäßiges Arbeitsentgelt nicht über der im streitigen Zeitraum geltenden Geringfügigkeitsgrenze liegt. Die Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung durch die Beigeladenen zu 1 und 2 beim Kläger erfolgte nach den vorliegenden Entgeltunterlagen zum 01.01.2018.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 sind zudem nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsfrei.
Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind versicherungsfrei Personen, die (Nr. 1) nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, eine Vollrente wegen Alters beziehen, (Nr. 2) nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehen oder die in der Gemeinschaft übliche Versorgung im Alter nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erhalten oder (Nr. 3) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht versichert waren oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Beitragserstattung aus ihrer Versicherung erhalten haben. § 5 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gilt nicht für Beschäftigte in einer Beschäftigung, in der sie durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit verzichten (§ 5 Abs. 4 Satz 2 SGB VI). Der Verzicht kann nur mit Wirkung für die Zukunft erklärt werden und ist für die Dauer der Beschäftigung bindend (§ 5 Abs. 4 Satz 3 SGB VI).
Die 1954 geborenen Beigeladenen zu 1 und 2 haben im zu beurteilenden Prüfzeitraum aufgrund ihrer in der Vergangenheit ausgeübten Tätigkeit als Zahnärzte nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze bezogen (und beziehen diese weiterhin), weswegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gegeben sind. Der entsprechende Bezug einer Versorgung nach Erreichen der Altersgrenze nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Ein Ausnahmetatbestand nach § 172 Abs. 3 Satz 2 SGB VI liegt nicht vor, da keine Praktikumstätigkeit im Zusammenhang mit einem Studium vorliegt. § 172 Abs. 1 S. 1 SGB VI ist aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 S. 2 SGB VI (Versicherungsfreiheit und geringfügige Beschäftigung) hingegen nicht anwendbar. Eine (gesonderte) Befreiung von der Beitragspflicht nach § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI liegt nicht vor.
Als Rechtsfolge sind dementsprechend nach § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI Beiträge vom Kläger für die Beigeladene zu 1 für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum Ausscheiden am 31.10.2021 und für den Beigeladenen zu 2 für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2021 an die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten. Als Arbeitgeber hat der Kläger demnach einen Beitragsanteil in Höhe von 15 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das beitragspflichtig wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären, zu tragen.
Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge, vorliegend ausschließlich Beiträge zur Rentenversicherung, wurde von der Beklagten zutreffend anhand der sich aus den vorliegenden Lohnunterlagen ergebenden Arbeitsentgelten errechnet. Rechenfehler sind nicht ersichtlich. Abweichendes macht auch der Kläger nicht geltend, insbesondere hat er nicht substantiiert vorgetragen, dass und welche an die Beigeladenen zu 1 und 2 gezahlten Entgelte zu Unrecht berücksichtigt worden wären.
Die festgestellten Beitragsnachforderungen sind auch nicht verjährt.
Beiträge verjähren gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten nach § 25 Abs. 2 SGB IV die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der Verjährung bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag. Die Sätze 2 bis 5 gelten für Prüfungen der Beitragszahlung bei sonstigen Versicherten, in Fällen der Nachversicherung und bei versicherungspflichtigen Selbständigen entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für Prüfungen nach § 28q Absatz 1 und 1a sowie nach § 251 Absatz 5 und § 252 Absatz 5 des Fünften Buches.
Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 18.08.2022 die Einleitung der Betriebsprüfung angezeigt und wertete in der Folge vorgelegte Unterlagen aus. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt (§ 25 Abs. 2 S. 2 1. Hs. SGB IV). Anhaltspunkte für eine Unterbrechung der Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen, welche die prüfende Stelle zu vertreten hat, sind weder ersichtlich noch vorgebracht. Die Beklagte hörte den Kläger vielmehr bereits mit Schreiben vom 16.01.2023 zur beabsichtigten Geltendmachung einer Nachforderung an und hat in der Folge den hier angefochtenen Bescheid vom 09.03.2023 erlassen. Eine Verjährung der von der Beklagten geltend gemachten Nachforderung ist dementsprechend nicht eingetreten, auch nicht hinsichtlich der Beiträge, die für das Kalenderjahr 2018 geltend gemacht werden.
Der Senat ist zudem nicht davon überzeugt, dass die den Arbeitgeber treffende Beitragstragungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung verfassungswidrig ist.
Einer Aussetzung des Verfahrens und einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 13 Nr. 11 und §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz bedurfte es daher nicht. Ohne dass es hierauf maßgebend ankommt, hat der Kläger bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, welche Grundrechte er als verletzt ansieht.
In der Pflicht zur Tragung des Arbeitgeberanteils liegt kein verfassungswidriger Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG oder die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Es kann offenbleiben, ob und inwieweit überhaupt der jeweilige Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist. Die den Arbeitgebern auferlegte Pflicht ist jedenfalls gerechtfertigt. Denn der Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme von Verfassungs wegen nicht gehalten, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen. Ein uneingeschränktes Äquivalenzprinzip existiert im Sozialversicherungsrecht nicht. Dem Sozialversicherungsrecht kann auch nicht der Grundsatz entnommen werden, dass eine Beitragspflicht (eines Arbeitgebers) nur dann verfassungsgemäß ist, wenn sie individuell zu (höheren) Versicherungsleistungen (beim Versicherten) führt (vgl. zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI: BSG, Urteil vom 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R –, juris Rn. 23 mwN; Hessisches LSG, Urteil vom 23.04.2024 – L 2 R 36/23 –, juris Rn. 27 mwN; BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.09.1999 – 1 BvR 1750/95 –, juris Rn. 16 f.). Selbst wenn aus den vom Kläger zu zahlenden Beiträgen aufgrund der geringfügigen Beschäftigungen keine Leistungsansprüche der Beigeladenen zu 1 und 2 folgen, führt dies dementsprechend nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
Die hier von dem Kläger zu leistenden Arbeitgeberanteile sind vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfasst. Das BSG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG selbst die fiktiven Beitragsanteile nach § 172 Abs. 1 SGB VI ohne individuelle Auswirkungen für die Personen, für deren Beschäftigung sie vom Arbeitgeber gezahlt und getragen werden müssen, für zulässig erachtet. Der Beitragsanteil, den der Arbeitgeber nach § 172 Abs. 1 SGB VI zu zahlen hat, ist insofern kein echter, dem Versicherten zuzuordnender Rentenversicherungsbeitrag, es handelt sich um Beiträge mit Sondercharakter, die der Versichertengemeinschaft zufließen (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 172 SGB VI, Stand: 01.04.2021, Rn. 22). Diese Beiträge sind zwar den Beschäftigten weder unmittelbar zugeordnet noch kommen sie ihnen anspruchs- oder anwartschaftsbegründend oder -erhöhend zugute (vgl. insoweit § 75 Abs. 1 SGB VI). Dass sie vielmehr "nur" der Versichertengemeinschaft zufließen, steht ihrer Zuordnung zu den Beiträgen im Sinn des Sozialversicherungsrechts aber nicht entgegen. Der Ansicht, der Arbeitgeberanteil am Sozialversicherungsbeitrag gewinne seine verfassungsrechtliche Legitimation allein aus der spezifischen Verbindung des Arbeitgebers zu seinen Beschäftigten, aus seiner "Fürsorgepflicht" im weitesten Sinne, wodurch bei Fehlen des Zusammenhangs kein Beitrag, sondern eine Sonderabgabe vorliege, ist das BSG nicht gefolgt. Zudem genießt das im GG nicht inhaltlich bestimmte "Versicherungsprinzip" innerhalb der Kompetenznorm des Art 74 Nr. 12 GG für die Sozialversicherung keinen Verfassungsrang. Dementsprechend fehlen dort auch Vorgaben für seine Ausgestaltung und für die Abgrenzung zwischen Leistungen wegen Eintritts versicherungseigener Risiken und Leistungen aufgrund versicherungsfremder Belastungen (BSG, Urteil vom 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R –, juris Rn. 24 mwN).
Dies muss erst Recht für die Pauschalbeiträge nach § 172 Abs. 3 SGB VI gelten, die (anders als die fiktiven Beitragsanteile nach § 172 Abs. 1 SGB VI) zu Zuschlägen an Entgeltpunkten (§§ 66 Abs. 1 Nr. 6, 76b SGB VI) und zur Anrechnung auf die Wartezeit nach Maßgabe des § 52 Abs. 2 SGB VI führen können (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 172 SGB VI, Stand: 01.04.2021, Rn. 23), auch wenn teilweise Rückausnahmen wie in § 76b Abs. 4 SGB VI bestehen. So sind beispielsweise Beschäftigte, die - wie die Beigeladenen zu 1 und 2 - wegen des Bezugs einer Versorgung versicherungsfrei sind, gemäß § 76b Abs. 4 Nr. 2 SGB VI von den Zuschlägen an Entgeltpunkten nach § 76b Abs. 1 SGB VI ausgenommen.
Mit der Pflicht zur Tragung des Arbeitgeberanteils verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, Arbeitgebern den Anreiz zu nehmen, Altersrentner wegen ihrer Versicherungs- und Beitragsfreiheit zu beschäftigen. Zugleich wollte er einer Blockierung freier Arbeitsplätze durch versicherungsfreie Altersrentner entgegenwirken. Gemäß dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 19.01.1999 (Bundestagdrucksache 14/280, Seite 16) knüpft die Regelung in § 172 Abs. 3 SGB VI an die für Bezieher einer Vollrente wegen Alters geltende Regelung des § 172 Abs. 1 SGB VI an. Die Beseitigung der bisherigen Beitragsfreiheit von dauerhaft geringfügig Beschäftigten ist demnach aus arbeitsmarktpolitischen Gründen und aus Gründen der Wettbewerbsneutralität dringend erforderlich. Ohne die Zahlung der Pauschalbeiträge würde für Arbeitgeber ein Anreiz geschaffen, geringfügige Beschäftigungen nur denjenigen anzubieten, für die sie keine Pauschalbeiträge zu leisten hätten. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG bestehen hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI: BSG, Urteil vom 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R –, juris Rn. 25 mwN; zur Vorgängervorschrift des § 113 des Angestelltenversicherungsgesetzes: BVerfG, Beschluss vom 16.10.1962 – 2 BvL 27/60 –, juris; BVerfG, Beschluß vom 11.03.1980 - 1 BvL 20/76 -, NJW 1980, S. 1738).
Soweit der Kläger ausschließlich mit den im Gesetzentwurf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 19.01.1999 formulierten (allgemeinen) Zielen im Rahmen der Problemdarstellung argumentiert, berücksichtigt er nicht hinreichend die in der Bundestagdrucksache 14/280 dargelegte Begründung speziell zur Neuregelung des § 172 SGB VI (Arbeitsmarktpolitik und Wettbewerbsneutralität).
Auch liegt keine nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrige (Un-)Gleichbehandlung vor. Art 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Hieraus folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung untersagt. Ebenso wenig ist er gehalten, Ungleiches unter allen Umständen ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist in seiner Ausprägung als Differenzierungsgebot in Ansatz zu bringen, wenn die Belastungsungleichheit auf tatsächlichen Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts beruht. Als Differenzierungsgebot ist der allgemeine Gleichheitssatz nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Er verletzt aber das Gleichheitsgrundrecht, wenn er es versäumt, tatsächliche Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie beachtet werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 07.04.2022 – 1 BvL 3/18 -, NJW 2022, 2169 bzw. Rn. 239 f. mwN). Die angegriffenen Vorschriften führen zu einer Beitragstragungspflicht der Arbeitgeber unabhängig davon, ob sich die Arbeitgeberanteile auf das sozialversicherungsrechtliche Konto der betroffenen Arbeitnehmer - vorliegend der Beigeladenen zu 1 und 2 - auswirken. Die hierdurch bewirkte Gleichbehandlung trägt der oben dargelegten verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzgeberischen Intention bzw. den arbeitsmarktpolitischen Gründen Rechnung. Mithin läuft die Argumentation des Klägers bzw. der gestellte Sachantrag auf Aufhebung des die Beiträge nachfordernden Bescheides darauf hinaus, eine Besserstellung gegenüber der Situation der Beschäftigung eines nicht-versicherungsfreien Arbeitnehmers zu erreichen. Ein aus der Verfassung ableitbarer zwingender Anspruch besteht hierfür nicht (so auch: BSG, Urteil vom 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R –, juris Rn. 27).
Die Beiträge sind auch nicht an das berufsständische Versorgungswerk, deren Mitglieder die Beigeladenen zu 1 und 2 und der Kläger sind, abzuführen.
Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, sieht § 172 Abs. 3 SGB VI keine Abführung der Beiträge an ein Versorgungswerk (der Ärzte/Zahnärzte) vor. Bei geringfügigen Beschäftigungen ist nach § 28i Satz 5 SGB IV zuständige Einzugsstelle die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Rentenversicherung. Es ist auch weder ersichtlich noch nachvollziehbar vorgebracht, woraus unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Abführung der Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk resultieren könnte. Dass kein uneingeschränktes Äquivalenzprinzip im Sozialversicherungsrecht existiert, wurde bereits dargelegt. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Beiträge an das Versorgungswerk, deren Mitglieder die Beigeladenen zu 1 und 2 sind, besteht nicht.
Im Übrigen ist der in der Sache gestellte Antrag des Klägers auf Aufhebung der von der Beklagten geltend gemachten Nachforderung der Beiträge bzw. des hierzu erlassenen Bescheides gerichtet und nicht auf einen Wechsel des Begünstigten der Beitragsforderung. Zudem ist dem Senat nicht nachvollziehbar, worin, bezogen auf den Kläger, ein rechtlicher oder tatsächlicher Vorteil liegen könnte, wenn dieser lediglich die Abführung der von ihm unverändert geschuldeten Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk beansprucht. Hinsichtlich eines solchen Begehrens ist, ohne dass es hierauf noch maßgebend ankommt, auch das Bestehen eines Rechtschutzbedürfnisses fraglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1, 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben im Verfahren keine Anträge gestellt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG, entspricht der streitbefangenen Nachforderung von 6.345,00 € und kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (zum Beschlusscharakter einer Streitwertfestsetzung im Urteil vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.11.2020 – L 4 BA 1107/20 B – juris Rn. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2009 – L 3 SF 162/06 – juris Rn. 2 m.w.N.; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 197a Rn. 5 m.w.N.).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 BA 1848/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 228/25
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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