L 12 U 3634/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1010/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 3634/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 55.200 € festgesetzt.



Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung der Versicherungssumme seiner freiwilligen Versicherung.

Der Kläger ist seit 1997 bzw. 2008 freiwillig als Einzelunternehmer bei der Beklagten als Unternehmer, zunächst mit einem Jahresarbeitsverdienst von 75.000 €, ab 01.01.2012 von 84.000 €, versichert. Aufgrund eines Arbeitsunfalls im Mai 2013 bezieht der Kläger eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert nach der Versicherungssumme von 84.000 €, wobei er der Ansicht ist, ihm stehe eine höhere MdE zu (Verfahren L 12 U 3204/23).

Da die Beklagte im Rahmen der Bearbeitung der gemeldeten Arbeitsunfälle des Klägers im Jahr 2020 – so war der Kläger u.a. von August 2020 bis April 2021 arbeitsunfähig wegen einer Distorsion des Sprunggelenks und bezog bis 19.01.2021 Verletztengeld (vgl. L 12 U 3243/22) – eine erhebliche Steigerung von Bagatellunfällen mit vergleichsweise langer Arbeitsunfähigkeitsdauer festgestellt hatte, wurde intern eine Überprüfung im Hinblick auf die gewählte Versicherungssumme angeregt.

Mit Schreiben vom 09.03.2021 und vom 28.05.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass gem. §§ 53 Abs. 6 i. V. m. 48 Abs. 6 der Satzung der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse in der am 01.01.2021 in Kraft getretenen 7. Änderung, genehmigt am 17.12.2020 (im Folgenden: Satzung), die Versicherungssumme der freiwilligen Unternehmerversicherung der Summe aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen entsprechen solle. Dies müsse vorliegend geprüft werden. Der Kläger habe die entsprechenden Unterlagen einzureichen. Dem Kläger wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass bei Nichtvorlage der entsprechenden Unterlagen die Versicherungssummer ab dem 01.07.2021 auf die Mindestversicherungssumme von (seinerzeit) 28.800 € herabgesetzt würde.

Der Kläger verweigerte die Vorlage entsprechender Unterlagen und teilte mit, dass derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden könne, wie sich seine Einkommensverhältnisse darstellten. Er habe im Mai 2013 eine Aortendissektion gehabt (Arbeitsunfall Stromschlag) und sei dann mehrere Jahre arbeitsunfähig gewesen, mit der Folge, dass er sich mit der Beklagten immer noch im Rechtsstreit befinde. Seit 2017 arbeite er wieder zu ca. 40 %. Bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung über Rente und sonstige Leistungen behalte er sich einen Lohnnachweis vor. Ferner versichere er an Eidesstatt, dass er seinen Elektroinstallationsbetrieb immer noch führe.

Am 23.06.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die entsprechenden Nachweise nicht eingereicht worden seien. Die Versicherungssumme werde die Beklagte daher ab dem 01.07.2021 auf die Mindestversicherungssumme von 28.800 € herabsetzen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Die Beklagte fügte ihrem Schreiben einen abgeänderten Versicherungsschein bei.

Nachdem ihm für 2 weitere Unfälle Verletztengeld nur noch nach der herabgesetzten Versicherungssumme gewährt wurde, erklärte der Kläger am 12.10.2021, auf einer Versicherungssumme von 84.000 € zu beharren. Dies wertete die Beklagte als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2022 als zulässig, aber unbegründet zurückwies.

Am 08.04.2022 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Bei Abschluss der freiwilligen Versicherung und auch bei der Anpassung sei er nie nach einem Einkommensnachweis gefragt bzw. sei ein solcher nie angefordert worden. Ferner hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er seit 2017 nur zu ca. 40% der regelmäßigen Arbeitszeit arbeite. Sein Einkommen sei daher sicher niedriger als vor dem Unfall. Die Beklagte habe trotz Aufforderung zu keinem Zeitpunkt einen rechtsmittelfähigen Bescheid erteilt. Eine Rechtsmittelbelehrung enthalte das Schreiben vom 23.06.2021 nicht.

Mit Urteil vom 11.11.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, da es sich bei dem Schreiben vom 23.06.2021 um einen Verwaltungsakt handle. Dieser erweise sich als rechtmäßig. Die Beklagte habe die Versicherungssumme gemäß der von ihrer Vertreterversammlung erlassenen Satzung rechtmäßig festgesetzt. Sie hat die Satzungsbestimmungen zutreffend angewandt, die der Herabsetzung zugrundeliegenden Satzungsbestimmungen seien von der Ermächtigung des § 154 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gedeckt und verstießen nicht gegen höherrangiges Recht.

Gegen das am 30.11.2022 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 28.12.2022 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Die Beklagte habe die Satzungsbestimmungen unzutreffend angewandt, da sie nicht beachtet habe, dass es bei § 48 Abs. 6 der Satzung sich um eine „Soll“-Bestimmung handle. Die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, da sie zuvor keine Einkommensnachweise gefordert habe. Des Weiteren sei die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts schlichtweg unzutreffend, da sich eine höhere Verletztenrente entgegen der Auffassung der Beklagten sehr wohl auf den Jahresarbeitsverdienst auswirke. Auch sei die Mindestversicherungssumme nicht nachvollziehbar.





Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2022 sowie den Bescheid vom 23.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2022 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die Herabsetzung der Versicherungssumme der freiwilligen Unternehmerversicherung des Klägers durch die Beklagte ab dem 01.07.2021 auf die Mindestversicherungssumme vom 28.800 € nicht rechtswirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Satzung sei von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Auch habe sie ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt. So würden Ermittlungen eingeleitet, wenn sich Anhaltspunkte für eine eventuell zu hoch festgesetzte Versicherungssumme ergäben, z.B., wenn sich die Gesamtumstände eines Unternehmens nicht nur kurzfristig änderten. Dies sei u.a. der Fall bei Wiederaufnahme der Tätigkeit nach einem Unfall mit anschließendem Rentenbezug, wie in dem diesem Rechtstreit zugrundeliegenden Sachverhalt. Ein Ermessen der Beklagten hinsichtlich der Rechtsfolge bei Nichteinreichung der geforderten Unterlagen bestehe nicht, bzw. sei auf Null reduziert, da das Verlangen von Nachweisen die einzig mögliche Entscheidung darstelle. Der Kläger habe selbst eingeräumt, nur noch geringeres Einkommen zu erzielen.

Wegen der Einzelheiten im Sachverhalt und im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.

Gegenstand der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG ist der Bescheid vom 23.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2022, mit dem die Beklagte die Versicherungssumme auf die Mindestsumme herabgesetzt hat. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei dem Schreiben vom 23.06.2021 um einen Verwaltungsakt handelt, so dass der Senat von einer eigenen Darstellung absieht und nach § 153 Abs. 2 SGG auf diese Ausführungen Bezug nimmt. Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat die Versicherungssumme zu Recht entsprechend ihrer Satzung auf die Mindestsumme reduziert (1.), die Satzung ist mit höherrangigem Recht vereinbar (2.).

1.

Nach § 53 Abs. 1 der Satzung erfolgt die freiwillige Versicherung auf schriftlichen oder elektronischen Antrag bei der Berufsgenossenschaft (§ 6 Abs. 1 SGB VII). Im Antrag soll die Versicherungssumme angegeben werden, die der Versicherung als Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen ist. Nach § 53 Abs. 6 gilt § 48 Abs. 6 der Satzung entsprechend. Dieser regelt, dass die Versicherungssumme die Summe aus Arbeitsentgelt (§ 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) und Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) nicht übersteigen soll. Nach § 48 Abs. 6 Satz 2 der Satzung kann die Berufsgenossenschaft verlangen, dass ein entsprechender Nachweis geführt wird. Wird der Nachweis nicht erbracht, gilt nach § 48 Abs. 6 Satz 3 der Satzung mit Wirkung des nächsten Monatsersten die Versicherungssumme gemäß § 47 Abs. 1 der Satzung.

Die Beklagte war berechtigt, Zweifel zu hegen, ob die Versicherungssumme in Höhe von 84.000 € noch der Summe aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen (§§ 53 Abs. 6 und 48 Abs. 6 der Satzung) und damit dem Ziel der Absicherung von unfallbedingten Einkommensausfällen entsprach, und Ermittlungen einzuleiten. Beim Kläger war zum einen aufgrund einer Aortendissektion eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert anerkannt worden. Zum anderen lagen beim Kläger auch weitere Zeiten langer Arbeitsunfähigkeit (z.B. von August 2020 bis April 2021) vor. Darüber hinaus hat der Kläger selbst mitgeteilt, dass er seit 2017 lediglich noch zu 40 % arbeite. Im Verfahren L 12 U 3204/23 (S 11 U 1875/20), in dem eine MdE um 50 v.H. gefordert wird, hat der Kläger vorgetragen, es bestünde eine erhebliche psychische Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Insofern sei es ihm aufgrund dieser psychischen Störung bzw. Verhaltensstörungen sowie depressiver Störung, welche medikamentös behandelt werde, lediglich möglich, seine selbständige Tätigkeit erheblich eingeschränkt auszuüben und in der Freizeit lediglich noch mit seinem Hund spazieren zu gehen. Soweit der Kläger vorträgt, es müssten noch Prozesse zur Höhe der Ersatzleistungen abgewartet werden, da diese dem Einkommen hinzuzurechnen wären, verkennt er, dass §§ 14, 15 SGB IV, nur solches Einkommen umfassen, das aufgrund einer Arbeitsleistung oder aufgrund einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird. Entgeltersatzleistungen oder Renten aus den gesetzlichen Sozialversicherungen sind vor diesem Hintergrund nicht als Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV anzusehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 15/02 R, juris, Rn. 27).

Zwar sieht § 48 Abs. 6 der Satzung vor, dass die Versicherungssumme die Summe aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen nicht übersteigen „soll“. Die Formulierung „soll“ macht i.S.e. sog. intendierten Ermessens deutlich, dass in der Regel die Versicherungssumme nicht höher sein darf als die Summe aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen. Nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles besteht ein Ermessen für die Behörde dahingehend, ob sie ein Übersteigen zulässt (Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 48 SGB X [Stand: 15.11.2023], Rn. 143). Ob ein atypischer Fall vorliegt, fällt nicht in den Ermessensbereich der Verwaltung (BSG, Urteil vom 29.06.1994, 1 RK 45/93, juris, Rn. 26). Der Senat vermag einen solchen atypischen Fall jedoch nicht zu erkennen. Darüber hinaus hat der Kläger keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen, die es rechtfertigen würden, vom Regelfall abzuweichen.

Ob die Versicherungssumme von zuletzt 84.000 € noch den Vorgaben der §§ 53 Abs. 6 und 48 Abs. 6 der Satzung entsprach, konnte die Beklagte nicht ermitteln, da der Kläger sich auf die Anforderungen der Beklagten vom 09.03.2021 und vom 28.05.2021 weigerte, entsprechende Nachweise vorzulegen. Anders als vom SG angenommen und im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes angedeutet, handelt es sich bei der Formulierung „kann die Berufsgenossenschaft verlangen“ nicht um die Eröffnung von Ermessen, sondern um ein sog. „Kompetenz-Kann“ mit dem der Behörde i.S.d. Vorbehalts des Gesetzes die Befugnis eingeräumt wird, Nachweise zu verlangen. Die Verwendung des Begriffs "kann" muss nicht zwangsläufig zum Ausdruck bringen, dass die Entscheidung nach Ermessen zu treffen ist (BSG, Urteil vom 08.02.2007, B 7a AL 36/06 R, juris, Rn. 14, auch zum Folgenden). So legen Regelungszusammenhang und Systematik nahe, dass es sich vorliegend gerade nicht um ein sog "Ermessens-Kann", sondern um ein sog "Kompetenz-Kann" handelt, das der Verwaltung lediglich die Befugnis einräumt, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen. Zunächst bestimmt § 48 Abs. 6 Satz 1 der Satzung, dass die Versicherungssumme die Summe aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen nicht überschreiten soll, hier wird bereits (intendiertes) Ermessen eingeräumt. Um jedoch diese Frage klären zu können, bedarf es einer Regelung, die die Beklagte ermächtigt, Ermittlungen durchzuführen und dazu in Rechte des Betroffenen einzugreifen, vorliegend § 48 Abs. 6 Satz 2 der Satzung, der der Beklagten das Recht einräumt, Nachweise zu fordern. In einem 3. Schritt wird sodann festgelegt, was folgt, wenn der Nachweis nicht erbracht wird, nämlich die Absenkung der Versicherungssumme auf die Mindestversicherungssumme. In diesem System wäre eine Ermessensregelung bei der Anforderung der Nachweise nicht zielführend, da kaum andere Möglichkeiten zur Erlangung der notwendigen Informationen als die Vorlage von entsprechenden Unterlagen durch den Betroffenen ersichtlich sind. Für die Beklagte bestehen keine Handlungsalternativen zu dem Anfordern von Nachweisen, um ihren in ihrer Satzung normierten Pflichten nachkommen zu können. Folglich hat die Beklagte von der ihr eingeräumten Kompetenz zutreffend Gebrauch gemacht.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass der Beklagten ein Ermessen eingeräumt wäre, läge eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da die Entscheidung der Beklagten die einzig mögliche war. Es sind keine Handlungsalternativen zu dem Anfordern von Nachweisen ersichtlich, die es der Beklagten ermöglich hätten, den in ihrer Satzung normierten Pflichten nachzukommen. Auch der Kläger hat diesbezüglich nichts vorgetragen.

Da der Kläger die Nachweise nicht vorgelegt hat, war nach §§ 48 Abs. 6 Satz 3 und 47 Abs. 1 der Satzung die Versicherungssumme ab dem nächsten Monatsersten auf die Mindestversicherungssumme herabzusetzen. Nach § 47 Abs. 1 der Satzung gelten als Jahresarbeitsverdienst (Versicherungssumme) für die kraft Satzung versicherten Unternehmer und Unternehmerinnen 70 % vom Hundert der jeweiligen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Die Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV ist eine gesetzlich vorgegebene Referenzgröße für die gesamte Sozialversicherung, die das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr darstellt, diese lag im Jahr 2021 bei 39.480 € (vgl. § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2021), so dass sich eine Versicherungssumme von 27.636 € errechnen würde. In § 53 Abs. 4 der Satzung ist festgelegt, dass die Versicherungssumme einer freiwilligen Versicherung mindestens 70 vom Hundert der Bezugsgröße des § 18 Abs. 1 SGB IV – gerundet auf den nächsthöheren 1.200 Euro-Betrag – beträgt, so dass sich der seitens der Beklagten angenommene Betrag von 28.800 € errechnet.

2. Rechtmäßigkeit der Satzung

Die Satzung der Beklagten begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die in der Satzung der Beklagten geregelten, hier angewandten Beitragsberechnungsvorschriften sind mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts und der Bestimmtheit von Gesetzen vereinbar. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist bei der Beitragsgestaltung ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen. Der Beitragsschuldner muss aus den die Beitragspflicht regelnden Rechtsvorschriften grundsätzlich auch ersehen können, wie sich der Beitrag zusammensetzt und welche Belastung ihn persönlich treffen kann, soweit dies im Rahmen eines Umlageverfahrens mit nachfolgender Bedarfsdeckung möglich ist. Die Merkmale, nach denen sich der Beitrag bemisst, müssen im Rahmen des Möglichen in der Satzung so genau bestimmt werden, dass die Beitragslast vorausberechnet werden kann. Von dieser Verpflichtung kann der weite Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, den das Gesetz der Selbstverwaltung hinsichtlich der Beitragsgestaltung in § 154 Abs. 1 SGB VII einräumt, grundsätzlich nicht entbinden (BSG, zu § 182 SGB VII, der ebenfalls Besonderheiten zu Berechnungen in der Satzung zulässt, Urteil vom 26.11.2019, B 2 U 29/17 R, juris, Rn. 24). Delegieren darf der Satzungsgeber solche Festlegungen, die er selbst nicht treffen kann, weil z.B. eine für die Beitragsberechnung benötigte Rechengröße im Vorhinein nicht bekannt ist. Auch insoweit müssen aber die Berechnungsmodalitäten aus der Satzung ersichtlich sein (vgl. BSG, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Es ist nicht ersichtlich, dass die hier angewandten Satzungsbestimmungen diesen Anforderungen nicht genügen. Die Regelungen der Beitragsberechnung entsprechen § 154 SGB VII, der als Berechnungsgrundlage statt der Arbeitsentgelte den kraft Satzung bestimmten Jahresarbeitsverdienst nennt. Der (dynamische) Verweis auf die Bezugsgröße begegnet keinen rechtlichen Bedenken (BSG, Urteil vom 19.06.2018, B 2 U 9/17 R, juris, Rn. 26), da die Bezugsgröße nach § 18 SGB VII konkret bestimmt ist und auf diese Weise eine jährliche Anpassung der Satzung vermieden wird.

3.
Die im Hilfsantrag erhobene Klage ist unzulässig, wie das SG zutreffend dargelegt hat, so dass der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG hierauf Bezug nimmt.

Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger führt den Rechtsstreit nicht als kostenrechtlich privilegierter Versicherter i.S. des § 183 SGG, so dass § 193 SGG keine Anwendung findet. Mit seiner Klage verfolgt er gegenüber der Beklagten keine Rechte als Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern wendete sich gegen die Erhebung von Beiträgen durch die Beklagte von ihm als Unternehmer i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst a, 123 Abs. 1 Nr 1 SGB VII (BSG, Urteil vom 26.11.2019, B 2 U 29/17 R, Rn. 32).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz; der Streitwert beträgt 55.200 € (84.000 € - 28.800 €).

 

Rechtskraft
Aus
Saved