L 14 KR 29/25 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 KR 1782/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KR 29/25 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Der Widerspruch gegen die Aufrechnungsentscheidung einer Krankenkasse hat keine aufschiebende Wirkung. 

2. Auch wenn Versicherte eine verstärkte Mitwirkungsobliegenheit trifft, müssen Krankenkassen vor der Aufrechnung von Beitragsforderungen gegen Krankengeldansprüche von Amts wegen Feststellungen zum Eintritt von Hilfebedürftigkeit treffen; Versicherte sind nicht verpflichtet, zum Nachweis ihrer Hilfebedürftigkeit Bescheide des Jobcenters oder des Sozialamtes vorzulegen.

Auf die Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2025 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Aufrechnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 18. November 2024 angeordnet.

Die Aufhebung der Vollziehung wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnungsentscheidung.

Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert und befindet sich nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens in der Wohlverhaltensphase. Die Antragsgegnerin hat ihm gegenüber offene Beitragsforderungen in Höhe von insgesamt 4.787,77 Euro (Beitragsbescheide vom 11. April 2016 und 21. Juni 2019), die zur Insolvenztabelle angemeldet sind.

Seit dem 26. August 2024 war der Antragsteller arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 06. Oktober 2024 bestand ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Nach jeweils rechtzeitigen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit vom 07. Oktober 2024 bis zum 01. November 2024 Krankengeld in Höhe von 55,74 Euro täglich.

Von dem Krankengeld zahlte die Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 07. Oktober 2024 bis 01. November 2024 zunächst nur die Hälfte in Höhe von 724,62 Euro aus und hörte den Antragsteller zur beabsichtigten Aufrechnung bis zur Hälfte des Auszahlungsanspruchs an. Der Antragsteller teilte mit, dass er das Krankengeld zum Bestreiten des Lebensunterhaltes benötige. Er reichte seinen Mietvertrag (Bruttowarmmiete monatlich 442,02 Euro) sowie Nachweise über Unterhaltszahlungen auf einen Unterhaltstitel (monatlich 426,00 Euro) ein. Die Antragsgegnerin fordert den Antragsteller daraufhin auf, seine Hilfebedürftigkeit durch Unterlagen des zuständigen Sozialleistungsträgers oder Jobcenters nachzuweisen. Mit Bescheid vom 18. November 2024 rechnete die Antragsgegnerin zur Tilgung ihrer Forderung gegen  den Anspruch auf Auszahlung des Krankengeldes einen Betrag in Höhe von 27,87 Euro kalendertäglich auf. Hiergegen erhob der Antragsteller am 25. November 2024 Widerspruch, der bislang nicht beschieden ist.

Am 20. November 2024 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, weitere Unterlagen eingereicht und beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen sowie die Vollzugsfolgen zu beseitigen. Er hat vorgetragen, hilfebedürftig zu sein. Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, dass ausschließlich der zuständige Sozialleistungsträger die Hilfebedürftigkeit feststellen könne.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2025 hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nach Abwägung und vor dem Hintergrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung sei davon auszugehen, dass das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er durch die Aufrechnung hilfebedürftig geworden sei. Der von § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) geforderte Nachweis der Hilfebedürftigkeit sei durch den Leistungsberechtigten zu erbringen. Eine schlichte Erklärung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei für die Beweisführung grundsätzlich nicht ausreichend (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2016 – L 3 R 394/15 B ER). Der Antragsteller habe es versäumt, eine Bedarfsberechnung des Sozialamts bzw. Jobcenters einzuholen.

Hiergegen hat der Antragsteller am 29. Januar 2025 Beschwerde zum LSG Berlin-Brandenburg erhoben. § 51 SGB I sehe für das Nachweisverfahren keine bestimmte Form vor. Eine gesetzliche Grundlage für Jobcenter und Sozialämter, Bescheinigungen zu erteilen, sei nicht ersichtlich. Er sei seiner Nachweisobliegenheit nachgekommen und habe im Vorverfahren und auch im gerichtlichen Eilverfahren Kontoauszüge, den Mietvertrag, den Unterhaltstitel und entsprechende Zahlungen nachgewiesen, um die durch die Aufrechnung eingetretene Hilfebedürftigkeit zu belegen. Er habe am 02. November 2024 die begehrte Bescheinigung beim zuständigen Jobcenter beantragt. Trotz der Einschaltung dreier Schuldnerberatungen und des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten sei eine Bescheinigung nicht ausgestellt worden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2025 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches und die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss.

Der Berichterstatter hat anhand der Angaben des Antragstellers dessen durch die Aufrechnung eingetretene Hilfebedürftigkeit berechnet und auf die fehlende Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin hingewiesen. Daraufhin hat die Antragsgegnerin eingeräumt, ihre Ermessenserwägungen im streitgegenständlichen Bescheid nicht schriftlich niedergelegt zu haben, und angekündigt, dies im anhängigen Widerspruchsverfahren nachzuholen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Maßgabe, das Krankengeld (vorläufig) auszuzahlen, zu einer endgültigen und irreversiblen Aufhebung der Aufrechnungslage führen und die Hauptsache unzulässig vorwegnehmen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des übermittelten Verwaltungsvorgangs.

 

II.

 

Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht abgelehnt. Denn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin.

Widerspruch und Anfechtungsklage haben zwar gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG in der Regel aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber – soweit hier relevant – nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Beitragspflichten sowie der Anforderung von Beiträgen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Bei der hier vorgenommenen Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I handelt es sich um eine Entscheidung zur Anforderung von Beiträgen i.S.v. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14. Februar 2011 – L 5 R 17/11 B ER –, juris Rn. 11).

In den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes haben, kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) und dies gegebenenfalls mit Auflagen versehen oder befristen (§ 86b Abs. 1 Satz 3 SGG). Aus dem bereits vom Gesetzgeber geregelten Vorrang des Vollziehungsinteresses folgt zugleich, dass regelmäßig nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Interesse an der aufschiebenden Wirkung begründen können, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs als zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Insoweit müssen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen, um entgegen dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des Gesetzgebers das Aussetzungsinteresse höher zu gewichten. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten geringer, je schwerer die angefochtene Entscheidung wirkt. Insofern ist neben den wirtschaftlichen Verhältnissen in die Abwägungsentscheidung auch einzustellen, ob die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2022 – L 4 BA 28/21 B ER –, Rn. 4, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. August 2021 – L 28 BA 12/21 B ER –, Rn. 14, juris).

1.
Unter Beachtung dieser Vorgaben bestehen nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung vorliegend ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufrechnungsentscheidung der Antragsgegnerin.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 51 Abs. 2 SGB I. Danach kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch wird. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Leistungsträger auf Kosten eines anderen Leistungsträgers aufrechnet (LPK-SGB I/Timme/Weingart, 4. Aufl. 2020, SGB I § 51 Rn. 17).

Die Antragsgegnerin ist zuständiger Leistungsträger, sie macht rückständige Beitragsansprüche gegenüber dem Antragsteller geltend, der wiederum einen Auszahlungsanspruch auf Krankengeld hat.

a.
Der Antragsteller hat im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren umfassende Nachweise vorgelegt, aus denen sich der Eintritt einer Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch die Aufrechnung ergibt.

aa.      Der von § 51 Abs. 2 SGB I geforderte Nachweis der Hilfebedürftigkeit ist durch den Versicherten zu erbringen. Ihn trifft eine verstärkte Mitwirkungsobliegenheit (Hessisches LSG, Beschluss vom 12. Januar 2021 – L 5 R 282/20 –, Rn. 33, juris).

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin (ebenso jedoch auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. Juli 2020 – L 1 R 92/20 B ER –, Rn. 59, juris) sind die Versicherten nicht verpflichtet, zum Nachweis ihrer Hilfebedürftigkeit Bescheide des Jobcenters oder des Sozialamtes vorzulegen. Die Nachweisobliegenheit des § 51 Abs. 2 SGB I beseitigt den Untersuchungsgrundsatz nicht, so dass von Amts wegen zu ermitteln ist, ob Hilfebedürftigkeit bei noch andauernder bzw. erst noch zu vollziehender Verrechnung eintritt. Allerdings kann sich die Ermittlungspflicht durch die Mitwirkungsobliegenheit verringern (so ausdrücklich Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31. Januar 2017 – B 13 R 33/16 BH –, juris Rn. 22). Ähnliches gilt bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei Entscheidungen über das Ruhen von Leistungsansprüche nach § 16 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 31/15 R; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. März 2020 – L 16 R 476/19 –, Rn. 16, juris).

Steht der Versicherte mithin nicht im Bezug von Existenzsicherungsleistungen kann der Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensnachweise, Mietvertrag, eine Vermögensaufstellung nachgewiesen werden (h.M., vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 12. Januar 2021 – L 5 R 282/20 –, Rn. 34, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Mai 2019 – L 2 R 50/19 –, juris Rn. 24; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2016 – L 3 R 394/15 B ER –, juris Rn. 39; BeckOGK/Siefert, 1.8.2022, SGB I § 51 Rn. 21 v. Koppenfels-Spies in Hauck/Noftz SGB I, 50. EL, § 51 SGB 1, Rn. 25; LPK-SGB I/Timme/Weingart, 4. Aufl. 2020, SGB I § 51 Rn. 17). Nicht erforderlich ist, dass er Sozialhilfe beantragt oder bezieht (Lilge in Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Auflage, § 51 SGB 1, Rn. 52).

Vorliegend stand der Antragsteller bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht im Bezug von existenzsichernden Leistungen, so dass ihm ein zuvor erlassener Bescheid nicht zur Verfügung stand. Das vorliegende Verfahren zeigt anschaulich, dass eine Probeberechnung des zuständigen Existenzsicherungsträgers ohne vorherigen Leistungsbezug nicht einfach zu bekommen ist. Das kann jedoch dahinstehen, da der Antragsteller nicht nur eine schlichte Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegeben, sondern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren umfassende Angaben zur Hilfebedürftigkeit gemacht hat.

bb.      Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, wegen der Aufrechnung bedürftig (geworden) zu sein.

Sein Existenzsicherungsbedarf als Alleinlebender summiert sich auf 1.005,02 Euro und setzt sich zusammen aus einem Regelbedarf von 563,00 Euro und Unterkunftskosten von 442,02 Euro (§§ 7, 9, 22 SGB II).

Dem Bedarf stand im Oktober 2024 ein anrechenbares Erwerbseinkommen aus der Tätigkeit vom 1. bis 6. Oktober 2024 von 323,49 Euro gegenüber (504,35 Euro brutto abzgl. Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 11b SGB II von 180,86 Euro). Ferner stand dem Bedarf ein Krankengeldanspruch für 24 Tage in Höhe von 1.337,76 Euro (55,74 Euro /Tag x 24 Tage) gegenüber. Vom Gesamteinkommen sind Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zur Höhe des Unterhaltstitels abzusetzen (§ 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB II – betrifft nicht nur das Erwerbseinkommen). Das sind beim Antragsteller 426,00 Euro, weil er den Unterhalt nachweislich zahlt.

Es ergibt sich ein (auf den Bedarf anrechenbares) Einkommen von 1.235,25 Euro, welches den Existenzsicherungsbedarf zwar überschreitet. Für eine Aufrechnung gegen den Krankengeldanspruch stehen jedoch monatlich nur 230,23 Euro oberhalb des Existenzsicherungsbedarfs zur Verfügung. Tatsächlich hat die Antragsgegnerin für Oktober 2024 mehr als das Dreifache aufgerechnet und dadurch eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers herbeigeführt.

Die Berechnung für November 2024 gestaltet sich nach summarischer Prüfung ebenso wie für Oktober 2024, da der Antragsteller ebenso für 24 Tage Krankengeldanspruch hatte und an sechs Tagen erwerbstätig war (25. bis 30. November 2024).

b.
§ 51 SGB I erlaubt dem Sozialversicherungsträger zwar die Aufrechnung, jedoch hat er Ermessen auszuüben (vgl. BeckOGK/Siefert, 1.8.2022, SGB I § 51 Rn. 17). Daran fehlt es im Bescheid vom 18. November 2024 gänzlich, was die Antragsgegnerin auch einräumt. Eine Heilung ist mangels Bekanntgabe eines Widerspruchsbescheides nicht eingetreten, § 41 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch.

Der angegriffene Aufrechnungsbescheid erweist sich somit als rechtswidrig.

2.
Die Antragsgegnerin geht fehl in der Annahme, dass eine Auszahlung wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache ausscheidet. Die Bestimmungen zur aufschiebenden Wirkung bzw. sofortigen Vollziehung regeln gerade die Risikoverteilung bei Streit um die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Maßnahme. Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen gerichtlichen Entscheidungen betreffen allein die Versorgung der Versicherten mit konkreten Leistungen im Wege des Eilrechtsschutzes. Eine echte Vorwegnahme der Hauptsache liegt hingegen bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Geldleistungen nur vor, wenn ausnahmsweise eine spätere Rückforderung im Falle des Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren rechtlich ausgeschlossen ist (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt 14. Aufl. 2023, SGG § 86b Rn. 31). Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Denn bei dem etwaigen Rückforderungsanspruch nach Auszahlung des Krankengeldes handelt es sich um eine nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Forderung, die an der Restschuldbefreiung nicht teilnimmt (BeckOK InsR/Riedel, 38. Ed. 1.2.2025, InsO § 286 Rn. 6; Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, 6. Auflage 2022, § 286 InsO, Rn. 6).

3.
Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch folgt aus § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

 

5.
Diese Entscheidung kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Rechtskraft
Aus
Saved