L 7 AS 551/25 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 43 AS 874/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 551/25 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.04.2025 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe:

Die nach den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung weiterer Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an die Antragstellerin abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen
(§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung >ZPO<). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 31.01.2023 – L 7 AS 1052/22 B ER – juris, Rn. 23 m.w.N.). Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 25; Beschluss vom 26.02.2024 – 1 BvR 392/24 – juris Rn. 4). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 26; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 30.08.2018 – L 7 AS 1268/18 B ER – juris, Rn. 20).

 

Der Antrag ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Zwar ist nach ständiger und in Übereinstimmung mit dem BVerfG stehender Rechtsprechung des Senats die Erhebung einer Räumungsklage durch den Vermieter keine Voraussetzung für die Annahme eines Anordnungsgrundes. Eilbedürftigkeit liegt indes nicht vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Anhaltspunkte für einen Verlust der Wohnung vorliegen. Eilbedürftigkeit ist auch zu verneinen, wenn es sich nicht um erhaltenswerten Wohnraum handelt oder wenn feststeht, dass das Mietverhältnis trotz Zusprechens der Leistungen nicht erhalten werden kann und es nur noch darum geht, Ansprüche des Vermieters zu sichern (vgl. hierzu und zu weiteren eine Eilbedürftigkeit ausschließenden Fallkonstellationen Beschlüsse des Senats vom 11.05.2023 – L 7 AS 382/23 B ER – juris, Rn. 5 und vom 12.07.2022 – L 7 AS 351/22 B ER – juris, Rn. 12 m.w.N.).

 

Nach diesen Maßgaben liegt keine Eilbedürftigkeit vor. Zunächst ist die Wohnung der Antragstellerin jedenfalls aktuell noch nicht gefährdet. Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung durch den Vermieter der Antragstellerin sind nicht ersichtlich, denn die §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a, 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) setzen diesbezüglich das Ausstehen eines nicht unerheblichen Teils der Miete, der sich insgesamt auf eine Monatsmiete belaufen muss, für zwei aufeinanderfolgende Termine voraus. Die Antragstellerin trägt aber vor, jedenfalls bis einschließlich April 2025 noch ungekürzte Mietzahlungen an ihren Vermieter überwiesen zu haben.

 

Die Annahme eines Anordnungsgrundes scheitert indes insbesondere daran, dass die Wohnung der Antragstellerin nicht erhaltenswert ist. Sie ist nicht langfristig zu sichern, weil sie nicht angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist. Die Bruttokaltmiete der Antragstellerin beläuft sich ohne Einbeziehung der Stellplatzkosten auf einen Betrag von 1200,15 € (1028,15 € Grundmiete zuzüglich 172 € kalte Betriebskosten). Dieser Betrag ist unbeschadet einer – im Eilverfahren regelmäßig nicht möglichen – abschließenden Überprüfung der Berechnung der Angemessenheitsgrenzen des Antragsgegners offenkundig unangemessen. Auch bei einer Unsicherheit, ob ein rechtmäßiges „schlüssiges Konzepts“ eines Leistungsträgers zur Berechnung der Unterkunftskosten vorliegt, wäre mangels im Eilverfahren anzunehmender weiterer Erkenntnismöglichkeiten nämlich eine Berücksichtigung der Höchstbeträge nach § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines 10% - igen Sicherheitszuschlages angezeigt (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 27.07.2021 – L 7 AS 813/21 B ER –; LSG NRW, Beschluss vom 03.09.2014 – L 2 AS 1195/14 B ER – juris, Rn.4; LSG Hessen, Beschlüsse vom 11.04.2024 – L 7 AS 131/24 B ER – juris, Rn. 77 ff. und vom 11.03.2020 – L 6 AS 605/19  ER – juris, Rn.41; grds. zur Rechtsfrage: BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R – juris, Rn. 25 ff.). Der hiernach für einen Einpersonenhaushalt in Düsseldorf zu berücksichtigende Höchstbetrag würde sich auf 650,10 € (591 € für die in Düsseldorf gemäß § 1 Abs. 3 der Anlage zur Wohngeldverordnung (WoGV) anzuwendende Mietenstufe VI zuzüglich 59,10 € Sicherheitszuschlag) belaufen. Die von der Antragstellerin bereits ohne Einbeziehung ihres Stellplatzes zu entrichtende Bruttokaltmiete übersteigt diesen Betrag um 550,05 € bzw. 84,6 %, was zur Überzeugung des Senats auch ohne weitere Ermittlungen eine evidente Unangemessenheit indiziert.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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