L 17 U 17/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 479/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 17/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.10.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Feststellung weiterer Gesundheitsschäden aus einem anerkannten Arbeitsunfall im Jahre 2014 im Rahmen eines Überprüfungsantrages gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

 

Der 00.00.0000 geborene Kläger erlitt am 00.00.2014 einen Arbeitsunfall als er während seiner Tätigkeit bei der Firma F. auf der Treppe über eine Pappe ausrutschte und trotz Festhaltens am Geländer mit dem Gesäß auf eine Treppenstufe fiel. Laut Durchgangsarztbericht von C. vom 00.0.2014 zog der Kläger sich hierbei eine Zerrung des linken Oberschenkels zu. Äußere Verletzungszeichen waren nicht erkennbar, eine Muskellücke nicht tastbar und sonographisch bestand kein Anhalt für einen Muskelfaserriss. Am 24.03.2014 suchte der Kläger aufgrund starker Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich erneut den Durchgangsarzt C. auf. Eine Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule in zwei Ebenen und der Beckenübersicht ergab keine frischen knöchernen Verletzungen. Vom 14.03. bis zum 27.04.2014 war der Kläger arbeitsunfähig.

 

Am 14.05.2014 stellte sich der Kläger erneut wegen starker Schmerzen bei C. vor. Eine dort veranlasste radiologische Untersuchung ergab weiterhin keine knöchernen Verletzungen. In seinem Abschlussbericht vom 14.05.2014 beschrieb C. deutliche Hinweise auf osteophytäre Anbaureaktionen mit Spinalkanalirritationen im Sinne einer sich anbahnenden Spinalkanalstenose, Osteochondrose sowie Facettengelenksarthrose. Die geäußerten Beschwerden seien daher den degenerativen Veränderungen anzulasten.

 

Nachdem im Jahre 2014 und 2015 beim Kläger immer wieder Arbeitsunfähigkeit eintrat, wandte sich der Kläger im August 2015 per E-Mail an die Beklagte und klagte über Rückenprobleme. Ein daraufhin eingeholtes Gutachten von P., Facharzt für Chirurgie vom 22.10.2015 ergab, dass beim Kläger vielfältige degenerative Veränderungen an der Lendenwirbelsäule (LWS) und Brustwirbelsäule (BWS) vorlägen. Im nahezu gesamten Bereich der BWS sei es bei leicht vermehrter Brustkyphosierung zu Spangenbildungen und Verknöcherungen der Nachbarwirbel gekommen. An der LWS liege eine Osteochondrose an L2/3,  L3/4 und L5/S1 sowie eine Wirbelkanalenge im Segment L4/5 vor durch ausgewalzte Bandscheibe  vor. Hinweise auf frische oder ältere knöchernen Verletzungen lägen nicht vor. Es könne daher kein Zusammenhang zu dem Unfall festgestellt werden. Vielmehr bestünden schwerste Verschleißerscheinungen im Bereich der LWS. Diese Verschleißerscheinungen seien nicht auf den Unfall vom 14.03.2014 zurückzuführen. Es handele sich bei diesen Schäden um eine Schadensanlage, die zum Zeitpunkt des Unfalls bereits vorgelegen habe. In der Wissenschaft sei anerkannt, dass traumatische Bandscheibenverletzungen zum Beispiel nach einem Sturz nach aktueller Lehrmeinung immer nur dann als unfallbedingt anerkannt werden können, wenn als Unfallfolge auch knöcherne oder ligamentäre Begleitverletzungen festgestellt werden können. Sofern beim Kläger verschleißbedingte Bandscheibenvorwölbungen an verschiedenen Stellen vorliegen würden, seien diese nicht Unfallfolge. Die beim Kläger vorliegende starke innere Schadensanlage sei so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes andere Ereignis ebenso geeignet gewesen wäre, die Beschwerden des Klägers auszulösen. Als Unfallfolge lägen eine Zerrung des linken Oberschenkels und eine ausgeheilte Stauchung der LWS vor, so dass kein Anspruch auf Leistungen des Klägers bestünde.

 

Mit Bescheid vom 11.11.2015 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer Zerrung am linken Oberschenkel und eine Stauchung der LWS an, die jedoch am 27.04.2014 folgenlos ausgeheilt gewesen sei, so dass Leistungen über den 27.04.2014 hinaus nicht zu erbringen gewesen seien.

 

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte unter Hinweis auf das Gutachten von P. mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2016 zurück.

 

Das sich hieran anschließende Klageverfahren (S 16 U 226/16) blieb erfolglos, nachdem sich auch aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von G., Arzt für Unfallchirurgie, vom 24.01.2018, kein Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit dem Unfallereignis ergab. G. führte aus, dass bereits auf den Röntgenaufnahmen vom 21.03.2014 eine keilförmige Höhenminderung des 12. BWK mit sklerosiertem Einbruch der vorderen Deckplatte auffällig sei. Grundsätzlich könne zwar ein unfallbedingter Deckplatteneinbruch diskutiert werden. Weiterführende Diagnostik sei damals nicht veranlasst worden und hätten aufgrund des langen Abstands zum Unfallzeitpunkt nur noch eingeschränkte Aussagekraft. Die MRT-Untersuchungen aus dem Jahre 2016 ließen zwar ebenfalls eine sichere Abgrenzung degenerativer und posttraumatischer Veränderungen nicht zu. Die MR-morphologisch darstellbaren Deckplatteneinbrüche, sowohl am 12. BWK als auch an LWK 1 und 2 könnten auch eine schicksalshafte Reifungsstörung der Grund- und Deckplatten darstellen. Das diskutierte Schadensbild sowie der röntgenologische Verlauf sprächen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für chronisch degenerative Veränderungen. In der Abwägung, ob es sich um einen unfallbedingten Bruch oder eine schicksalhafte Reifungsstörung handele, sei zu berücksichtigen, dass gegen eine akute Fraktur der Deckplatte des BWK 12 die vollständig erhaltene Vorderkante spreche, eindeutige spodylotische Reaktionen von der Vorderkante des 12. BWK sowie eine ausbleibende Sinterung im weiteren Verlauf. Eindeutig unfallunabhängig habe zum Zeitpunkt des Unfalls ein fortgeschrittenes multi-segmentales Wirbelsäulenverschleißleiden bestanden. Sofern zuletzt ein Bandscheibenvorfall im lumbosakralen Übergang beklagt werde, so sei auch dieser nicht als Unfallfolge anzusehen. Denn eine traumatische Bandscheibenschädigung setze nach wissenschaftlicher Lehrmeinung regelhaft Begleitschäden an den Wirbelkörpern und/oder an den stabilisierenden Ligamenten voraus. Wegen fehlender äußerer Verletzungszeichen, die gerade im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen nicht festgestellt worden seien, könne ein Ursachenzusammenhang mit den vom Kläger geklagten Beschwerden gerade nicht hergestellt werden. Insgesamt seien die erheblichen Beschwerden des Klägers weit überwiegend unfallfremden Faktoren bzw. einer degenerativen Schadensanlage im Sinne eines weit fortgeschrittenen Wirbelsäulenverschleißleidens anzulasten. Dieses war anhand der vorliegenden Röntgenaufnahmen bereits zum Unfallzeitpunkt derart fortgeschritten, dass trotz vollständiger Beschwerdefreiheit auch durch andere Einwirkungen des täglichen Lebens innerhalb der physiologischen Belastungsgrenze eine vergleichbare Symptomatik in einem angemessenen Zeitraum zu erwarten gewesen wäre. Dass die Beschwerden erst nach dem Unfall vom 14.03.2014 aufgetreten sein sollten, widerspreche der obigen Argumentation nicht, da unter der Annahme einer bis dato klinisch stummen degenerativen Schadensanlage bereits derart fortgeschrittene Veränderungen der Wirbelsäule zum Zeitpunkt des Unfalls nachzuweisen gewesen seien, dass die persistierenden Beschwerden auch durch Belastungen innerhalb der physiologischen Belastungsgrenzen plausibel auszulösen wären. Die fehlende Dokumentation äußerer Verletzungszeichen, der offensichtlich nicht im Vordergrund stehende Leidensdruck an der Wirbelsäule zum Zeitpunkt der ärztlichen Erstuntersuchung sowie insbesondere der fehlende Nachweis von Unfallfolgen im Vollbeweis ließen eine anderslautende Bewertung nicht plausibel begründen.

 

Im Rahmen des gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 27.04.2018 eingelegten Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 10 U 318/18 wurde ein Gutachten von A., Arzt für Orthopädie vom 19.03.2019 eingeholt. A. kam zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger bestehenden Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen seien. Es fehle zum einen an einem Befund beim Kläger im Bereich des Brust/Lendenwirbelsäulenübergangs bei der ersten dokumentierten ärztlichen Untersuchung nach dem Unfall sowie der fehlende bildmorphologische Nachweis einer knöchern-reaktiver Veränderung als Folge einer frischen knöchernen Verletzung. Bei einer frischen Kompressionsfraktur des Brustwirbels wäre unfallnah eine entsprechende Symptomatik/klinischer Befund zu erwarten gewesen. Im Durchgangsarztbericht werde weder die Rumpfwirbelsäule noch ein Befund im Bereich des Brust/Lendenwirbelsäulenübergangs erwähnt. Auch sprächen die Begleitveränderungen an den benachbarten Wirbelkörpern gegen einen Unfallzusammenhang, da diese für eine Verursachung im Rahmen einer Wirbelkörperaufbaustörung sprächen. Im Verhandllungstermin am 07.08.2019 erklärte der Kläger die Berufung für erledigt.

 

Am 17.11.2019 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich des Bescheides vom 11.11.2015. Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheides mit Bescheid vom 19.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2020 mit der Begründung ab, dass sämtliche eingeholten Gutachten sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren zu dem Ergebnis gekommen seien, dass unfallbedingte traumatische Befunde der Brustwirbelsäule nicht festgestellt werden konnten. Vielmehr lägen beim Kläger ausschließlich degenerative unfallunabhängige Veränderungen an der Wirbelsäule vor, welche die Beschwerden des Klägers erklärten. Neue Erkenntnisse hätte der Kläger nicht vorgetragen, vielmehr ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Bericht des Herrn J. vom 18.02.2016 sogar, dass die fortbestehenden Beschwerden nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen seien, so dass einer Rücknahme des Bescheides vom 11.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 nicht entsprochen werden könne.

 

Hiergegen hat der Kläger am 31.08.2020 Klage zum Sozialgericht erhoben.

 

Der Kläger hat sein aus dem Vorprozess bekanntes Vorbringen wiederholt und vertieft.  Seine Wirbelsäulenleiden (Bandscheibenvorfall und BWK-Fraktur) seien auf den Arbeitsunfall vom 14.03.2014 zurückzuführen. Er verlange deshalb von der Beklagten die rückwirkende Rentenzahlung, einen ihm in der Zwischenzeit entstandenen Schadensausgleich und Schmerzensgeld. Zur Stützung seines Begehrens verweise er auf verschiedene ärztliche Behandlungsunterlagen, aus denen sich seiner Ansicht nach ergebe, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Arbeitsunfall Auslöser der bei ihm bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden sei. Er habe bis zum Arbeitsunfall einer als schwer einzustufenden Arbeit nachgehen und Sport in vielen Bereichen ausführen können, danach nicht mehr; es sei unlogisch den Arbeitsunfall anzuerkennen, die gesundheitlichen Folgen aber nicht; außerdem mache er geltend, er habe infolge des Arbeitsunfalls weitere Beschwerden (Kreislaufprobleme, Hör- und Sehprobleme) als indirekte Folgen des Arbeitsunfalls bekommen.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2020 zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 11.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 den bei ihm vorliegenden Bandscheibenvorfall, sowie die BWK-Fraktur als weitere Unfallfolge festzustellen und ihm dementsprechend rückwirkend Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent zu zahlen sowie die ihm daraus entstandenen Behandlungskosten zu erstatten.

 

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Mit Urteil vom 26.10.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: „Weder hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sein könnte. Wie sich aus dem gesamten Verlauf des Vorprozesses ohne begründete Zweifel ergibt, sind die vom Kläger geklagten Beschwerden eindeutig nicht mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall oder dessen Folgen zurückzuführen. Für die gegenteilige Annahme des Kläger spricht nichts. Sämtliche gehörten Sachverständigen gehen übereinstimmend davon aus, dass der beim Kläger nachgewiesene Vorschaden die wesentliche Ursache für die Wirbelsäulenbeschwerden ist. Insbesondere A. legt ausführlich in seinem nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten dar, dass keine weiteren Unfallfolgen vorliegen. Das Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen vorbehaltlos an. Daher lässt sich auch keine rentenberechtigende MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) begründen. Ebenso wenig hat die Beklagte weitere Behandlungskosten zu tragen.“

 

Gegen das dem Kläger am 26.11.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.01.2022 eingelegte Berufung. Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Er ist der Ansicht, man habe bei seiner ersten Untersuchung eine BWK-12 Fraktur und einen beidseitigen Bandscheibenvorfall übersehen. Alle seine gesundheitlichen Probleme, die er heute habe, seien auf den Arbeitsunfall vom 14.03.2014 zurückzuführen. Vor dem Unfall sei er gesund und sportlich gewesen. Der Unfall habe ihm einen Teil seines vorherigen intakten Lebens gekostet. M. von der W. Klinik V. und I. haben bestätigt, dass er bei dem Unfall eine BWK-12 Fraktur erlitten habe.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.10.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2020 zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 11.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 den bei ihm vorliegenden Bandscheibenvorfall, sowie die BWK-Fraktur als weitere Unfallfolge festzustellen und ihm dementsprechend rückwirkend Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent zu zahlen sowie die ihm daraus entstandenen Behandlungskosten zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung wiederholt die Beklagte im Wesentlichen ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren und verweist auf die eingeholten Gutachten von P., G. und A..

 

Mit Schreiben vom 25.03.2024 hat der Senat mitgeteilt, dass er wegen Erfolglosigkeit der Berufung beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Hierzu ist den Beteiligten die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.04.2024 gegeben worden. Der Hinweis ist dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am 27.03.2024 zugegangen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Vorverfahrensakte L 10 U 318/18 und der  Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

II.

Der Senat kann die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Er macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und eine mündliche Verhandlung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind dazu schriftlich gehört worden.

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

 

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bindenden Bescheides vom 11.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 und Anerkennung weiterer Unfallfolgen sowie Entschädigungsleistungen nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unzutreffend erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide entsprechen nach wie vor der Sach-und Rechtslage.

 

Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (st. Rspr., vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.02.2018 - B 2 U 8/16 R -, juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei müssen die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Vollbeweis, d.h. zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen Rechtsanwenders im Sinne subjektiver Gewissheit belegt sein. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen genügt demgegenüber der Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die reine Möglichkeit genügt nicht (st. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R -, juris Rn. 13; vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R -, juris Rn. 23 und vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, juris Rn. 24). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht in ihrer ersten Stufe zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Dabei ist auch die Frage zu beantworten, ob ein Ereignis nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen und welche Vorerkrankungen/Schadensanlagen ggfls. bestanden haben, die nach den genannten wissenschaftlichen Kriterien ebenfalls geeignet sind, die geltend gemachte Gesundheitsstörung zu bewirken (BSG, Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris Rn. 17). Erst wenn auf dieser ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier das Ausruschen und Hinfallen auf einer Treppe - eine naturphilosophische Ursache der Erkrankung ist, stellt sich auf der zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch wesentliche Ursache ist (st. Rspr, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 30.03.2017 - Az.: B 2 U 6/15 R -, juris Rn. 16 und vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R -, juris Rn. 19). Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden. Die rechtliche Wesentlichkeit ist zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.03.2017 a.a.O.).

 

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger am 14.03.2014 im Gebäude seines Arbeitgebers unstreitig einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten. Er hat jedoch zur Überzeugung des Senats  über die bereits anerkannte Zerrung des linken Oberschenkels und der Stauchung der Lendenwirbelsäule keine weiteren Gesundheitsschäden in Form  einer BWK-Deckenplattenimpression am 12. Brustwirbelkörper bzw.  eines Bandscheibenvorfalls am lumbosakralen Übergang  erlitten, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich  auf das geschilderte Unfallereignis zurückzuführen sind.

 

Zwar hält der  Senat ,  das als Unfallereignis zu Grunde zu legende Aufschlagen mit dem Gesäß auf einer Treppenstufe als stauchende axiale Belastung der Wirbelsäule grundsätzlich für geeignet , eine Fraktur an der Wirbelsäule in Form einer Deckplattenimpression und u.U. auch eine traumatische Bandscheibenschädigung am lumbosakralen Übergang zu bewirken.

 

Es lässt sich jedoch nicht zur Überzeugung des Senat wahrscheinlich machen, dass dieses Unfallereignis wesentliche (Mit-)Ursache für die morphologischen Veränderungen am zwölften Brustwirbel bzw. die vom Kläger geltend gemachten Bandscheibenvorfall ist. Es ist vielmehr eine konkurrierende Ursache in Form von Begleitveränderungen an den benachbarten Wirbelkörpern außerhalb dieses Ereignisses gesichert, die hinsichtlich ihrer Art und Stärke und unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände als tatsächlich und rechtlich allein wesentliche Ursache für die vorliegenden Veränderungen anzusehen ist.

 

 

Mit dieser Einschätzung folgt der Senat ebenso wie das Sozialgericht den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen G. und A. aus dem vorausgegangenen Klage- bzw Berufungsverfahren (Az. S 16 U 226/16 bzw. L 10 U 318/18) sowie P. aus dem vorausgegangenem Verwaltungsverfahren.

 

A. hat in seinem Gutachten vom 19.03.2019 in ausführlicher und überzeugender Weise herausgearbeitet, dass bei den ersten dokumentierten Untersuchungen nach dem Unfall kein Befund im Bereich des Brust/Lendenwirbelsäulenübergangs dokumentiert ist und  die erste Dokumentation eines Befundes an der Rumpfwirbelsäule nicht den Brust/Lendenwirbelsäulenübergang, sondern die mittlere Lendenwirbelsäule beschreibt. Zudem hat er festgestellt, dass ein bildmorphologischer Nachweis knöchern-reaktiver Veränderungen als Folge einer frischen knöchernen Verletzung im Brust/Lendenwirbelsäulenbereich fehlt. Es haben sich danach auf keinem der zahlreichen bildmorphologischen Befunden verletzungsspezifische Befunde gezeigt, die eine Zuordnung der Veränderungen am 12. Brustwirbel zu einer Verletzung ermöglichen würden. Da andererseits beim Kläger aber erhebliche Begleitveränderungen an den benachbarten Wirbelkörpern festgestellt wurden, die für eine Verursachung im Rahmen einer Wirbelkörperaufbaustörung (Morbus Scheuermann) sprechen, ist der Sachverständige A. daher für den Senat  gut begründet zu dem Ergebnis gekommen, dass sich ein Zusammenhang der morphologischen Veränderungen am zwölften Brustwirbel mit dem Unfallereignis nicht wahrscheinlich machen lässt.

 

Diese Feststellungen von A. stehen im Einklang mit dem ausführlichen und nachvollziehbar gut begründeten Gutachten von G. vom 24.01.2018. Insbesondere hat auch G. aufgezeigt, dass  gegen einen Unfallzusammenhang die im Zusammenhang mit dem Unfall im bildgebenden Verfahren festgestellten erheblichen degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule sprechen. Das diskutierte Schadensbild sowie der röntgenologische Verlauf sprechen danach mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für chronisch degenerative Veränderungen. In der Abwägung, ob es sich um einen unfallbedingten Bruch oder eine schicksalhafte Reifungsstörung handele, ist nach G. überdies zu berücksichtigen, dass gegen eine akute Fraktur der Deckplatte des BWK 12 die vollständig erhaltene Vorderkante sowie, eindeutige spondylotische Reaktionen von der Vorderkante des 12. BWK sowie eine ausbleibende Sinterung im weiteren Verlauf sprechen. Auch der  vom Kläger zuletzt beklagte Bandscheibenvorfall im lumbosakralen Übergang kann nach den Ausführungen von G.   nicht als Unfallfolge angesehen werden. Denn eine traumatische Bandscheibenschädigung setze nach wissenschaftlicher Lehrmeinung regelhaft Begleitschäden an den Wirbelkörpern und/oder an den stabilisierenden Ligamenten voraus. Diese Einschätzung von G. deckt sich mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft, wie er sich aus den Standardwerken der unfallversicherungsrechtlichen Literatur ergibt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 459 - 461 m. w. N.). Auch wegen fehlender äußerer Verletzungszeichen, die gerade im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen nicht festgestellt worden seien, kann mit G. ein Ursachenzusammenhang mit den vom Kläger geklagten Beschwerden gerade nicht hergestellt werden. Alles in allem sprechen daher auch nach dem Ergebnis des Gutachtens deutlich mehr Argumente gegen einen Unfallzusammenhang der Lendenwirbelsäulenbeschwerden sowie der Deckplattenimpression im Bereich des BWK 12 und eines Bandscheibenvorfalls am lumbosakralen Übergang als dafür.

 

Aus dem ebenso nachvollziehbaren und gut begründeten Gutachten von P. ergibt sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls, dass beim Kläger vielfältige degenerative Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule vorliegen und bereits zum Unfallzeitpunkt vogelegen haben. Hinweise auf frische oder ältere knöchernen Verletzungen konnte auch P. nicht feststellen. Vielmehr bestanden auch nach dessen Einschätzung schwerste Verschleißerscheinungen im Bereich der LWS, die nicht auf den Unfall vom 14.03.2014 zurückzuführen sind. Es handele sich bei diesen Schäden um eine Schadensanlage, die zum Zeitpunkt des Unfalls bereits vorgelegen habe. Hinsichtlich der vom Kläger nunmehr ebenfalls als Unfallfolge geltend gemachten Bandscheibenverletzung hat auch P. zutreffend festgestellt, dass in der Wissenschaft  anerkannt ist, dass traumatische Bandscheibenverletzungen zum Beispiel nach einem Sturz nach aktueller Lehrmeinung immer nur dann als unfallbedingt anerkannt werden können, wenn als Unfallfolge auch knöcherne oder ligamentäre Begleitverletzungen festgestellt werden können, was beim Kläger aber nicht der Fall ist .

 

Sofern der Kläger vorträgt, er habe vor dem Unfall keinerlei Beschwerden gehabt, führt auch dies zu keiner anderen Entscheidung des Senats. Denn alleine der zeitliche Zusammenhang reicht nicht aus, um einen Unfallzusammenhang zu begründen, zumal degenerative Veränderungen (Schadensanlagen) in der Regel stumm verlaufen, also keine Beschwerden verursachen. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -; juris Rn. 39). Sofern der Kläger weiterhin der Ansicht ist, sowohl M. vom W. Klinikum V. als auch I., der ein Gutachten in einem Rentenverfahren für das Sozialgericht erstellt hat, hätten bestätigt, dass seinen Beschwerden von dem Unfall herrühren, verkennt der Kläger, dass zum einen das Gutachten von I. in einem Rentenverfahren nach dem SGB VI eingeholt worden ist und der Sachverständige sich daher nicht mit der Zusammenhangsfrage beschäftigt hat und zum anderen M. in seinem Bericht vom 29.01.2019 lediglich von einem zeitlichen Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit dem Unfall spricht und dem Kläger eine Möglichkeit einer Begutachtung im Rahmen einer Zusammenhangsbegutachtung aufzeigt. Im Übrigen hat auch M. zusammenfassend festgestellt, dass beim Kläger neben degenerativen Veränderungen an der gesamten Lendenwirbelsäule und an Anteilen der Brustwirbelsäule auch ein Verdacht einer Höhenminderung des 1. LWK und des 12. BWK besteht.

 

 

Nach alledem hat der Kläger am 14.03.2014 einen Arbeitsunfall erlitten. Allerdings sind die begehrten weiteren Unfallfolgen nicht anzuerkennen und es bedarf daher auch keiner weiteren Prüfung, ob dem Kläger hierfür Entschädigungsleistungen zugestanden hätten.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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